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Kapitel 3: Zurück in Godric's Hollow
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Der Vollmond schien bereits durch die Fenster seines Büros als Albus Dumbledore sich von seinem Denkarium abwandte. Er hatte sich an diesem Abend viele Erinnerungen an seinen Zaubertranklehrer und ihren gemeinsamen Kampf angesehen. Nachdem die letzte Erinnerung des Denkariums verblasst war, erhob sich Dumbledore und machte sich auf den Weg zu den Kerkern, um Harrys Tarnumhang zu suchen. Die Flure von Hogwarts waren verlassen und Dumbledores Schritte hallten unnatürlich laut in den steinernen Fluren. Nach einem langen Abstieg hatte er endlich das Klassenzimmer für Zaubertränke erreicht. Er öffnete die Tür und betrat den verwaisten Raum. Obwohl hier nun schon seit über einem Monat kein Unterricht mehr stattgefunden hatte, war die Luft noch immer geschwängert von undefinierbarem Gestank. Dumbledore rümpfte unwillkürlich die Nase. Severus hat diese Gerüche geliebt, dachte er wehmütig. Als er sich weiter in dem düsteren Raum umsah, fiel sein Blick auf den Lehrertisch direkt vor der Tafel. Auf dem Tisch waren fein säuberlich mindestens ein Dutzend kleine und große Fläschchen aufgereiht. Scheinbar hatte Severus vor seinem Aufbruch mit Harry noch den Unterricht für den nächsten Tag vorbereitet. Dumbledore trat hinter den Tisch und betrachtete sich die Zutaten genauer. Er war kein Experte was Zaubertränke anging und konnte nicht all zu viel mit den Inhalten der Flaschen anfangen. Das Rezept, das neben den Ingredienzien lag, sah sehr kompliziert aus, aber allem Anschein nach, sollte es wohl eine Lösung zur Schriftenidentifizierung werden. Dumbledore schüttelte verwirrt den Kopf. Dann wandte er sich ab und ging zu Severus' Bürotür. Nun würde der komplizierteste Teil seines Vorhabens beginnen. Er wußte, dass Severus seine Türen immer mit mehreren kniffligen Zauberformeln schützte, um Eindringlinge abzuwehren, zu Schlüsseln hatte er kein Vertrauen. Fast eine Stunde zauberte Dumbledore an der Tür zu Severus' Büro herum und in einer weniger dringlichen Situation hätte er bestimmt aufgegeben, aber er benötigte den Tarnumhang unbedingt. Nachdem Dumbledore schon fast so weit war, aufzugeben hörte er plötzlich ein leises KLICK und die Tür sprang auf. Erleichtert atmete er auf und betrat das kleine Büro. Dumbledore blickte sich suchend um. Auf den Regalen an den Wänden standen unzählige Bücher und zahllose große und kleine Gefäße aus denen undefinierbare Kreaturen mit toten Augen in den verlassenen Raum stierten. Dumbledore schüttelte angewidert den Kopf und fragte sich unwillkürlich, ob Severus diese Geschöpfe noch aus einem anderen Grund hatte außer um den Schülern, die zur Bestrafung in sein Büro zitiert wurden, Angst zu machen. Mit Sicherheit erfüllten sie diesen Zweck erstklassig. Er sah sich weiter suchend um. Wo konnte Severus nur den Umhang haben, überlegte er und ging zu dem großen, dunklen Schreibtisch in der Mitte des Raums. Der Tisch war absolut aufgeräumt, fast steril. Bis auf ein paar Zaubertrankbücher und einigen Werken über Verteidigungsflüche war der Schreibtisch leer. Dumbledore runzelte die Stirn. Er hatte noch nie einen Schreibtisch gesehen, auf dem nicht mindestens ein privates Photo stand, doch der Tisch war wie das restliche Büro: kalt, steril und geradezu unpersönlich. Typisch Severus, dachte er. Er ging um den Schreibtisch herum und öffnete eine Schublade nach der anderen, um nach dem Umhang zu suchen. Auch hier waren nur fachbezogene Dinge, nicht einmal eine