Geheimnisse

 

 

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Kapitel 67: Das Ministerium


Eine Lüge ist wie ein Schneeball: Je länger man ihn wälzt, desto größer wird er.

Luther



Isa hatte ihre Haare streng nach hinten gebunden, so dass jede Narbe in ihrem Gesicht klar und deutlich zu sehen war. Erawin hatte seine alte Aurorenuniform herausgeholt, die viele der jungen Auroren als altmodisch und lächerlich ansahen. Was nicht über die Tatsache hinwegtäuschte, dass Erawin darin einfach sehr imposant und ernst aussah. Alastor sah seine Freunde an, auch er hatte sich umgezogen und wirkte nun nicht mehr wie der verschrobene Ex-Auror von nebenan. In den nächsten Stunden mußten sie alle mehr als Ernst sein und alle drei waren sich bewusst, dass es die längsten Stunden ihrer Leben seinen würden. Sie hatten alles bereit und das Ministerium wußte nur so viel, dass drei Auroren ihre Beweismaterialen per Portschlüssel und andere Reisezauber in das Ministerium bringen wollten. Moody hatte es so weit hingebogen, dass man dort nicht einmal genau wußte welche Auroren, sonst hätte man es ihnen nie gestattet, in den Hauptapparierflächen des Ministeriums zu landen.

Rita hatte sage und schreibe acht ihrer Kollegen und Kolleginnen überreden können mit ihr zu kommen. Die Eingangshalle war, wie von Moody prophezeit, immer noch für den regulären Verkehr offen. Rita stand in der großen Halle und sah sich skeptisch um.
"Wenn Sie mich angelogen haben, Mad Eye", murmelte sie und ihre Augen suchten die Halle ab.

Lupin wurde, fast wie von ihm erwartet, gefilzt und mußte einige unangenehme Fragen über sich ergehen lassen als er ins Ministerium wollte. Natürlich konnte jeder Zauberer noch hinein, aber die Wachen am Eingang hatten Listen und Fotos von bekannten Werwölfen, ehemaligen Schwarzzauberern und anderen dunklen Gestalten. Lupin war betont freundlich zu den Wachen und hoffte, Rita nicht aus den Augen zu verlieren. Einige Minuten später hatte er sie eingeholt. Die Reporterin stand in der Halle und sah sich suchend um. Lupin schlenderte betont lässig am Rand entlang und tat so, als ob er eine Wegbeschreibung genauer betrachtete.

"Fertig?" fragte Moody.
Ista und Erwain nickten und hoben ihre Zauberstäbe.
"Auf drei! Eins! Zwei! Drei!!" gab er den Befehl und sie verschwanden lautlos und sehr unspektakulär aus dem Haus von Peter Moray.

