Nach einer turbulenten Reise, vorbei an unzähligen Kaminen, erreichte Harry hustend und rußverschmiert sein angegebenes Ziel.
Er trat aus dem Kamin und blickte sich suchend um. Professor Dumbledore war nirgendwo zu sehen. Enttäuscht senkte Harry den Blick. Wie sehr hatte er sich darauf gefreut, den Schulleiter von Hogwarts endlich wieder zu sehen.
Doch bevor Harry sich fragen konnte, wo Professor Dumbledore wohl sein könnte, trat Snape aus den Flammen.
"Kommen Sie mit", sagte er kurz und ging zur Tür des Büros. Harry folgte ihm die steinerne Treppe hinunter. Snape schlug zielstrebig den Weg zum Büro der stellvertretenden Schulleiterin, Professor McGonagall, ein.
Auf den Gängen begegneten sie kaum einem Menschen, denn draußen schien die Sonne und die meisten Schüler verbrachten ihren freien Nachmittag auf den weitläufigen Ländereien rund um die Schule.
Diejenigen allerdings, die ihnen begegneten, starrten Harry an, als hätten sie einen Geist gesehen. Scheinbar hatte es sich bereits in der gesamten Schule herum gesprochen, dass Harry nicht mehr nach Hogwarts zurück kehren würde. Um so überraschter waren nun natürlich die Blicke, die Harry und Snape folgten.
Harry versuchte die neugierigen Blicke zu ignorieren und folgte dem Tränkemeister schweigend, bis sie endlich das Büro von Professor McGonagall erreicht hatten.
Snape öffnete die Tür und betrat das Büro ohne anzuklopfen. Harry folgte ihm zögernd. Professor McGonagall saß hinter ihrem Schreibtisch. Ihr Blick verfinsterte sich, als sie Snape erblickte.
"Von Anklopfen haben Sie wohl auch noch nichts gehört, Severus", begrüßte sie ihn spitz.
Severus blickte die grauhaarige Frau kalt an, antwortete jedoch nicht.
"Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass Sie in Surrey bleiben sollen", fuhr Professor McGonagall ungehalten fort.
"Warum also sind Sie hier?"
"Ich habe Ihnen ein Geschenk mitgebracht", antwortete Severus kalt.
Professor McGonagall blickte ihn verständnislos an. Dann trat der Tränkemeister wortlos zur Seite und gab der Lehrerin den Blick auf Harry frei, der bis jetzt hinter diesem gestanden hatte.
Professor McGonagall starrte Harry einen Augenblick mit offenem Mund an, dann breitete sich ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen aus.
"Schön Sie wieder zu sehen, Potter", sagte sie freundlich. "Ich bin froh, Sie wohlbehalten zu sehen."
Dann wandte sie sich erneut Snape zu und ihr Blick verfinsterte sich wieder.
"Darf ich fragen, was das zu bedeuten hat, Severus?", fragte sie bissig. "Ich bin davon ausgegangen, dass meine Anweisungen bezüglich Potters Verbleib eindeutig waren."
"Nun", antwortete Severus eisig, "vielleicht habe ich es mir anders überlegt."
Professor McGonagall starrte ihr Gegenüber wortlos an.
"Professor", mischte sich nun Harry vorsichtig in die gespannte Unterhaltung, "Wurmschwanz war wieder in Surrey, er war direkt vor Professor Snapes Haus."
Professor McGonagalls Augen weiteten sich überrascht.
"Was ist passiert?", forderte sie nun Severus auf.
Dieser erzählte in knappen Worten, was vor einer Stunde geschehen war. Er nahm sich jedoch die Freiheit heraus, die Geschehnisse auf seine ganz eigene Weise zu erzählen. Vor allem unterließ er es, Harrys Ausbruch zu erwähnen. Es war ihm unangenehm, diesen Fakt ausgerechnet vor Minerva darzulegen und ihr seine Schwäche zu offenbaren, dass er nicht in der Lage gewesen war, auf den Wutanfall Harrys zu reagieren. Außerdem war das ausschließlich eine Sache zwischen ihm und Potter.
Ihm entging nicht, dass Harry ihn, nachdem er seinen Bericht beendet hatte, halb überrascht, halb fragend anblickte.
Professor McGonagall schwieg einen Moment und dachte scharf nach.