persönliche Notiz hatte sich in dieses Arbeitszimmer verirrt. Als Dumbledore die letzte Schublade öffnete breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Dort lag, sorgfältig zusammengelegt, der Tarnumhang. Sein fließender Stoff glänzte geheimnisvoll in dem spärlich erleuchteten Raum. Dumbledore nahm den Umhang an sich, schloß die Schublade sorgfältig und verließ das Büro seines Zaubertranklehrers. Er machte sich nicht die Mühe die Tür wieder mit den selben Sprüchen zu verschließen, wahrscheinlich hätte er sich sowieso nicht an alle erinnert, und so versiegelte er sie lediglich mit einem einfachen Zauber. Dann kehrte er zurück in sein Büro.***
Am nächsten Morgen war Harry schon früh auf den Beinen. Er wollte so schnell wie möglich zu Mrs. Figg um zu vermeiden, dass Onkel Vernon oder Tante Petunia es sich noch anders überlegten. Um kurz nach acht schlich er sich nach unten in die Küche und holte für sich und Sirius etwas zum Frühstücken. Glücklicherweise schliefen die Dursleys noch. Dann ging er in den Garten um ‚Hektor' zu holen. Der Hund kam ihm bereits schwanzwedelnd entgegen und gemeinsam verließen sie eilig den Garten des Ligusterwegs Nr. 4. Obwohl es noch viel zu früh war, gingen sie direkt zu Mrs. Figg. Die alte Dame schien sie schon erwartet zu haben, denn kaum hatten sie geklingelt, öffnete sie bereits die Tür. "Hallo ihr Zwei. Ich dachte mir schon, dass ihr etwas früher kommen würdet. Kommt herein." Sie schloss die Tür hinter ihrem Besuch und Sirius verwandelte sich zurück in einen Menschen. Da sie noch etwas Zeit hatten, lud Mrs. Figg ihr Gäste zu einem üppigen Frühstück ein, das Harry und Sirius nicht ablehnen konnten. Der Vormittag verging quälend langsam und alle atmeten auf, als es Zeit wurde aufzubrechen. Mrs. Figg machte ein Feuer im Kamin und griff dann nach einer kleinen Dose, die auf dem Kaminsims stand. Sie öffnete den Deckel und hielt sie Sirius vor die Nase. "Flohpulver? Hogwarts ist doch mit Flohpulver überhaupt nicht erreichbar", sagte er überrascht. Mrs. Figg lächelte. "Albus hat den Kamin in seinem Büro kurzzeitig an das Flohnetzwerk angeschlossen. Er ist allerdings nur von meinem Kamin aus erreichbar." "Ach so, keine schlechte Idee", antwortete Sirius, nahm eine Fingerspitze des Pulvers, das sich in der Dose befand und warf es in die Flammen. Sofort verfärbte sich das Feuer grün. Sirius trat in die Flammen, sagte laut und deutlich "Hogwarts" und verschwand. Dann reichte Mrs. Figg Harry die Dose. Auch Harry nahm eine Prise, warf sie in die Flammen, trat hinein und sagte seinen Zielort. Nachdem er diesen ausgesprochen hatte, begann die turbulente Reise. Er wirbelte an unzähligen Kaminen vorbei bis ihm fast schlecht wurde. Nach einer halben Ewigkeit verlangsamte sich endlich seine Reise und er landete in einem Kamin. Hustend trat er aus den Flammen und klopfte sich den Ruß von den Kleidern. Als er sich umsah, erkannte er Professor Dumbledores Büro. Der Direktor saß an seinem Schreibtisch und lächelte ihm freundlich entgegen. Sirius stand bereits neben ihm. Als Harry sich wieder zum Kamin umblickte, kam auch Mrs. Figg in Hogwarts an. "Da seid ihr ja", sagte Dumbledore freundlich, "dann können wir ja loslegen." Die Besucher setzten sich erwartungsvoll auf drei Stühle vor dem großen Schreibtisch. "Habt ihr das Amulett?", fragte der Direktor ohne Umschweife. "Ja, haben wir", begann Sirius langsam, "aber ich glaube du solltest es dir mal ansehen." "Wieso, was ist damit?", fragte Dumbledore stirnrunzelnd. Sirius zog ohne eine weitere Erklärung das Amulett aus der Tasche und legte es vor