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Kapitel 19: In bester Absicht

 

“Nun, Hogwarts wäre eine Alternative gewesen”, murmelte eine ziemlich erschütterte Ginny. Sie zitterte leicht und zog die Decke fester um sich. Hermine schüttelte ihren Kopf.
“Du kannst nicht einfach so nach Hogwarts finden”, erklärte sie mit gedämpfter Stimme. “Zumindest nicht wenn du noch Schüler bist. Erinnerst du dich nicht mehr an dein erstes Jahr? Ron und Harry mussten in diesem bescheuerten fliegenden Auto dem Hogwartsexpress folgen, weil sie schlichtweg nicht die geringste Ahnung hatten, in welcher Richtung sie die Schule überhaupt suchen sollten. Ich habe alle zur Verfügung stehenden Bücher durchforstet und ich konnte ebenso wenig etwas darüber erfahren, in welchem Teil Großbritanniens das Schloss überhaupt liegt.”
Harry konnte das Dilemma nur zu gut verstehen. Einfach von den Dursleys abzuhauen war manches Mal wirklich verlockend gewesen. Leider war diese Verlockung nie mit der Idee für eine andere Unterkunft einhergegangen, denn er hatte ja nicht einmal eine Ahnung, wo er den Fuchsbau finden konnte, ganz zu schweigen von einer hochgeheimen Zaubererschule, die er jedes Mal nur mit Hilfe magischer Transportmittel erreicht hatte.


Ein entschieden gewachsener Severus Snape betrat gerade eben den Krankenflügel, eine offenbar schwere Tasche mit sich schleppend. Mit jedem Schritt, den er tat, klirrte der Inhalt der Tasche ein wenig, gerade so als ob es sich dabei um Glasflaschen handeln würde, die so dicht gepackt waren, dass sie einander berührten.
„Severus, was für eine angenehme Überraschung!“ rief Madame Pomfrey aus als sie den Slytherin erblickte. Sie eilte mit großen Schritten auf ihn zu, ihre Roben wirbelten elegant auf. Sie war in der Tat eine äußerst hübsche Frau gewesen. Als sie den Jungen erreicht hatte beäugte sie ihn kritisch. Sie hob ihre Hand um ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu schieben, doch er wich vor ihr zurück, indem er hastig einen Schritt nach hinten tat.
„Ich habe etwas für Sie.“
Er hielt die Tasche hoch und ging damit auf den Schreibtisch der Krankenschwester hinten im Raum zu, wo er unzählige Flaschen, Phiolen und Gläser auspackte.
„Ich dachte, wenn ich schon nachsitzen muß, dann kann ich auch was vernünftiges tun, und Zaubertränke zu brauen ist sicherlich konstruktiver als irgendwelche schwachsinnigen Texte abzuschreiben.“
Seine Stimme war dramatisch nach unten gegangen und hörte sich nun beinahe so an wie das schreckliche Grollen, das seine Schüler heute in Angst und Schrecken versetzte.
„Du hattest schon wieder eine Strafarbeit auf?“ Poppy sah ihn vorwurfsvoll an, ihre Fäuste in die Seiten gestemmt. „Wie zur Hölle schaffst du es bloß immer in irgendwelche Kämpfe verwickelt zu werden? Hat dir nie jemand beigebracht darüber schlichtweg erhaben zu sein und einfach erhobenen Hauptes in die andere Richtung zu gehen?“
Snape drehte sich herum und sah sie mit hochgezogener Augenbraue an.
„Wie kommt es bloß, dass Sie automatisch annehmen, dass ich darin verwickelt werde? Bin ich nicht eher der Typ, der damit anfängt?“ Er sah sie herausfordernd an.
„Nein, was ich sagen wollte ist, dass der Ärger dich meistens schon längst gefunden hat ehe du überhaupt losgehen mußt um nach ihm zu suchen.“
Diesmal wich er nicht zurück, als sie ihre Hand hob und ihm sanft über sein Gesicht strich.
Snape war gerade in Richtung Tür aufgebrochen als Minerva McGonagall den Krankenflügel betrat. Sie war heftig am Niesen und jedes Mal wenn sie nieste, brachen kleine grüne Rauchwölkchen aus ihren Ohren hervor. Der junge Slytherin ging ohne weiteres an ihr vorüber als ein erneutes Niesen ihr Taschentuch in tausend Stücke riß, die selig dem Fußboden entgegen segelten. Sie seufzte schwer und begann ihre Roben nach einem Ersatz zu durchsuchen, doch ihr Schüler war schneller. Sein leicht angegrautes Taschentuch vor die Nase gepresst und von Snape selber am Ellenbogen gestützt, schlurfte sie auf das nächste Bett zu, auf das sie sich schwer niederließ. Madam Pomfrey war bereits auf dem Weg zu ihnen herüber, die Fläschchen fest an ihre Brust gepresst.
„Mach dir keine Sorgen Minerva, du bist heute nicht die erste. Wenn ich die Kerle erwische, die diesen Zauberspruch hier losgelassen haben, dann gnade ihnen Gott. Ich schwöre, ich entledige sie von sämtlichen ihrer Knochen und lasse sie dann schön langsam nachwachsen. Glücklicherweise kenne ich mittlerweile den Trick, in kaum einer Minute bist du wieder in Ordnung. Severus, könntest du das bitte mal für mich halten?“
Sie hatte ihm gerade eine Flasche gereicht, als plötzlich seine linke Hand anfing heftig zu zittern. Innerhalb von Sekunden hatte sich das Zittern über seinen ganzen Körper ausgebreitet und er konnte die Flasche nicht länger in Händen halten, sie zerschellte auf dem Boden. Im allerletzten Moment schaffte er es, sich selbst am metallenen Fußende des Bettes festzuhalten. McGonagall starrte ihn vollkommen geschockt an; die Rauchwolken, die aus ihren Ohren qualmten, bemerkte sie überhaupt nicht mehr. Mit festem Griff führte sie den Jungen zu einem weiteren freien Bett, wischte das Blut fort, das angefangen hatte aus seiner Nase zu laufen, und schirmte das Bett durch einen Vorhang ab.
„Ruh dich nur kurz aus, ja? Und ehe du hier raus gehst, möchte ich, dass du etwas isst.“
Er nickte und sie ging. Von jenseits des Vorhanges konnte man eine geflüsterte Unterhaltung vernehmen, als McGonagall scheinbar eine Erklärung für das verlangte, was gerade eben geschehen war, abgab. Snape schloss seine Augen und presst sich die Hände gegen die Schläfen.

