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Kapitel 8: Fröhliche Weihnachten

 

Der nächste Halt des Gedankenzuges, war wieder Bahnsteig 9 ¾ am Bahnhof von Kings Cross. Es konnte aber trotzdem noch nicht der Anfang der Sommerferien sein, denn Schnee bedeckte den Boden und diejenigen, die auf den ankommenden Zug warteten, waren in dicke Wintermäntel eingemummelt, trugen Schals und Handschuhe. Schüler rannten ihren wartenden Eltern entgegen und wurden mit offenen Armen oder vielen, liebevollen Küssen empfangen. Alle Schüler, außer eines Jungen. Eine streng aussehende Frau mit ergrauendem, dunklem Haar blickte streng auf ihn hinunter, ihre Arme mißbilligend über der Brust verschränkt, ihre Stimme harsch und zur gleichen Zeit doch schrill.
"Ich denke nicht, dass ich jemals in meinem Leben so enttäuscht worden bin. Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht, dich nach Gryffindor wählen zu lassen?"
Sie spie die letzten Worte vor lauter Abscheu beinahe aus und machte einen noch ärgerlicheren Eindruck, wie zuvor.
Der Junge vor ihr murmelte sich etwas in seinen nicht vorhandenen Bart, was ihren Ärger allerdings keineswegs abklingen ließ.
"Nun, wo ist der andere Junge?" fragte sie ungeduldig, schnappte ihn beim Kragen und zog ihn neben sich her. "Dieser ... irgendwas... Snape?"
"Schniefelus?" hakte der Junge nach, nun ebenso verärgert. "Was willst du von dem?"
Seine Frage wurde mit einem scharfen Schlag auf den Kopf beantwortet.
"Weil wir seinen Eltern versprochen haben, ihn mitzunehmen und zu Hause abzusetzen, wenn wir ja eh schon wegen dir hier sind. Wer ist es also?"
Sie beäugte die sich langsam lichtende Menge mit kleinen, ärgerlichen Augen. Ihr Sohn deutete auf einen kleinen Jungen mit rabenschwarzem Haar, der neben dem Durchgang stand und mit einem verlorenen, gar verzweifelten Blick, die Vorübergehenden beobachtete.
"Das ist er."
Immer noch ihren murrenden Sohn hinter sich herziehend, schritt die strenge Hexe rasch zu dem anderen Kind. Als sie ihn erreicht hatte, schenkte sie ihm einen mißbilligenden Blick und sprach ihn an:
"Du bist Snape?"
Der Junge nickte und duckte sich ein wenig vor ihrer hochgewachsenen Erscheinung, sah sie aber beständig an.
"Dein Vater hat mich darum gebeten, dich mitzunehmen. Er schien nicht die Zeit gehabt zu haben, das selber zu erledigen. Komm."
Ohne ein weiteres Wort zu sagen und ohne sich noch einmal umzusehen, stürmte sie Richtung Ausgang, ihren Sohn noch immer am Kragen hinter sich herziehend. Der andere Junge folgte ihr hinaus, so schnell es ihm möglich war. Vor dem Bahnhof wartete eine große, dunkle Limousine und noch ehe einer der beiden Jungen "Kürbissaft" sagen konnte, befanden sie sich bereits, jeder auf einer Seite, auf dem Rücksitz und das Auto raste los. Snape rutsche so weit in seine Ecke, wie es ihm möglich war, während Sirius sich in seinen Sitz fallen ließ, mit einem äußerst angewiderten, mißvergnügten Ausdruck auf dem Gesicht.
"Deine Eltern haben nicht einmal die Zeit, um dich abzuholen, Schniefelus? Sieht nicht so aus, als ob sie dich wirklich zu Hause haben wollen, oder?"
Das hübsche Gesicht war zu einem gehässigen Grinsen verzogen, als er den anderen betrachtete und auf eine Reaktion wartete. Als keine kam, setzte er hinzu:
"Nun, das ist nicht gerade eine Überraschung. Niemand will dich haben. Nicht in Hogwarts. Nirgendwo. Tut das nicht weh?"
Der kleinere Junge kräuselte seine Lippen in abfälliger Weise, für die er in späteren Jahren so berüchtigt werden sollte.
"Und, wie fühlt es sich an, die größte Enttäuschung zu sein, die es je im Leben deiner Mutter gegeben hatte, Black? Sie sieht auch nicht übermäßig glücklich aus, dich zu sehen."