Später konnte Lupin nicht mehr sagen wie es geschehen war, aber plötzlich war der Hauptapparierplatz am Rande der großen Eingangshalle voll mit Kisten und einigen unidentifizierbaren Objekten. Kurz hörte man ein Oh und einige gemurmelte Fragen und einige junge Auroren nahe dem Platz standen völlig verblüfft und nutzlos herum. Was Lupin nicht wußte war, dass sie vom Büro der Auroren geschickt worden waren um den ankommenden Beweisberg mit zu tragen. Dann herrschte völlige Stille. Menschen beugten sich vor und die Treppen füllten sich mit Zauberern und Hexen. Lupin drängte sich sachte vor und fand sich neben Rita Krimkorn wieder, deren flotte Schreibefeder nur noch schemenhaft über dem Pergament zu erkennen war, so schnell schrieb sie. Lupin schnob angewidert, er kannte den Geruch von Leichen, aber Leichen hier? Er besah sich die anderen Objekte genauer. Es waren Leichen und was für übel zugerichtete. Eindeutig erkannte man gebrochene Gelenke, verbrannte Haut und einiges mehr, was Lupin nicht genauer betrachten wollte. Mit einem flauen Gefühl im Magen wandte er sich ab. Die Reporter begannen Fotos zu schießen und Ritas penetrante Stimme erhob sich über das einsame Geräusch der klickenden Photoapparate.
"Mr. Moody!" rief sie.
"Rita, wie schön Sie zu sehen", tönte die Stimme von Mad Eye über die Stille.
"Was haben Sie hier?"
"Das, meine Liebe, sind die Opfer des ehemaligen Auroren Peter Moray."
Ein Raunen ging durch die Menge.
"Sagten Sie Opfer?"
"Richtig Opfer", sagte Isas Stimme.
Lupin zog sich in eine Ecke zurück.
Er hatte in seiner Zeit als Werwolf viel gesehen aber das war schlichtweg furchtbar und grausam, ihm war schlecht.
"Wir haben sie in einem geheimen Keller in Peter Morays Haus gefunden und nachdem das Ministerium wollte, dass wir den Fall abschließen und bevor noch mehr aus dem Haus verschwinden konnte..." Isa ließ den Satz unvollendet.
"….Bringen Sie nun die Beweise zur Einlagerung ins Ministerium", schloß Rita und sie fuhr fort: "Gab es denn eine Anhörung und ein Urteil vom Ministerium über Peter Moray?"
"Das, meine Liebe, müssen Sie das Gericht fragen, aber was sehe ich, die Richterin ist ja hier. Fragen Sie das Hohe Gericht doch selbst", sagte Moody und seine Stimme klang zuckersüß dabei.
Lupin sah auf den Stufen das versammelte Gericht und die hohe Richterin selbst. Die Frau war hochrot und wirkte sehr zornig. Die Photographen schossen schon die ersten Bilder der Richterin, bevor sich diese beruhigt hatte.
Die Richterin wirkte als hätte man ihr Gift eingeflösst, das nun langsam begann ihre Eingeweide aufzulösen. Sie antwortete mit kaum geöffneten Lippen: "Das Hohe Gericht wird sich mit dem Fall noch genauer beschäftigen."
Lupin sah wieder zu Moody und konnte einen Blick durch die Menge auf ihn erhaschen: Er verbeugte sich höflich vor der Richterin.
"Mr. Moody, was konnten Sie bei den Leichen alles feststellen und warum konnte einer unser eigenen Auroren ohne Wissen des Ministeriums dies bewerkstelligen." Rita trat geschickt über die Leichen, wich den Kisten aus und stellte sich neben Moody.
Moody schenkte ihr sein grausigstes aber offenstes Lächeln und begann zu erklären.
Seinen Beschreibungen glichen einem Alptraum und zeigten, dass selbst Auroren nicht unfehlbar waren.
Aus dem Augenwinkel sah Moody wie eine zerlumpte und schäbig gekleidete Figur sich zurückzog. Ihm kam eine Idee und er sah sich schnell um - eine ihm weitere wohlbekannte Figur stand nicht unweit von ihm entfernt. Für die Zauberer und Hexen, die nahe bei ihm standen, hörte es sich an wie ein lauer Frühlingshauch mit einem dringenden Unterton. Die Hexe mit den weißen Haaren sah in den Gang und erkannte die Gestalt, die darin verschwand. Ein fernes Donnerngrollen antwortete und Moody konzentrierte sich wieder auf die Menge, die ihn nun mit Fragen bombardierte.