Dumbledore auf den Tisch. Der Direktor nahm es und betrachtete es eingehend ohne ein Wort. Niemand wagte etwas zu sagen. Schließlich blickte Dumbledore in die Runde und fragte: "Habt ihr es so gefunden?" Harry und Sirius nickten. "Hm, interessant", sagte Dumbledore langsam und drehte das Amulett erneut in den Händen. "Ich denke", sagte er schließlich, "dieses Amulett wird zukünftig weder uns noch Voldemort helfen." "Ja, aber was ist denn damit passiert?", fragte Harry neugierig. "Ich kann es dir nicht genau sagen, Harry, aber ich vermute, dass es bei der Konfrontation mit dem Zauberstab deines Vaters irgendwie magisch überladen wurde. Man könnte auch sagen die Reliquie des Ares hat gegen die des Poseidon verloren. Höchst interessant", sagte Dumbledore. "Heißt das, es ist, ...... äh, kaputt?", fragte Harry weiter. "Ja, so könnte man es nennen", antwortete der Direktor. "Harry, zeigst du mir bitte mal den Zauberstab deines Vaters? Ist dir daran irgend etwas aufgefallen, seit du von Voldemort zurück bist?", fragte Dumbledore weiter. "Nein, mir ist nichts aufgefallen, er hat eigentlich ganz normal funktioniert", antwortete Harry, zog aber trotzdem seinen Zauberstab aus der Tasche und reichte ihn Dumbledore. Dumbledore nahm den Stab entgegen und untersuchte auch ihn eingehend. Er schwang ihn durch die Luft und goldene Funken traten aus seiner Spitze. Nach einigen Minuten legte er ihn vor Harry auf den Tisch und sagte: "Scheint alles in Ordnung zu sein. Wirklich sehr interessant." Dann bückte er sich und holte den Tarnumhang unter dem Tisch hervor. "Mein Umhang", rief Harry begeistert. "Ja", sagte Dumbledore, "auch ich war nicht untätig. Ich muss dich allerdings bitten, Harry, ihn mir noch einige Zeit zu überlassen. Ich verspreche dir, du bekommst ihn unbeschadet zurück." Harry zögerte einen kurzen Moment, dann antwortete er: "Natürlich Professor, kein Problem. Aber wofür brauchen sie ihn denn?" "Hm, nur für den Notfall", antwortete Dumbledore ausweichend. "Albus, etwas anderes", schaltete sich nun Mrs. Figg in das Gespräch ein, "hast du etwas beim Zaubereiministerium erreicht?" "Wie man es nimmt", antwortete Dumbledore, "ich habe heute morgen mit der neuen Sekretärin von Cornelius Fudge gesprochen. Sie hat mir fest zugesagt, dass der Minister sich mit mir am Mittwoch treffen will." "Aber Albus", warf Sirius empört ein, "heute ist erst Sonntag." "Ja, ich weiß, aber dies ist eine Chance, die wir nutzen müssen. Vor diesem Gespräch werden wir nichts unternehmen. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass wir Severus ganz legal aus Askaban herausbekommen." "Wenn wir wenigstens wüßten wie es ihm geht", sagte Sirius etwas bitter. "Albus", sagte Mrs. Figg plötzlich aufgeregt, "hast du eigentlich noch die Kugel?" "Welche Kugel?" fragte Dumbledore verwirrt. "Na, die Observationskugel." "Oh, Arabella", sagte Dumbledore begeistert, "du bist ein Genie." Sofort sprang er von seinem Platz auf, ging zu seinem Schrank und begann aufgeregt darin herumzuwühlen. "Was sucht er denn?", fragte Harry seinen Pate leise. "Wart's nur ab", sagte Sirius geheimnisvoll und grinste. "Ah, hier ist sie ja", hörten sie Dumbledore schließlich aus den Tiefen seines Schrankes heraus. Als er zurück zu seinem Tisch kam hielt er eine klatschergroße Wahrsagekugel in den Händen. Sirius und Arabella starrten erwartungsvoll auf die Kugel. Harry beobachtete sie nur verständnislos. "Wollen sie jetzt etwa wahrsagen?", fragte er verwirrt. "Nein, pass auf, Harry, diese Kugel zeigt nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart, sie ist fast wie