Die lächerlichsten und kühnsten Hoffnungen waren manchmal schon die Ursache außergewöhnlicher Erfolge
Luc de Clapiers
Er konnte nicht schlafen, selbst die Dunkelheit der Ohnmacht wollte nicht kommen. Minute um Minute sehnte er sich diese Ruhe herbei. Nur ein wenig Ruhe, ein wenig Schlaf. Warum konnte er nicht schlafen? Mit was hatte ihn Moray verflucht? Snape lag immer noch so auf dem Boden wie ihn die Ketten freigelassen hatten. Die Fackeln tauchten den Kerker in ein warmes Licht. Innerlich seufzte er, es war schon verrückt. Da lag er und das Licht kam ihm warm vor! Severus suchte angestrengt in seinem Kopf, warum er das Licht als warm empfand. Rosiers Kerker war kalt, alt und schwarz gewesen. Die einzige Fackel, die es dort gegeben hatte, konnte man damals kaum als richtige Lichtquelle bezeichnen. In Voldemorts Kerkern waren auch Fackeln, jedoch auch oft gemischt mit kränklichen grünen und blauen Magielichtern. Am Rande seine Überlegungen stellte er fest, dass diese Gedankengänge ihn davor bewahrten vor Unsicherheit verrückt zu werden. Es war dieses Unwissen was ihn hier so verletzlich machte, und diese so penibel sauber gehaltene Umgebung. Wie krank war Moray wirklich in seinem Kopf? Ein Mann der folterte in seiner eigenen Folterkammer? Dazu noch ein Auror des Ministeriums?
Kerker.
Er wollte lachen, doch es ging in einem Hustenanfall über.
Kerker.
Warum waren es immer Kerker und solche Folterkammern, in denen er landete? Egal für welche Seite er je gearbeitet hatte, zum Ende hin hat es immer in einem Kerker geendet. War das hier das Ende? Vorsichtig hob er die noch unverletzte Hand und begann die Steinfurchen im Boden nachzuzeichnen. Doch selbst das wollte nicht gelingen. Der Boden hier war glatt, so glatt als wäre man mit einem riesigen Hobel darüber gefahren. Die Furche konnte man sehen aber nicht spüren. Alles wurde ihm hier genommen, selbst die ihm so vertrauten Rituale. Die Furchen in den Kerkern waren damals wie seine Freunde gewesen. Alles hatte man ihm nehmen können, sein Gehör und selbst das Licht. Aber das Gefühl von Unregelmäßigkeiten, von Berührung, war immer da gewesen in den Steinfugen des Bodens. Sie hatten etwas Tröstliches gehabt. Es gab ein leises Klicken als die Kerkertür geöffnet wurde. Kraftlos ließ Snape die Hand auf dem Boden liegen, er versuchte nicht mal aufzusehen oder sich zu bewegen.
Moray behielt einen sicheren Abstand zu seinem Opfer. Er unterschätzte sie nie. Einmal hatte einer versucht ihn anzuspringen und mit seinen eigenen Folterwerkzeugen zu erschlagen. Geschickt war der Auror damals ausgewichen und der Todesser hatte seinen Angriff bitter bezahlt. Die Nacht hatte er nicht überlebt. Snape schien so klug zu sein es erst gar nicht zu versuchen. Ein dünnes Lächeln umspielte die Lippen des Auroren und er schwang wieder seinen Zauberstab. Er hatte heute Vormittag noch etwas Zeit und die Nacht ohne Schlaf dürfte sein Opfer bereits etwas mürbe gemacht haben. Das machte die meisten mürbe. Er murmelte wieder einen Zauber und die Ketten verlängerten sich wie die Fangarme einer Tintenfisches, griffen nach Snape und rissen ihn unsanft wieder nach oben. Erschöpft und mehr in den Ketten hängend als stehend sah Snape Moray an. Die Augen so tief und dunkel, sie hatten Moray noch Tage nach dem Überfall auf die Longbottoms verfolgt. Er, der kein Gewissen hatte wenn es um Todesser ging, wurde damals von dem Schatten eines gerade solchen verfolgt. Damals hatte man den nahen Tod schon sehen können, doch hier schrieen sie nur nach Ruhe nach etwas Schlaf. Moray tippte mit dem Zauberstab gegen seine Nase, der nächste Schritt mußte wohl überlegt werden.
Snape war erschöpft und müde. Er wollte Ruhe haben und nicht noch eine weitere Runde Katz und Maus spielen. Die kühlen Augen des Auroren wogen wieder Möglichkeiten ab, wie ein Chirurg vor einem Eingriff. Wie weit konnte er diesmal gehen. Innerlich betete Snape, dass der Auror endlich die Grenze überschritt und er nicht mehr lange in diesen Gewölben leben musste.
