Geheimnisse

 

 

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Kapitel 17: Versäumnisse



Vivere militare est.
Leben heißt Kämpfen.

Seneca junior, 96. Brief



Zögernd ging Sirius neben Severus in die Knie. Firenze machte eine aufmunternde Geste und Black begann, Snape vorsichtig die Roben zu öffnen. Vielleicht waren ja einige Rippen angeknackst oder schlimmeres.
'Bitte laß es nichts schlimmeres sein', flehte Sirius innerlich.
In Erste Hilfe war er immer schlecht gewesen, er hätte doch weiter Hagrids Aufzeichnungen lesen sollen. Der letzte Knopf war geöffnet und sofort fiel Black auf, dass etwas nicht mit der Schulter in Ordnung war. Vorsichtig legte er den Brustkorb und die Schulter frei. Black starrte Snape an und erschrak.
"Ein raues Leben hinterlässt seine Spuren", meinte Firenze leise und Black fand, dass es die größte Untertreibung war, die er je gehört hatte. Die Größe! Er, Sirius Black, hatte von Askaban auch einige Erinnerungen auf seinem Körper, aber er sah bei weitem nicht so aus wie Severus Snape. Die Schulter, die offen gelegt und halb so schlimm war, zierte schon eine längere Narbe, auch sahen einige Hautstellen nach Erfrierungen oder älteren Verbrennungen aus. Hier und da konnte er sogar kleinere Narben ausmachen, die aussahen als ob sie genäht worden waren!
"Also dein Leben muss härter gewesen sein als meins", murmelte Sirius und strich über einige Prellungen und Blutergüsse. Laut sagte er zu Firenze: "Also die Schulter sieht aus wie ein verkappter Kombinationsfluch, und das hier... hm, vielleicht ein Sturz?"
Die Haut an der Schulter hatte Blasen geworfen wie bei einer leichteren Verbrennung. Sirius schüttelte den Kopf. Kombinationsflüche! Er haßte sie, wie er die Verbotenen haßte.
Nur was war es für ein Kombinationsfluch gewesen? Imperius gekoppelt mit einem Betäubungsfluch? In kurzer Entfernung abgefeuert konnte bei so etwas die Haut schon mal leichte Verbrennungen aufweisen. Sirius schüttelte den Kopf, einige Auroren liebten es, die verschiedensten Flüche wild zu kombinieren, ohne darauf zu achten, dass man einige gar nicht mehr oder nur sehr schwer lösen konnte. In Askaban hatte einmal ein Auror aus lauter Frust einen solchen Kombinationsfluch nach ihm geschleudert, mit dem glorreichen Ergebnis, dass er drei Tage in einem Koma gelegen, und später, als er wieder wach war, die Kopfschmerzen seines Lebens gehabt hatte. Es waren einige der wenigen Momente in dem Gefängnis gewesen, wo Sirius Black ernsthaft darüber nachgedacht hatte, einfach seinen Kopf gegen die nächstbeste Steinwand zu schmettern, nur damit dieser Schmerz aufhörte.
Schmerz.
Snape mußte eine Menge davon haben, so bleich wie er aussah. Sirius schloß die Kleidung wieder. Hier konnte er ihm nicht helfen. Pomfrey musste her. Aber wie?
"Ich sehe Sie denken und ich glaube Ihr Problem zu wissen", sagte Firenze ruhig.
"Hogwarts wäre zu gefährlich und wenn plötzlich Licht in Hagrids Hütte brennt..." Sirius warf hilflos die Hände in die Luft.
Das Einhorn erschrak bei der Geste leicht und scheute. Black ignorierte es, es gab problematischeres als scheuende Einhörner. Firenze hob den Kopf, fast schien es, als ob er etwas gewittert hatte. Ein kühler Lufthauch blies durch die Senke, wirbelte einige Blätter auf. Firenzes Blick wanderte höher und höher, bis er die Sterne sah. Er legte den Kopf schief und betrachtete die Sterne. Sie spiegelten sich in den blauen Augen des Zentauren. Wie kleine tanzende Diamanten, fast so wie bei dem Einhorn.
"Heute seid selbst ihr mir keine Hilfe", flüsterte er und sah dann wieder auf Snape.
Sirius sah auch wieder in das bleiche Gesicht, das von Schmerz und Strapazen gezeichnet war.
"Hier liegen lassen können wir ihn ja schlecht", murmelte Sirius.
Firenze seufzte. "Nein können wir nicht. Kommen Sie, ich habe eine Idee."