ein Überwachungssystem der Muggel. Mein Gott, ich hatte sie fast vergessen. Wer weiß, was ich noch so alles in diesem Schrank habe." Dumbledore nahm seinen Zauberstab, berührte die Kugel behutsam und sagte leise: "Severus Snape." Die Kugel begann sich zu trüben, Nebelschwaden zogen durch ihr Inneres, bis sie völlig matt war. Als sie schließlich wieder klar wurde, sah Harry einen kleinen Raum, mit steinernen Wänden. Alles schien sehr düster und unfreundlich. Als er genauer hinsah erkannte er eine zusammengekrümmte Gestalt auf dem Boden. Es war Severus Snape. Zuerst dachte Harry er würde schlafen, aber bei genauerem Hinsehen bemerkte er, dass Snape die Augen geöffnet hatte. Mit leerem Blick starrte er gegen die Wand. Sein Gesicht blutig war, sein Hemd war an einigen Stellen zerrissen und offenbarte schwarze Blutergüsse. "Merlin steh uns bei", entfuhr es Dumbledore. "Was haben die mit ihm gemacht?", rief Mrs. Figg aufgeregt. Sie hatte große Mühe ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. "Die waren sehr gründlich", sagte Sirius nüchtern. "Sirius!", ermahnte Dumbledore ihn empört. "'Tschuldigung, aber du mußt zugeben, sie haben keine Zeit verloren. Willst du immer noch warten?" Dumbledore atmete mehrmals tief durch, dann antwortete er: "Wir müssen. Uns bleibt keine andere Wahl. Was nützt es uns, und vor allem was nützt es Severus, wenn wir ihn aus Askaban herausholen und er den Rest seines Lebens auf der Flucht ist?" "Und, wo ist das Problem?", fragte Sirius zurück. "Sirius", sagte nun Mrs. Figg ungehalten, "hinter ihm wären dann das Ministerium UND Voldemort her, meinst du nicht auch, dass das ein bisschen viel ist?" "Ist ja schon gut", murrte Sirius etwas beleidigt. "So schwer es uns auch fällt, wir werden warten. Vielleicht wendet sich am Mittwoch alles zum Guten. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben", sagte Dumbledore in einem Ton, der jede weitere Diskussion unterband. "Ich denke wir werden dieses Treffen bis auf weiteres vertagen, sobald ich neue Informationen habe werde ich euch kontaktieren." Damit beendete Dumbledore die Zusammenkunft. Harry, Sirius und Mrs. Figg verabschiedeten sich niedergeschlagen und machten sich auf den Heimweg, zurück durch den Kamin.***
Die Schreie der sterbenden Menschen in seinen Ohren machten Severus beinahe wahnsinnig. Er versuchte sich die Ohren zuzuhalten, aber seine Hände waren noch immer auf dem Rücken gefesselt. Doch selbst das hätte ihn nicht vor ihrem Leid bewahrt, denn die Schreie kamen nicht von außen, sie waren in seinem Kopf. Ihre Stimmen flehten um Gnade, doch er konnte ihnen nicht helfen, er hatte sie bereits vor Jahren getötet. Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild eines gemütlichen Wohnzimmers. Im Kamin flackerte ein fröhliches Feuer. Ein kleines Mädchen, höchstens acht Jahre alt, saß auf dem Sofa und weinte um seine Mutter. Sie hielt ihren toten Körper in den Armen und blickte den schwarz gekleideten Mann, der vor ihr stand, mit großen, unschuldigen Augen an. Neben dem Kind lag ihr lebloser Vater. Der Mann hob langsam seinen Zauberstab. Ein grüner Blitz schoss aus seiner Spitze und ihr Weinen verstummte. Die Kleine sackte in sich zusammen und war tot. Severus stöhnte bei dieser Erinnerung vor Kummer laut auf. Es war die Tochter eines alten Freundes, seines besten Freundes, gewesen und er hatte innerhalb von Minuten die ganze Familie ausgerottet, auf Geheiß des dunklen Lords. So vielen Leben hatte er gewaltsam ein Ende bereitet, so viele Menschen waren grundlos gestorben, weil der dunkle Lord es so verlangt