Fern der Heimat

 

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Kapitel 10: Ruhe in Frieden

 



Professor McGonagall berichtete dem Direktor knapp, was in der Winkelgasse geschehen war.
Als sie geendet hatte nickte Dumbledore nachdenklich.
„So, Percy Weasley sagst du, Minerva“, murmelte er schließlich.
Professor McGonagall nickte.
„Was denkst du, Albus, wie steht er zu uns?“, fragte Remus skeptisch.
„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete Dumbledore.
„Mr. Weasley arbeitet nun seit über zwei Jahren für das Zaubereiministerium. Soweit ich weiß ist er den Entscheidungsträgern dort sehr zugetan.“
„Also können wir nicht auf ihn zählen“, stellte Remus enttäuscht fest.
„Aber warum hat er den Zauberstab von Potters Vater nicht zusammen mit dem anderen bei Mr. Olivander abgeliefert?“, fragte Professor McGonagall verständnislos in die Runde.
„Vielleicht weil er mir damals versprochen hat gut auf ihn aufzupassen“, antwortete Harry niedergeschlagen.
Remus blickte Harry mitleidig an, sagte jedoch nichts um ihn aufzuheitern. Er wusste, dass Harry fest damit gerechnet hatte heute Nachmittag endlich seinen Zauberstab zurück zu bekommen.
Keiner von ihnen hatte erwartet, dass der Zauberstab nicht bei Mr. Olivander sein würde. Andererseits war dies jedoch auch ihr Glück gewesen, denn sonst hätten Malfoy und Colby ihn mit Sicherheit ebenfalls zerstört.
„Das ist doch unlogisch“, fuhr Harry plötzlich aufgebracht fort. „Wenn Percy dem Ministerium gegenüber loyal wäre, hätte er den Zauberstab doch abgeliefert. Warum hat er Dads Zauberstab dann überhaupt konfisziert, wenn er nicht vor hatte ihn dem Ministerium auszuhändigen? Niemand sonst hat gewusst, dass ich überhaupt einen Zweiten habe.“
„Vielleicht“, überlegte Professor Dumbledore nachdenklich, „war er in einem Gewissenskonflikt.“
Die Umstehenden blickten ihn fragend an.
„Wie meinst du das?“, fragte Remus.
„Nun ja, Percy Weasley hatte von seinem Vorgesetzten die Anweisung Harrys Zauberstab zu konfiszieren, damit er nicht mehr zaubern konnte. Da Mr. Weasley wusste, dass Harry noch einen zweiten Zauberstab besitzt, fühlte er sich wohl verpflichtet auch diesen an sich zu nehmen. Schließlich war das Ziel seines Auftrags erst in dem Moment erreicht, in dem Harry nicht mehr in der Lage war einen Zauberspruch auszuführen.
Ich denke jedoch, dass Mr. Weasley im Grunde seines Herzens genau wusste, wie sehr er Harry damit verletzte und hat so seinem Wunsch entsprochen, und verwahrt nun den Zauberstab an einem sicheren Ort.“
„Glauben Sie, dass er ihn mir zurück gibt, Professor?“, fragte Harry hoffnungsvoll.
„Nein“, antwortete Dumbledore überzeugt.
Der kleine Funken Hoffnung, der in Harry zu glimmen begonnen hatte erlosch wieder, als hätte jemand einen Eimer Wasser über ein Streichholz gekippt.
„Jedenfalls nicht ohne Weiteres. Im Grunde ist Mr. Weasley seinem Arbeitgeber gegenüber loyal, und wenn er dir deinen Zauberstab zurück gibt wäre dies eindeutig gegen die Absichten des Ministeriums, das dich ja aus der Zauberergesellschaft ausgeschlossen hat“, fuhr Dumbledore fort.
„Ich werde das in die Hand nehmen“, sagte Professor McGonagall plötzlich entschlossen.
„Wie willst du das anstellen?“, fragte Remus überrascht.
„Die ganze Familie Weasley war in Gryffindor. Molly und Arthur sind zwei unserer vertrauenswürdigsten Ordensmitglieder. Beide sind Gryffindor noch immer sehr verbunden. Dass beide auch Harry sehr zugetan sind, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen.
Auch Percy Weasley ist ein Gryffindor mit Haut und Haaren. Da ich sieben Jahre lang seine Hauslehrerin war, und er mir stets vertraut hat, denke ich, dass ich vielleicht etwas erreichen kann.“
Dumbledore nickte. „Vielleicht ist das eine Chance“, sagte er zustimmend.
„Ich werde Arthur und Molly heute Abend einen Besuch abstatten“, sagte Professor McGonagall.
„Sagen Sie mir sofort Bescheid, sobald es etwas Neues gibt?“, fragte Harry drängend.
„Selbstverständlich“, antwortete Professor McGonagall und lächelte Harry aufmunternd an.
Harry atmete erleichtert auf. Vielleicht konnte seine Hauslehrerin ja tatsächlich etwas bei Percy erreichen. Schließlich hatte Percy immer eine sehr hohe Meinung von seiner Lehrerin gehabt.
Nun ja, eigentlich hatte Percy generell eine sehr hohe Meinung von Autoritätspersonen. Schließlich hatte er ja auch große Stücke auf seinen ehemaligen Vorgesetzten, Mr. Crouch, gehalten, obwohl dieser nicht gerade eine weiße Weste gehabt hatte.


