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Kapitel 11: Sommer auf Malfoy Manor

 

Draußen schien hell die Sonne und Severus Snape wanderte unruhig von einem Fenster zum nächsten.
Wohnzimmer.
Bibliothek.
Die Treppe hoch und in sein Zimmer.
Die Treppe runter in die Küche.
Die Treppe wieder hoch und zurück ins Wohnzimmer.
Er preßte seine Nase gegen die Scheibe, wo sie einen Fettfleck hinterließ, und seufzte. Sein Vater, der in seinem üblichen Sessel saß und die "Zauberer Gazette" las, ließ die Zeitung auf die Knie sinken und seufzte ebenfalls.
"Kannst du damit aufhören, überall herum zu wandern und dich vielleicht mal für fünf Minuten still hinsetzten?" fragte er genervt. "Wenn du denkst, daß du zu viel Energie übrig hast, dann könne wir ja runter in das Verließ gehen und noch einmal ein Zauberduell trainieren."
Der Junge ließ sich hurtig nieder. Er hatte sich allerdings einen Stuhl nahe beim Fenster ausgesucht und setzte sich weit auf die Kante, so daß es ihm immer noch möglich war, die Straße zu überblicken, wenn er seinen Kopf nur weit genug reckte. Seine Finger begannen auf der hölzernen Fensterbank zu trommeln und sein Vater schenkte ihm gerade einen ungeduldigen Blick, seine Roben nach seinem Zauberstab durchsuchend, als es draußen ein leichtes Plopp gab und der Junge auf die Füße sprang.
"Sie sind da!" rief er, in Richtung Tür davon rennend und die Treppe hinunter eilend, seinen Vater, der es letztlich geschafft hatte, sich zu erheben, beinahe umlaufend.
Einen Sekundenbruchteil später ertönte die Türklingel. Lucius Malfoy hatte seinen Zeigefinger noch immer auf den Messingklingelknopf gelegt, als die Tür von einem dürren, dunkelhaarigen Jungen mit voller Wucht aufgerissen wurde. Er strahlte über das ganze Gesicht und bekämpfte scheinbar das Gefühl, den Jugendlichen in ähnliche euphorischer Weise umarmen zu müssen.
"Ich schätze, du hast uns erwartet", grinste Lucius, als er sich leicht vor Snapes Mutter verbeugte, die gerade an der Tür erschienen war.
"Entschuldige, daß wir so spät dran sind, aber Crabbe konnte nicht dazu überredet werden, ohne ein enormes Frühstück aus dem Haus zu gehen und dann hatten wir auch noch Probleme mit dem Portschlüssel - Narzissa hat darauf bestanden ihn zu tragen."
Er hielt einen leuchtend roten Strohhut in die Luft und schenkte dem Mädchen an seiner Seite einen irritierten Blick. Sie zuckte mit ihren stark gebräunten Schultern und lächelte entschuldigend.
"Rot?" fragte Snape sie mit gestellt schockiertem Ausdruck. "Narzissa, das ist die Farbe des Feindes!"
Sie kicherte und ihr Gesicht tat sein bestes, um die Farbe des Hutes zu imitieren.
"Seid ihr fertig?" unterbrach Crabbe, der noch immer an irgend etwas herum kaute, das einmal ein Muffin gewesen sein könnte, nun aber nur noch ein zusammengeschmolzenes, schokoladenfarbenes Dingens war, das er in seiner verschwitzten Hand hielt.
"Alles eingepackt?"
Der Junge nickte und begann zurück zur Treppe zu eilen, vermutlich um seinen Schrankkoffer zu holen, rannte aber statt dessen in seinen Vater, der lautlos hinter ihm aufgetaucht war. Das Lächeln auf seinem Gesicht war undurchdringlich, aber alles andere als angenehm. Narzissas Lächeln gefror und Crabbe versuchte seinen kleinen Imbiß hinter dem Rücken zu verbergen, allerdings nicht ohne dabei überall braune Flecken auf seine Robe zu schmieren. Severus beeilte sich, sich aus den Falten des scharlachroten Samtmantels seines Vaters zu befreien und tat einen Schritt zurück, den Kopf geneigt, ein leises, "Entschuldige, Vater" entschlüpfte seinen Lippen. Eine langgliedrige Hand legte sich auf seine Schulter und er versuchte standhaft, nicht zu zeigen, wie schmerzhaft dieser Griff offenbar war.