hatte. Severus lag zusammengekrümmt auf dem feuchten, kalten Boden. Seine verschlissene Kleidung war immer noch nass und er zitterte am ganzen Leib. Sein Körper war übersäht von Blutergüssen, seine linke Gesichtshälfte war bedeckt mit getrocknetem Blut. Er war am Ende seiner Kräfte. Ganz langsam verhallten die Schreie in seinem Kopf, die Visionen wurden blasser und eine gnädige Ruhe breitete sich aus. Dann öffnete sich die Tür zu seiner Zelle und drei Personen traten ein. Severus versuchte in ihre Richtung zu schauen, konnte aber nur ihre Füße erkennen. Er war nicht in der Lage seinen Kopf zu heben. Roger Colby stand in der geöffneten Zellentür und starrte auf den geschundenen Körper, der auf dem Boden vor ihm lag. Neben ihm standen der Wachmann und Thomas Loyer, die keine Miene bei dem Anblick, der sich ihnen bot, verzogen. "Was ist denn hier geschehen?", fragte Colby und hatte dabei Mühe seine Fassung zu bewahren. Loyer und der Aufseher sahen sich kurz an, sagten jedoch kein Wort. "Was in Merlins Namen ist hier geschehen, Mr. Loyer?", wiederholte Colby seine Frage und starrte seinen Mitarbeiter an. Thomas Loyer blickte seinen Kollegen verwirrt an und antwortete mit leicht zitternder Stimme: "Ich weiß nicht Sir, ich habe keine Erklärung dafür", dann wandte er sich an den Wachmann: "Mr. Keith, können Sie uns das alles hier erklären?" Der Aufseher schluckte hart und antwortete nach einer kurzen Pause: "Sir, er begann zu randalieren, rannte gegen die Wände. Daraufhin haben wir einen Dementor vor seiner Tür postiert, um ihn ruhig zu stellen." Roger Colby starrte immer noch auf Severus, dann wandte er sich an den Wachmann: "Mr. Keith, wollen sie mir damit etwa sagen, dass dieser Mann seit zwei Tagen gefesselt ist?" "Ja Sir, selbstverständlich, sonst hätte er sich noch etwas angetan, es war zu seiner eigenen Sicherheit." "Dann ist es doch kein Wunder, dass er durchdreht, wie würden Sie reagieren, wenn Sie fast zwei Tage nichts trinken? Na los, geben Sie ihm etwas, und nehmen Sie ihm die Fesseln ab, es ist ja wohl äußerst unwahrscheinlich, dass er uns in diesem Zustand angreift." Der Wachmann nickte, zog seinen Zauberstab aus dem Umhang, ließ die Fesseln an Severus Handgelenken verschwinden und füllte den leeren Wasserkrug. Dann kniete er sich neben Severus und griff nach seiner Schulter um ihn aufzusetzen. Bei der Berührung des Aufsehers zuckte Severus stöhnend zusammen und starrte ihn angstvoll an. Er versuchte sich aus seinem Griff heraus zu winden, war aber zu schwach. Adam Keith nahm den Krug, setzte ihn Severus wortlos an die Lippen und flößte ihm Wasser ein. Als die ersten Tropfen Severus' Kehle hinunter rannen bekam er einen heftigen Hustanfall und spuckte das Wasser hustend wieder aus. Der Wachmann, der von einem Teil des Wassers getroffen wurde, setzte wütend den Krug ab, holte aus und verpasste Severus eine kräftige Ohrfeige. "Verdammte Ratte", zischte er. "Mr. Keith, bitte", sagte Colby scharf, "geben Sie ihm das Wasser, nicht mehr." "Ja, Sir", knurrte der Wachmann und flößte Severus einen weiteren Schluck Wasser ein. "Zum Verhören taugt der nicht mehr", wandte sich nun Loyer fast teilnahmslos an seinen Kollegen. "Nein, ich werde Minister Fudge kontaktieren und fragen, was wir mit ihm machen sollen. Eigentlich müsste er für mindestens zwei Wochen auf die Krankenstation, aber ohne die Zustimmung des Ministers darf ich ihn nicht verlegen." Roger Colby trat etwas zur Seite und zog einen kleinen Handspiegel aus seinem Umhang. Er berührte das Glas mit der Spitze seines Zauberstabes und sagte leise: "Cornelius