Der Zentaure ging einige Schritte und drehte sich dann wartend um. Das Einhorn sah zu Black und Black sah das Einhorn an.
"Na dann." Sirius bückte sich und versuchte Snape hochzuheben.
Es gelang, doch der Bewußtlose stöhnte leise und versuchte sich zu bewegen. Sirius geriet ins Schwanken, Snape war selbst für seine Körpergröße recht leicht. Aber Sirius, der immer noch nicht in körperlicher Topform war, tat sich schwer, den Lehrer für Zaubertränke nicht fallen zu lassen.
"So wird das nichts", sagte Firenze und nahm Sirius den Verletzten ab.
"Danke." Sirius griff nach Pfeil und Bogen.
Das Einhorn schien plötzlich zu ahnen wohin es ging, leise schnaubend ging es vorne weg, Firenze hinterher und Sirius bildete das Schlußlicht. Während er Firenze folgte zermarterte er sich den Kopf, warum Snape in einem solchen Zustand war. Allein der Kombifluch konnte es nicht gewesen sein? Was hatte Dumbledore einmal gesagt? Voldemort verzeiht keine Fehler? Sah das so aus wenn Voldemort in schlechter Stimmung war? Sirius dankte allen seinen Schutzgeistern, dass er nie Voldemort so in die Hände gefallen war. Askaban hatte ihm vollkommen genügt. Seine Gedanken wanderten weiter, bis er die Rollen von Hagrid vor sich sah.
"Sirius Black du bist ein Idiot!" flüsterte er zu sich selbst. "Du hättest weiter lesen sollen."
Da stapfte er in eine Pfütze. "Ah verdammt! Auch das noch!" fluchte er. Nasse Füße, das hatte ihm gerade noch gefehlt!
"Warten Sie es ab Sirius Black, bald können Sie Ihre Socken trocknen", lachte Firenze.
"Wohin bringen Sie uns?" fragte Black neugierig.
Doch Firenze lächelte nur geheimnisvoll. Langsam wurde der Wald immer undurchdringlicher und düsterer. Hier war Black noch nie gewesen, selbst in den Zeiten, als er mit seinen Freunden den Wald durchstreift hatte. Er konnte kaum die Sterne ausmachen und die Bäume wirkten hier noch bedrohlicher. Mit festem Griff umfasste er den Bogen, hier könnten sonst was für Tiere herumschleichen. In der Ferne heulten die Skorpion-Wölfe.
"Ah, unsere Freunde scheinen ein neues Opfer gefunden zu haben", sagte Firenze, klang aber dabei ganz ruhig.
Sirius war ganz und gar nicht ruhig, er griff schon einen Pfeil. Nur am Rande bekam er mit, dass sie einem Trampelpfad folgten. Wo immer Firenze sie hinführte, er hoffte, sie würden bald da sein. Seine Händen waren klamm und seine Füße eiskalt. Was nützte er Snape oder Dumbledore, wenn er selber krank würde? Da war das Schimmern vor ihm verschwunden, das Einhorn musste abgebogen sein, und dann verschwand auch der Zentaure. Sekundenbruchteile später stolperte Black auf eine Lichtung. Irritiert sah sich Black um, große alte Baumriesen bildeten einen sicheren Ring, fast berührten sich ihre hohen Kronen im Mittelpunkt der Lichtung. Sirius dachte an Muggel-Kathedralen, wobei er selber nie in einer gewesen war, er hatte immer nur Bilder gesehen. Das Einhorn graste ruhig am Waldrand, seine Aufgabe schien hier erfüllt zu sein. Wie es bei Einhorn-Magie typisch war blühte im Umkreis der Waldboden, Frühlings-, Sommer- und Herbstblumen versuchten einen Hauch der Einhornmagie abzubekommen. Nur um wenig später, wenn das Tier weiter ging, sich zurück zu ziehen. Firenze ging auf die Mitte der Lichtung zu, mehrere große Findlinge lagen da und bildeten eine kleine Formation. Der Zentaure bog um einen größeren Stein und war verschwunden. Unsicher blieb Sirius stehen.
"Kommen Sie Black!" rief Firenze und Sirius näherte sich vorsichtig den Steinen.
"WOW!" entfuhr es ihn als er den Stein umrundet hatte.
Die Findlinge waren alle nicht wild über die Lichtung verstreut, einige bildeten einen Halbkreis und somit fast einen Unterschlupf. Die Lücken, die noch vorhanden waren, hatte jemand mit grob behauenen Planken gegen Regen und Schnee abgedeckt. Dichtes wohlriechendes Moos wuchs an den Felsen und auf dem Boden und ließ Blacks Schritte federn.
