Geheimnisse

 

 

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Kapitel 22: Erklärungen



Nichts kann grausamer sein als die Wahrheit.

Unbekannt



Sirius ging durch die Gänge von Hogwarts zu Dumbledores Büro. Hier und da begegnete er Schülern, die auf den Weg in ihre Häuser waren. Einige lächelten sogar wieder oder erzählten sich Witze.
Kinder!
Es war für Sirius jedesmal wie ein Wunder wie schnell sie doch vergessen oder verzeihen konnten. Im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen versuchten sie so schnell wie möglich wieder zurück in die alten freudigen Gewohnheiten zurückzufinden. So schnell warf sie nichts aus der Bahn. Es sei denn, es betraf sie persönlich. Dann konnten Kinder sehr nachtragend sein.
Vor dem Wasserspeier, dem Torwächter zu Dumbledores Büro, stockte er kurz. Doch dann, mit fester Stimme, sagte er das Passwort und der Torwächter sprang gehorsam auf die Seite und ließ ihn durch. Mit Zweifeln und Sorgen betrat er die Treppe. Wie sollte er beginnen? Was sollte sein erstes Wort sein?
Schon stand er vor der Eingangstür.
'Die Treppe wird auch immer kürzer', dachte er und drehte sich kurz um.
"Ok Sirius Black, da musst du jetzt durch", murmelte er zu sich und klopfte an.
"Herein!" kam es gedämpft durch die schwere Tür.
Vorsichtig öffnete Black die Tür und schloß sie genau so sorgfältig hinter sich.
Dumbledore saß an seinem Schreibtisch und entließ gerade eine Eule. Er lächelte Sirius an und das Lächeln hatte sogar wieder die gütigen Augen des Direktors erfasst. Er schien ganz und gar der Alte.
"Sirius Black! Wie Sie sehen bin ich gerade dabei Hogwarts wieder in normale Bahnen zu lenken." Er wies auf die Eule, die gerade durch das offene Fenster flog.
"Ja während Ihrer Abwesenheit war viel los", sagte Black und versuchte gegen seinen inneren Seelenzustand ruhig zu klingen.
Dumbledore sortierte gerade einen Stapel an Pergament, ohne dabei aufzusehen fragte er: "Wie geht es Professor Snape?"
Sirius zuckte mit den Schultern. "Den Umständen entsprechen."
"Wird er unterrichten?" Mit festem Griff zurrte Dumbledore eine Kordel um den Pergamentstapel.
"Pomfrey kümmert sich darum. Sie glaubt ja." Sirius spürte, dass nicht nur er begann um den heißen Brei herum zu reden.
Dumbledore stand auf und legte den Pergamentstapel in einem der vielen Regale ab.
Wieder an seinem Schreibtisch angelangt sah Albus Dumbledore Black durch seine halbmondförmigen Brillengläser an.
Nach einer Weile ergriff wieder Dumbledore das Wort: "Worüber wollen Sie mit mir sprechen?"
Sirius sah zur Decke und seufzte. "Ich weiß nicht wie ich anfangen soll."
Er blickte wieder zu Dumbledore, was würde er für diese Ruhe geben!
Der Direktor machte eine einladende Geste und wies auf den Stuhl, der ihm gegenüber stand. "Vielleicht sollten Sie sich zuerst setzen. Sie sind kein Schüler mehr, Sirius Black."
Vorsichtig ließ sich Sirius auf den Stuhl gleiten und holte tief Luft.
"Ich habe ja heute den Tag über auf Snape aufgepasst."
"Eine Tatsache, die mich überrascht hat." Dumbledore schwang seinen Zauberstab und aus dem Nichts erschienen zwei Tassen mit Tee - freundlich wie er war bot er Sirius eine Tasse an. Black schüttelte den Kopf.
"Ich habe viel nachgedacht. Über Snape..." Sirius stockte und verfluchte sich innerlich; warum war es so schwer einfach auf den Punkt zu kommen?
"Ja?" Der alte Mann klang immer noch ruhig.
"Er hatte Alpträume", versuchte es Sirius, vielleicht kam ja Dumbledore von selbst darauf, dass sich Severus verplappert hatte.
"Nun", Dumbledore machte eine wegwischende Geste, "kein Wunder bei den Dingen, die er erlebt hat."
"Er ist aufgewacht aber nur irgendwie halb. Und in diesem halbwachen noch alptraumhaften, geschockten Zustand hat er nach jemandem gerufen." Jetzt musste er auf den Punkt kommen. "Nach seinem Herrn."