"Diese Wendung der Ereignisse ist in der Tat sehr beunruhigend", sagte sie schließlich sachlich, "aber trotzdem bin ich nicht dazu befugt, Potter hier in Hogwarts Unterschlupf zu gewähren. Das Ministerium ....."
"Aber Professor McGonagall", unterbrach Harry sie verzweifelt, "wo soll ich denn hin?"
In diesem Moment öffnete sich die Bürotür und Albus Dumbledore betrat den Raum.
"Selbstverständlich wirst du hier bleiben, Harry", sagte er lächelnd.
Die Anwesenden blickten Dumbledore überrascht an.
"Albus, ich hatte dich nicht so bald zurück erwartet", sagte Professor McGonagall schließlich als erste.
Dumbledore lächelte müde.
"Nun", erklärte er, "manchmal muss man seine Pläne kurzfristig ändern. Nach meinem Gespräch mit Cornelius Fudge vor drei Wochen entwickelt sich alles anders, als ich gehofft hatte."
Harry, Severus und Minerva blickten ihn fragend an.
"Cornelius ist in keinster Weise kompromissbereit. Aus diesem Grund habe ich meine Zusammenarbeit mit dem Zaubereiministerium beendet."
"Davon hast du überhaupt nichts erzählt. Aber Albus, du kannst doch nicht ......", begann Professor McGonagall erregt.
"Ich kann, und ich habe es bereits getan", unterbrach Dumbledore sie bestimmt.
"Und deshalb sehe ich keinen Grund, warum wir Harry nicht wieder in Hogwarts unterrichten sollten. Selbstverständlich werde ich für diese Entscheidung die volle Verantwortung übernehmen, mach dir also keine Sorgen, Minerva."
"Aber Albus", sagte Professor McGonagall betroffen, "das wird Fudge nicht einfach auf sich sitzen lassen. Er wird entsprechende Maßnahmen einleiten, er ......."
Dumbledore lächelte erschöpft.
"Das kann er gerne probieren, aber wie du sicher weißt, besitzt Hogwarts eine gewisse Immunität. Cornelius wird es schwer haben, uns offiziell zu untersagen Harry bei uns zu behalten, wenn er bereits hier ist. Aber zur Sicherheit werde ich einige Mitglieder des Ordens um Rat fragen. Cassiopeia Milfina zum Beispiel kennt sich hervorragend mit den Verordnungen des Ministeriums aus. An fast allen hat sie selbst mitgearbeitet, als sie noch im Ministerium beschäftigt war."
Professor McGonagall nickte zögernd.
"Wie du meinst, Albus. Du weißt, dass ich immer hinter dir stehe, ich wollte lediglich meine Bedenken äußern."
"Das weiß ich, Minerva", sagte Dumbledore freundlich.
Dann wandte Professor Dumbledore sich an Harry. "Herzlich Willkommen zurück in Hogwarts", sagte er augenzwinkernd.
"Danke, Professor", antwortete Harry lächelnd.
Er konnte es immer noch nicht fassen: Endlich war er zurück, wo er hin gehörte. Und vor allem konnte er es gar nicht abwarten Ron und Hermine wieder zu sehen.
"Ich werde dann wohl nicht mehr gebraucht", unterbrach Severus das Idyll kalt.
Dumbledore wandte sich von Harry ab und blickte seinen Zaubertrankmeister an.
"Ich danke dir, mein Freund", sagte er. "Ich weiß wirklich zu schätzen, was du in den letzten Monaten für mich und den Orden auf dich genommen hast."
Severus schnaubte leicht angewidert. Dumbledore ignorierte diese Äußerung und fuhr ungerührt fort: "Wenn ich mich recht erinnere wirst du morgen den letzten Tag in Surrey unterrichten?", fragte er.
Severus nickte.
"So ist es."
"Na, dann haben wir ja alle Schäfchen wieder beisammen", erwiderte Dumbledore glücklich.
"Außer Sirius", murmelte Harry fast unhörbar.
"Ja, außer Sirius", wiederholte Dumbledore, und ein Schatten legte sich auf sein Gesicht.
"Aber ich verspreche dir, Harry, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um Sirius' Unschuld zu beweisen. Unglücklicherweise wird das gar nicht so einfach werden."
Harry nickte niedergeschlagen.