"Der junge Herr Malfoy, wenn ich mich recht erinnere."
Es war mehr eine Feststellung gewesen, als eine Frage, also verbeugte sich der Jugendliche nur respektvoll. Das Lächeln, das er dem Mann anschließend schenkte, war weit weniger elegant als das, welches er zuvor dessen Sohn hatte zukommen lassen.
"Es ist schön, Sie wieder zu sehen, Sir, Ich hoffe Sie und Ihre Frau sind beide wohl auf?"
Seine Stimme triefte vor lauter Höflichkeit, seine Augen allerdings huschten herüber zu der rechten Hand der Frau, ehe er seinen Gegenüber wieder ansah. Schnell verbarg sie die Hand in ihren langen, grünen Roben.
"Ja, danke, Mister Malfoy, Ich nehme an, das Sie hier sind, um Severus abzuholen. Ihr Vater hat Sie nicht begleitet?" erkundigte sich Snape senior und reckte seinen Hals durch die Türöffnung, um sich draußen umzusehen.
"Nein, Sir, er hat eine eilige Eule vom Ministerium erhalten und hat das Haus bereits lange vor dem Frühstück verlassen. Er hat mir allerdings aufgetragen, seine besten Wünsche zu übermitteln, zusammen mit einer Einladung zum Dinner für den kommenden Samstag."
Das Gesicht von Snapes Mutter leuchtete auf und ein fast mädchenhaftes Lächeln machte sie um beinahe zehn Jahre jünger, während ihr Sohn gleichzeitig absolut geschockt aussah, so als habe Filch ihm gerade aufgetragen, daß er den Gemeinschaftsraum der Gryffindors saubermachen müsse. Snape senior neigte seinen Kopf etwas zur linken Seite, die anderen Mitglieder seiner Familie nicht weiter beachtend, aber den Griff an der Schulter seines Sohnes intensivierend.
"Wir sind sehr geehrt. Wirklich sehr geehrt, Mr. Malfoy. Nichtsdestotrotz, müssen wir die Einladung leider ablehnen. Wir sind nicht gerade gesellige Leute und besonders meine Frau fühlt sich nicht besonders... wohl, wenn sie sich in einer größeren Gruppe von Menschen befindet. Habe ich nicht recht, Liebes?"
Sie hatte gerade protestieren wollen, hatte sogar schon einen Schritt nach vorne getan, doch die Worte ihres Mannes, zusammen mit dem beschwörenden Blick ihres Sohnes, ließen sie es sich anders überlegen.
"Natürlich, Schatz. Es würde mir nicht behagen und damit würde ich nur den anderen den Spaß verderben. Aber wir danken vielmals für die Einladung, bitte sagen Sie das Ihrem Vater und Ihrer Mutter, Mr. Malfoy."
Ihre Stimme war etwas belegt von den zurückgehaltenen Tränen. Ihr Lächeln jedoch blieb unverändert, als sie ihren Sohn in eine unbeholfene Umarmung zog und ihm ins Ohr flüsterte:
"Amüsier dich gut, Severus, versprich mir das. Genieße jede einzelne Minute. Und schreibe mir einen Brief, um mir alles zu erzählen, in Ordnung?"
Er drückte sich für ein paar Sekunden fest an sie, dann erinnerte er sich plötzlich, dass seine Freunde ebenso wie sein Vater zusahen, ließ sie los und nickte.
