Gefangen

 

 

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Kapitel 9: Der Geruch von Blut

 


Remus Lupin wurde durch einen seltsamen, durchdringenden Schrei, dem sogleich das unvermeidliche Gekeife von Mrs. Blacks Portrait folgte, aus einem unruhigen Schlaf gerissen. Seine Augen flogen vor Schreck auf, aber dann sah er das vertraute Schillern von roten und goldenen Federn.

"Ach, du bist es, Fawkes. Du hast mich ganz schön erschreckt, ist dir das klar? Was ist denn los? Dringende Ordensangelegenheiten?" Der Phönix hielt Remus sein Bein hin, damit der Zauberer das Pergament ablösen konnte, das daran befestigt war. Der junge Zauberer ignorierte den von unten hoch schallenden Lärm und las schnell die kurze Nachricht Dumbledores. Seine Stirn legte sich in Falten, und mit jedem Wort wurde er besorgter.

"Du sollst mich sofort nach Hogwarts bringen? Ist Harry etwas passiert?" Der Vogel schüttelte den Kopf, und Remus seufzte erleichtert auf. Dann ließ er sich zurück in seine Kissen fallen und schloss erneut die Augen.

"Autsch! OK, OK, ich komme ja schon mit. Lass mich mir nur schnell etwas überziehen", sagte Lupin gähnend, als Fawkes ihn ungeduldig in die Nase pickte. Er stand auf. Nachdem er sich hastig angezogen und flüchtig gewaschen hatte, griff Remus ein Bein des Feuervogels, und mit einem leisen ‚Plop' verschwanden beide aus dem Haus Nummer 12, Grimmauld Platz.

Das Gefühl war so ein Zwischending zwischen Apparieren und dem Reisen mit einem Portschlüssel, und Remus mochte es nicht sonderlich, besonders nicht, weil er nur schnell zurück in sein Bett wollte. Aber Dumbledore schickte Fawkes nie ohne guten Grund auf Botengänge. Der Vogel war viel zu wertvoll dazu. Außerdem hatte er seinen eigenen Kopf und würde sich einfach weigern, bei unwichtigen Angelegenheiten auszuhelfen. Was konnte wohl mitten in der Nacht so immens wichtig sein, wenn es nicht um Harry ging?

"Da seid ihr ja. Gut gemacht, Fawkes", grüßte Dumbledore, als sie plötzlich im Büro des Direktors auftauchten. "Bitte folgen Sie mir. Wir brauchen Ihre Hilfe, Remus."

***



Madame Pomfrey und Professor McGonagall waren immer noch damit beschäftigt, das Blut und den Dreck vom Tränkelehrer abzuwaschen und vorsichtig seine vielen Wunden zu säubern, als Dumbledore und Lupin das Zimmer betraten. Ein starkes Zittern ging durch den Körper des Bewusstlosen und er stöhnte leise.

"Verdammt, das sieht schlecht aus", murmelte Remus, als er sich dem Bett näherte. Auf dem Weg zum Krankenflügel hatte der Direktor ihm erzählt, was passiert war, aber nichts hätte ihn auf den Anblick des geschundenen Körpers seines ehemaligen Schulkameraden vorbereiten können. Und der Geruch nach Blut war für die empfindliche Nase des Werwolfs fast überwältigend, jedoch hatte er eine seltsame Note. Dumbledore hatte Recht, hier war Schwarze Magie im Spiel. Er konnte es überall um den Tränkemeister herum riechen. Der seltsame Duft kam ihm irgendwie bekannt vor. Er hatte ihn früher schon einmal gerochen, in den Tiefen des Verbotenen Waldes. Silberne Flecken auf grünen Blättern, die im sanften Licht des Vollmondes glitzerten. Der Hirsch und der große schwarze Hund waren bei ihm gewesen. Und die Ratte, die sich im zotteligen Fell des Hundes festgekrallt hatte. Es hatte sterbend in einem Teppich von Mond beschienenen Maiglöckchen gelegen, als sie es gefunden hatten. Noch im Tod war es so wunderschön gewesen, dass nicht einmal das blutrünstige Monster, das er gewesen war, es anrühren konnte. Er würde den traurigen Anblick nie vergessen, und auch nicht den Geruch.

