Die Medaillons der Gründer

 

 

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Kapitel 1 - Die Wahl wird die deine sein

 

Severus Snape fing sich bevor er hinfiel. Die Hand, die gegen den Waldboden schoss, hielt ihn gerade noch davon ab auf seine Knie zu stürzen, aber dennoch kostete ihn der Fall wertvolle Sekunden. Mit einem raschen Blick über seine Schulter kämpfte sich der Zaubertränkemeister von Hogwarts, der Schule für Zauberei und Hexenkunst, zurück auf seine Füsse und eilte weiter.

Snape gestattete sich eine Sekunde um auf die reichverzierte, hölzerne Schachtel zu sehen, die er mit einem zitternden Arm fest an sich gedrückt hatte. Sie hatte ihn fast das Leben gekostet, das wusste er, und sie könnte es genau so gut noch immer tun. Er blickte sich im dunklen Wald um, wachsam für jede Bewegung.

Das Summen entfernter menschlicher Aktivität kam unweigerlich näher als er weiter hastete und er wusste, dass Hilfe nahe war. Mitglieder des Phoenixordens hatten geplant dieses Jahr an der Quidditchweltmeisterschaft dabei zu sein und sein Leben hing nun davon ab sie zu finden.

Nicht zum ersten Mal, seit er in den Wäldern neben dem Stadium appariert war, verfluchte er die Entscheidung der Organisatoren, keine Apparation zu nahe beim grossen Event zuzulassen. Stattdessen war er gezwungen gewesen zu rennen und zu hoffen, dass er keinen Zivilisten begegnete, die auch hier her apparierten um die Festivitäten zu geniessen. Falls er schlussendlich doch noch seinen Verfolgern in die Arme lief, dann wollte er nicht, dass unschuldige Umherstehende mit hineingezogen wurden.

Er stolperte erneut und fiel dieses Mal mit dem Gesicht voran auf den Waldboden, seine Hand kam ein Sekundenbruchteil zu spät hoch, um seine Wange davor zu bewahren mit einem spitzen Stein zu kollidieren. Der daraus resultierende Schmerz und sein schwindliger Kopf hielten ihn diesmal unten. Müssig dachte er, dass er wohl besser einen Moment ausruhte, bis er seinen Atem wieder gefunden hatte. Zumindest war die Schachtel noch immer in Sicherheit in seinen Händen. Für den Augenblick war dies alles was wichtig war.

Snape seufzte tief. Bloss Stunden zuvor hatte er behaglich vor seinem Kamin gesessen, ein Buch gelesen und an einem gut gealterten Brandy genippt. Er schüttelte seinen Kopf und kam langsam wieder auf die Beine. Er entschied sich, es dieses Mal etwas langsamer anzugehen aber dafür auf dem Weg vor sich auf hervorstehende Wurzeln zu achten.

Sein Kopf dröhnte durch den erneuten Sturz auf sein Gesicht und er liess seine Gedanken schweifen, während er rannte. Er begann über den Abend nachzudenken, den er soeben mit Voldemort und seinen Todessern verbracht hatte. Dumbledore hatte ihm immer gesagt, dass dieser Tag kommen würde und dass er darauf vorbereitet sein sollte. Obwohl es immer eine entfernte Gefahr gewesen war, dass Voldemort ihn eines Tages durchschauen würde, hätte er nie erwartet, dass es auf diese Weise passieren würde.

„Die Wahl wird vollkommen bei dir liegen, Severus“, hatte Dumbledore vor vielen Jahren zu ihm gesagt. „Etwas wird eines Tages passieren und es wird an dir liegen zu entscheiden was wichtiger ist: ein Spion zu bleiben oder das, was passieren sollte zu verhindern, was auch immer das sein mag.“

Während der langen Jahre, in denen er für Dumbledore spioniert hatte, hatte Severus versucht sich vorzustellen, was diese Sache sein könnte. Wirklich, er hatte angefangen zu glauben, dass die ‚Sache’, die er eines Tages retten musste, dieses Balg Harry Potter sein würde und nicht die Schachtel, die er im Moment gegen seine Brust presste.

Unbewusst seufzte er noch einmal tief. Dumbledore hatte recht gehabt, wie gewöhnlich. Snape hatte instinktiv gewusst dass seine Tage als Spion vorüber waren, als Voldemort seinen Todessern triumphierend verkündet hatte was sich in der verzierten Schachtel befand. Wenn die Geschwindigkeit, in der er reagiert hatte, die anderen Todesser überrascht hatte, so hatte sie Snape selber komplett geschockt. Er hätte sich selber immer als kalkulierenden Mann bezeichnet, der niemals etwas ohne vorherige Überlegung und sorgfältige Abwägung tat. In dieser Situation aber hatte offensichtlich ein anderer Teil von ihm die Zügel übernommen. Bevor Voldemort überhaupt seinen Satz zuende gesprochen hatte, war Snape nach vorne getreten, hatte die Schachtel vom Tisch vor Voldemort geschnappt, hatte sich geduckt und war appariert.