"Ich muß nur eben meinen Koffer holen", erklärte er den anderen knapp und stürmte die Treppe hinauf, sich ein paar Tränen vom Gesicht wischend. Er kam gerade rechtzeitig, sein Gepäck hinter sich herschleifend, um zu sehen, wie sein Vater Crabbes Hand mit angeekelter Miene losließ. Da war Schokolade an seinen langen Fingern und sein Geduldsfaden schien kurz vor dem Zerreißen zu sein.
"Es war sehr nett, Sie kennen zu lernen, Sir", zwitscherte Narzissa, Crabbe aus dem Sichtfeld schubsend und den älteren Mann mit ihrem süßesten Lächeln ansehend, während sie sich eine ihrer Haarlocken um den rechten Zeigefinger zwirbelte. Lucius grinste gehässig und langte herüber, um dem ganz aus der Puste gekommenen Jungen mit seinem Schrankkoffer zu helfen.
Sie stellten den eher schäbig aussehenden Koffer auf der Kiesfläche des Vorhofes ab und warteten darauf, dass sich die anderen ihnen anschlossen. Crabbe winkte dem Paar an der Tür mit seiner schmuddeligen Hand zu, Narzissa machte einen Knicks, was ihr ein weiteres Grinsen und verdrehte Augen von Lucius einbrachte und noch ehe der kleinste Junge auch noch ein weiteres Wort des Abschiedes sprechen konnte, war die Haustür schon ins Schloß gefallen.
"Ich schätze er hatte Recht, als er gesagt hat, sie sind nicht wirklich gesellig", sagte Crabbe in einem seiner wenigen lichten Momente und sah mit einem, sah man von den schokoladeverschmierten Zähnen ab, die ihn aussehen ließen, als hätte er sie bei einem Kampf verloren, aufmunternden Lächeln auf das jüngste Mitglied ihrer Gruppe herunter. Snape versuchte nicht zu lachen. Die anderen machten sich nicht die Mühe.
Ermutigt, weil er den, völlig falschen, Eindruck hatte, die anderen fänden seinen kleinen Scherz phantastisch, wischte sich Crabbe einmal mehr die Hände an seinen Roben ab und langte nach dem Portschlüssel. Dem selbstgefälligen Ausdruck nach zu schließen, hatte er seinen Fehler noch immer nicht bemerkt, selbst als sie vor Malfoy Manor wieder auftauchten.


Harry mußte breit grinsen, was sich sehr entspannend anfühlte, nachdem er die ganze Zeit, seine Augenbrauen zusammengezogen hatte. Ja, er sah ganz nach einem Crabbe aus und anhören tat er sich auch so. Augenscheinlich hatte es keinen evolutionären Fortschritt von der letzten zu der heutigen Generation gegeben und Harry bezweifelte, daß sich das in Zukunft irgendwie ändern würde.
Plötzlich bemerkte er, dass er leise lachte, zusammen mit der Gruppe junger Leute in der Blase. Abrupt hörte er auf. Mit ihnen zu lachen ließ ihn sich so fühlen, als ob er zu ihnen gehörte und wenn eines so klar wie Kloßbrühe war, dann, daß er sicherlich nicht zusammen mit Snape in einer Gruppe sein wollte. Oder etwa mit den Malfoys.
Dann sah er zum ersten Mal bewußt auf das Haus in der Erinnerung - vielleicht wäre Schloß das bessere Wort dafür - und staunte. Es war unglaublich! Kein Wunder, daß Draco Malfoy so ein arrogantes, verzogenes Gör war, wenn er an einem Ort wie diesem hier aufgewachsen war.


Drei Stockwerke hoch, mit einem wundervollen Schieferdach, stand Malfoy Manor mitten in einem prächtigen Garten. Efeu rankte an den grauen Steinwänden empor, im Wuchs nur von den großen Fenstern unterbrochen, die hinaus auf die scheinbar endlosen, gut gepflegten Rasenflächen und Blumenbeete blickten. Etwas weiter hinten konnte man ein kleines Wäldchen sehen und es gab sogar einen See. Ein kleiner Stab von Hauselfen arbeitete sowohl im Garten, als auch im Haus, sie zupften Unkraut, schnitten Gras, fegten, säuberten und polierten. Sah man den jungen Snape an, dann konnte man sehen, daß er nicht minder beeindruckt war. Er stieß einen kleinen, erstaunten Pfiff aus, als er seinen Freunden ins Haus folgte.