Nach dieser Unterredung ging Harry zurück zum Gryffindor-Turm. Dort wurde er bereits von Ron und Hermine erwartet.
Beide waren sehr bestürzt, als sie erfuhren, dass Harry seinen Zauberstab nicht zurück bekommen hatte.
„Mach dir keine Sorgen, Harry“, versuchte Hermine ihn zu trösten, „ich denke Percy weiß, dass wir die Guten sind. Und er hat großen Respekt vor Professor McGonagall. Er muss ihr den Zauberstab einfach geben. Oder etwa nicht?“
Mit diesen Worten blickte sie Ron erwartungsvoll an.
Ron schwieg einen Moment, dann sagte er langsam: „Ich weiß nicht.“
„Nein“, sagte Hermine entschieden. „Er würde nie eine direkte Bitte von Professor McGonagall abschlagen.“
„Was glaubst du“, fragte Ron, um das Thema zu wechseln, „hat Malfoy den Zauberstab im Auftrag von Fudge oder von Ihr-Wisst-Schon-Wem zerbrochen?“
„Keine Ahnung“, antwortete Harry, „zutrauen würde ich es beiden.“
„Wenn man bedenkt, dass Fudge dir noch vor wenigen Jahren aus der Klemme geholfen hat, als du deine Tante aufgeblasen hast....“, sagte Hermine kopfschüttelnd.
„Scheinbar haben wir uns damals in ihm getäuscht“, stellte Harry ungerührt fest.
„Lasst uns was essen gehen, ich habe einen Bärenhunger“, sagte Harry schließlich, um das Thema endgültig zu beenden.
Er hatte keine Lust immer wieder daran erinnert zu werden, dass er noch immer keinen seiner Zauberstäbe zurück bekommen hatte.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in die Große Halle. Die meisten Schüler hatten ihr Abendessen bereits beendet, denn es war mittlerweile schon recht spät geworden, und so waren sie alleine an dem langen Gryffindor-Tisch.
Nach dem Essen gingen sie wieder in ihren Gemeinschaftsraum um ihre Hausaufgaben zu machen.
Harry, der dem Schulstoff mehrere Wochen zurückhing, nahm sich seufzend seine ‚Geschichte der Zauberei Band 6’ zur Hand und begann zu lesen. Aber er konnte sich nicht richtig konzentrieren.
Jedes Mal, wenn sich der Eingang zum Gemeinschaftsraum öffnete blickte er abrupt auf, in der Hoffnung, es könnte Professor McGonagall sein, die seinen Zauberstab dabei hatte. Doch sie kam nicht.
Um kurz vor elf ging Harry schließlich enttäuscht nach oben in den Schlafsaal. Er hatte zwar den ganzen Abend in seinem Geschichtsbuch gelesen, aber er konnte sich an keine einzige Zeile erinnern.
Müde legte er sich in sein Bett und schloss die Augen, aber er konnte nicht einschlafen. Viel zu viel war in den letzten Tagen geschehen.
Es war kurz vor Mitternacht, als Harry leise aufstand. Geräuschlos, um seine Klassenkameraden nicht zu wecken, schlich er zum Fenster des Schlafsaals und blickte auf die nächtlichen Ländereien des Schlosses. Wie so oft hatte dieser Anblick etwas beruhigendes und gleichzeitig tröstliches an sich.
Harry seufzte leise. Hier war sein zu Hause, komme was wolle. Er blickte sich kurz zu seinen Klassenkameraden um. Dean Thomas schnarchte leise und gleichmäßig und Neville, der einen sehr bewegenden Traum zu haben schien, strampelte unruhig in seinem Bett, wobei er sein Kopfkissen auf den Boden schleuderte.
Harry schlich zu Nevilles Bett, hob das Kissen auf und legte es wieder an das Kopfende des Bettes. Dann ging er wieder zum Fenster und blickte nach draußen.
Er wusste nicht, wie lange er bereits so da gestanden hatte, als er plötzlich circa ein Dutzend dunkle Gestalten entdeckte, die vom Schloss weg schlichen. Harry stockte der Atem. Wer um alles in der Welt war um diese Zeit auf den Ländereien unterwegs?
Die Gestalten entfernten sich weiter und schlugen einen Weg in Richtung des Verbotenen Waldes ein. Wer um alles in der Welt konnte das nur sein?
Harry überlegte einen Moment, ob er vielleicht Ron wecken sollte, entschied sich aber dagegen. Er konnte Ron auch morgen noch von seiner Beobachtung berichten, heute Nacht konnten sie ohnehin nichts mehr ausrichten, denn die dunklen Gestalten waren inzwischen aus Harrys Sichtfeld verschwunden und er war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich in den Wald gegangen waren, oder vorher einen anderen Weg genommen hatten.
Grübelnd ging er wieder zu seinem Bett und legte sich hin. Nach einiger Zeit fiel er in einen unruhigen Schlaf.


Als er am nächsten Morgen gemeinsam mit Ron und Hermine die Treppen zur Großen Halle hinunter ging berichtete er ihnen aufgeregt von seiner nächtlichen Beobachtung.
„Wer sollte denn um so eine Zeit über die Ländereien schleichen? Ich meine außer uns“, fragte Ron grinsend.
„Genau das frage ich euch“, antwortete Harry ohne Rons Scherz zu beachten.
„Das ist alles sehr seltsam“, murmelte Hermine mehr zu sich selbst, als zu ihren Freunden. „Du hast gesagt es waren ungefähr ein Dutzend?“, fragte sie Harry schließlich.
Harry bejahte die Frage.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwelche Schüler waren, die irgend etwas aushecken. Es gibt an der ganzen Schule keine einzige Gruppe mit so vielen Schülern, die so etwas machen würden. Jedenfalls kenne ich keine“, grübelte sie.
„Vielleicht waren es die Lehrer?“, warf Ron ein.
„Nein“, antwortete Harry sofort, „wenn es Lehrer gewesen wären hätte ich sie mit Sicherheit erkannt. Silhouetten wie Snape oder Flitwick sind unverkennbar, und auch die anderen hätte ich sicherlich erkannt.“
Dagegen konnten Ron und Hermine nicht viel einwenden.
„Wir sollten auf alle Fälle ein Auge darauf halten“, sagte Ron entschlossen.
„Das denke ich auch“, pflichtete Harry ihm bei.
Auch Hermine nickte zustimmend.
Als sie die Große Halle betraten spähte Harry erwartungsvoll zum Tisch der Lehrer, doch Professor McGonagall war nicht da, ihr Platz war leer.
Auch während des Frühstücks erschien die Lehrerin nicht.
Nach dem Frühstück trottete Harry enttäuscht neben seinen Freunden her zur ersten Stunde. Wie um alles in der Welt sollte er ausgerechnet in einem Fach wie ‚Zauberkunst’ am Unterricht teilnehmen, wenn er keinen Zauberstab hatte?
Er war zwar mittlerweile in der Lage einfachste Zauber nur mit Hilfe seiner Gedanken auszuführen, aber das, was Professor Flitwick von seiner sechsten Klasse verlangte, war weitaus komplexer als ein simpler Schwebe-Zauber.