"Wie auch immer", fuhr Dumbledore fort, "du wirst nun auf alle Fälle erst einmal zu deinen Freunden in den Gryffindor-Turm zurück kehren. Wenn ich mich nicht irre, werden sich 2 ganz besonders freuen, dass du zurück bist." Mit diesen Worten zwinkerte er Harry verschmitzt zu.
"Aber was ist mit meinen Sachen, Professor?", fiel Harry plötzlich ein. "Meine Bücher, mein Kessel und meine Umhänge sind alle noch im Ligusterweg."
"Mach dir darüber keine Sorgen", antwortete Dumbledore. "Ich werde umgehend jemanden zu deinen Verwandten schicken, der die Sachen dort abholt."
Harry nickte zufrieden. "Danke, Sir."
Dann drehte Harry sich um und verließ das Büro von Professor McGonagall. Aber noch bevor er um die nächste Ecke biegen konnte wurde er von einer kalten Stimme hinter sich aufgehalten.
"Warten Sie bitte einen Moment, Mr. Potter", sagte Severus mit gefährlich freundlicher Stimme.
Harry drehte sich abrupt um und blickte den Lehrer überrascht an. Er hatte erwartet, dass Snape ihn für die nächsten Wochen nicht mehr beachten würde, scheinbar hatte er sich da geirrt.
"Mr. Potter", fuhr Severus fort, "leider ist es mir nicht möglich, Ihnen für Ihre unglaublichen Unverschämtheiten, die Sie von sich gegeben haben, Punkte abzuziehen, da Sie während dieses Vorfalls kein Schüler von Hogwarts waren. Dennoch werden Sie dafür eine Strafe erhalten."
Harry starrte Severus ungläubig an. Das konnte Snape unmöglich Ernst meinen.
"Aber, Professor, das ist.....", begann er entrüstet.
"Passen Sie auf was Sie sagen, Potter", zischte Snape erbost. "5 Punkte Abzug für Gryffindor, wegen Widerrede!"
Harry starrte den Lehrer mit offenem Mund an. Das fing ja gut an. Er war noch keine 10 Minuten wieder in Hogwarts aufgenommen, und hatte für sein Haus schon die ersten Punkte verloren.
"Sie werden mir am Freitag nach der letzten Stunde etwas Gesellschaft leisten", fuhr Severus kalt fort.
"Ja, Sir", antwortete Harry zähneknirschend.
"Und am Samstag und Sonntag werden Sie sich direkt nach dem Frühstück bei mir einfinden."
Harry stockte einen Moment, dann knurrte er: "Ja, Sir."
"Und nehmen Sie sich am Besten nichts anderweitiges für diese Tage vor, unser Beisammensein könnte etwas länger dauern."
"War das jetzt alles, kann ich gehen?", fragte Harry patzig und starrte Snape feindselig an.
"Ja, Sie können jetzt gehen", antwortete Severus und seine Lippen verzogen sich bei diesen Worten zu einem kalten Lächeln.
Harry drehte sich um und schlurfte zum Gryffindor-Turm. Hatte er sich tatsächlich gewünscht wieder zurück nach Hogwarts zu dürfen? Dieser Wunsch kam ihm im Moment ziemlich absurd vor. Er wollte sich im Moment lieber überhaupt keine Gedanken darüber machen, welche Strafarbeit Snape sich für ihn ausgedacht hatte. So wie er Snape einschätzte konnte es nur etwas ziemlich ekliges sein.
Als Harry endlich das Portrait der fetten Dame, das den Eingang zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum hinter sich verbarg, erreicht hatte, blieb er unschlüssig stehen. Er hatte ganz vergessen Professor McGonagall nach dem Passwort zu fragen. Wie sollte er nun also hineinkommen?
In diesem Augenblick hörte Harry Schritte hinter sich. Er drehte sich um, und erkannte Neville Longbottom.
"Harry", rief Neville begeistert, "du bist wieder da!"
"Sieht ganz so aus", antwortete Harry grinsend.
"Wow", fuhr Neville fort, "es gab schon die wildesten Gerüchte, dass du nie wieder nach Hogwarts kommen würdest, dass du in Askaban bist ...." Neville machte eine kurze Pause.
"Du warst doch nicht etwa in Askaban, oder Harry?", fragte er vorsichtig.