Fudge." Sofort begann das Glas des Spiegels matt zu leuchten und einen Moment später antwortete eine Stimme. Thomas Loyer beugte sich neugierig zu seinem Kollegen, aber die Stimme war so leise, dass die Umstehenden sie nicht verstehen konnten. "Entschuldigen Sie bitte die Störung, Minister, aber es gibt hier ein Problem. Der inhaftierte Hogwarts-Lehrer ist in einem ziemlich üblen Zustand, ich wollte Sie um einen Verlegungsbefehl auf die Krankenstation bitten", sagte Colby in den Spiegel. Die Stimme aus dem Spiegel antwortete etwas und Colby starrte ihn fassungslos an. "Aber Sir", begann er, wurde aber von der Stimme im Spiegel barsch unterbrochen. "Ja Sir", antwortete Colby demütig, "aber Sir, sollen wir wenigstens einen Arzt holen und die Befragungen für ein paar Tage aussetzen? In diesem Zustand kann er uns keine Auskunft geben." Wieder antwortete die Stimme, diesmal in noch barscherem Ton. "Ja Sir, danke Sir, wünsche einen schönen Tag und entschuldigen Sie die Störung", sagte Colby bitter und steckte den Spiegel wieder in seinen Umhang. "Und?", fragte sein Kollege und blickte ihn erwartungsvoll an. "Die Befragungen werden planmäßig fortgesetzt", antwortete Colby tonlos und ließ dabei den Blick sinken. "Er darf nicht auf die Krankenstation und der Minister hält es auch nicht für nötig, dass ein Arzt vorbeikommt und sich die Verletzungen ansieht. Ich habe nichts dagegen hart mit einem Death Eater umzugehen, sie sind Abschaum, aber was er hier von uns verlangt, ist gegen jede Moral." "Also weiter nach Plan", wiederholte Loyer ohne auf den Rest zu achten, was Colby gesagt hatte. "Mr. Keith", wandte er sich an den Aufseher, "setzen Sie den Gefangenen auf den Stuhl, stehen kann er wohl nicht mehr." Der Wachmann nickte, rückte den Stuhl, der an der Wand gestanden hatte, in die Mitte des Raums und zerrte Severus auf den Stuhl. Severus stöhnte vor Schmerzen. Colby trat auf Severus zu, bückte sich und blickte ihm direkt ins Gesicht. "Kannst du mich hören, Snape?", fragte er so emotionslos wie möglich. "Ich bin doch nicht taub", stöhnte Severus leise und hob leicht seinen Kopf. "Noch eine freche Antwort und ich fahre sofort mit der Befragung fort, du hast ja sicher gehört was der Minister angeordnet hat", fauchte Colby, "aber da ich ein Mensch bin und kein Schlächter werde ich morgen wieder kommen. Sammle bis dahin deine Kräfte, du wirst sie brauchen." Dann wandte er sich von Snape ab. "Aber Sir", sagte Loyer bestürzt, "der Minister hat doch angeordnet ohne Verzögerungen fortzufahren." "Mr. Loyer", sagte Colby scharf, "wollen Sie mir bitte verraten, was er uns in diesem Zustand sagen soll? Wir werden morgen fortfahren. Sorgen Sie dafür, dass er heute abend etwas zu essen bekommt und besorgen Sie ihm trockene Klamotten, er ist ja klatschnass. Krank nützt er uns nichts. Wir treffen uns später im Ministerium." Mit diesen Worten drehte Colby sich um und verließ die Zelle. Der Wachmann starrte Loyer fragend an. "Soll ich .....", begann er. "NEIN", sagte Loyer kalt, "fesseln Sie ihn an dem Stuhl, damit er nicht zusammenbricht und sich noch mehr verletzt. Den Dementor werden wir heute Nacht nicht brauchen, ich denke er ist jetzt artig." "Und was ist mit dem Essen?", fragte der Wachmann weiter. "Kein Essen, keine trockenen Sachen", sagte Loyer kalt, "das ist hier kein Hotel. Nur wer sich kooperativ zeigt bekommt Vergünstigungen." Der Aufseher nickte und zog seinen Zauberstab aus dem Umhang. Mit einem kurzen Wink fesselte er Severus an dem Stuhl, auf dem er saß. Dann verließen die beiden Männer die Zelle und ließen Severus alleine. ¨