"Nun denn, Mr. Snape. Wollen wir uns also etwas über Ihren Herrn unterhalten", murmelte der Auror zuckersüß.
Der Todesser zuckte zurück. Über Dumbledore? Wußte Moray von Dumbledore? Er zögerte.
Moray murmelte etwas und Severus hatte plötzlich das Gefühl, dass er in glühenden Kohlen stand. Seine Nerven spielten verrückt und er schrie auf, versuchte dem Schmerz zu entgehen.
"Tztzt. Nicht zögern - erzählen, sprechen. Sie werden feststellen, dass ich ein guter Zuhörer bin, Mr. Snape. Ein sehr guter sogar." Moray wagte sich weiter vor, bis Snape beinahe seinen Atem auf dem Gesicht spüren konnte. " Erzählen Sie mir etwas über den Dunklen Lord."
Innerlich atmete Snape auf, Moray ahnte also nichts von Dumbledore, wenigstens dieses Geheimnis durfte mit ins Grab nehmen.
"Ich wüßte nicht was ich Ihnen sagen könnte", brachte er mühsam hervor.
"Oh ich glaube eine ganze Menge. Immerhin standen Sie ihm ja sehr nahe", meinte Moray und seine Stimme klang falsch freundlich.
"Wenn ich ihm etwas bedeutet hätte, würde ich nicht hier sein, oder?" Severus war über seine harschen Worte überrascht. War er doch noch nicht bereit so leicht aufzugeben? Etwas in ihm wollte dagegen kämpften, Zeit gewinnen. Aber wofür?
Morays Lächeln verschwand und der Kristall begann leise weiter zu brechen.
***
Dumbledore war verblüfft. Gryffindor vermischte verschiedene Zaubersprüche und Apparate zu etwas einzigartigem. Allein hätte dieser Geist in dem Körper eines Jugendlichen nicht so viel erreicht, aber ihm stand auch einer der mächtigsten Zauberer der Neuzeit an der Seite. Albus Dumbledore!
Sie arbeiteten im Team und sehr schnell erkannte der alte Mann ,warum Gryffindor und Slytherin so gute Freunde gewesen waren - ein unschlagbares Team. Dumbledore mußte all seine Gryffindor-Ambitionen über Bord werfen und während der hochkomplizierten Arbeit wie ein Slytherin denken. Scharfsinnig und glasklar und sofort bereit, mit kühler Logik einzugreifen, kein Gefühl, nur Wissen.
Sie woben die kompliziertesten Sprüche zusammen und der Direktor begann wenigstens ansatzweise zu verstehen, wie die Schutzzauber um die Schule funktionierten. Wobei selbst er das Gefühl hatte, der alte Geist in Harry Potter kratzte nur oberflächlich an seinem Können und Wissen. Der Geist war Gryffindor durch und durch, lebhaft, mutig und sehr stolz, sprunghaft, und er handelte sehr aus dem Gefühl heraus. Aus dieser tiefen Überzeugung heraus sprach er seine Zauber und setzte alte Geräte neu zusammen.
Es wurde tatsächlich eine Art Wegfinder-Karte, jedoch vermischte Gryffindor einen alten Verschwindezauber mit einem Aufrufezauber, mitten in diesen Zauber stellte Gryffindor ein altes Gerät, von dem selbst Dumbledore nie ganz erfahren hatte wozu es eigentlich gut war. Die Arbeit war anstrengend und sehr verwirrend für Dumbledore. Er, der größte Magier seiner Zeit mußte erkennen, dass er nichts konnte gegenüber den großen Alten.
Gryffindor hielt inne und sah den alten Mann an. "Grämen Sie sich nicht, Dumbledore. Grämen Sie sich nicht!"
Albus runzelte die Stirn, konnte Gryffindor in seinen Gedanken lesen?
"Nein kann ich nicht. Ich habe Sie nur die ganze Zeit gut beobachtet", lachte der Geist und es klang dabei so sehr nach Harry. "Glauben Sie mir, ich bin sogar froh, dass einiges Wissen aus meiner Zeit verloren gegangen ist. Was hätte Voldemort nur mit all dem Zauberwissen von Salazar anrichten können? Ich mag es mir gar nicht ausmalen. Das bisschen was er herausgefunden hatte, ließ ihn schon schreckliche Dinge tun."
Müde nickte Albus. "Sie haben sicher Recht. Wir hätten wohl keine Chance gehabt?"
Gryffindor schob eine kleine Kristallnadel in eine Halterung und antwortete kalt: "Keine!"