Harrys Lächeln verschwand. Sobald er das Wort ‚Askaban' hörte, musste er an Sirius denken, der dort nun schon seit mehreren Wochen auf Hilfe wartete.
"Nein", antwortete er schließlich, "ich war nicht in Askaban."
"Gut", sagte Neville grinsend. "Du, manche haben sogar behauptet, Du-Weißt-Schon-Wer hätte dich getötet."
"Wie du siehst lebe ich noch", antwortete Harry und konnte sich ebenfalls ein Grinsen nicht verkneifen.
"Neville, kannst du mir vielleicht das Passwort sagen? Ich würde mich gerne ein bisschen ausruhen, leider habe ich vergessen Professor McGonagall danach zu fragen."
"Klar", antwortete Neville sofort.
Dann machte er jedoch eine Pause und schien scharf nachzudenken.
"Wie war das noch?", murmelte er leise. "Vorhin habe ich es noch gewusst."
Eine Minute verging. Auf Nevilles Stirn hatten sich tiefe Furchen gebildet, die von seinen Bemühungen zeugten, sich an das Passwort zu erinnern.
Plötzlich blickte er auf und setzte ein triumphierendes Gesicht auf.
"Ich hab's", rief er begeistert, "Godric's Hollow."
Augenblicklich schwang das Portrait zur Seite und gab den Eingang frei.
"Danke, Neville", sagte Harry und betrat den Gemeinschaftsraum.
Er hatte ein flaues Gefühl im Magen. Wenn schon Neville solch haarstäubende Gerüchte über Harrys Verbleib gehört hatte, was hatten dann bloß die anderen alles gehört?
Glücklicherweise war der Gemeinschaftsraum fast leer. Am Fenster saßen drei Zweitklässler und spielten Zauberschach, und am Kamin saßen Ron und Hermine.
Als Harry näher kam blickte Hermine von dem Aufsatz auf, an dem sie gerade schrieb. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie Harry erblickte.
"Harry", rief sie begeistert, sprang auf, und fiel dem verdutzten Harry um den Hals.
"Hallo, Kumpel", begrüßte auch Ron grinsend seinen Freund.
"Es ist so toll, dass du wieder da bist", sagte Hermine glücklich. "Komm schon, setz dich, und erzähl uns alles, was passiert ist."
Harry setzte sich zu seinen Freunden, und begann zu berichten, was in den letzten Wochen alles geschehen war.
Als er an der Stelle angekommen war, an welcher er Snape angebrüllt hatte, atmete Hermine scharf ein. "Du hast einen Lehrer angeschrieen?", fragte sie entsetzt.
"Cool", entfuhr es Ron.
"Ron", tadelte ihn Hermine sofort, "das ist kein Spaß, das ist eine ernste Angelegenheit."
"Aber Hermine", verteidigte Harry sich, "zu dieser Zeit war er nicht mein Lehrer, ich meine, na ja, er war es nur auf dieser Muggel-Schule."
"Und das zählt nicht", kommentierte Ron grinsend.
Hermine hob skeptisch eine Augenbraue. Harry versuchte ihren Zweifel zu ignorieren und fuhr mit seiner Erzählung fort.
Als er geendet hatte starrte Ron ihn mit offenem Mund an.
"Snape lässt dich 3 Tage nachsitzen? Der hat sie doch wohl nicht mehr alle?", rief er entgeistert.
Hermine schwieg. Aber nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen war sie wohl der Meinung, dass Harry diese Strafe verdient hatte.
"Aber ich kann nichts dagegen machen", sagte Harry niedergeschlagen. "Was soll's, das wird auch vorbei gehen."
"Ja", antwortete Ron bitter, "und unser erster Hogsmeade-Ausflug in diesem Jahr wird auch vorbei gehen, und zwar ohne dich."
"Na klasse", seufzte Harry. Das fing ja wirklich gut an.
***
Voldemorts Augen sprühten vor Zorn.
"Du hattest ihn, und hast ihn entkommen lassen?", zischte er gefährlich.
Wurmschwanz wand sich auf dem Boden, zu Füssen seines Meisters. Er hatte Voldemort soeben jammernd und winselnd von seinem Versagen in Surrey berichtet.