„Was war das denn eben?“ flüsterte Hermine. Sie hatte aufgehört auf ihren Fingernägeln herumzukauen und stattdessen begonnen, sich ihre Haare um die Finger zu wickeln.
Harry hatte eine vage Vorstellung. Nachdem er von dem Schicksal von Nevilles Eltern erfahren hatte, hatte er sich diverse medizinische Details herausgesucht was Folter anbelangte – während der Zeit hatte Hermine ihn mehrfach beschuldigt einen ziemlich perversen literarischen Geschmack entwickelt zu haben – und aus dem Grunde wusste er, dass ein langjähriges ausgesetzt sein des Cruciatus–Fluches spontane akut auftretende Schüttelkrämpfe auslösen konnte.

Snape öffnete widerwillig ein Auge als der Vorhang aufgezogen wurde. Professor McGonagall versetzte ihm einen durchdringenden Blick und er schloss es wieder.
„Warum hast du es niemandem erzählt?“ Ihre Stimme klang ruhig, professionell.
„Poppy wusste es“, entgegnete er. Noch immer lag er auf dem Bett und seine Augen waren immer noch geschlossen. Die Lehrerin schien das nicht zu stören.
„Du kannst nicht dorthin zurückkehren und ich dulde keine Widerrede. Ich werde mit Professor Dumbledore sprechen und zusammen werden wir es arrangieren, dass du die Weihnachtsferien über hier bleiben kannst. In der Zwischenzeit werden wir deinen Fall dem Ministerium vortragen und eine Entscheidung fällen. Gibt es irgendwelche Verwandten, die dich aufnehmen könnten?“
Langsam öffnete er die Augen und sah sie an. "Es wird keine Diskussion geben, weil ich nicht hier bleiben werde. Es gibt keine Verwandten, die mich zu sich nehmen könnten und die bloße Tatsache, dass Sie mich danach fragen mussten beweist, dass Sie überhaupt keine Ahnung haben in was für einen Situation ich mich befinde. Professor Dumbledore hat es mir bereits angeboten über die Ferien hier zu bleiben. Ich habe abgelehnt und er hat es akzeptiert und das sollten Sie ebenfalls tun.“
Sie setzte sich neben ihm auf das Bett und seufzte schwer. Plötzlich sah sie sehr, sehr müde aus. Vorsichtig legte sie ihm eine Hand auf den Arm und er versuchte nicht, ihr diesen zu entziehen. Beide sagten eine ganze Zeit lang kein Wort.
„Mr. Snape, ich habe Sie hier in diese Schule kommen sehen, jedes Mal nach den Ferien sahen Sie aus wie ein gerade entlassener Häftling, blass, unterernährt und verloren. Und fast jedes Mal führt Ihr erster Weg hierher auf die Krankenstation. Ich habe Sie aus der Schule gehen sehen, am letzten Tag jeden Schuljahres, ein bisschen stärker, ein bisschen aufrechter und ein wenig stolzer. Ich kann nicht anders als den Schluss zu ziehen, dass diese Schule Ihnen gut tut, wohingegen der Ort wo Sie die Ferien verbringen das Gegenteil zu bewirken scheint. Und ich möchte nur das Beste für meine Schüler, besonders wenn sie so intelligent und talentiert sind wie Sie. Lassen Sie mich helfen. Bitte.“