Sirius nahm eine tiefrote Färbung an. Seine Augenbraue zuckte, offenbar bei dem angestrengten Versuch, sich einen geistreichen Kommentar einfallen zu lassen. Als ihm das nicht gelang, drehte er seinen Kopf zur Seite und sah aus dem Fenster, wo er sich damit beschäftigte, die vorbeiziehenden, dunklen Straßen zu betrachten. Sie redeten kein weiteres Wort miteinander, bis der Wagen mit quietschenden Bremsen zum Halten kam. Die Tür auf Snapes Seite öffnete sich lautlos. Seine kleine Reisetasche erschien unvermittelt neben dem linken Hinterreifen und sobald er ausgestiegen war, raste das Auto auch schon weiter.
Vorsichtig nahm er seine Tasche auf, sah auf das einzige erleuchtete Fenster des dunklen Hauses vor ihm und ging auf die riesige, hölzerne Eingangstür zu.
Er mußte zweimal klingeln, ehe seine Mutter endlich öffnete und ihn mit einem warmen, aber irgendwie abwesenden Lächeln begrüßte. Ihre Augen schienen Schwierigkeiten zu haben, sich auf ihn zu fokussieren und ein dunkler Bluterguß auf ihrem rechten Wangenknochen ließ ihr Gesicht ein wenig bizarr aussehen.
"Severus! Du bist ja schon da. Wir hätten beinahe vergessen, daß du heute ankommst." Sie drehte sich um und ging wieder ins Haus zurück. Ihr Sohn folgte ihr und seufzte leise, aber mit einem aufgeregten Lächeln auf dem Gesicht, das seine dunklen Augen aufleuchten ließ.
Ein wenig zitternd betrat er das Wohnzimmer im ersten Stock, wo es sich sein Vater vor einem munter brennenden Kaminfeuer in einem schweren Sessel aus rotem Samt gemütlich gemacht hatte und las. Seine Mutter ließ sich auf der Armlehne nieder, kuschelte sich gemütlich an ihren Mann und lächelte auf ihren Sohn hinab.
"Guten Abend, Vater", sagte der Junge leise, während er seine Tasche neben sich auf dem Fußboden abstellte und langsam auf seine Eltern zuging.
"Danke, daß ihr die Mitfahrgelegenheit für mich arrangiert habt."
Sein Vater ließ das Buch sinken und sah seinen Sohn so an, als würde es ihm Schwierigkeiten bereiten, sich zu erinnern, wer da genau vor ihm stand. Dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht, das wie immer verschwand, ehe es seine Augen erreichen konnte und er erhob sich aus seinem Stuhl, wobei er seine Frau fast auf den Boden stieß.
"Severus!"
Er nahm seinen Sohn mit einer raschen Geste in die Arme. Das kleine Gesicht leuchtete vor Freude und behutsam schlang der Knabe seine Arme um den Hals des Mannes. Er zitterte förmlich vor Glück.
"Ich habe gehört, daß du in das selbe Haus gewählt worden bist, wie Malfoys Sohn."
Er nickte und lächelte stolz.
"Ja, Vater. Ich bin ein Slytherin, genau wie Lucius und ich bereits der Klassenbeste und Professor Dumbledore sagt, er..."
"Dumbledore?"
Sein Vater ließ ihn beinahe grob auf den Wohnzimmertisch nieder, zog sich einen Stuhl heran, setzte sich und beäugte seinen Sohn prüfend.
"Was hat Dumbledore dir zu sagen? Worüber hast du mit dem alten Narren geredet?"
Der Junge verkrampfte sich etwas, offenbar nicht ganz mit der gehässigen Stimme seines Vaters einverstanden und auch nicht damit, dass der Schulleiter als alter Narr bezeichnet wurde.
"Er hat mir gesagt, dass ich sehr gute Fortschritte mache und dass meine Eltern stolz auf mich sein können. Ich habe viele Hauspunkte für Slytherin bekommen und vielleicht gewinnen wir sogar den Hauspokal", fügte er hinzu, ein Hauch von Stolz in seiner Stimme.
"So, Albus Dumbledore meint, mir sagen zu können, was ich zu tun und zu lassen habe."
Der Junge schrak vor dem tödlichen Flüstern und den geballten Fäusten zurück, einen besorgten Blick auf seine Mutter werfend, die sich nun an den Tisch gesellte. Sie legte eine beruhigende Hand auf den zitternden Arm ihres Gatten, eine unbestimmte Melodie vor sich hinsummend.
"Nun, Junge, du kannst ihm sagen, daß es einiges mehr braucht, um den Respekt eines Snape zu verdienen, nicht nur ein paar Hauspunkte und gute Noten!"
Er atmete schwer, offenbar in dem Versuch, seinen aufsteigenden Ärger unter Kontrolle zu halten.
"Ich habe dir gesagt, Mich. Nicht. Anzufassen. Ohne. Vorher. Zu. Fragen."