Lupin zog sich in einen Seitengang zurück, er hatte genug gehört, gerochen und gesehen. Warum hatte Mad Eye dies getan? Er hatte das Gericht, das Ministerium, alle bloß gestellt. Alle wußten nun, dass hier etwas vertuscht werden sollte. Die Fragen von Rita waren im Gang, wo Lupin nun schwer gegen die Wand lehnte, nur noch ein Raunen, so wie das Gemurmel der Menschen.
Er beschloss das Ministerium auf Umwegen wieder zu verlassen. Er mußte nicht noch einmal in die große Halle. Leise ging er durch Kellergewölbe und durch offengelassene Büros. Als registrierter Werwolf kannte er das Ministerium wie kein anderer. Plötzlich glaubte er einen Hauch von Frühling zu hören. Verblüfft blieb er stehen. Er hörte den Frühling? Wie konnte man eine Jahreszeit hören. Er sah nach oben - war ein Zauber fehlgeleitet worden? - und stolperte in eine kleine, zierliche, weißhaarige Hexe.
"Oh, entschuldigen Sie", murmelte er und fuhr sich nervös durch seine ebenfalls sehr grauen Haare.
"Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen", raunte die Hexe und es klang wie Tau in der Morgensonne.
Lupin fuhr es kalt den Rücken hinunter, als er die Hexe ansah.
"Wir haben einen gemeinsamen Freund, er hat gehofft, dass Sie kommen", sagte sie leise.
"Unser Freund kennt mich wohl gut", antwortete Lupin vorsichtig.
"Alastor...", die Hexe sang förmlich seinen Namen und es lag so viel Vertrauen und Dankbarkeit darin, dass es Lupin den Hals zuschnürte, "meinte Sie sollten nach seinem Haus sehen. Es sei wichtig, dass nun jemand die nächsten Tage dort sei."
Lupin nickte nur, er kannte Alastors Haus und wußte wo es war.
"Hier, das ist noch für Sie. Werwolfsbanntrank für den nächsten Vollmond." Sie reichte ihm eine verkorkte Flasche. "Ich habe einen Weg gefunden ihn länger haltbar zu machen."
"Danke."
"Viel Glück Remus Lupin." Als sie seinen Namen sang war Lupin verblüfft.
Wenn diese Frau seinen Namen sagte glaubte er wieder ein normaler Mensch zu sein und kein Werwolf, so viel Zufriedenheit und Glück schwang darin.
Damit verschwand sie in den unterirdischen Gängen und der geraunte Frühling mit ihr.
Leise und unbemerkt verschwand Remus aus dem Ministerium und machte sich auf den Weg zu seinem Haus, um dort einige Sachen zu holen. Wenn er auf Alastors Haus achten musste, und so wie es sich anhörte war es mehr als eine Nacht, benötigte er einige Kleinigkeiten aus seinem Haus.

Als Lupin sich am nächsten Tag auf den Weg zu Moodys Haus machte, hatte er einen alten Muggelrucksack geschultert und sein weniges Muggelgeld zusammengekratzt, um den Bus und die U-Bahn zahlen zu können. Noch am gleichen Abend, als er packte hatte, waren prompt Ministeriumsleute vorbeigekommen, um ihm Fragen zu stellen. Es waren immer die gleichen Fragen und immer noch konnte er nur die gleichen Antworten geben. Remus hatte den dunklen Verdacht, dass sie nur darauf warteten, dass er Fehler machte. So hatte er beschlossen, den Muggelweg zu Alastors Haus zu nehmen.

Natürlich starrte man ihn auf der Straße an und wie immer, wenn er die Wege der Muggel verwendete, waren es mehr die Erwachsenen, die sich an seinem heruntergekommenen Aussehen störten. Den Kindern machte es wenig aus. So war es kaum verwunderlich, dass er sich in der U-Bahn umringt von Erstklässlern befand, die gerade einen Ausflug machten. Sie lachten und scherzten und einige lächelten Lupin sogar scheu an. Die Erwachsenen hatten von ihm so weit Abstand genommen wie es ging. Die Unbeschwertheit der Kinder hob die Stimmung von Remus und so ging er pfeifend am Park entlang auf Moodys Haus zu. Er mochte Moodys Haus, auch wenn sein erstes Eintreffen dort mehr als ungewöhnlich war. Genauer gesagt hatte James ihn einmal dort hingebracht, nach dem er einige besondert schwere Werwolftage hinter sich gebracht hatte. Schwer verletzt und ohne Geld hatte St. Mungos sich geweigert einen Werwolf aufzunehmen. Auch als James Potter das Geld vorlegen wollte lehnte man sie weiterhin ab. Lupin hatte sich damals keine Illusionen gemacht, Werwolfsblut war hoch kontaminiert wenn die Rückverwandlung nur einige Stunden zurück lag. Im Krankenhaus wollte man keinen Skandal und ein verletzter Werwolf war weniger skandalös als durch Werwolfsblut infizierte Mitarbeiter. So hatte James ihn zu Moody gebracht, weil dieser die einzige Person war, die James in London kannte und der er vertraute. Mit Dumbledores, Madame Pomfreys und McGonagalls Hilfe wurde er wieder geheilt. Sein Haus war damals in einem ruinösen Zustand gewesen und für einen Kranken eine Zumutung. Jetzt war es keine Ruine mehr, James und Sirius hatten alles daran gesetzt es wieder zu renovieren.