Aber Voldemort war immer bereit für Verrat. Die Todesser, die zu den ‚Treffen’ eingeladen wurden, hatten immer ein offenes Auge für jedes Zeichen des Verrats. Durch die Dunklen Male auf ihren Armen wurden die Todesser alleine durch Voldemorts Macht zu den Treffen gebracht. Wenn gerufen, dann brauchten sie bloss an einen abgeschiedenen Platz zu gehen und zu apparieren. Von dort leitete sie Voldemort zu dem Platz seiner Wahl. Sobald ihr original Apparationspunkt bekannt war, wurden einige der Todesser dorthin geschickt um zu warten.

Severus musste unwillig zugeben, dass die Idee idiotensicher war. Dank einiger dunkler Magie von Voldemort konnten die Todesser, sobald das Treffen zuende war, nur an den Punkt zurück apparieren, von wo aus sie gestartet waren. Und dort warteten das Todesschwadron auf sie. Wenn kein Zeichen von Voldemort kam, dann wurden sie ihres Weges geschickt. Wenn sie aber das warnende Brennen ihres Meisters auf ihrem Arm spürten, dann hetzten sie den Todesfluch auf die erste Person, die vor ihnen apparierte. Einfach aber effektiv. Kein einfaches Entkommen für Verräter.

Und so hatte Snape gewusst, dass einige Todesser auf der Lichtung ausserhalb des Schulgeländes auf ihn warten würden, als er von Voldemorts Treffen weg apparierte. Sein Wissen war allerdings seine beste Waffe gegen sie. Wissend, dass sie da sein würden, war Snape in einer kauernden Position appariert und nah am Boden angekommen. Die Flüche, die für seinen Kopf und seine Brust gemeint waren, waren harmlos über ihn hinweggesaust, einige davon sogar andere Todesser hinter ihm treffend. Er war so schnell als möglich wieder weg appariert, nur Verwirrung zurücklassend.

Der Plan war aber leider nicht fehlerlos. Es dauerte zwar etwas, aber es war für einen talentierten Zauberer oder eine Hexe nicht unmöglich eine Apparation zu verfolgen. Es war bloss eine Frage der Zeit. Sie waren hinter ihm her, davon war er überzeugt.

Mit den Geräuschen vor ihm, die immer lauter wurden, und dem Schmerz in seinem Kopf, der etwas verebbt war, wagte es Severus seine Geschwindigkeit wieder zu erhöhen. McGonagall würde die logische Wahl der Person sein, die er suchen musste. Er war sich sicher, dass sie Hogwarts heute morgen für das Spiel verlassen hatte. Es würde natürlich alles andere als leicht werden, da sich mehrere tausend Menschen bei der Meisterschaft aufhielten. Er wusste, ein roter Strahl seines Zauberstabs würde sofort Hilfe bringen, aber er wollte nicht eine Wiederholung der Stampede riskieren, die die Todesser während der Meisterschaft vor ein paar Jahren ausgelöst hatten.

Ein Geräusch hinter ihm liess Snape innehalten und sein Kopf wirbelte herum. Er lauschte, wohl merkend, dass seine Atmung sich beschleunigte und sein Herz heftiger zu schlagen angefangen hatte. Ein gebrochener Ast. Flüsternde Stimmen. Todesser.

Snape fluchte unterdrückt und eilte mit erneutem Elan voran. Angst rann durch ihn und er ignorierte den Schmerz, der nun durch seinen Kopf dröhnte. Ein Schatten schoss durch die Bäume vor ihm und er stoppte abrupt, seine Hände feucht von Angstschweiss. Sie waren nun auch vor ihm. Sie mussten überall um ihn herum appariert sein. Er war eingekreist.

Snape sah mit wildem Blick in alle Richtungen, auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Schatten bewegten sich überall. Instinktiv fasste er seinen Zauberstab und versuchte zu apparieren. Nichts.

Ein tiefes Lachen drang von den Bäumen hinter ihm zu ihm herüber und Snape erstarrte. Lucius Malfoy. „Wir haben unser eigenes Sperrfeld aufgebaut, Severus. Ich fürchte, du bist gefangen. Genau wie eine Ratte. Eine wirklich passender Vergleich, wirklich. Expalliarmus!“ Snapes Zauberstab flog aus seiner Hand und landete in Malfoys.

