Befreiung aus Askaban

 

 

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Kapitel 1: Unerwartete Neuigkeiten



Es war ein sonniger Tag mitten im Juli. Harry saß wie so oft in den letzten Tagen im Schneidersitz vor der Hundehütte, welche die Dursleys für den Hund ‚Hektor' im Garten errichtet hatten. Harrys Pate Sirius kauerte in seiner menschlichen Gestalt in der Hütte.
‚Hektor' war eigentlich der Hund von Dudleys Diätärztin Mrs. Thatcher, aber die Dursleys hatten ihn über die Ferien auf Anraten der Ärztin in Pflege genommen um zu testen, ob ein Haustier den ‚leicht' übergewichtigen Dudley eventuell auf Trab bringen würde. Was die Dursleys allerdings nicht wussten: ‚Hektor' war in Wirklichkeit Harrys Pate Sirius, der sich in Hundegestalt im Ligusterweg eingeschlichen hatte, um Harry im Auge zu behalten.
"Ich kann dieses ekelhafte Hundefutter nicht mehr sehen", beschwerte Sirius sich. Harry blickte seinen Paten mitleidig an. "Ich werde versuchen dir heute Abend etwas Ordentliches vorbeizubringen", antwortete Harry leise.
Sirius schüttelte energisch den Kopf. "Nein, Harry, riskier für mich nicht so viel, wenn dein Onkel dich dabei erwischt, bekommst du nur Ärger, das bin ich nicht wert, ich ..."
"Sirius!", unterbrach Harry ihn empört, "sag bitte so was nicht, du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben."
Sirius schüttelte noch energischer den Kopf und sagte nachdrücklich: "Nein, Harry, du wirst sie meinetwegen nicht provozieren. Vielleicht kann ich heute Nacht zu Arabella schleichen. Sicher hat sie etwas für mich übrig."
Harry verzog beleidigt das Gesicht, doch er musste sich wohl dem Wunsch seines Paten fügen. Bei Arabella Figg, der Nachbarin der Dursleys, würde Sirius sicher etwas anständiges zu Essen bekommen. Mrs. Figg war genau wie Harry und Sirius eine Hexe und kannte Harrys Paten schon seit einer halben Ewigkeit.
"Na gut", murrte Harry etwas beleidigt.
"Harry, die Ferien haben gerade erst angefangen, ich möchte nicht, dass es jetzt schon Spannungen in deiner Familie gibt", versuchte Sirius seinen Standpunkt zu erklären.
"Das ist nicht meine Familie", sagte Harry tonlos. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "DU bist meine Familie."
"Du weißt genau was ich meine", beharrte Sirius auf seinem Standpunkt.
"Jaaa", sagte Harry langgezogen und verdrehte die Augen. Er mochte seinen Paten unheimlich gerne, aber er hasste es, von ihm bevormundet zu werden. Harry wurde schließlich in ein paar Tagen sechzehn und würde in ein paar Wochen die sechste Klasse in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei, besuchen.
In diesem Moment wurden Harrys Gedanken unsanft unterbrochen. "Mach, dass du ins Haus kommst, Bursche", rief Onkel Vernon von der Terrassentür aus.
Harry verdrehte genervt die Augen.
"Geh schon", sagte Sirius sanft, fast mitleidig.
"Machs gut, Sirius, bis später", sagte Harry leise, erhob sich und machte sich auf den Weg ins Haus. Auf halbem Weg blickte er sich noch einmal um und sah den Kopf des schwarzen Hundes, der ihn aus der Hütte beobachtete.
"Ich habe dir schon hundert mal gesagt, dass du nicht die ganze Zeit bei dem Köter rumhängen sollst", blaffte Onkel Vernon Harry an, als dieser die Terrasse erreicht hatte.
"Ja, aber er ist doch so alleine, wenn er wenigstens ins Haus ....", versuchte Harry sich zu verteidigen.
"Kommt gar nicht in Frage", baute Onkel Vernon sich auf. "Außerdem ist es Dudleys Hund, er soll sich erst gar nicht zu sehr an dich gewöhnen, du weißt sowieso nicht wie man so ein Tier erzieht."