Lucius Malfoy und Thomas Loyer standen neben Voldemort. Auf Malfoys Gesicht machte sich ein zufriedenes Lächeln breit, denn er war von Anfang an davon überzeugt gewesen, dass Pettigrew versagen würde. Er hatte keinen Moment daran gezweifelt.
"Meister", winselte Wurmschwanz und klammerte sich mit den Händen an Voldemorts Umhang, "ich konnte doch nicht ahnen, dass ....."
"SCHWEIG!", donnerte Voldemort zornig. Er zog seinen Zauberstab aus dem Umhang und richtete ihn auf das Häufchen Elend zu seinen Füßen.
"Crucio", fauchte er.
Wurmschwanz schrie laut auf, als der Fluch ihn traf, und wand sich vor Schmerz auf dem Boden. Nach wenigen Augenblicken hob Voldemort seinen Zauberstab wieder und nahm den Schmerz-Fluch von seinem Opfer.
"Dass du es überhaupt wagst, mir mit solch einer Nachricht unter die Augen zu treten", sagte er und starrte Wurmschwanz ärgerlich an.
"Meister", winselte Pettigrew schwach, "Was hätte ich gegen Snape tun sollen? Er hat mich überrumpelt."
Voldemort schnaubte verächtlich.
"Ich sollte dich für deine Unfähigkeit töten", zischte er und richtete langsam seinen Zauberstab wieder auf Wurmschwanz.
"Nein", kreischte Pettigrew panisch und klammerte sich wieder an Voldemorts Umhang, "Meister, ich bitte Euch, habt Erbarmen mit Eurem nichtswürdigen Diener."
Voldemort schwieg und blickte Wurmschwanz kalt an. Die Zeit schien still zu stehen. Wurmschwanz zitterte am ganzen Körper und blickte seinen Meister angstvoll von unten an. Er wagte nicht sich zu bewegen.
"Geh mir aus den Augen", sagte Voldemort schließlich.
"Ihr lasst mich gehen?", fragte Wurmschwanz zaghaft.
"GEH", wiederholte der dunkle Lord ärgerlich, "Bevor ich es mir anders überlege."
Langsam rappelte Wurmschwanz sich auf und schlich in Richtung Tür, ohne jedoch Voldemort aus den Augen zu lassen. Vorsichtig öffnete er die Tür, um die Gefahrenzone endgültig zu verlassen, als Voldemort ihn jedoch aufhielt.
"Wurmschwanz."
Pettigrew fuhr vor Schreck zusammen und blieb abrupt stehen.
"Ja, m-mein Lord", stotterte er fast unhörbar.
"Ich war zwar heute gnädig", sagte Voldemort, "Aber sei dir gewiss, dass ich diesen Vorfall nicht vergessen werde. Sei also auf der Hut."
"J-ja, m-m-mein Lord", stotterte Wurmschwanz. So schnell er konnte verließ er den Raum und ließ Voldemort mit Loyer und Malfoy alleine.
"Warum ward Ihr so gnädig zu ihm, mein Lord?", fragte Loyer vorsichtig, nachdem Wurmschwanz die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Voldemort löste seinen Blick von der Tür und wandte sich zu Loyer.
"Ich habe das Gefühl, dass ich ihn eines Tages noch einmal brauchen werde", sagte der dunkle Lord langsam. "Eines Tages wird er von Nutzen sein."
Loyer nickte, als ob er verstanden hätte, was Voldemort soeben gesagt hatte, aber in Wahrheit konnte er sich nicht vorstellen, für was sein Meister einen Versager wie Pettigrew jemals brauchen würde.
"Mein Lord", fragte nun Lucius Malfoy vorsichtig, "Habt Ihr schon neue Informationen von Euren Agenten in Ost-Europa?"
Voldemort wandte sich an Malfoy und seine Laune schien sich etwas zu bessern, jedenfalls umspielte ein zufriedenes Lächeln seinen Mund.
"Ja", antwortete er, "In der Tat. Gestern hat mich Michael Mendax kontaktiert. Sie haben ein Lager der Wicca gefunden. Leider war es bereits seit mehreren Tagen verlassen."
"Das ist sehr bedauerlich", sagte Malfoy betroffen.
"Sie werden sie finden, früher oder später. Jedenfalls haben sie jetzt eine Spur", sagte Voldemort.