Harry hatte keinerlei Ahnung gehabt, dass sie so sein konnte. Minerva McGonagall war eine ausgezeichnete Lehrerin und stand mit Hingabe ihrem Haus vor, er hatte nicht einen Augenblick daran gezweifelt, dass sie mit Herz und Seele hinter ihren Schülern stand. Doch nun hatte ihn der Klang ihrer Stimme schier in Erstaunen versetzt. Denn genau diesen Tonfall hatte er immer mit dem einer Mutter in Verbindung gebracht.

Snape schwang die Beine herum und blieb eine Weile neben seiner Lehrerin. Er war ebenso groß wie sie, dennoch hatte er die jungenhafte Geste, auf seine Schuhe hinab zu schauen, noch nicht abgelegt.
„Wenn es nur um mich gehen würde, dann hätte ich ihn schon in meinem ersten Jahr gefragt, ob ich nicht hier bleiben könnte. Aber es bin nicht nur ich. Ich bin der einzige, den sie hat, selbst wenn sie das nicht merkt. Ich kann sie nicht alleine lassen.“
Seine dunklen Augen waren ruhig und entschlossen.
„So lange sie dort ist, werde ich dahin zurückkehren.“


Schweiß perlte von Dumbledores Nase herunter und tropfte auf den Teppich in Grimauld Platz Numer 12. Eine tiefe Falte hatte sich zwischen den Brauen des Schulleiters eingegraben, ein Zeichen des ungeheuren Kampfes, den er in seinem Kopf austragen musste.
Snapes Gesicht sah ebenso angespannt aus, aber doch hatte sich etwas verändert. Harry konnte allerdings nicht genau sagen, was es war. Bill hatte seinen Griff noch immer nicht gelockert und Alastor Moody schien entschlossener denn je, diese Geschichte bis zum Ende zu hören. Snapes Augen waren noch immer geschlossen, seine Hände noch immer zu Fäusten geballt und noch immer stand er mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt.
Aber der Ausdruck von Schmerz war verschwunden.
Ohne zu wissen wieso war sich Harry plötzlich sicher:
„Er bestimmt jetzt. Er entscheidet was wir zu sehen bekommen.“


Die Tür zum Büro des Schulleiters flog auf und herein stürmte ein völlig aufgelöster Severus Snape. Seine Augen funkelten und er schien förmlich vor Ärger zu beben.
„Was zur Hölle denkt er, was er da tut?“ erkundigte er sich mit lauter Stimme, als er direkt vor dem Schreibtisch inne hielt.
Minerva McGonagall sah mit strenger Mine zu ihm auf. „Als erstes würde ich es vorziehen, wenn Sie in einem anderen Ton über den Direktor reden, Mr. Snape. Zweitens ist das keine Art einen Raum zu betreten, ganz zu schweigen von dem Büro des Schulleiters. Wenn Sie sich wieder beruhigt haben, dann werden wir Sie darüber informieren, welche Schritte der Schulleiter eingeleitet hat.“
Ihre ruhige Stimme und die zurechtweisenden Worte ignorierend stützte er eine Hand auf der Tischplatte ab, beugte sich hinunter und sah ihr direkt in die Augen.
„Sirius Black und ein ganzer Korridor voll mit Schülern hat mich gerade darüber informiert, dass Professor Dumbledore auf einer Rettungsmission ist, um meine misshandelte Mutter vor meinem gemeingefährlichen Vater zu retten. Es ist nur selbstverständlich, dass ich sofort hierher geeilt bin um den mutigen Helden für seine Ruhmestat zu danken, meine so offensichtlich zerrüttete Familie zu retten. Also, wo ist er?!“