Snape drehte sich langsam, um seinen alten ‚Freund’ anzusehen, während sein Herz so wild schlug, dass er das Blut in seinen Ohren rauschen hören konnte. Der Anblick von Malfoys selbstzufriedenem Gesicht, als er langsam, mit erhobenem Zauberstab auf ihn zukam, liess ihn seine Augen verengen. Er würde diesem Mann, oder auch sonst irgend einem Mann gegenüber, nicht klein beigeben. Er würde keine andere Wahl haben als sich in Schmerzen am Boden zu winden, sobald sie mit ihren ‚Cruciospielen’ anfingen, das wusste er, aber er würde nun seinem Feind mit seiner intakten Würde entgegentreten.

Snape stand gerade in seiner ganzen imposanten Größe und hob das Kinn, seine Augen unentwegt auf Malfoys spitzem Gesicht. Malfoy dagegen lachte tief als er näher kam. „Immer die kühle und kontrollierte Präsenz, eh, Severus? Kein bisschen Angst vor dem was der dunkle Lord mit dir tun wird?“

Snapes Kehle schnürte sich zusammen, aber sein Gesicht blieb unbeweglich und seine Augen unlesbar. Er würde sich nicht in Malfoys Wortspiel hineinziehen lassen. Er würde den Verhöhnungen seines Gegners nur mit resoluter Stille begegnen und würde ihm so das Vergnügen nehmen, sich auf seine Kosten zu amüsieren. Es war nicht viel, aber es war das letzte bisschen persönliche Macht und Würde, das Snape besass.

Malfoy beobachtete ihn einen Moment, zuckte dann die Schultern und drehte sich weg. „Nun gut, Severus. Der dunkle Lord hat befohlen, dass du lebendig zu ihm zurückgebracht werden sollst.“ Er sah zurück zu Snape. „Aber ich nehme an, dass dich das nicht sehr überraschen wird. Du weißt, dass er es mag sich selber um solche Dinge zu kümmern.“ Das Lächeln, mit dem ihn Malfoy bedachte, zog seine Innereien zusammen. Nicht weil Malfoy sehr begabt war einschüchternd zu lächeln, sondern weil Severus die Anspielungen verstand. Er wusste, dass er in ein paar Stunden um den Tod betteln würde.

„Schnappt ihn!“ befahl Malfoy während er weg ging, und zwei weitere Todesser erschienen hinter Snape, ihre Arme ausgestreckt.

Snape würde sich später über die Gedankengänge wundern, die sich während der nächsten Sekunden in seinem Kopf abgespielt hatten. Die ganze Situation, würde er zurückdenken, hatte ihn offensichtlich erneut seiner Fähigkeit beraubt, in durchdachten und methodischen Wegen zu handeln, da er sich schon wieder mit der Geschwindigkeit einer in die Enge getriebenen Katze reagieren sah. Bevor er überhaupt eine Chance gehabt hatte über die Tragweite seiner Handlungen nachzudenken, warf er sich auf den Boden, riss die hölzerne Schachtel auf und ergriff den Gegenstand darin. Er hielt das Ding fest in seiner linken Hand und murmelte (oder hatte er geschrieen?) den Bannspruch um den schlafenden Geist darin freizusetzen.

Alle Zeit schien in dem Moment einzufrieren. Snape fühlte eine plötzliche Hitze in seiner Hand und war sich bewusst wie Malfoy sich wieder zu ihm umdrehte, seine Augen gross vor Überraschung. „Stoppt ihn!“ schrie er, sein Cape wie schwarzes Wasser um ihn wirbelnd und seine blauen Augen blitzend vor Wut.

Snape fühlte wie die Welt sich um ihn zu drehen begann, und eine merkwürdige Wärme trat durch seine linke Hand und wanderte durch seinen ganzen Körper wie eine kleine Flutwelle. Seine Augen verdunkelten sich und er fiel auf den Rücken, seine Hand immer noch um den Gegenstand in der Luft über ihm verkrallt. Als er durch sich schliessende Augenlider blickte, schoss ein klares, grünes Licht zwischen seinen Fingern hervor und tauchte die ganze Lichtung in Strahlen aus Emerald.

Die beiden Todesser, die hinter ihm gewesen waren, standen nun direkt über ihm und griffen nach dem Ding in Snapes Hand. Nah an einer Ohnmacht bemerkte Snape nur noch wie der Mann, der nach seiner Hand griff, plötzlich zurück in den Wald geschleudert wurde. Verschwommen hörte er Wimmern überall um ihn als die Männer wegkrochen, um dem wütenden Licht zu entkommen. Nicht wissend warum er es tat, öffnete sich plötzlich sein Mund und er schrie die Männer an zu verschwinden, bevor er sie alle in das Grab verfluchte. Das Problem war, stellte er fest, gerade bevor er vollkommen in die Dunkelheit der Ohnmacht sank, dass die Stimme gar nicht die seine war.

 

Kapitel 2

 

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