Tief seufzend kam er nun vor Moodys Haus zum Stehen. Als er es verlassen hatte war er in ein frisch renoviertes und für Werwölfe ummodifiziertes Haus zurückgezogen. Nun war es an der Zeit dem alten Auror zu helfen. Verblüfft stellte er fest, dass die Tür nicht abgeschlossen war und keine weiteren Schutzzauber darüber lagen. Das sah Mad Eye gar nicht ähnlich. Vorsichtig öffnete er die Tür und schob sich leise in die große Eingangshalle. Ebenso leise schloß er wieder die Tür und verriegelte sie mit den normalen Muggelriegeln. Mit gezücktem Zauberstab schob er sich dann weiter in den Raum. Alle seine Sinne arbeiteten auf Hochtouren, doch sie bereiteten ihn nicht auf diesen Angriff vor. Aus den Augenwinkeln sah er einen großen weißen Schemen und es schleuderte ihn durch den halben Raum, Remus' Zauberstab schlitterte in die andere Richtung davon. Halb benommen sah er auf und wieder stürmte das große weiße Ding auf ihn zu. So schnell er konnte robbte er rückwärts und diese wenigen Sekunden erlaubten ihm, einen genaueren Blick auf das zu werfen, was ihn da angriff. Es war ein Einhorn! Und ein sehr zorniges noch dazu. In einem Bruchteil einer Sekunde wußte er was zu tun war und er warf sich rücklings auf den Boden und bot dem Tier seine Kehle an. Jedes Tier in der Natur, egal ob magisch oder nicht, kannte diese Geste der völligen Unterwerfung unter Gleichgesinnten oder solchen, die mit friedlicher Absicht kamen. Vor Zorn zitternd stoppte es seinen Angriff und senkte bedrohlich seinen Kopf mit dem tödlichen wunderbaren Horn.

"Remus Lupin", erklang eine tiefe und wohlklingende Stimme aus den oberen Stockwerken und es folgte ein Hufgeklapper.
Von seiner recht unbequemen Haltung am Boden aus sah Lupin wie ein Zentaur in sein Blickfeld trat, genauer gesagt ging er gerade die Treppe nach unten.
‚Seit wann können Zentauren Treppen gehen?', dachte er verblüfft, doch das Horn an seiner Kehle brachte ihn zurück in das Hier und Jetzt.
"Remus Lupin", wiederholte das magische Wesen und trat nun neben das Einhorn.
"Und Sie sind?" krächzte dieser.
"Was machen Sie hier?" Der Zentaur ging nicht auf seine Frage ein, vielmehr wirkte er skeptisch und misstrauisch.
"Alastor schickt mich. Ich sollte auf sein Haus aufpassen, er hat im Ministerium eine Bombe hochgehen lassen", hauchte Remus und versuchte dem Horn etwas auszuweichen, was das Einhorn nicht zuließ.
"Eine Bombe?" fragte der Halbmensch verwirrt und sah nach oben in die Galerie. Was er da sah erkannte Remus nicht.
"Ja, er hat vor der halben Presse des Tagespropheten und zig weiterer Zeitungen halb vermoderte und mumifizierte Leichen aus Morays Keller mitten im Ministerium auftauchen lassen. Ich glaube, er rechnet nicht damit die nächsten Tage wieder hierher zu kommen." Remus war kaum noch zu hören.
Der Zentaur sah wieder nach oben, dann klopfte er dem Einhorn auf die Schulter und raunte etwas in seiner eigenen Sprache.
"Bewegen Sie sich ganz langsam", mahnte er, als das Einhorn zwei Schritte zurücktrat.
"Danke", murmelte Lupin und rieb sich die Kehle. "Werwölfe haben es anscheinend dieser Tage wirklich nicht leicht."
Der Zentaur sah ihn nun mit einem Lächeln an. "Wenn Sie kein Werwolf gewesen wären, würden Sie nicht mehr leben. Ihre Reaktion war die einzig richtige und nur ein Werwolf kann tierische und menschliche Instinkte in sich vereinen."
"Sie kennen meinen Namen, aber ich nicht den Ihren", versuchte Remus den mutigen Anfang eines normalen Gespräches.
"Firenze. Ich bin Firenze", gab der Zentaur Antwort. "Und ich müßte lügen wenn ich nicht sagen würde, wir sind froh dass Sie da sind, Remus Lupin."
"Remus. Firenze. Einfach nur Remus." Mit diesen Worten reichte Remus dem Zentauren die Hand, Firenze nahm sie und schüttelte sie sachte.
"Willkommen Remus, bitte folgen Sie uns."




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