"Aber Dudley weiß es", brummte Harry beleidigt, "er war doch die ganze letzte Woche nur zwei mal mit ihm spazieren, die restliche Zeit musste ich mit ihm gehen", beschwerte er sich weiter.
Eigentlich war es Harry ja nur recht, dass Dudley sich so wenig um ‚Hektor' kümmerte, so hatte er während der Spaziergänge wenigstens genug Zeit mit Sirius zu sprechen. Normalerweise gingen sie als Herr und Hund in den Park, suchten sich dort ein dichtes Gebüsch, machten es sich dahinter gemütlich und Sirius verwandelte sich wieder in einen Menschen. Oft saßen sie stundenlang irgendwo und Sirius erzählte von den alten Zeiten.
"Maul hier nicht rum, sondern mach dich wieder an deine Arbeit", blaffte Onkel Vernon Harry ungehalten an, "du hast noch eine Menge zu tun, bevor du wieder auf deine komische Schule gehst."
Harry verzog leicht das Gesicht und ging an Onkel Vernon vorbei ins Haus. Für diese Ferien hatten sich seine Verwandten etwas ganz besonderes für Harry einfallen lassen: Onkel Vernon und Tante Petunia wollten einige Zimmer renovieren und Harry musste nun die alten Tapeten von den Wänden kratzen, die Zimmerdecken streichen und viele andere Aufgaben erledigen, die bei einer Renovierung anfielen.
Allerdings renovierten die Dursleys selbstverständlich nicht selbst, sie hatten eine Firma dafür engagiert, aber um Geld zu sparen musste Harry die Drecksarbeit erledigen. Ausgerechnet in diesem Sommer wäre Harry Gartenarbeit viel lieber gewesen, denn dann hätte er den ganzen Tag mit Sirius zusammen sein können.
Niedergeschlagen ging er ins Esszimmer, nahm sich eine Spachtel und begann die fünf Lagen Tapete, die sich auf der Wand befanden, herunterzukratzen.
Es war eine mühsame Arbeit, denn scheinbar hatte es noch nie jemand für nötig gehalten bei einer früheren Renovierung die alte Tapetenschicht zu entfernen, bevor die neue Lage darauf geklebt wurde. Schon nach kurzer Zeit war Harry schweißgebadet. Erschöpft ließ er sich auf die Knie nieder um einen Moment auszuruhen, als er Stimmen aus dem Wohnzimmer nebenan hörte. Harry spitzte die Ohren um zu verstehen, über was sich seine Verwandten stritten.
"Ich habe keine Lust mit dem Hund rauszugehen", maulte Dudley, "gleich kommt das ‚Glücksrad' im Fernsehen, das kann ich doch nicht verpassen."
"Dudley, deine Ärztin hat gesagt, dass dir ein wenig Bewegung gut tun wird, also wirst du jetzt mit dem Hund spazieren gehen", sagte Onkel Vernon mit einer Strenge, die Harry nur selten bei ihm gehört hatte wenn er mit Dudley sprach.
"Aber Vernon", mischte sich nun Tante Petunia in das Gespräch ein, "wenn Duddy-Baby nicht will, dann zwing ihn doch nicht. Unser Duddy ist nun einmal nicht der Typ, der gerne Sport macht."
Harry musste ein Lachen unterdrücken. Seit wann war denn Spazieren gehen eine Sportart?
Onkel Vernon schnaubte etwas ungehalten. "Und wer glaubt ihr soll dann mit dem Hund rausgehen? Ich habe keine Lust, dass er uns in den Garten macht."
"Soll Harry doch gehen", sagte Dudley nun schon wieder etwas besser gelaunt.
Harrys Herz machte einen kleinen Sprung. Erstens würde er sich für einige Zeit vor dem Tapeten abkratzen drücken können und zweitens konnte er endlich wieder zu Sirius.
"Bursche, beweg deinen Hintern hier her", rief Onkel Vernon.
Harry stand auf und beeilte sich ins Wohnzimmer zu kommen, bevor sein Onkel und seine Tante es sich wieder anders überlegen würden.
