Es gibt für Unzählige nur ein Heilmittel -
Die Katastrophe.
Morgenstern
Stufen, Lebensweisheiten, 1910
Sirius rannte und rannte. Er rannte sich den Frust, die Sorgen und die Ängste von der Seele. Sogar Firenze hatte Mühe ihm zu folgen und dennoch tollten die beiden durch den Park wie ein junger Welpe mit einem Fohlen. Manchmal schnappte er spielerisch nach Firenzes Vorderbeinen, dieser tänzelte und spielte das Spiel mit. Es war pure Energie und pure Freude in ihrem Spiel. Die Tiere beobachteten sie stumm aus ihren Verstecken. Es lag zu viel Magie in der Luft, als dass sich die normalen Stadtwesen heraus getraut hätten.
Snape zitterte am ganzen Körper als er die Zeitungen weiter durchblätterte. Seine klammen und noch etwas steifen Finger hatten Mühe die Seiten zu fassen, dennoch fand er immer wieder einen Weg die Seite weiter zu blättern. Immer weiter und immer weiter in die Geschichte. Zuerst diese massive Magiestörung, Flohnetzwerk gestört, apparieren großflächig nicht mehr möglich und diese komplette Isolation von Hogwarts. Snape konnte nur erahnen welche große und mächtige Magie hier am Werk gewesen war, und dann, einige panische Tagespropheten weiter... - der Schock, das Unglaubliche: Albus Dumbledore tot. Seitenlang war seine Todesanzeige um nur einige seiner Auszeichnungen und Verdienste fassen zu können.
Tot.
Dumbledore tot.
Sein Herr tot.
Unfähig es glauben zu können las er es immer und immer wieder. Doch die grausame Nachricht änderte sich nicht. Sie war so endgültig und klar wie auf Sonnenschein auf die Nacht kommen mußte.
Schwer atmend lehnte er sich gegen die Kommode und schloss voll Bitternis die Augen. Deswegen war Sirius bei ihm und auch Mad Eye Moody. Deswegen war Dumbledore nicht gekommen, sein Herr würde nie wieder kommen um sein Eigentum zu sehen. Mit ihm zu sprechen, ihm neue Befehle geben.
In seinem Geist arbeitete es fieberhaft, er versuchte zu begreifen was geschehen war. Wie konnte Albus Dumbledore sterben? Wie? Er war doch der größte Zauberer aller Zeiten! Seine Gedanken überschlugen sich und suchten aus dem Wirrwarr an Informationen einen Ausweg.
Immer noch zitternd sah er auf und plötzlich breitete sich eine eigenartige Ruhe in ihm aus. Er, Severus Snape, wußte was zu tun war und ihm blieb nicht viel Zeit. Unendlich sanft streckte er die Hand nach dem Einhorn aus.
"Komm meine Schöne, ich habe noch etwas zu erledigen."
Das Tier senkte gehorsam den Kopf und erlaubte dem schwachen Mann, sich um seinen Hals zu klammern. Sachte, als ob es eine Schneeflocke aufhob, half es dem verletzten Zauberer wieder auf die Beine. Leise beruhigend summend klopfte er dem magischen Wesen den Hals.
Sirius bemerkte den violetten Streifen am Horizont und blieb hechelnd stehen. Firenze kam neben ihm zu stehen und sah gleichfalls in den Himmel.
"Der Morgen kommt", flüsterte der Zentaur und hob die Arme, um die Sonne willkommen zu heißen. Leise und schnell sprach er in der uralten Sprache der Zentauren einen Willkommensgruß.
Dann trotteten beide ruhig, müde und doch erholt zurück zum Haus. Noch im großen Flur verwandelte sich Sirius zurück. Lachend klopfte er dem schweißnassen Zentauren auf den Rücken.
"Oh Firenze das war wunderbar", sagte er und schüttelte sich das schweißnasse Haar aus dem Gesicht.
"Sie sind ein schneller Läufer als Hund, Sirius Black, wobei ich glaube als Mensch hätten Sie gegen mich keine Chancen", meinte der Zentaur ruhig.
Black lachte wieder und nickte. "Das kann gut sein. Das kann gut sein."
Firenze sah die Treppe nach oben. "Ich werde nach Snape sehen."
"Gut ich geh in die Küche und hole mir etwas zu essen", antwortete Sirius gut gelaunt.
Ja das war ein guter Abend gewesen, ein wirklich guter Abend. Er fühlte sich trotz Schmerzen in den Handgelenken ausgeglichen und voller Energie.
In der Tür zum Küchengewölbe kam er zum Stehen. Das Einhorn stand grell-weiß und unwirklich in der Küche und knabberte seelenruhig an einem aufgebrochenen Salat. Die halbverwelkten Kräuterpflanzen in den Töpfen blühten wieder zu Höchstform auf und wetteiferten mit ihren betörenden Gerüchen. Was hatte das Einhorn hier zu suchen? Langsam betrat er den Raum. Es sollte doch bei Snape sein! Langsam näherte er sich dem Tier, das ihm ruhig entgegen sah. Die uralten Augen sahen ihn nur an und dann wandte es den Kopf Richtung Kochstelle. Die Kochstelle war wie bei den meisten alten Häusern am anderen Ende der Küche und bestand aus einem großen offenen Kamin und einem großen geschlossenen Ofen. Jetzt mischte sich zu dem kräftigen Geruch der Kräuter auch ein anderer Geruch hinzu. Sirius folgte seiner Nase und fand einen kleinen Kessel am Rande der offenen Feuerstelle. Es stank aus dem Kessel und die Farbe des Gebräues gefiel Black auch nicht. Es war ein giftiges Grün. Er schreckte hoch.