"Willkommen in meinen Heim!" verkündete Firenze und legte Snape auf einem Moosbett ab.
Sirius schüttelte den Kopf, noch nie war er in einer Zentaurenbehausung gewesen, geschweige denn wurde eine in den Büchern beschrieben. Zentauren achteten auf ihre Privatsphäre und auf ihre Unabhängigkeit. Kein Zauberer hatte je ihre Heimstätte gesehen. Hagrid vielleicht, und wenn, dann hatte der Wildhüter geschwiegen. Der Unterstand war, wie das Gebälk, grob und für Menschen vielleicht etwas zu zugig, und Sirius konnte auch keine Möbel oder andere großartige Habseligkeiten ausmachen. Dennoch, tief in sich spürte er Frieden und er fühlte sich willkommen. Lächelnd näherte er sich Firenze und dem Moosbett.
"Haben Sie mit einem solchen Fall gerechnet?" fragte Black und wies auf das Bett.
"Wenn ich ehrlich bin...", Firenze stockte kurz, schien sich dann ein Herz zu fassen und antwortete: "Ja! Ich habe mit so etwas gerechnet. Bis jetzt hatten wir Hagrids Hütte für Notfälle oder gar die Räume des Direktors. Hagrids Hütte geht nicht, genausowenig wie die Räume des Direktors. So habe ich das hier gebaut."
Black besah sich das Bett genauer. Die Grundlage bildete Reisig, das sorgfältig aufeinander gelegt war, dann Blätter und zu guter Letzt mehrere dicke Lagen trockenes Moos.
"Reicht es?" fragte Firenze mit einem leicht besorgten Unterton.
Black nickte. "Ja, das genügt voll kommen. Gute Arbeit Firenze!"
"Ich habe auch etwas Medizin." Firenze wandte sich um und griff in eine Felsspalte. Da hatte er plötzlich mehrere Tiegel in der Hand, sie waren aus Rinde geformt.
"Hm, ja genau, die war für Verbrennungen und Prellungen." Firenze reichte Black zwei Tiegel.
"Haben Sie Pomfreys Medizinschrank beraubt?" lachte Black und nahm die Tiegel entgegen.
"Auch Zentauren verstehen ein wenig von der Heilkunst. Wenn auch nicht so viel über menschliche Heilkunst. Aber was uns hilft schadet bestimmt euch auch nicht oder?"
"Nein bestimmt nicht." Black nickte und ging mit den Tiegeln zu Snape.
Vorsichtig legte er wieder die Schulter frei und begann die Prellungen und Verbrennungen mit der Salbe zu bestreichen. Da die Verbrennung unter der ganzen Kleidung gelegen hatte, brauchte er sie nicht zu säubern. Firenze kramte in einer weiteren Spalte, anscheinend waren sie so etwas wie Zentauren-Regale, und er zog Wolldecken hervor. Black, der die letzten Verletzungen versorgte, spürte wie seine Hände kribbelten. Was immer das für Zentauren-Medizin war, sie tat auch seinen halb erfrorenen Händen gut. Er rieb sich mit dem Rest seine eigenen Hände ein und machte eine fragende Geste Richtung Decken.
"Hagrid", flüsterte Firenze und breitete zwei davon über Snape aus, die dritte gab er Sirius, und die Letzte legte er sich selber über seinen Pferdekörper.
"Ich habe sie von Hagrid geschenkt bekommen." Gedankenverloren strich der Zentaure über die Decke, die über ihm lag. "Er war sehr großzügig mit dem was er wußte, was er konnte und was er hatte."
Sirius wickelte sich selbst ein und setzte sich auf einen nahen Stein. Schweigend sahen beide den bewußtlosen Snape an. Das Einhorn kam einmal, doch als es nur Moos fand schnaubte es angewidert und verschwand wieder auf die Lichtung.
"Wann werden die Auroren abziehen?" flüsterte Firenze.
"Ich weiß es nicht Firenze", antwortete Black eben so leise.
Langsam kehrte die Wärme in seine Glieder zurück und mit der Wärme kam die Müdigkeit.
'War ich so angespannt? Habe ich in letzter Zeit so wenig geschlafen?' wunderte sich Black noch und merkte nur noch am Rande, wie ihn jemand von hinten stützte. Hier war er sicher, hier konnte er sich fallen lassen. Snape war für einige Momente völlig aus seinem Gedächtnis gestrichen.


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