Als Harry das Wohnzimmer betrat, saß Dudley bereits vor dem Fernseher und war auf der Suche nach dem richtigen Kanal um keine Sekunde seines geliebten ‚Glücksrads' zu verpassen.
Onkel Vernon und Tante Petunia standen neben ihm und Tante Petunia strich Dudley sanft über sein blondes Haar, was Dudley nicht sehr zu gefallen schien, denn er schlug wild mit der Fernbedienung um sich, als wolle er eine lästige Fliege vertreiben.
"Was ist denn?", fragte Harry scheinheilig.
"Du wirst heute mit dem Hund raus gehen", blaffte Onkel Vernon ohne Umschweife, "Dudley ist beschäftigt."
Harry warf einen kurzen Blick auf Dudley, der schon gar nichts mehr von der Szene um sich herum mitbekam und konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Onkel Vernon schien Harrys Blick glücklicherweise nicht bemerkt zu haben, denn er fuhr ungerührt fort: "Aber streun nicht wieder stundenlang durch die Gegend, deine Arbeit macht sich nicht von alleine."
"Ist ja gut", sagte Harry und rannte so schnell wie möglich aus dem Wohnzimmer. Im Flur nahm er im Laufen die Hundeleine von der Kommode, machte wieder kehrt und fegte an seinen verdutzen Verwandten vorbei in den Garten.
"Siri... äh, Hektor, komm her mein Junge, na komm", rief Harry. Der schwarze Hund sprang mit einem Satz aus seiner Hütte und schoss Schwanz wedelnd auf Harry zu. Aus den Augenwinkeln sah Harry, wie Onkel Vernon an der Terrassentür stand und verständnislos den Kopf schüttelte.
Solange Harry sich mit Sirius im Garten befand musste er sich so benehmen, als wäre Sirius ein ganz normaler Hund. Glücklicherweise machte Sirius ihm das Verstellen nicht so schwer, er hatte viel Übung darin sich wie ein Hund zu benehmen und auch jetzt schien er wie ein übermütiger Welpe, dem man die erste Wurst seines Lebens angeboten hatte.
Harry hatte Mühe dem ausgelassen tobenden Hund die Leine anzulegen. "Sirius, bitte", zischte er ungeduldig und der Hund hielt einen Moment inne, so dass Harry endlich die Leine an seinem Halsband befestigen konnte. Doch kaum war die Leine fest, begann der Hund wieder um Harry herum zu springen und zerrte an der Leine.
Harry atmete auf, als er endlich die Straße erreicht hatte und Sirius mit dem Toben aufhörte, denn sobald sie den Garten der Dursley verließen, lief dieser normalerweise wie ein wohl erzogener Hund neben Harry her.
Harry hatte sich vorgenommen mit Sirius wieder in den Park zu gehen, aber so weit kamen sie nicht. Als sie an dem Haus von Mrs. Figg vorbei gingen kam, die alte Dame aufgeregt aus dem Haus gestürzt. "Harry, Sirius, schnell, kommt rein", rief sie leise, es war eigentlich eher ein Flüstern, damit die Nachbarn keinen Verdacht schöpften, dass irgend etwas eigenartiges im Ligusterweg vor sich ging.
Harry blickte Sirius fragend an, aber der Hund schien schon entschieden zu haben was zu tun war und zog Harry in Richtung von Mrs. Figgs Haus. Harry wehrte sich nicht, sondern folgte ihm.
Nachdem Mrs. Figg die Eingangstür hinter ihnen geschlossen hatte, verwandelte Sirius sich augenblicklich in einen Menschen.
"Ist etwas passiert, Arabella?", fragte er besorgt.
"Na ja, nicht direkt, aber ich habe heute morgen eine Eule von Albus bekommen und er hat mich gebeten sofort mit dir Kontakt aufzunehmen", antwortete sie an Sirius gewandt.
"Von Albus? Aber ich dachte er wäre in Beauxbatons um neue Verbündete für den ‚Orden des Phönix' zu gewinnen und wollte dabei nicht gestört werden."
"Nein, er hat seine Reise abgebrochen und ist gestern Abend wieder in Hogwarts eingetroffen", sagte Mrs. Figg aufgeregt.
"Ja, aber warum denn?", fragte Sirius sichtlich verwirrt.