Wie auch die anderen Lehrer begann Professor Flitwick die Stunde mit einer kurzen Wiederholung des bisher durchgenommenen Stoffes.
Scheinbar hatte Professor Dumbledore seine Lehrer darum gebeten Harry zuliebe, der ja eine ganze Menge verpasst hatte, eine Wiederholungsstunde abzuhalten.
Eigentlich hätte Harry dankbar sein müssen, aber er schaffte es einfach nicht, den Ausführungen des kleinen Lehrers zu folgen.
Immer wieder schweiften seine Gedanken ab. Er erinnerte sich an ihre Begegnung gestern in der Winkelgasse mit Malfoy und überlegte, was Sirius wohl dazu sagen würde.
Sirius! Wie mochte es seinem Paten wohl ergehen? Konnte er den Dementoren noch stand halten?
In diesem Moment klopfte es plötzlich an der Tür des Klassenraums und Harry wurde aus seinen Gedanken gerissen.
Professor Flitwick blickte einen Augenblick irritiert die Tür an, dann sagte er: „Herein.“
Die Tür öffnete sich und Professor McGonagall steckte den Kopf in das Zimmer.
„Entschuldigen Sie bitte, Professor, aber könnten Sie Mr. Potter wohl für einen Moment entbehren?“, fragte sie.
Noch bevor Professor Flitwick antworten konnte, war Harry von seinem Platz aufgesprungen, wobei er versehentlich seinen Stuhl umstieß, der geräuschvoll zu Boden fiel.
„Aber nicht zu lange, Mr. Potter“, piepste Professor Flitwick hinter Harry, der bereits fast die Tür erreicht hatte.
Harry verließ ohne sich noch einmal umzublicken den Klassenraum und schloss die Tür hinter sich. Professor McGonagall wartete bereits im Korridor auf ihn.
„Haben Sie ihn?“, fragte Harry aufgeregt ohne eine Begrüßung.
Professor McGonagall lächelte, dann griff sie in die Tasche ihres Umhangs, holte einen abgegriffenen Zauberstab heraus und reichte ihn Harry.
Harry erkannte sofort den Zauberstab seines Vaters und machte einen kleinen Luftsprung.
„Percy hat ihn Ihnen tatsächlich gegeben?“, fragte er atemlos.
„Nicht sofort“, antwortete Professor McGonagall. „Es hat mich viel Überredungskunst gekostet, wobei Arthur und Molly mir geholfen haben. Aber schlussendlich konnten wir Mr. Weasley überzeugen.“
Harry strahlte. Am liebsten wäre er der Lehrerin um den Hals gefallen, konnte sich aber gerade noch beherrschen. Stattdessen streckte er langsam seine Hand aus und nahm seinen lange vermissten Zauberstab entgegen.
Ehrfürchtig strich er mit der Hand über das spröde Holz.
Professor McGonagall schwieg und ließ Harry diesen Moment in Ruhe auskosten.
„Danke“, sagte Harry schließlich und strahlte die Lehrerin an.
„Jetzt gehen Sie rasch wieder in die Klasse, Mr. Potter, ich bin sicher Professor Flitwick wartet bereits“, sagte sie.
Harry nickte und ging wieder zurück in das Klassenzimmer.
So glücklich war er schon lange nicht mehr gewesen, nun, endlich, fühlte er sich wieder wie ein richtiger Zauberer.
Der Rest der ‚Zauberkunst-Stunde’ flog an Harry vorbei, ohne dass er etwas davon mitbekam. Immer wieder betrachtete er zärtlich seinen Zauberstab und strich mit den Fingern über das Holz, nur um sicher zu gehen, dass es kein Traum war.
Sein Glück hätte nun eigentlich perfekt sein können, wenn nicht ein dunkler Schatten wie das Schwert des Damokles über ihm geschwebt hätte: heute war Freitag.
Sicher hatte Snape sich für Harry wieder etwas besonders fieses ausgedacht, aber heute war ihm das egal. Selbst Snape würde es nicht schaffen seine gute Laune zu zerstören.