Lucius und die anderen Jugendlichen stürmten in die Eingangshalle mit der Aura von Leuten, die definitiv daran gewöhnt waren, daß sich alles um sie herum wie von selbst reinigte, Snapes Schrankkoffer schwebte zwischen ihnen. Ihre Schuhe hinterließen schlammige Tapsen auf dem gerade gewischten Boden und Crabbe verteilte zudem noch ein paar Krümel, wo immer er gerade ging oder stand. Snape putzte sich die Füße ordentlich auf der Fußmatte ab und hob überrascht eine Augenbraue, als eine Hauselfe sich bei ihm für diese Aufmerksamkeit bedankte, um dann das Parkett der Halle mit Hilfe eines Putzlumpens wieder in den vorherigen, makellosen Zustand zu versetzen.
Langsam, seine Augen kugelrund vor lauter Staunen, folgte er den anderen durch den Eingangsbereich in einen hellen Raum mit hoher Decke, zitronengelber Tapete, diversen Stühlen, Sofas und einem großen Kamin am anderen Ende. Lady Malfoy stand bei der Feuerstelle und arrangierte irgend etwas auf dem Kaminsims als die Gruppe herein trampelte.
"Mission erfolgreich abgeschlossen!" gab ihr Sohn triumphierend bekannt und ließ sich in eines der dunklen Ledersofas fallen, Narzissa hinter sich herziehend und den roten Hut auf ihren Kopf drückend. Seine Mutter lächelte und kam näher, um den Jungen auf der Schwelle in Augenschein zu nehmen, ihre Hüften wiegten sich leicht bei jedem Schritt. Sie langte nach ihm und mit einer sanften Geste geleitete sie ihn zu einem großen, samtenen Sessel. Sie ließ sich auf der Armlehne nieder, kaum dass er sich gesetzt hatte und wieder spielte ihre beringte Hand mit seinem Haar, als sie ihn gedankenverloren ansah.
"Letztendlich bist du also hier, Kleiner."
Ihre Stimme schien dem kleinen Jungen Schauer durch den Rücken zu jagen, denn er erzitterte leicht und sah Lucius Hilfe suchend an. Sein Freund lehnte sich zurück, nahm ein Glas Saft von einem der Hauselfen an und lächelte.
"Ich glaube, er ist an so viel... positive Aufmerksamkeit gar nicht gewöhnt, Mutter", informierte er sie in einem trockenen Ton. Ein lässiger Hieb hielt Crabbe davon ab, sich einen weiteren Keks aus seinen schier unendlich tiefen Taschen zu fischen.
"Vielleicht ist es besser, wenn wir erst einmal in unsere Zimmer gehen. Ich werde ihn herumführen und ihm einige Dinge erklären und dann können wir vielleicht eine kleine Tour mit unseren Besen drehen."
Seine Mutter sah auf den kleineren Knaben hinunter und ließ dann endlich sein Haar in Ruhe, was er mit einem erleichterten Aufseufzen quittierte.
"Ja, du hast Recht, Liebling. Er sieht tatsächlich so aus, als könne er ein wenig Sonne vertragen. Warst du den ganzen Sommer über drinnen, Kleiner?" fragte sie ihn schließlich direkt.
"Ja, war ich. Vater mag es, wenn ich ihm bei seinen Arbeiten helfe. Und ich mag es, ihm dabei zu helfen", setzte er rasch hinzu, als ein mißbilligender Ausdruck über ihr Gesicht huschte. "Ich lerne viel von ihm und... so sind wir zumindest mal zusammen."
Er beschäftigte sich nach diesem Statement selber damit, die Spitzen seiner Schuhe anzusehen. Lucius stellte sein Glas beiseite, erhob sich vom Sofa, küßte seine Mutter auf die Wange und tippte dem Jungen leicht auf die Schulter. "Na, komm schon, Adlernase, wir machen die große Runde mit dir."