Gift!!
Snape stand im großen repräsentativen Wohnraum des Hauses und sah aus dem Fenster. Seltsam war es schon gewesen, wie leicht ihm dieser Trank gefallen war. Trotz seiner Schwäche war er perfekt. Nicht umsonst nannte man ihn den Meister der Zaubertränke und dieser Trank war ein wahres Kunstwerk geworden. Die Farbe war von einem so klaren und betörenden Grün, wie es nur Gifte haben konnten und Gifte kannte er dank seiner Zeit bei Voldemort zur Genüge. Diesmal hatte er sich selbst einen Gefallen getan, es war ein schnellwirkendes Gift, das sein Opfer nicht einmal im Tod entstellte. Es gab durchaus Gifte, die das Opfer in Qualen und Krämpfen sterben ließ, der Anblick war nicht sehr schön. Fast war Severus versucht gewesen sich einen dieser Tränke zu brauen, doch so viel Zeit hatte er nicht gehabt und außerdem wäre es Sirius Black und dem Zentauren gegenüber unfair gewesen. Seltsam war nur, dass das Einhorn nichts unternommen hatte ihn zu stoppen. Dabei hatte es ihn so lange am Leben erhalten. Gern wollte er diesem Gedankengang noch nachhängen, doch die Zeit drängte. Langsam hob er den kristallenen Kelch, hob ihn zu Ehren Dumbledores und schloss die Augen. Die ersten Sonnenstrahlen trafen das Haus und tauchten den Wohnraum in ein noch sanftes goldenes Licht.
Sirius öffnete die Tür zum Wohnraum und sah Snape aufrecht und gerade am Fenster stehen. Die Augen geschlossen, das Gesicht unendlich ruhig und gelassen, den klaren Kelch mit der grünen Flüssigkeit angehoben.
"UNTERSTEH DICH DU BASTARD!!" schrie Sirius und seine Stimme donnerte wie ein Gewitter im Raum.
Wütend und vor Zorn bebend betrat er den Raum und wiederholte seine Worte: "Untersteh dich du Bastard!"
Snape trank nicht, stattdessen sah er Black mit einer Gleichgültigkeit entgegen, die den Zorn in Sirius nur noch mehr anfachte.
"Wage es ja nicht!" zischte Black und kam vor Snape zum Stehen.
"Er ist tot", antwortete Snape mit Grabesstimme.
Sirius wusste, dass er von Dumbledore sprach, irgendwie hatte er es herausgefunden. Bei Merlin, er hätte das Haus nicht verlassen dürfen!
"NA UND?" schrie er wieder Severus an. "NA UND?"
"Ich habe hier nichts mehr zu suchen, ich folge ....."
"Verfluchter Bastard! Nur weil ein Mensch gestorben ist heißt das noch lange nicht, dass man ihm folgen muss!" unterbrach Sirius Snape.
"Er ist mein Herr und ich gehöre ihm. Das Eigentum folgt dem Herrn", sagte Severus mit einer Logik, wie sie nur Menschen haben konnte, die sich nie selbst gehört hatten. Sehnsüchtig sah er den Kelch in seinen Händen an.
"Du Egoist! Denkst du überhaupt einmal auch an die anderen!" Sirius' Stimme überschlug sich beinahe.
Snape blinzelte verwirrt. Er ein Egoist? Nein das war er nie gewesen, auch wenn es den Anschein gehabt hatte, seine Intensionen galten immer anderen.
Sirius ballte nun die Hände kurz zu Fäusten und trat weiter auf Snape zu, bis ihn nur noch eine Handbreit von dessen Gesicht trennte.
"Was glaubst du haben Firenze, das Einhorn und Mad Eye riskiert für dich?!" fauchte Sirius.
Snape schwieg.
"Wie kannst du es wagen?! Wie kannst du es wagen, diese Mühen zunichte zu machen?! Du egoistischer Bastart!" zischte er gefährlich leise.
"Aber er ist tot!" antwortete Snape ruhig und Sirius sah, dass die Augen von Severus schon lange tot waren. Es waren zwei dunkle tiefe zerschmetterte Teiche, die nur noch sein Gesicht wiederspiegelten. Es hieß, die Augen seien der Spiegel der Seele, Sirius sah keine Seele mehr. Irgendwie hatte Snape doch das Recht zu gehen. Zweifel machten sich in ihm breit, aber er konnte es doch nicht zulassen! Fieberhaft arbeitete es in Sirius' Geist. Snape wartete, seltsam dass er wartete, als ob er Sirius die Zeit geben wollte zu verstehen, zu begreifen warum dies für ihn so wichtig war.
"Ich...", begann Sirius und seine Stimme zitterte nun.
"Ich habe...", versuchte er von neuen.
"Ich habe doch nicht..."S seine Stimme zitterte mehr und nicht nur seine Stimme, er spürte, dass seine Hände auch zitterten.
"Ich habe... doch... nicht...", und eine Welle von Schmerz und Dunkelheit schlug über Sirius Black zusammen.