"Entschuldigt meine Unwissenheit, Meister", meldete sich Loyer kleinlaut zu Wort, "Aber was bitte sind ‚Wicca'?"
Voldemort schwieg. Er hatte keine Lust, einem Nichtswürdigen wie Thomas Loyer haarklein zu erklären, was ein Genie wie er im Schilde führte. Das war einfach unter seinem Niveau.
Loyer blickte seinen Meister wissbegierig an, Voldemort machte jedoch noch immer keine Anstalten zu antworten.
Schließlich warf er Malfoy einen kurzen Blick zu, damit dieser Loyer erklärte was ‚Wicca' sind. Malfoy nickte kurz.
"Die Wicca sind eine Hexengemeinschaft, die fast ausgestorben ist", begann Malfoy mit gedämpfter Stimme. "Es gibt nur noch ein paar vereinzelte kleine Gruppen, sogenannte Covens, die hauptsächlich in Osteuropa leben. Sie sind wie Zigeuner, bleiben nie lange an einem Ort. Diese Covens sind nie sehr groß, in der Regel haben sie 13 Mitglieder."
"Aber was ist das besondere an ihnen?", fragte Loyer neugierig.
Voldemort hatte indes begonnen ungeduldig in der großen Halle von Malfoy Manor auf und ab zu schreiten. In regelmäßigen Abständen warf er abschätzende Blicke zu seinen Dienern.
Malfoy blickte kurz zu seinem Meister, als dieser fast unmerklich nickte fuhr er fort: "Diese Wicca-Covens existieren zum Teil schon mehrere Tausend Jahre. Ihr Wissen wird von Generation zu Generation in einem sogenannten ‚Buch der Schatten' weitergegeben. Wir haben bereits vor Monaten von einem unserer Informanten erfahren, dass einige dieser Wicca-Covens das Geheimnis des ewigen Lebens kennen."
Loyer starrte Malfoy mit offenem Mund an.
"Das ist genug", unterbrach Voldemort Malfoy barsch.
"Loyer, du wirst dich nun nach Surrey begeben und herausfinden, ob Potter sich noch dort befindet. Lucius, du wirst dich im Ministerium umhören, ob er wieder in Hogwarts ist."
Die beiden angesprochenen nickten, verbeugten sich, und verließen gemeinsam den Raum.
Voldemort wartete, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, dann wandte er sich um und ging zu einer Tür am anderen Ende der Halle.
Er öffnete sie, und stand vor einer steinernen Treppe, die hinab in die Dunkelheit führte. Langsam schritt er die Stufen nach unten. Im vorbeigehen entzündete er die Fackeln, die in metallenen Halterungen an der Wand befestigt waren, mit einem kurzen Wink seines Zauberstabes.
Die Treppe endete in einem langen, düsteren Gang. Links und rechts befanden sich unzählige schwere, hölzerne Türen. In Augenhöhe waren kleine Gitterfenster, durch die man in die Räume dahinter blicken konnte.
Voldemort ging zielstrebig zu einer der Türen und öffnete sie. Er betrat den kleinen Raum und schloss die Tür wieder hinter sich. Mit einem Wink seines Zauberstabes entzündete er die Fackel an der Wand und blickte sich um.
Der Lichtschein der Fackel warf bizarre Formen und Muster auf die kahlen Wände. Das einzige Möbelstück, das sich in dem Raum befand, war ein altes Bettgestell ohne Matratze.
Auf dem Gestell lag eine zusammengekrümmte Gestalt. Sie stöhnte, als das ungewohnte Licht ihre Augen traf und drehte sich langsam und unter größter Kraftanstrengung um. Es war Mrs. Figg.
Als sie den dunklen Lord erkannte weiteten sich ihre Augen überrascht. Ein Lächeln breitete sich auf Voldemorts Gesicht aus, als er auf den geschundenen Körper blickte.
"Hallo Arabella", sagte Voldemort kalt, "Ich hoffe du hattest eine angenehme Nacht."
Leise stöhnend setzte Mrs. Figg sich langsam auf, wobei sie Voldemort keinen Moment aus den Augen ließ.
"Was willst du noch, Tom?", fragte sie schwach.
Beim Klang dieses Namens verengten sich Voldemorts Augen ärgerlich.