Zusammen verließen die vier Hogwartsschüler den Raum, Lucius zog den kleineren Snape mit sich. Narzissa folgte mit einem stolzen Lächeln und Crabbe durchsuchte noch immer seine Taschen nach einem kleinen Snack.

Leider konnten Harry und die anderen nicht die ganze Tour durch Malfoy Manor sehen, denn die Blase trübte sich wieder etwas, gerade so, als hätte jemand die Taste für schnelleres Abspielen eines Videorecorders gedrückt. Die nächste klare Vision zeigte einen sehr bequemen Schlafraum. Bücher stapelten sich ordentlich auf dem Schreibtisch vor dem Fenster, manche waren aufgeschlagen und eine dunkle Robe hing, sorgfältig zusammengenommen, über der Rückenlehne eines Stuhls. Die Fensterläden waren noch geschlossen und auf dem Bett konnte man eine Delle unter der Decke ausmachen, wo sich jemand zusammengerollt hatte.

Plötzlich wurde die Tür weit aufgerissen, der Türknauf prallte lautstark an die Wand auf der anderen Seite und Lucius Malfoy brüllte: "Steh auf und komm ins Licht!"
Mit einem gehässigen Grinsen zog er die Bettdecke weg und zum Vorschein kam ein schläfriger Severus Snape in einem langen, grauen Nachthemd, zusammengerollt wie ein Igel. Der Junge murmelte etwas zusammenhangloses und zog sich das Kissen übers Gesicht.
"Severus, steh auf! Es ist schon nach neun. Hast du wieder die ganze Nacht wach gesessen und gelesen?"
Eine schlaffe, kleine Hand deutete auf den Schreibtisch. Tranig schlenderte Lucius herüber, die Bettdecke hinter sich herziehend und sah sich um.
"Fabelhaft!" rief er aus. "Du hast meinen Aufsatz für Professor McGonagall fertig gemacht. Du weißt, ich kenne mich in Verwandlung aus, aber ich habe so was von keine Lust, das ganze theoretisch durchzukauen."
Er ließ sich auf das Bett sinken und begann, die sich noch immer nicht rührende Gestalt zu rütteln.
"Severus, es ist wirklich Zeit aufzustehen. Meine Eltern sind schon fast fertig und sie mögen es überhaupt nicht, wenn sie auf andere Leute warten müssen."
Ein schmales Gesicht, fast ganz verdeckt von zerzaustem, schwarzem Haar, lugte unter dem Kopfkissen hervor.
"Wo gehen wir hin?" nuschelte Severus verschlafen, während er versuchte, seinen Blick auf den blonden Jungen neben ihm zu konzentrieren.
"London!" antwortete Lucius mit einem glücklichen Lächeln. "Also heb deinen Hintern aus dem Bett und schwing dich in deine Roben. Vielleicht kannst du ja mal im Bad vorbeisehen und den Spiegel bemühen. Einen Kamm zu benutzen, würde sicherlich auch nicht verkehrt sein."
Schwupps, war er verschwunden. Snape drehte sich um, stöhnte und ließ sich aus dem Bett plumpsen. Er watschelte herüber zu dem anschließenden Badezimmer, zog dem Spiegel eine Fratze, wusch und kämmte seine Haare und zog sich dann die Robe über den Kopf. Als er die Treppe herunter rannte, um einiges munterer als zuvor, gaben die Malfoys ihren Hauselfen gerade letzte Anweisungen.
"Guten Morgen, Severus!" begrüßte ihn Lord Malfoy. "Wieder die ganze Nacht wach gewesen und gelernt, wie ich gehört habe? Dein Vater hat wirklich einen folgsamen, kleinen Schüler aus dir gemacht, muß ich schon sagen. Ich wünschte mir, Lucius würde sich an dir ein Beispiel nehmen."