Nach der letzten Stunde brachte Harry seine Schultasche in den Gryffindor-Turm und machte sich danach direkt auf den Weg zum ‚Zaubertrank-Kerker’.
Er wusste aus Erfahrung, dass es nicht ratsam war Snape warten zu lassen.
Der Lehrer saß an seinem Schreibtisch und schrieb etwas auf einen Bogen Pergament. Als Harry den Raum betrat blickte er auf und starrte ihn kalt an.
„Sie kommen spät, Potter“, sagte er vorwurfsvoll.
„Die letzte Stunde ist erst seit 15 Minuten vorbei, ich habe nur meine Tasche .....“, antwortete Harry aufgebracht, konnte seinen Satz jedoch nicht beenden, da Snape ihn sofort unterbracht.
„Ich habe Sie nicht nach Ihrer Meinung gefragt“, zischte er. „Setzen Sie sich.“
Harry starrte Snape hasserfüllt an, dann ging er jedoch, ohne noch etwas zu sagen, zu seinem Platz und setzte sich.
Severus Snape erhob sich und ging in sein Büro zu dem großen Vorratsschrank, in dem er seine privaten Zaubertrankzutaten aufbewahrte.
Als er wieder in den Klassenraum zurückkehrte hatte er ein riesiges Einmachglas mit frischen Augen in der Hand. Mit einem kalten Lächeln trat er zu Harry und stellte das Glas vor ihm auf den Tisch.
Harry drehte sich fast der Magen um, als er die glitschigen Augen betrachtete. Sie schwammen in einer gallertartigen Masse und schienen ihn alle anzustieren.
An die kleinen, schwarzen, nicht einmal erbsengroßen Molchaugen war er ja gewöhnt, aber das hier war etwas völlig anderes.
Um nicht zu würgen wandte er seinen Blick schnell von den Augen ab und starrte Snape an. Was sollte das? Wollte der Lehrer etwa, dass er sich hier in seinem Klassenraum übergab?
Er wollte Snape fragen, doch als er seinen Mund öffnete überkam ihn eine neue Welle der Übelkeit und er musste würgen. Harry schloss seinen Mund augenblicklich wieder.
Snapes Lächeln wurde noch breiter als er Harrys Ekel bemerkte.
„Ich habe eine schöne Aufgabe für Sie. Sie werden diese Harpyienaugen säubern und danach ordentlich klein hacken“, erklärte er dem sprachlosen Harry.
Harry glaubte seinen Ohren nicht zu trauen und starrte Severus fassungslos an.
„Dachten Sie etwa, Sie könnten hier däumchendrehend Ihre Zeit absitzen, bis ich Sie entlasse?“, fragte Snape provozierend.
Harry antwortete nicht.
„Ich benötige diese Zutaten für einen wichtigen Zaubertrank, also machen Sie Ihre Arbeit ordentlich“, fügte er hinzu.
Harry starrte ihn noch immer wortlos an. Wer in aller Welt sollte einen Zaubertrank zu sich nehmen, in dem solch ekelhafte Zutaten waren?
„Sie dürfen anfangen“, sagte Snape ungeduldig.
Dann drehte er sich um, kehrte zurück zu seinem Schreibtisch und vertiefte sich wieder in die Aufsätze.
Harry biss die Zähne zusammen und schraubte angewidert das Glas auf. Ein bestialischer Gestank schlug ihm entgegen sobald der Deckel geöffnet war und Harry musste erneut würgen.
Er schloss einen Moment die Augen in der Hoffnung, sein rebellierender Magen würde sich auf diese Weise wieder etwas beruhigen. Aber auch wenn er die Augen nicht mehr sah konnte er sie noch immer riechen.
„Wir haben heute noch einiges vor, Potter“, riss Snape ihn in diesem Moment mit scharfem Ton aus den Gedanken. „Jetzt stellen Sie sich nicht an wie ein alberner Erstklässler und machen Sie sich gefälligst an die Arbeit!“
Harry knirschte wütend mit den Zähnen und öffnete langsam die Augen.
Dann streckte er zögernd die Hand aus, griff in das Glas und holte eine Handvoll Augen heraus. Zu seinem Entsetzen musste er feststellen, dass sie sich noch glitschiger anfühlten, als sie aussahen.
Erneut spürte er einen dicken Kloß im Hals und biss die Zähne noch fester zusammen. Er musste einfach durchhalten. ‚Im Prinzip sind es doch nichts anderes als überdimensionale Molchaugen’, versuchte er sich einzureden.
Mit höchster Konzentration begann er angewidert die Augen zu säubern und zu zerkleinern. Später konnte Harry sich nie wieder daran erinnern, wie er es an diesem Tag geschafft hatte die unzähligen Augen zu hacken, aber er schaffte es, ohne sich ein einziges Mal übergeben zu müssen.
Als er endlich, nach mehr als einer Stunde, fertig war seufzte er erleichtert.
Snape blickte von seiner Lektüre auf, erhob sich, und ging zu Harry hinüber um zu kontrollieren, ob dieser seine Aufgabe auch ordentlich erledigt hatte.
Er beugte sich über das Glas mit den nun gehackten Augen und musterte sie eingehend.
„Na also, es geht doch“, sagte er schließlich und blickte Harry kalt an.
Harry antwortete nicht. Er war mittlerweile völlig grün im Gesicht und musste all seine Kraft aufwenden um sich gerade auf seinem Stuhl zu halten.
Aber Snape ließ ihm keine Zeit um zu verschnaufen. Er ging erneut zum Vorratsschrank und holte mehrere große Gefäße heraus. Dann kehrte er zu Harry zurück und stellte sie vor ihm auf den Tisch.
„Sie können nun hier weitermachen“, sagte er schlicht und ging zurück zu seinem Pult.
Harry seufzte. Er würde Stunden brauchen, um die ganzen Drachenlebern, Phantom-Wurzeln und Krötenzähne zu zerkleinern, aber wenigstens war dies alles bei weitem nicht mehr so ekelhaft wie diese widerlichen Augen.
Die Abendessenszeit war mittlerweile schon lange vorüber, doch Harry war der Appetit gründlich vergangen. Er konnte nicht sagen wie spät es inzwischen war, aber elf Uhr war mit Sicherheit schon vorbei.
Zu seiner Erleichterung war er im Moment dabei die letzte Drachenleber zu zerhacken. Er konnte nur hoffen, dass Snape an diesem Abend nicht noch mehr Überraschungen für ihn auf Lager hatte, denn seine Hände taten ihm mittlerweile weh und er hatte Mühe seine Augen offen zu halten. Es war ein langer Tag gewesen.
Als hätte der Lehrer seine Gedanken gelesen stand er von seinem Tisch auf und ging zu Harry.
„Wenn Sie mit dieser Leber fertig sind können Sie gehen“, sagte er kalt.
Harry atmete erleichtert auf.
„Ich erwarte Sie morgen um neun Uhr. PÜNKTLICH“, fügte er hinzu.
„Ja, Sir“, antwortete Harry müde. Er war viel zu müde, um sich über Snapes Anspielung über seine heutige angebliche Verspätung zu ärgern.
Ohne Harry eines weiteren Blickes zu würdigen drehte Snape sich um, verschwand in seinem Büro und ließ Harry in dem Klassenzimmer alleine.
Gähnend stand Harry auf, verließ den düsteren Kerker und schlurfte die unzähligen Treppen hinauf in den Gryffindor-Turm.
Als Harry den Gemeinschaftsraum erreichte war dieser bereits menschenleer. Im Kamin glimmten die letzten Holzscheite und tauchten den gemütlichen Raum in ein warmes, diffuses Licht.
Harry ging zu dem Sessel, der dem Kamin am nächsten stand und ließ sich erschöpft in die Polster fallen.
Obwohl er todmüde war wollte er noch nicht in den Schlafsaal. Er wollte einfach nur einen Moment alleine sein, ohne an irgend etwas denken oder ohne etwas tun zu müssen.
Er wusste nicht wie lange er gedankenverloren in die verglimmende Glut des Kamins gestarrt hatte, als er plötzlich aufschreckte.
Irgendwie musste er wohl eingeschlafen sein. Mit steifen Gliedern erhob er sich aus dem Sessel und schleppte sich die Treppe zu seinem Schlafsaal hinauf.
Auf halbem Weg warf er einen Blick aus dem Fenster auf die nächtlichen Ländereinen von Hogwarts und war augenblicklich hellwach.
Wie schon in der letzten Nacht erkannte er wieder mehrere Gestalten, die sich vom Schloss entfernten. Wie das letzte Mal schlichen sie in Richtung des Verbotenen Waldes. Dieses Mal schienen es jedoch mehr zu sein, nach Harrys Schätzung mussten es wohl 15 oder 16 sein.
Harry kniff die Augen zusammen um zu sehen, wohin diese schattenhaften Gestalten verschwanden, aber es war zu dunkel und Harry verlor sie aus den Augen.
Angestrengt versuchte er sie wieder zu finden, hatte jedoch keinen Erfolg. Erschöpft schleppte er sich in sein Bett und legte sich schlafen.
Doch trotz seiner Müdigkeit lag er in dieser Nacht noch lange wach. Zu viele Fragen schwirrten durch seinen Kopf.
Was zum Teufel ging hier vor? Wer war diese Gruppe von Leuten, die er nun schon zum zweiten Mal beobachtet hatte?
Irgendwann fiel Harry schließlich in einen traumlosen Schlaf.