"Es ist wegen .... ach kommt doch erst mal richtig herein und setzt euch."
Sie führte Harry und Sirius ins Wohnzimmer und bedeutete ihnen sich zu setzen. "Ich mache uns erst mal eine Tasse Tee", sagte die alte Frau immer noch recht durcheinander und verschwand in der Küche. Sirius und Harry ließen sich auf dem bunt geblümten Sofa nieder.
"Was kann nur passiert sein?", fragte Harry seinen Paten neugierig und blickte ihn erwartungsvoll an.
"Ich weiß es auch nicht, aber es muss etwas ungeheuer ernstes sein, wenn Albus deswegen diese wichtige Reise abbricht. Er hat seit Wochen von nichts anderem gesprochen", antwortete Sirius. Er sah sehr besorgt aus und sein Blick schweifte immer wieder in Richtung Küche.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Mrs. Figg endlich mit einem Tablett, auf dem sich eine bauchige Teekanne und drei Tassen befanden, zurückkam. Sie verteilte die Tassen auf dem kleinen Wohnzimmertisch, goss Tee ein, und setzte sich dann selbst auf einen geblümten Sessel gegenüber dem Sofa.
"Also, was ist passiert, Arabella?", fragte Sirius ungeduldig.
Mrs. Figg atmete tief durch, dann antwortete sie: "Es ist wegen Severus Snape."
"Wieso, was ist denn mit ihm?", schaltete sich nun Harry in das Gespräch ein.
Das Zaubereiministerium hatte Professor Snape vor einem Monat festgenommen, als er Harry vor Lord Voldemort gerettet hatte. Ihm wurde unterstellt gemeinsame Sache mit dem dunklen Lord zu machen, da er schon früher ein Diener Voldemorts gewesen war.
Im Ministerium wusste jedoch niemand, dass Severus Snape fast die ganze Zeit für Professor Dumbledore spioniert hatte und somit Voldemort nur zum Schein treu ergeben gewesen war. Nach der Wiederauferstehung des Lords hatte Snape sich ihm erneut angeschlossen und viel Pein über sich ergehen lassen, um dessen Vertrauen wiederzuerlangen.
Schließlich hatte er den Auftrag erhalten Harry zu Voldemort zu bringen. Am Ende dieser Begegnung hatte Snape seine Tarnung auffliegen lassen und sich gegen den dunklen Lord gestellt um Harry zu retten.
"Wie ihr sicher wisst, war Severus die ganze Zeit im Sicherheitszentrum des Ministeriums inhaftiert", begann Mrs. Figg zögernd, "nun ja, und jetzt wurde er vor zwei Tagen nach Askaban verlegt."
"Nach Askaban?", fragte Sirius sichtlich irritiert, "ich wusste gar nicht, dass er schon verurteilt wurde."
"Wurde er auch nicht", fuhr Mrs. Figg langsam fort, "sie haben ihn ohne Prozess bis auf weiteres verlegt."
"Aber das können die doch nicht so einfach machen, oder?", fragte Harry verwirrt.
"Wenn Minister Fudge es persönlich anordnet, können die so gut wie alles machen", sagte Sirius tonlos, "ich habe auch nie einen ordentlichen Prozess bekommen, sie hatten mich damals einfach nach Askaban abgeschoben."
"Sirius, das ist noch nicht alles", unterbrach Mrs. Figg seine düsteren Gedanken, "sie haben ihn im Hochsicherheitstrakt untergebracht."
"Mein Gott", entfuhr es Sirius.
Harry blickte fragend von einem zum anderen. "Was bedeutet das?", fragte er.
Sirius seufzte, dann schien sich sein ganzer Körper anzuspannen, als er an seine Zeit in Askaban dachte. "Du musst wissen, Harry, Askaban ist in drei Trakte eingeteilt. Im A-Trakt sind die Kleinkriminellen untergebracht, Diebe, Einbrecher und so weiter. Dort gibt es so gut wie keine Dementoren, die Aufsicht wird zum größten Teil von normalem Wachpersonal übernommen. Im B-Trakt sind die Schwerkriminellen, Mörder und so, dort gibt es in jedem Flügel ein bis zwei Dementoren, die die Gefangenen ruhig halten. Im Hochsicherheitstrakt werden Zauberer und Hexen inhaftiert, die ein Verbrechen gegen die Gesellschaft verübt haben, vor allem aber die Anhänger Voldemorts. Dort wimmelt es nur so von Dementoren, sie sind überall, du kannst keinen klaren Gedanken mehr fassen, sie saugen dich aus, sie blockieren dein Gehirn, sie, sie ...."