Seine Frau lachte gekünstelt auf, gab aber keinen weiteren Kommentar. Severus errötete.
"Komm, das Auto steht schon draußen."
Lucius zog ihn in die Limousine, die ihn auch schon zu Beginn der Ferien von King´s Cross abgeholt hatte und kletterte vor dem Jüngeren hinein. Fünf Minuten später waren sie auf dem Weg nach London, die zwei Jungen unterhielten sich über ihre Lehrer, Hausaufgaben und die Schulhäuser, die Erwachsenen redeten ebenfalls leise miteinander.
Als das Auto hielt, stieg Lucius aus und winkte seinem Freund zu, es ihm nachzutun. Lord und Lady Malfoy lächelten ihm zu, aber blieben sitzen. Severus stieg aus, ein wenig durcheinander und beobachtete das Auto, wie es weiter fuhr und außer Sicht geriet.
"Ich schätze, wir gehen nicht mit ihnen mit", bemerkte er trocken. Lucius lachte.
"Nein, sie müssen sich um ein paar Sachen kümmern und anschließend kaufen sie unseren ganzen Kram in der Winkelgasse. Mach dir keine Gedanken darüber, dein Vater hat ihnen letzte Woche für diesen Zweck Geld gesandt", fügte er hinzu, als der Kleinere unangenehm berührt zu ihm hoch sah.
"In der Zwischenzeit werden wir die City genießen - und etwas Ruhe haben. Ah, da sind die anderen."
Er winkte einer Gruppe junger Leute auf der anderen Seite der Straße zu. Als ob dies alles völlig normal wäre, oder sich zumindest von alleine erklären würde, überquerte er die Fahrbahn, einen zutiefst verwirrten Snape im Schlepptau.
"Wer sind die?" fragte er den älteren Jungen, als er ihn endlich eingeholt hatte. "Die sehen alle irgendwie komisch aus in ihrer merkwürdigen Kleidung. Und was machen wir mit denen?"
"Das sind Crabbe und Goyle, Narzissa mit ihren Schwestern Andromeda und Bellatrix, Avery und ein Mitschüler von Andromeda, McNair, glaube ich. Und du mußt gar nicht lachen, denn du wirst in ein paar Minuten genauso komisch aussehen, wie sie. Wir gehen nämlich nach Muggel-London."
Lucius grinste noch breiter, als ein angewiderter Ausdruck über Snapes Gesicht huschte.
"Ich muß so etwas wie das da tragen?" fragte er ungläubig und deutete auf Goyle, der dunkelbraune Kordhosen mit dazu passender Jacke und ein orangenes Hemd mit hohem Kragen trug, komplettiert durch ein Paar Turnschuhe. Goyle lächelte herzlich.
"Hi, Severus. Mach dir keine Gedanken, du wirst dich daran gewöhnen. Es fühlt sich nur beim ersten Mal so schrecklich an."
Narzissa wuschelte dem Jungen durchs Haar, gab Lucius einen Kuß auf die Wange, was den Jungen dazu veranlaßte, in ganz beachtlicher Weise zu erröten, und drückte ihnen ein Kleiderbündel in die Hand.
"Würdet ihr jetzt bitte die Güte haben euch umzuziehen? Wir haben nämlich nur noch auf euch gewartet."
Lucius zog den jüngeren Knaben hinter sich her zu dem toten Ende der Straße. Während die anderen sie vor neugierigen Blicken abschirmten, zogen sie sich um und hatten bald hüfthohe Jeans, Sweatshirts und Anoraks an. Severus weigerte sich vehement, die anderen Schuhe anzuziehen und letzten Endes gab Lucius nach. Sie versteckten ihre Roben hinter ein paar Mülleimern, da wo auch schon die anderen ihre Sachen verborgen hatten, und gesellten sich zu der wartenden Gruppe.
"Fertig?" erkundigte sich das Mädchen mit dem Namen Bellatrix ungeduldig. Die Jungen nickten, Severus sah besonders unglücklich aus der Wäsche und zupfte alle paar Minuten an seiner Jacke herum, sich unwohl immer wieder in seinen Jeans hin- und herwindend.