Der Direktor, der gerade nach seiner Tasse greifen wollte, stockte in seiner Bewegung.
Dann sprudelte es nur so aus Sirius Black, er wollte es endlich gesagt haben, hier und jetzt: "Er hat laut nach IHNEN gerufen, Direktor, und ich musste ihm erklären, warum sein HERR nicht da war."
Die Hand von Dumbledore, die auf halbem Weg zur Tasse in der Luft erstarrt war, zitterte nun leicht. Das Gesicht war schneeweiß geworden.
Sirius sah es und flüsterte: "Warum Albus? Seit wann?"
Dumbledore zog die Hand zurück, die immer noch zitterte, und schluckte schwer. "Ich weiß nicht ob du es verstehst, Sirius."
Der alte Mann war, ohne es recht zu merken, in die private Anrede gefallen. "Zuerst: es ist nicht so wie es aussieht!"
Sirius Black schwieg.
Beide wussten, dass es eine Lüge war.
"Nein." Albus schüttelte den Kopf. "Es ist GENAU so wie es aussieht. Severus Snape gehört mir und zwar schon eine halbe Ewigkeit, wie es mir vorkommt."
Der Direktor stand auf, ging zum Fenster und schloß es umsichtig.
"Wollen Sie wirklich alles wissen?" Albus hatte sich halbwegs gefasst und war wieder in die höflichere Form umgestiegen.
Sirius nickte, jetzt gab es für beide kein Zurück mehr. Eigentlich war sein Rückweg schon abgeschnitten gewesen in dem Moment, wo er die erste Pergamentrolle von Hagrid geöffnet hatte. Wann war dieser Punkt bei Albus Dumbledore gewesen?
Dumbledore lächelte ihn an. "Es kann ein langer Abend werden."
Black wagte es, vorsichtig zurück zu lächeln. "Ich habe Zeit."
"Nun denn, wo soll ich beginnen, wenn ich mich schon rechtfertigen muss..."
Sirius unterbrach Dumbledore: "Nicht rechtfertigen! Nur erklären!"
"Es war viele Monate VOR Harrys Geburt und als Voldemort den Zenit der Grausamkeit schon längst überschritten hatte, als ich eines Abends einen völlig verstörten Severus Snape in den verbotenen Kerkern fand. Er wollte Selbstmord begehen, damals. Seltsamerweise hatte er ALLES was er gewußt hatte auf Pergament hinterlassen, auf dass derjenige, der ihn tot auffinden würde, genug Wissen über Voldemort hätte, um viele Menschenleben zu retten." Albus lehnte sich vor. "Verstehen Sie Black? In seiner Verzweiflung, in seinem Wunsch zu sterben war er bereit, Leben zu hinterlassen! So habe ich ihn gefunden, bereit zu gehen. Ich weiß nicht was mich damals dazu getrieben hat. Die Freude, endlich genug über Voldemort zu wissen um endlich den Morden halbwegs entgegen zu treten oder schlichtweg der Schock, zu sehen wie tief einer meiner begabtesten Schüler gesunken war. Aber ich hielt ihn davon ab zu gehen. Ich versuchte Zeit zu bekommen und bevor er sich vergiften konnte packten ihn Nachwirkungen des Cruciatus-Fluches."
Sirius sah, dass der Direktor ins Leere starrte, fast so, als könnte er alles wieder sehen. Das Glitzern in diesen sonst so freundlichen Augen war verschwunden, sie glichen eher nun leeren Fenstern in einem leerstehenden Haus.
"Ich pflegte ihn und verband seine Wunden. Er wurde wieder gesund, natürlich hatte er immer noch Fluchnachwirkungen. ABER er war am Leben und schien für mich keine Anstalten mehr zu machen, Selbstmord begehen zu wollen. Nach einigen Tagen musste er wieder gehen. Ich befürchtete damals, dass es das letzte Mal gewesen wäre, dass ich ihn sah."
Plötzlich lachte Dumbledore hart auf, Black zuckte zusammen.
"Was war ich doch für ein Narr! Ich hätte es schon damals sehen sollen. Er kam zurück! Zurück nach Hogwarts! Mit neuen Informationen. Sie können sich kaum vorstellen wie ich mich gefühlt habe! Neue Informationen. Wieder Leben, die ich retten konnte! Ich war begeistert!"