***
Moray schloß die Tür hinter sich, diesmal befahl er den Ketten, den Todesser nicht loszulassen. Das Gespräch war nicht sehr befriedigend gewesen. Trotz der Flüche und Drohungen war dieser Todesser stur und dickköpfig geblieben. Dabei hätte Moray alles gewettet, dass dieser schon bereit war alles zu sagen, nur um endlich sterben zu können. Schließlich hatte Snape überhaupt keinen Grund mehr am Leben zu bleiben! Er hatte Harry Potter an den Dunklen Lord ausgeliefert. Ein Verräter und bestimmt auch ein Mörder! Nachdenklich ging er an den verschiedenen Kerkertüren vorbei. Aber wenn er mit eine der Personen war, die daran maßgeblich Schuld hatte, dass Potter nun beim Dunklen Lord war... warum gab ihn dann Voldemort auf? Hatte der Diener seine Schuldigkeit getan und war nun überflüssig geworden? Hatte er einen Fehler begannen? Wen ja welchen? Und warum Snape? Warum nicht Malfoy oder andere bekannte Todesser?
Die Fackeln erloschen hinter ihm im Gang eine nach der anderen. Diese Fragen würde er später stellen, doch zuerst galt es andere Informationen zu erhalten, Priorität war das Stichwort! Es war nur noch eine Frage der Zeit und Moray wußte alles. Früher oder später sangen sie alle, nur um ihm zu entgehen. Auf diese Art hatte Moray einige schwierige Fälle lösen können, in denen nicht nur Todesser verwickelt gewesen waren, damals, in den Dunklen Jahren. Todesser arbeiteten manchmal im versteckten mit noch anderen recht zwielichtigen Gestalten zusammen.
Mit einem triumphierenden Lächeln stieg er die Treppen nach oben in sein Haus. Ja, damals war er ein gefeierter Auror gewesen und einige hatten sogar seine Machenschaften gedeckt, gaben ihm so im Stillen Recht. Die Unschuldigen schützen, egal um welchen Preis. Das dachten die anderen! Nicht so Peter Moray! Oh nein! Er wollte den Ruhm, die Anerkennung und die Ehrfurcht der anderen.
Mit einem Stirnrunzeln verschloss er den geheimen Zugang. Aber selbst damals hatte sich der Ruhm nicht richtig eingestellt. Die Erfurcht .... ja, aber bei einigen war sie mehr in Furcht umgeschlagen und bei Moody sogar in blanke Abscheu. Alastor Moody, oder auch Mad Eye genannt, war der gefeierte Auror gewesen, immer ein Tick vor Moray. Dabei war dieser noch nicht einmal Crouchs erster Mann gewesen, das war er, Moray, gewesen! Aber Moody hatte all das bekommen was er wollte. Entschlossen griff er nach seinem Mantel. Diesmal nicht! Diesmal würde er gewinnen und alle würden ihn verehren. Er würde der erste Auror im Ministerium werden und diesmal konnten andere sich offen zu ihm bekennen. Diesen Todesser mußte er nicht offiziell verschwinden lassen, den hatte der Dunkle Lord ihm überlassen. Mit einem geübten Schwung seines Zauberstabes verschloß die Tür seines Anwesens. Voldemort! Ja das war ein Problem. Er hatte sich da auf etwas eingelassen was ihm nicht so ganz gefiel. Mit sicheren Augen suchte er die Umgebung ab. Natürlich hatte er den Nutzen, Informationen und Wissen. Aber auch Voldemort mußte sich nicht die Finger an seinem Diener schmutzig machen, er hatte auch Vorteile.
"Alles zu seiner Zeit Peter", murmelte er zu sich selbst. "Alles zu seiner Zeit!"
Mit diesen Worten auf den Lippen apparierte er in das Ministerium.
Doch anstand die übliche hektische Betriebsamkeit erwartete ihn das reinste Chaos!
***
Gryffindor sah mit glänzenden ja fast fiebrigen Augen auf die Apparatur. Vor Dumbledores Augen verschwamm alles, er war müde, so müde!
"Wir müssen den letzten Spruch noch etwas wirken lassen", meinte der alte Geist zufrieden und streckte sich. "Ach, es tut gut wieder in einem so jungen Körper zu sein."
"Wie geht es denn Harry?" frage Dumbledore besorgt und setzte sich in einen nahen Sessel.
"Er schlägt sich gut, es herrschte zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr für seinen Körper. Sein Geist schläft, so wie ich so lange geschlafen habe." Gryffindor fuhr sich mit beiden Händen durch das kurze schwarze Haar von Harry. Er wollte weiter fahren, doch er stoppte als er nur noch leere Luft spürte.
Dies bestätigte Dumbledore in seinen Vermutungen, dass Gryffindor einmal langes Haar gehabt hatte.
"Wann können wir mit der Suche beginnen?" frage Albus und besah sich noch mal diese Apparatur, um die Zaubersprüche nur so in der Luft schwirrten.
Voll Stolz und einer Zuversicht, die sich Albus wünschte, antwortete Gryffindor: "Bald! Sehr bald!"