Harry und die anderen kannten diesen Ton nur zu gut. Snapes Lieblingswaffe war Sarkasmus, vorzugsweise mit in einem eisigen Tonfall, oder mit ruhiger, arroganter Stimme vorgebracht. Er wurde nur Wut, wenn er vor Zorn tatsächlich außer sich war und kurz davor stand, die Kontrolle über sich zu verlieren.
„Ich musste ihn über die Umstände in Kenntnis setzen, Mr. Snape. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn Sie eines Tages nicht mehr zur Schule zurückgekommen wären.“
Eine tiefe Traurigkeit lag in ihren Augen, als sie sich schließlich von ihrem Stuhl erhob und dem Jungen in seine zornesfunkelnden Augen sah.
„Der Schulleiter war ebenfalls nicht bereit, dieses Risiko auf sich zu nehmen, aber dennoch wollten wir beide deine Wahl nicht ignorieren. Also ist er eben in diesem Augenblick dabei mit deiner Mutter zu reden, und sie zu überzeugen in ein kleines Cottage in die Nähe von Hogsmeade zu ziehen. Sowohl für ihre eigene Sicherheit als auch für die deine.“
Snape starrte sie ungläubig an. Gerade in dem Moment aber verließ Fawkes seinen angestammten Platz und flog in Richtung Tür, wo er zielsicher auf Albus Dumbledores Schulter landete. Der alte Zauberer sah müde und zerrüttet aus. Da war ein langer Riss, der sich quer über seine linke Wange zog und auf den Fawkes gerade seine Heilkräfte anwendete. Snape sah den alten Mann voller Schrecken an.
„Sie werden die folgenden Ferien hier in Hogwarts verbringen, Mr. Snape. Sie werden Ihre eigenen Zimmer bekommen und natürlich freien Zugang zu allen Schuleinrichtungen. Über die genauen Details was Ihren Aufenthalt betrifft, reden wir später, den gerade jetzt…“
„Was ist passiert?“ Die Stimme des Jungen war zu einem gefährlichen Flüstern gesunken. „Was hat er mit ihr gemacht? Was haben Sie ihn ihr antun lassen?“
Dumbledore richtete sich wieder auf und straffte die Schultern.
„Deine Mutter hat sich entschlossen bei deinem Vater zu bleiben. Sie haben mich im wortwörtlichen Sinn aus dem Haus geflucht. Keiner der beiden möchte dich je wieder sehen.“ Er sah den jungen Slytherin mit feuchten Augen an. „Es tut mir so unsagbar leid mein Kind.“
Snape öffnete seinen Mund als wollte er etwas sagen. Seine Hand langte in seine Tasche und befingerte seinen Zauberstab. Dann, ohne ein weiteres Wort zu sagen, stürmte er aus dem Büro.

Das nächste was ihnen die Blase zeigte war ein kurzer Brief, geschrieben mit roter Tinte auf teurem Papier.

Verräter haben in unseren Herzen keinen Platz. Du hast Dir selbst einen mächtigen Beschützer gefunden und das ist auch Dein Glück, denn sollte ich Dich jemals außerhalb von Hogwarts zu fassen kriegen, dann werde ich genau das tun, was ich schon vor Jahren hätte machen sollen.
Ich habe den Fehler gemacht zu glauben, Du seiest mehr wert als Deine Schwester und das war wohl ein Fehler. Du weißt, dass ich selten einen Fehler begehe und wenn dem so ist, dann beseitige ich ihn.
Du hast weder den Kopf noch das Herz eines Zauberers und ich bereue es aufrichtig, das nicht schon vorher bemerkt zu haben.


Es gab weder eine Adresse noch eine Unterschrift. Snape faltete das Stück Pergament sorgfältig zusammen und steckte es in ein Buch mit vielen Eselsohren, das er in den Schrankkoffer am Fußende seines Bettes einschloss. Seine Augen waren hart und kalt als er vom Gemeinschaftsraum der Slytherins hinauf zur Bibliothek ging. Auf seinem Weg begegnete er Minerva McGonagall und obwohl sie ihr möglichstes tat um seinen Blick zu fangen, zeigte er mit keiner Miene, dass er sich ihrer bewusst geworden war.


 

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