Dumbledore klatschte in die Hände. "Oh ja, neues Wissen und an diesem Morgen erfuhr ich den Preis, den ich für diese Informationen gezahlt hatte. Wissen Sie Black, für Menschen wie Severus Snape gibt es kein Vielleicht. Nur ja oder nein. Leben oder Tod. Gehorchen oder Sterben. Er hat sich für das Ja entschieden, für das Leben und den Gehorsam. Für mich! Er übergab sich in meine Hände, unterwarf sich meinem Willen. Seit diesem Moment konnte ich alles von ihm verlangen."
Hier unterbrach sich Dumbledore wieder, suchte nach Worten, Sirius merkte wie ihm kalt wurde.
"Ich war geschockt ich wollte nicht Herr sein. Ich wollte Mentor, Lehrer ja vielleicht sogar ein Freund sein, mit dem er hätte reden können. Aber doch nie Herr über ein Menschenleben!" Jetzt klang Verzweiflung in der Stimme des alten Mannes mit.
"Seit diesem Tag lernte ich viele neue Dinge hinzu, ich lernte bestimmte Verhaltensweisen zu tolerieren, weil sie das Leben von Severus Snape verlängerten. Ich lernte, wie man Befehle gab mit größter Umsicht, denn ich wußte er würde sie ausführen bis zum Letzten. Wie man in einem Menschen liest, der sich selber so verstellen musste, dass man ihm nichts ansah. Mich zu beherrschen, denn jedes harrsche Wort erzeugte in Snape solche Angst, wie ich es noch nie gesehen hatte. Hagrid wurde nach einiger Zeit mein einziger Vertrauter, er hörte mir zu. Einfach nur zu. Wo ich über das Leben von Snape versuchte zu wachen, wachte Hagrid über dessen Seele und Verstand."
Sirius seufzte und schüttelte den Kopf. "Er gehört also Ihnen, und haben Sie nicht versucht ihm klar zu machen, dass er nun frei ist?"
"Doch natürlich!" Dumbledore richtete sich nun mehr auf. "Ich habe gehofft, dass er endlich in mir nicht nur seinen Herrn sieht, sondern auch seinen Freund! Ich glaubte er hätte es verstanden. Ein Irrtum, wie Sie heute festgestellt haben, Mr. Black."
"Er würde also alles machen was Sie von ihm verlangen? Oder jeden Befehl ausführen?" fragte Sirius.
"Ja das würde er. Wie gesagt kein Vielleicht, nur Ja und Gehorsam. Sie können sich vorstellen was für eine Verantwortung das ist", murmelte Albus Dumbledore.
Jetzt war es an Sirius Black hart zu lachen. "Erzählen Sie mir nichts von Verantwortung! In letzter Zeit höre ich es von allen Seiten! Firenze, Pomfrey und Hagrid!"
"Was haben Firenze und Hagrid damit zu tun?" fragte Dumbledore und beugte sich neugierig vor.
"Firenze sagte, dass es einen Verrücken aus Askaban, ein Einhorn und einen Zentauren brauchen wird Severus Snape zu helfen. Und Hagrid, Sie wissen gar nicht was Hagrid alles weiß!" Unbewusst sprach Sirius so als ob Hagrid noch leben würde, den nächsten Satz sprach er leiser: "Ich kann es nicht mehr hören. Verantwortung!"
Sirius überlegte kurz und sah den Direktor von Hogwarts an. "Ich wollte nicht die Ihre haben."
"Und ich nicht Ihre Mr. Black. Ich weiß nicht was leichter ist, befehlen oder über denjenigen zu wachen, der die Befehle ausführt."
Sirius seufzte und stand auf. Alles war gesagt und es war bereits spät.
"Gute Nacht Direktor. Ich habe noch einiges zu organisieren", verabschiedete er sich höflich, er wußte nicht was er noch fragen sollte.
Nach diesem Gespräch fühlte sich Sirius leichter, befreiter, er wußte wo er war und wo Albus Dumbledore in dieser Geschichte stand. Die Karten lagen klar auf dem Tisch und damit konnte er besser umgehen als mit dieser Geheimnistuerei. An der Tür drehte er sich noch einmal um und sah zu dem Direktor. Verdammt, der alte Mann war wirklich allein mit seinen Sorgen, der ganze Magier wirkte müde und verlassen. Nicht nur Severus Snape hatte einen Freund und Vertrauten verloren. Da kam ihm eine Idee.
"Ach ja und Direktor", sagte er und versuchte dabei etwas aufmunternd zu klingen.
"Ja Mr. Black?"
"Es heißt Sirius."
Beide Männer sahen sich an und in diesem Moment waren sie nicht mehr Schüler und Lehrer, Pate und Direktor.
Sie waren Freunde.

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