"Sirius, ist schon gut, mein Junge", unterbrach Mrs. Figg ihn fast zärtlich. Sie war während seiner Erzählung aufgestanden und hatte ihn tröstend in den Arm genommen. Sirius zitterte am ganzen Körper und auf seiner Stirn stand kalter Schweiß.
Harry wusste nicht, wie er reagieren sollte und beobachtete die beiden nur stumm. Nach einer kurzen Pause, als Sirius sich langsam wieder beruhigt hatte, fragte er leise: "Warst du auch im Hochsicherheitstrakt?" Sirius nickte stumm.
Nach einigen Minuten setzte Mrs. Figg sich wieder auf ihren Platz und fuhr fort: "Albus hatte gehofft eine Freilassung zu erwirken, bevor sie ihn verlegen, schließlich gibt es keine handfesten Beweise für seine Schuld."
"Und auch keine dagegen", unterbrach Sirius sie niedergeschlagen.
Mrs. Figg ignorierte Sirius' Einwand und sagte weiter: "Die Auroren haben ihn nach zuverlässigen Berichten mehrfach befragt, aber das Verhör ist noch nicht abgeschlossen, die Vernehmung geht wohl in Askaban weiter."
Sirius schüttelte traurig den Kopf. "Dann kann Snape sich ja auf einiges gefasst machen, Askaban ist mit vielen Zaubern von der Außenwelt abgeschirmt, wenn sie dort bei ihren Befragungen etwas, nun sagen wir offensiver vorgehen, wird es kein Mensch mitbekommen. Noch vor zwei Monaten wäre mir egal gewesen was sie mit ihm anstellen, aber nachdem er Harry gerettet hat ......"
"Aber kann Professor Dumbledore denn gar nichts unternehmen?", fragte Harry.
"Was soll er denn machen?", fragte Sirius zurück. "Gegen die Entscheidungen des Zaubereiministeriums kann er nichts machen, er hat dort nichts zu sagen. Früher hatte er dort eine sehr gute Lobby, aber ich befürchte mittlerweile ist Minister Fudge nicht mehr besonders gut auf ihn zu sprechen."
Harry ließ betroffen den Kopf sinken. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil Professor Snape nur wegen ihm in dieser misslichen Lage steckte. Hätte der Zaubertranklehrer ihm nicht geholfen, wäre er jetzt nicht in Askaban.
Sirius schien Harrys Gedanken zu lesen, denn er sagte: "Mach dir keine Vorwürfe, Harry, es war seine eigene Entscheidung. Er wusste genau welches Risiko er eingeht, wenn er zu Voldemort zurückkehrt. Er musste damit rechnen eines Tages von der einen oder von der anderen Seite entlarvt zu werden. Dass es jetzt allerdings gleich beide Seiten sind, beunruhigt mich auch etwas."
Dann wandte Sirius sich wieder an Mrs. Figg. "Arabella, hat Albus irgend etwas geschrieben, was wir jetzt unternehmen sollen?"
"Nein", antwortete die alte Frau, "er hat jedoch geschrieben, dass er morgen Nachmittag vorbeikommen will, damit wir besprechen können, wie es weiter gehen soll."
"Professor Dumbledore kommt hier her?", fragte Harry aufgeregt.
Mrs. Figg nickte.
"Gut", sagte Sirius sachlich, "dann werden wir uns morgen Nachmittag wieder treffen. Hoffentlich fällt uns etwas ein. Wenn wir auf offiziellen Wegen nichts erreichen, müssen wir Severus im Notfall aus Askaban rausholen."
Harry starrte seinen Paten entgeistert an. "Meinst du etwa, dass wir da reingehen sollen?", fragte er entgeistert.