Noch ehe Sohn oder Mutter oder Sohn reagieren konnte, hatte Snape Senior seinen Stuhl zurückgeschoben und griff seinen Frau bei ihrem wunderschönen, langen Haar, sie dazu zwingend, sich vor ihm auf den Boden zu kauern. Als sein Arm nach oben schnellte, seine Hand zur Faust geballt, sprang der Junge plötzlich vom Tisch, hing sich an den Arm des Vaters und sah mit seinen großen, ärgerlichen Augen zu ihm hinauf.
"Nein! Tu ihr nicht weh. Sie hat doch nichts falsches getan."
Sein Vater starrte ihn ungläubig an, während seinen Arm langsam senkte. Der Junge ließ ihn los und kniete sich neben seine Mutter. Langsam und zärtlich, ordnete er ihre durcheinander geratenen Locken.
"Das ist es also, was du während der vergangenen vier Monate gelernt hast? Deinem Vater den Gehorsam und Respekt zu verwehren, der ihm gebührt? Mein Urteil anzuzweifeln?"
Unbändiger Zorn blitzte in den Augen des älteren Mannes auf. Er versetzte seiner Frau einen lässigen Tritt in die Rippen, gleichzeitig streichelte er ihr Haar. Dann griff er den Knaben am Arm und zog ihn aus dem Zimmer, die Treppe hinauf und in eine mickrige Kammer mit einem kleinen Bett, einem staubigen Schreibtisch und einem gewaltigen Bücherregal darin. Die ganze Zeit versuchte sich der Junge aus dem Griff frei zu kämpfen, hielt sich mit der freien Hand verzweifelt am Türrahmen fest oder an Möbelstücken um den gewaltsamen Weg zu seiner Bestrafung aufzuhalten.
Einmal in dem Zimmer angekommen, schubste ihn sein Vater zu Boden, zog seinen Zauberstab und brüllte: "Crucio!"
Das Wimmern des Kindes war mitleiderregend. Er versuchte, unter das Bett zu kriechen, in dem verzweifelten Versuch, dem stechenden Schmerz, der durch seinen Körper raste, zu entkommen, nur um an seinem Bein wieder hervorgezogen zu werden.
Als sein Vater letzten Endes den Gegenfluch sprach, hatte er bereits einen breiten, schweren Ledergürtel unter seinen Roben hervorgezogen und schlug sich spielerisch damit auf die Handfläche.
"Ich werde dir wertvolleren Unterricht geben, als dieser alte Narr. Lektionen, die du brauchen wirst, um an diesem verrückten Ort zu überleben. Lektion Nummer eins: Stehe nie für jemanden ein, der es nicht fertig bringt, für sich selber einzustehen."
Der Gürtel zischte durch die Luft und traf den Rücken des Jungen mit einem dumpfen Aufschlag.
"Lektion Nummer zwei: Verlasse dich nie darauf, daß andere dir helfen werden. Niemand hilft dir."
Ein weiteres zischen und ein weiterer Aufschlag.
"Lektion Nummer drei - und dies ist die wichtigste: Glaube niemals, niemals, daß du deinem Vater vorschreiben kannst, was er zu tun hat. NIE - MALS."
Der Gürtel schnellte immer und immer wieder auf den Jungen hinab, bis der Stoff der Robe unter der rohen Gewalt riß. Auch seine Haut hielt den Schlägen nicht viel länger stand.
Nach einer schieren Ewigkeit, die vermutlich nicht länger als ein paar Minuten gedauert hatte, richtete sich der alte Snape wieder auf, ein wenig außer Atem gekommen, und wischte den besudelten Gürtel an dem Bettzeug ab.
"Wasch dich gefälligst und dann kommst du wieder runter. In einer halben Stunde ist das Abendessen fertig."
Als sein Peiniger endlich den Raum verlassen hatte, hievte sich der Junge auf das Bett, wobei er bei jeder Bewegung zusammenzuckte, und begann, sich langsam zu entkleiden. Er schaffte es gerade, sich des Umhangs und des Hemdes zu entledigen, ehe er vor Schmerz und Schock das Bewußtsein verlor.

Dumbledores Gesicht zuckte ein wenig und Harry konnte nicht anders, als zu vermuten, daß dies nicht gerade das war, was der Direktor hatte sehen wollen. Vielleicht hatte auch er von alledem nichts gewußt. Vielleicht hatte die Konzentration des alles wissenden Albus Dumbledore gerade hier versagt und nun bereute er es bitterlich. Er nahm aber dennoch nicht den Fluch von Snape. Schweißperlen rannen seine Schläfen herunter und an den geschlossenen Augen vorbei. Harry hätte einen seiner Arme geopfert, um in diesem Moment in den Kopf des Schulleiters blicken zu können. Aber andererseits, hatte er bereits genug damit zu tun, gerade jetzt in den Kopf seines Lehrers zu schauen.


 

Kapitel 7

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