"Du hast bereits alle Antworten. Selbst der stärkste Zaubertrank könnte dir nichts Neues offenbaren", fuhr die alte Frau kraftlos fort.
"Nun", sagte Voldemort langsam, "Vielleicht möchte ich heute gar nicht mit dir über Harry Potter sprechen."
Er machte eine kurze Pause und blickte die Frau vor ihm lächelnd an.
"Übrigens wird es dich interessieren, dass Potter meinem treuen Wurmschwanz nur um ein Haar entkommen ist. Aber mach dir keine Sorgen. Das nächste Mal werden wir ihn kriegen."
Mrs. Figg blickte Voldemort fest an.
"Du wirst ihn nie erwischen. Nicht solange es Albus Dumbledore gibt", sagte sie überzeugt.
"Sei still, verdammtes Weib", zischte der dunkle Lord zornig.
Mrs. Figg senkte traurig den Blick.
"Was ist nur aus dir geworden, Tom? Was ist aus dem Jungen geworden, mit dem ich zusammen in der Schule war? ........ Den ich vor langer Zeit einmal geliebt habe?"
"Tom Riddle ist TOT!", fauchte Voldemort ärgerlich.
"Das kann ich einfach nicht glauben, Tom", sagte Mrs. Figg leise und blickte dem dunklen Lord fest in seine rot glühenden Augen.
Voldemort blickte einen Moment ausweichend zur Seite.
"Glaub was du willst", antwortete er schließlich kalt, wobei er Mrs. Figg wieder direkt anblickte.
"Ich will meine kostbare Zeit nicht weiter mit sinnlosem Geschwätz vergeuden", fuhr er emotionslos fort. "Ich habe noch ein paar Fragen."
"Du weißt, dass ich dir bereits alles gesagt habe. Wie hätte ich dir etwas verschweigen können? Gegen deinen verdammten Zaubertank hätte sich nicht einmal Albus zur Wehr setzen können."
Auf Voldemorts Gesicht machte sich erneut ein kaltes Lächeln breit.
"Ja", sagte Voldemort zufrieden, "Der Schöpfer dieses Trankes ist wirklich ein Genie. Zu schade, dass auch er bald sterben wird."
Mrs. Figg blickte Voldemort fragend an.
"Ach", sagte Voldemort mit leicht sarkastischem Unterton, "weißt du etwa nicht, wem du deine Qualen zu verdanken hattest? Glaube mir, ich finde es immer höchst amüsant, wenn ich nicht nur Antworten durch diese Tränke erhalte, sondern wenn ich dabei auch noch ein wenig unterhalten werde. Severus Snape war einfach der Beste. Zu schade, dass er sich gegen seinen Meister entschieden hat."
"Severus?", entfuhr es Mrs. Figg überrascht.
"Höchst amüsant, nicht wahr? Ausgerechnet der Mann, den ihr alle als euren Freund seht, hat dir diese Qualen zugefügt."
"DU hast mich gezwungen dieses Zeug zu trinken, nicht er", empörte Mrs. Figg sich.
"SCHWEIG", zischte Voldemort, "Beantworte mir lieber meine Frage. Verrate mir das Geheimnis der Unsterblichkeit, das die Wicca seit Jahrhunderten hüten wie ihren Augapfel."
"Ich kann dir nichts sagen, das ich nicht weiß. Ich war nie ein vollwertiges Mitglied der Wicca, und das weißt du. Meine Mutter gehörte zu ihnen. Ich habe die Aufnahmezeremonie nie gemacht, aus diesem Grund haben sie mir auch nie ihre Geheimnisse anvertraut."
"DU LÜGST", donnerte Voldemort ärgerlich.
"Finde es heraus, wenn du mir nicht glaubst", sagte Mrs. Figg trotzig und blickte Voldemort wieder direkt in die Augen.
"Verlass dich darauf", sagte Voldemort kalt, drehte sich um und ging zur Tür.
"Ich besitze mit Sicherheit auch für dieses Problem noch ein kleines Andenken von dem Giftmischer. Du wirst mir das Geheimnis verraten, glaube mir, alte Hexe."
Dann öffnete er die Tür und verließ den Raum.
Bevor er die Tür wieder hinter sich schloss löschte er mit einem Wink seines Zauberstabs die Fackel an der Wand und ließ die alte Frau alleine in der Dunkelheit zurück.