Ein spitzbübisches Lächeln machte sich auf Sirius' Gesicht breit. "Ich bin einmal da rausgekommen, da werde ich es wohl auch schaffen, da wieder rein zu kommen. Allerdings habe ich mit ‚wir' nicht dich gemeint, Harry, das ist viel zu gefährlich, da wird auch Albus mir zustimmen."
"Ja, aber Sirius, ich könnte .....", versuchte Harry seinen Paten umzustimmen, doch Sirius fiel ihm fast barsch ins Wort: "Nein Harry, das ist mein letztes Wort." Harry verzog beleidigt das Gesicht.
Nach einer weiteren halben Stunde verabschiedeten Harry und Sirius sich von Mrs. Figg und machten sich auf den Rückweg zu den Dursleys. Harry blickte besorgt auf die Uhr, sie waren mehr als zwei Stunden bei Mrs. Figg gewesen, hoffentlich hatte Onkel Vernon nicht bemerkt, wie lange er unterwegs gewesen war.
Glücklicherweise war weder Tante Petunia noch Onkel Vernon Harrys lange Abwesenheit aufgefallen. Dudley hatte sowieso nichts um sich herum mitbekommen, denn mittlerweile lief ‚Baywatch' und Harrys fetter Cousin saß in höchster Konzentration vor dem Fernseher um keine Bewegung von Pamela Anderson zu verpassen.
Nachdem Harry Sirius von der Leine befreit hatte trottete der Hund in seine Hundehütte, ließ sich darin nieder und legte seinen Kopf niedergeschlagen auf die Pfoten. Harry wusste, dass sein Pate mit Sicherheit eine schwere und lange Nacht haben würde. Schon vorhin, bei Mrs. Figg, hatten ihn die Erinnerungen an Askaban wieder eingeholt, auch wenn er hinterher darüber gewitzelt hatte, dass er wieder hinein gehen würde. Wenn er heute Nacht alleine in seiner Hütte lag würden die düsteren Gedanken bestimmt wiederkommen.
"Halt die Ohren steif", sagte Harry leise und beeilte sich ins Haus zu kommen, denn Tante Petunia hatte mittlerweile das Abendessen vorbereitet.
Zu Harrys Erleichterung verlief das Essen ohne Zwischenfälle und sobald er seinen Teller leer hatte, ging er in sein Zimmer. Keiner der Dursleys hielt ihn auf, eine andere Reaktion hätte Harry auch sehr gewundert.
Harry schloss seine Zimmertür hinter sich, nahm sein Verwandlungsbuch und legte sich auf sein Bett. Die Lehrer von Hogwarts hatten ihren Schülern eine gehörige Portion Hausaufgaben mit in die Ferien gegeben und Harry wollte so schnell wie möglich damit anfangen, damit er auch alles schaffte.
Obwohl er sich krampfhaft versuchte zu konzentrieren schweiften seine Gedanken immer wieder ab. Wie mochte es wohl in Askaban aussehen? Wie erging es Professor Snape dort? Machte er Harry Vorwürfe, weil er seinetwegen dort war?
Harry konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Was für eine Frage. Warum sollte Professor Snape Harry nicht die Schuld dafür geben? Er hatte Harry noch nie sonderlich leiden können, im Gegenteil, er hasste ihn sogar, und jetzt wahrscheinlich um so mehr.

***



Severus Snape lag ausgestreckt auf einer hölzernen Pritsche und wartete. Etwas anderes blieb ihm nicht übrig. Seit zwei Tagen war er nun schon in Askaban, doch bis jetzt, so konnte er guten Gewissens von sich behaupten, hatte er noch einen klaren Verstand.
Langsam wanderte sein Blick über die dunklen, kahlen Steinwände der Zelle. Das einzige Licht, das die Zelle spärlich erhellte schien durch eine kleine Luke knapp unter der Decke, mehr als drei Meter über ihm. Der Boden war feucht und in den Ecken wuchsen Algen und Moos. Als Bett diente ihm eine einfache Holzpritsche, man hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht ihm eine Decke oder gar eine Matratze zu geben. An der Wand stand ein einfacher, hölzerner Stuhl. Askaban war eben kein Luxushotel, daran würde er sich wohl oder übel gewöhnen müssen.