"Dann laßt uns gehen."
Sie führte sie mit langen, bestimmten Schritten aus der Straße heraus, ihre Arme bei ihren Schwestern untergehakt. Die Jungen folgten.


Harry mußte sich fest auf den Daumen beißen, um sich selber am Kichern zu hindern. Diese Jugendlichen sahen so dermaßen fehl am Platz aus, obwohl er sich nicht einmal dafür entscheiden konnte, ob es daran lag, daß sie Zauberer in Muggelkleidung waren, oder an den grauenhaften 70er Jahre Klamotten, die sie an hatten. Snape in Jeans! Wer hätte das gedacht?


Die Jungen hatten die Mädchen endlich eingeholt und Lucius tat sein Bestes, um Narzissa dazu zu bewegen, sich von ihrer Schwester fort zu bewegen und seinen, ihr angebotenen Arm zu nehmen. Severus verdrehte die Augen und wischte sich mit einer ungeduldigen Geste eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Die Älteste der Schwestern, die, welche Lucius Andromeda genannt hatte, ließ sich selbst ein wenig zurückfallen und ging eine Zeitlang neben ihm her. Ab und zu lächelte sie ihn an, sagte aber nichts.
Plötzlich war sie verschwunden. Von einer Sekunde auf die andere war sie aus dem Blick des Jungen verschwunden. Er hatte für ein paar Augenblicke nicht auf sie geachtet und nun war sie ...
Zu seiner Linken befand sich eine Treppe, die hinunter führte, und er konnte sie in der Düsternis verschwinden sehen. Eine Düsternis, die vermutlich auf die andere Straßenseite führte. Sie drehte sich um, legte sich einen Finger auf die Lippen und lächelte. Er lächelte zu ihr zurück und folgte den anderen.
Als Bellatrix bemerkte, daß ihre älteste Schwester nicht mehr bei ihnen war, bekam sie einen Wutanfall und brüllte jeden der Reihe nach an, am meisten bekam allerdings Snape ab, dann sank sie auf eine Bank. Goyle versuchte sie zu trösten, aber sie wollte nichts davon wissen.
"Meine Eltern werden mich umbringen! Schon wieder habe ich sie verloren", jammerte sie schluchzend vor sich hin. "Das ist das dritte Mal hintereinander. Warum tut sie mir das immer an?"
"Warum behältst du es nicht dieses Mal einfach für dich, Bella?" fragte Narzissa und lächelte das ältere Mädchen gehässig an, während sie sich an Lucius' Arm klammerte. "Du weißt, daß sie bis jetzt immer wieder zurückgekommen ist, ehe wir wieder nach Hause mußten."
Bellatrix sagte nichts, nahm aber das Taschentuch, das Goyle ihr anbot. Als sie sich wieder gesammelt hatte, erhob sie sich von der Bank, richtete sich kerzengerade auf und gab bekannt:
"Richtig. Warum sollten wir uns von ihr den Spaß verderben lassen? Es ist Muggel-ärgere-dich-Zeit!"
"Das ist die richtige Einstellung!" lobte Crabbe und schlug ihr wohlwollend mit seiner klebrigen Hand auf den Rücken. Likör tröpfelte von seinem Mund herab und er hatte es bereits geschafft, seine Muggelkleidung damit einzusauen.
Snape sah an seiner eigenen Jacke herunter; da war ein dunkler Fleck an seinem Handgelenk. Auch die Hose war dreckig und von der Art, wie sich sein Gesicht verdüsterte, ließ sich deutlich ablesen, daß er scharf überlegte, wie er in den knappen fünfzehn Minuten, die er diese Sachen nun trug, jene Flecken zustande gebracht hatte.
"Severus, kommst du?" rief ihm Lucius, der ein paar Meter vor ihm ging, zu und der Junge sputete sich, verständlicherweise nicht erpicht darauf, die anderen zu verlieren.



 

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