"Einhornblut", murmelte er. "Sie haben ihm Einhornblut eingeflößt."

"Aber das ist ja fürchterlich!", rief McGonagall aus. Sie war bleicher denn je. "Es ist ein schreckliches Verbrechen, ein Einhorn zu töten, und wer auch immer sein Blut trinkt, wird hernach ein verdammtes Leben führen. Er ... er wäre tot vielleicht besser dran."

"Ich bin mir nicht sicher, Minerva, aber mir scheint es, als sei es das Töten des Einhorns, das den Fluch auf den Verbrecher zieht, nicht das Trinken des Blutes", sagte Lupin nachdenklich. "Allerdings bin ich mir nicht sicher. Es ist wohl besser, wenn ich einige Nachforschungen darüber anstelle und Firenze dazu befrage. Er weiß vielleicht etwas. Immerhin wird Severus wenigstens nicht sterben, so lange der Effekt des Einhornblutes anhält, egal wie schlimm seine Verletzungen sind."

"Und wie lange wird das etwa dauern?", fragte Madame Pomfrey nach.

"Ich habe nicht die leiseste Ahnung, leider", antwortete der Werwolf. "Der Geruch ist ziemlich stark; deshalb würde ich sagen, dass er bestimmt mindestens noch für einige Stunden sicher sein sollte. Aber, Poppy, geben Sie Severus besser keine Zaubertränke. Sie vertragen sich nicht mit Einhornblut. Zaubersprüche dagegen sollten okay sein. Ich bin in der Bibliothek und schaue nach der Sache mit dem Fluch, falls Sie mich brauchen. Viel Glück."

Die Medihexe legte bei Lupins Worten die Stirn in Falten. Keine Zaubertränke. Wie in Merlins Namen sollte sie Severus' viele Wunden ohne Zaubertränke heilen? In der Tat würde sie eine ganze Menge Glück brauchen können. Allein die Zaubersprüche, die nötig waren, um all die gebrochenen Knochen zu heilen, würden sie sehr viel Energie kosten. Am schlimmsten war Severus' Brustkorb. Jede einzelne Rippe schien mehrfach gebrochen, so als ob er gleichzeitig von vielen Flüchen getroffen worden war, und einige Bruchstücke hatten sich tief in die Lunge gebohrt. Es war ein wahres Wunder, dass er überhaupt noch atmen konnte. Dann war da der gebrochene Kiefer und seine Knie. Wenigstens waren die Verletzungen des Brustkorbes frisch, während die anderen schon mehrere Wochen alt zu sein schienen. Und je älter ein Bruch, desto schwieriger war er zu heilen. Die Knie waren stark geschwollen und eitrig. Zusätzlich zu den Blutungen in der Lunge hatte Severus einen Milzriss und schwere Verletzungen an Leber und Nieren. Dazu kamen eine schlimm verbrannte und infizierte Amputationswunde, eine schwere Lungenentzündung mit hohem Fieber, zahlreiche Schnittwunden und Blutergüsse, Unterernährung und ein gefährlich hoher Blutverlust. Und das starke Zittern deutete auf die großzügige Anwendung des Cruciatus-Fluchs hin. Diese Hundesöhne. Es war eine absolut unmögliche Aufgabe.

"Albus, ich glaube nicht, dass ich das schaffen kann. Nicht ohne Zaubertränke", sagte die Medihexe und schüttelte den Kopf. "Er wäre besser in St. Mungos aufgehoben, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie wir ihn dort hin transportieren könnten, ohne noch mehr Schaden anzurichten."

"St Mungos ist nicht sicher für Severus, Poppy, jetzt wo Voldemort weiß, dass er ihn verraten hat", seufzte Dumbledore. "Denken Sie daran, was letztes Jahr mit Broderick Bode von der Mysterienabteilung passiert ist. Nein, wir müssen einfach hier unser Möglichstes tun, wenngleich es auch nicht reichen mag, um ihn zu retten."

"Nun, dann fange ich wohl besser an." Die Medihexe tauschte den nassen Lappen in ihrer Hand gegen ihren Zauberstab ein und konzentrierte sich. Es würde eine lange Nacht werden.


 

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