***



Die beiden jungen Death Eater waren sichtlich nervös, als sie die Stufen zu den Kerkern tief unter Malfoy Manor hinunter stiegen.
Dies war der erste Auftrag, der ihnen übertragen worden war, seit sie vor wenigen Wochen Lord Voldemort die Treue geschworen hatten.
Es war eigentlich nur eine Kleinigkeit, die sie erledigen sollten, aber beiden war die Anspannung anzumerken.
Im Prinzip sollten sie nur eine alte Frau aus den Kerkern hinauf in die Große Halle bringen, doch dies war das erste Mal, dass kein erfahrener Death Eater dabei war um sicherzugehen, dass sie nichts falsch machten.
„Locker, Oliver“, sagte Mark, der Ältere der beiden.
Oliver Wood warf seinem Kumpel einen unsicheren Blick zu. Er war ganz und gar nicht überzeugt von dem, was er hier tat. Wie um alles in der Welt hatte er sich nur auf all das einlassen können?
Er hatte Mark Nott während seines ersten Jahres als Profi bei der bekannten Quidditch-Mannschaft ‚Oxford Outlaws’ kennen gelernt.
Mark hatte ihm begeistert von den Junior-Death-Eatern vorgeschwärmt, und ihn später zu einigen Treffen der Gruppe, die von seinem Vater geleitet wurden, mitgenommen.
Zuerst hatte Wood nicht genau gewusst, um was es sich bei diesen Zusammenkünften handelte, und als er es endlich gemerkt hatte, hatte er schon zu tief dringesteckt.
Als schließlich Lord Voldemort persönlich eines der Treffen besucht hatte, hatte Oliver nicht den Mut gehabt, als einziger das Dunkle Mal abzulehnen, das der Dunkle Lord ihnen allen angeboten hatte.
Mark Nott öffnete die Tür der Zelle. Ihre Zauberstäbe hielten die beiden fest umklammert, wer wusste, wie gefährlich der Feind des Dunklen Lords war, der sich in dieser Zelle befand.
Als Mark die Tür geöffnet hatte, starrte Oliver Wood mitleidig auf die Frau, die dort auf dem Bettgestell saß und ließ langsam seinen Zauberstab sinken. Von ihr hatten sie sicher nichts zu befürchten.
Als Mark die Reaktion seines Kumpels bemerkte stieß er ihn mit dem Ellbogen unsanft in die Rippen, und Oliver hob seinen Zauberstab augenblicklich wieder.

Bei dem plötzlichen Klicken der Tür war Arabella Figg abrupt aus dem Schlaf geschreckt und hatte sich verwirrt aufgesetzt. Sie hatte bereits darauf gewartet, dass Voldemort erneut kam um sie über die Geheimnisse der Wicca zu befragen, jedoch nicht mitten in der Nacht.
Noch überraschter war sie, als sie, nachdem sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten, zwei junge Männer erkannte, die unschlüssig vor ihrer Zelle standen.
„Na Jungs, was wollt ihr?“, fragte sie verschlafen.
Die beiden jungen Death Eater starrten die alte Frau einen Moment unschlüssig an. Hielt sie sie etwa für Kinder?
Mark Nott fand zuerst seine Sprache wieder.
„Kommen Sie mit“, sagte er, wobei er versuchte sehr autoritär zu klingen.
Mrs. Figg schüttelte müde den Kopf.
„Ist er so tief gesunken, dass er nun schon Kinder für seine dunklen Machenschaften heranzieht?“, fragte sie mit leicht sarkastischem Unterton.
Die beiden Jungen waren sich nicht sicher, wie sie reagieren sollten und blickten sich verwirrt an.
„Kommen Sie mit“, wiederholte Nott schließlich, dieses Mal allerdings nicht mehr ganz so selbstsicher. „Der Dunkle Lord wartet nicht gerne.“
Mrs. Figg seufzte, erhob sich, und ging auf die beiden Jungen zu.
„Fessel sie. Sicher ist sicher“, raunte Nott Oliver zu.
Doch bevor Oliver Wood einen Fessel-Spruch aussprechen konnte hatte Mrs. Figg ihm schon das Wort abgeschnitten.
„Lasst doch den Unsinn Jungs. Und steckt diese Dinger weg, bevor ihr noch jemanden verletzt.“
Bevor die beiden Jungen wussten wie ihnen geschah war Arabella Figg an ihnen vorbei gegangen und stapfte entschlossen die Treppe nach oben.
Mark und Oliver mussten sich beeilen um ihr zu folgen. Beide waren von der resoluten Frau völlig überrumpelt worden.
Als Mrs. Figg endlich die Tür am oberen Ende der Treppe erreicht hatte, hatten die beiden jungen Death Eater sie endlich eingeholt.
Mark drückte sich an ihr vorbei und öffnete die Tür. Er wollte, dass es wenigstens so aussah, als hätten sie alles unter Kontrolle.
Sie verließen den dunklen Korridor und traten in eine große Halle, wo bereits mehr als 30 vermummte Gestalten warteten. Es handelte sich um die Mitglieder des inneren Zirkels und ihrer jüngsten Rekruten, so wie sie selbst es waren.
In ihrer Mitte stand Lord Voldemort.
„Die Kapuze“, raunte Mark Oliver erschrocken zu, und beide griffen hastig in die Taschen ihrer Umhänge und holten ihre schwarzen Masken hervor.
Rasch zogen sie sie über den Kopf, noch bevor Lord Voldemort sie bemerkt hatte.
Nur einen Augenblick später drehte der Dunkle Lord sich zu ihnen um.
Die beiden Jungen ignorierte er völlig, stattdessen fixierte er mit seinen stechend roten Augen die Frau, die sie nach oben eskortiert hatten.
Die anwesenden Death Eater traten ehrfürchtig zurück und machten eine Gasse zwischen Voldemort und Mrs. Figg frei. Dabei wagte keiner auch nur das leiseste Geräusch zu machen. In der ganzen Halle war es totenstill.
Nur die Schritte Voldemorts waren zu hören, als er langsam auf die alte Frau zuschritt.
Mrs. Figg stand reglos am Ende der Reihe und starrte Voldemort fest in die Augen.
Oliver Wood beobachtete die Frau bewundernd. Kein Muskel regte sich in ihrem Gesicht. Sie schien überhaupt keine Angst vor dem Dunklen Lord zu haben.
Als Voldemort sie erreicht hatte, breitete sich ein kaltes Lächeln auf seinem schlangenhaften Mund aus.
„Hallo Arabella“, sagte er leise, es war fast ein Flüstern. „Hast du dir überlegt, ob es noch etwas gibt, das du mir mitteilen möchtest?“
„Es gibt nichts, das du nicht schon weißt, Tom“, antwortete Mrs. Figg laut. Dabei blickte sie Voldemort noch immer in seine rot glühenden Augen.
Langsam streckte er seine Hand aus und strich der Frau mit seinen kalten, skelettähnlichen Fingern über die Wange.
Mrs. Figg verzog keinen Muskel.
„Das ist wirklich bedauerlich“, sagte Voldemort noch leiser.
Als seine Hand Mrs. Figgs Hals erreicht hatte griff er blitzartig zu, wie eine Schlange, die ihr ahnungsloses Opfer anfällt, und drückte der alten Frau die Kehle zu.
Mrs. Figg riss überrascht die Augen auf und rang nach Luft.
„Das ist wirklich sehr bedauerlich“, zischte Voldemort nun gefährlich.
„Tom, bitte“, keuchte sie atemlos.
Voldemorts schmaler Mund verzog sich zu einem fiesen Grinsen. Er drückte noch ein wenig fester zu, bis Mrs. Figg sich panisch an den Hals fasste um Voldemorts Griff zu lockern.
Voldemort griff in die Tasche seines schwarzen Umhangs, holte eine kleine Phiole heraus, entkorkte sie mit einer Hand und träufelte der panisch röchelnden Mrs. Figg drei Tropfen in den geöffneten Mund.
Dann stieß er sie unsanft fort und löste damit seinen gnadenlosen Griff.
Mrs. Figg strauchelte rückwärts, schaffte es jedoch gerade so auf den Beinen zu bleiben. Als sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, atmete sie mehrmals tief durch.
Fast im selben Augenblick, als sich ihre Atmung endlich wieder beruhigt hatte, verspürte sie plötzlich einen stechenden Schmerz in der Magengegend.
Stöhnend krümmte sie sich zusammen und sank vor Schmerz auf die Knie. Wie durch einen Schleier sah sie den Dunklen Lord, dessen schattenhafte Gestalt unheilverkündend vor ihr aufragte.
„Noch so ein kleines Andenken, an meinen verschollenen ‚Meister der Zaubertränke’“, sagte Voldemort, nun jedoch so laut, dass jeder in der Halle ihn mühelos verstehen konnte.
„Es handelt sich um eine perfektionierte Form des guten, alten ‚Veritas-Serum’. Severus Snape war so freundlich und hat seine Wirkung um ein vielfaches verstärkt. Da dies meine letzte Phiole war hoffe ich, dass du mir nun etwas interessantes mitzuteilen hast. Es wäre sehr bedauerlich, wenn ich dich für die nutzlose Verschwendung meines kostbarsten Zaubertrankes bestrafen müsste.“
Er machte eine kurze Pause, um die Worte wirken zu lassen.
„Wie lautet das Geheimnis des ewigen Lebens, welches die ‚Wicca’ seit Jahrhunderten kennen?“, fragte er schließlich.
Mrs. Figg stöhnte leise.
Voldemort verzog ungeduldig das Gesicht und gab zwei Death Eatern, die Arabella Figg am nächsten standen ein kurzes Zeichen. Es waren Mark Nott und Oliver Wood.
Die beiden traten nach vorne, griffen der Frau unter die Arme und zogen sie auf die Füße.
Sie mussten all ihre Kraft aufbringen, um die schwache, vor Schmerz stöhnende Frau auf den Beinen zu halten.
Voldemort trat noch einen Schritt näher heran und wiederholte seine Frage.
„Wie lautet das Geheimnis?“, fragte er, mit unverkennbarer Ungeduld in der Stimme.
Mrs. Figg hob schwerfällig den Kopf und blickte Voldemort an. „Ich weiß es nicht“, sagte sie mit gebrochener Stimme.
„Bestimmt hat ihr jemand das ‚Anti-Veritas-Serum’ gegeben“, flüsterte ein Death Eater seinem Nachbarn leise zu.
Blitzschnell drehte Voldemort sich zu dem Sprecher um. Seine roten Augen waren zu gefährlichen Schlitzen verengt, seine dünnen Lippen bebten zornig.
„Wer hat dich nach deiner Meinung gefragt?“, zischte der Dunkle Lord drohend.
Der Angesprochene riss überrascht die Augen auf und starrte Voldemort erschrocken an.
Im Raum war es totenstill. Keiner der anwesenden Death Eater wagte sich auch nur zu bewegen und den Dunklen Lord durch das Rascheln seiner Kleidung oder lautes Atmen auf sich aufmerksam zu machen.
Nach einem kurzen Augenblick der Starre sackte der angesprochene Death Eater auf die Knie.
„Verzeiht meine vorlaute Bemerkung, mein Lord“, flüsterte er fast unhörbar. Seine Stimme zitterte leicht.
„Wer glaubst du, Loyer, hätte ihr diesen Trank geben sollen?“, fragte Voldemort weiter.
„Vielleicht, vielleicht ....“, stotterte Loyer eifrig.
„Vielleicht du?“, unterbrach Voldemort ihn barsch.
„So etwas würde ich nie tun, mein Lord“, verteidigte Loyer sich, wobei er sich bemühen musste, dass Voldemort seine Entrüstung über diese Unterstellung nicht bemerkte.
„Dann frage ich mich, wie du auf solch einen absurden Gedanken kommst. Wenn du es nicht warst, würde das bedeuten, du beschuldigst Lucius, dass seine Wachen ihre Arbeit nicht richtig machen“, fuhr Voldemort fort.
„Das würde ich Mr. Malfoy niemals unterstellen“, sagte Loyer schnell.
„Du hast in den letzten Wochen gute Arbeit geleistet, das halte ich dir zu gute, außerdem bist du jung“, sagte Voldemort, ohne Loyers Antwort zu beachten. „Trotzdem werden wir uns nach diesem Treffen noch ein wenig unterhalten. Du wirst mich im Salon erwarten.“
Loyer starrte Voldemort einen Moment erschrocken an, dann antwortete er unterwürfig: „Wie Ihr wünscht, mein Lord.“
Voldemort wandte sich ohne einen weiteren Blick von Loyer ab und ging wieder zu Arabella Figg. Als wäre nichts gewesen setzte er seine Befragung fort.
„Also?“, fragte er und funkelte Mrs. Figg an.
„Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich dir nichts sagen kann, was ich nicht weiß“, stöhnte Mrs. Figg ärgerlich.
„Schade“, antwortete Voldemort.
Seine Stimme klang jedoch nicht wirklich bedauernd, sie hatte einen gefährlichen Unterton.
Er bedeutete Nott und Wood die alte Frau loszulassen. Nott löste sofort seinen Griff und trat einen Schritt zurück.
Oliver Wood brach unter dem plötzlichen zusätzlichen Gewicht fast zusammen. Mit großer Mühe setzte er die Frau vorsichtig auf den Boden, dann trat auch er einen Schritt zurück, in die Reihen der restlichen Death Eater.
Unmerklich atmete er auf, als er wieder auf seinem Platz stand, seine Erleichterung kam jedoch zu früh.
„DU“, sagte Voldemort plötzlich laut und deutete auf Wood.
Oliver stand einen Moment reglos da, unfähig sich zu bewegen. Als er sich wieder gefasst hatte, trat er, wie er es in den Treffen der Junior-Death-Eater gelernt hatte, vor, und fiel vor seinem Meister auf die Knie.
„Ja, mein Lord“, sagte er leise, mit zitternder Stimme.
„Töte sie“, befahl Voldemort knapp und deutete auf Arabella Figg.
„TOM!“, rief Mrs. Figg erschrocken und blickte Voldemort flehend an.
Wood starrte zuerst die Frau neben sich auf dem Boden, danach Voldemort entgeistert an.
Er war unfähig sich zu bewegen.
Er hatte erst einmal in seinem Leben einen Menschen getötet, und das war bei seiner Aufnahmezeremonie gewesen.
Seit diesem Tag plagten ihn unbeschreibliche Albträume, die ihn keine einzige Nacht mehr ruhig schlafen ließen. Insgeheim hatte er gehofft, dass der Dunkle Lord und sein Mentor, Mr. Nott Senior, dem er direkt unterstellt war, so etwas nie wieder von ihm verlangen würden.
Im Grunde seines Herzens jedoch hatte er die ganze Zeit gewusst, dass diese Hoffnung absurd war.
„Töte sie, bevor ich dich töte“, zischte Voldemort ungeduldig.
Olivers Hände zitterten, ansonsten kniete er jedoch weiterhin reglos zu Füssen seines Meisters und starrte ihn angsterfüllt an.
„Bitte Tom“, flehte Mrs. Figg erneut. „Vor langer Zeit hast du mich einmal geliebt, du kannst doch nicht alles vergessen haben. TOM!“
Voldemort starrte Mrs. Figg einen Moment wortlos an, dann wanderte er seinen Blick wieder zu Wood. „Verdammter Feigling“, fauchte er.
Dann griff er in seinen Umhang und zog seinen Zauberstab heraus.
„TOM!“, rief Mrs. Figg erneut, nun mit deutlicher Panik in der Stimme.
„Ich habe dir schon einmal gesagt: TOM RIDDLE IST TOT“, sagte der Dunkle Lord ärgerlich.
Er richtete seinen Zauberstab auf Arabella, lächelte sie noch einmal kalt an und zischte: „Avada Kedavra
Ein grüner Blitz schoss aus der Spitze seines Zauberstabs und traf Arabella genau ins Herz.
Augenblicklich wich jegliches Leben aus ihrem Körper und sie sackte in sich zusammen.
Voldemort beachtete den leblosen Körper zu seinen Füßen nicht weiter sondern wandte sich an seine Death Eater.
„Die Versammlung ist beendet“, sagte er laut.
Wortlos verließ ein Death Eater nach dem anderen den Raum.
„Nott“, rief Voldemort plötzlich, als eine stämmige schwarzgekleidete Gestalt in einigem Abstand an ihm vorbeiging.
Mr. Nott, Mark Notts Vater, drehte sich abrupt um.
„Ja, mein Lord“, sagte er, ohne sich die Überraschung anmerken zu lassen.
„Ich erwarte, dass du diesen Feigling für seinen Ungehorsam entsprechend bestrafst.“ Mit diesen Worten deutete er auf Wood, der noch immer auf dem Boden kniete.
„Ja, mein Lord“, antwortete Nott und warf Wood dabei einen vernichtenden Blick zu.
„Ich bin sehr enttäuscht von dir, Nott“, fuhr Voldemort fort. „Ich hätte erwartet, dass gerade du deine Rekruten besser unterweist. Bei passender Gelegenheit werden wir noch einmal über dieses Versagen sprechen.“
„Wie Ihr wünscht, mein Lord“, antwortete Mr. Nott, ohne sich sein Unbehagen anmerken zu lassen.
Dann disapparierte der Dunkle Lord und ließ seine Diener alleine.
Sobald Voldemort verschwunden war eilte Mr. Nott zu Oliver Wood, packte ihn am Kragen, zog ihn unsanft auf die Füße und riss ihm die Kapuze vom Kopf. „Bist du wahnsinnig geworden, Junge?“, blaffte er den noch immer zitternden Wood an. „Deine Dummheit hätte uns beide den Kopf kosten können!“, donnerte Nott weiter.
Wood antwortete nicht.
„Darüber werden wir noch sprechen, Bürschchen“, fuhr er ärgerlich fort. „Der ‚Cruciatus-Fluch’ hat noch jeden gefügig gemacht“, murmelte er nun leiser, so dass Wood ihn gerade noch verstehen konnte.
Dieser riss erschrocken die Augen auf. „Sir, bitte, ich ...“, versuchte er sich zu verteidigen, aber Mr. Nott schnitt ihm barsch das Wort ab. „Halt die Klappe, du Blindgänger. Du wirst dich morgen um zehn Uhr bei mir melden. Dann werden wir uns eingehend über deine Befehlsverweigerung unterhalten. Ich verspreche dir, das wirst du nicht noch einmal wagen.“
„Aber Sir...“, versuchte Wood es erneut, wurde jedoch wieder von Nott unterbrochen.
„Habe ich nicht gesagt du sollst die Klappe halten?“, blaffte er.
„Ja, Sir“, antwortete Wood kleinlaut.
Dann disapparierte auch Mr. Nott.
„Oh Mann, Oliver“, sagte nun Mark Nott und trat zu seinem Kumpel. „Das hast du ganz schön verbockt, du Weichei. Ich hätte mir alle Finger danach geleckt, diese Frau vor den Augen des Lords töten zu dürfen.“
Verständnislos schüttelte er den Kopf und ließ Oliver Wood alleine in der großen Halle zurück.

 

 Kapitel 9

 Kapitel 11

 

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