Fast sehnsüchtig dachte er an die Gefängniszelle im Zaubereiministerium. Dort war es warm und hell gewesen, und er hatte ein richtiges Bett gehabt. Es kam ihm vor, als läge dies alles eine Ewigkeit zurück.
Mindestens zweimal am Tag waren Mitarbeiter des Ministeriums, zumeist Auroren, gekommen um ihn zu befragen, um ein Geständnis von ihm zu bekommen, dass er ein Death Eater war. Doch er hatte geschwiegen. Er hatte ihnen nur fest in die Augen gestarrt und geschwiegen.
Einmal war sogar Minister Fudge höchst persönlich bei einer dieser Befragungen dabei gewesen, doch auch dort hatten sie nichts aus ihm heraus bekommen.
Allerdings waren die Befragungsmethoden nach Severus' Auffassung bis jetzt geradezu lächerlich gewesen. Bis jetzt waren fast alle Verhöre gleich abgelaufen.
Die Auroren hatten den Raum betreten, ihn angewiesen sich auf einen Stuhl zu setzen und sich dann drohend vor ihm aufgebaut, lächerlich. Dann stellten sie ihm Fragen, die er selbstverständlich nicht beantwortete. Einmal hatten sie es mit einem leichten Wahrheitszauber versucht, den Severus jedoch mit Leichtigkeit durch reine Willenskraft hatte brechen können.
Dann hatten sie begonnen ihm zu drohen, kindisch, bis sie schließlich aufgegeben hatten. Keine ihrer Drohungen hatten sie jemals wahr gemacht. Bis auf eine: er saß jetzt in Askaban.
Severus wusste, dass in Askaban andere Sitten herrschten, dort ging man nicht so liebenswürdig mit seinen Gefangenen um, hier galten andere Gesetze. Doch er würde ihnen nichts sagen, das hatte er sich geschworen. Er würde seinen Freund Albus nicht verraten, denn wenn das Ministerium erfahren würde, dass Albus Dumbledore auf eigene Faust einen Spion bei den Death Eatern eingeschleust hatte, würden sie ihn dafür zur Verantwortung ziehen. Außerdem konnte er sich nicht sicher sein, dass die Auroren ihm nach einem Geständnis glauben würden, dass er einer von den ‚Guten' war. Für sie war und blieb er ein gemeiner Death Eater, ein Abschaum.
Severus setzte sich auf seiner Pritsche auf und lehnte sich gegen die Wand. Sein Blick fiel auf den leeren Wasserkrug, der am Boden stand. Dies war das einzige gewesen, was sie ihm gegeben hatten, seit er hier war. Sie hatten es scheinbar nicht für nötig gehalten ihm irgend etwas zu essen zu geben. Obwohl Severus noch nie ein großer Esser gewesen war spürte er jetzt, wie sein Magen sich vor Hunger schmerzhaft zusammen zog. Außerdem machte es ihn nervös, dass noch niemand gekommen war um ihn zu befragen, aber wahrscheinlich gehörte das mit zum Plan. Vielleicht wollten sie ihn erst etwas mürbe machen damit er kooperativer war. Lächerlich.
Plötzlich lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken und ihm wurde kalt. Wie aus weiter ferne hörte er leise Schreie und Hilferufe. Verdammte Dementoren. Sie machten ständig ihre Rundgänge und kamen dabei auch alle zwanzig Minuten an seiner Zelle vorbei.
Severus merkte, wie er zu Zittern begann und Übelkeit in ihm aufstieg. Die Schreie in seinem Kopf wurden lauter.
Er schloss die Augen. Er musste sich nur genügend konzentrieren, dann konnten die Dementoren ihm nichts anhaben. Er würde sich nicht von ihnen unterkriegen lassen. Severus ballte die Fäuste und wartete, dass der Dementor endlich weiter ging.
Es dauerte nur wenige Minuten, dann merkte er, wie die Kälte langsam aus seinem Körper wich. Er ließ den Kopf sinken, atmete erleichtert aus und wischte sich mit dem Ärmel seines mittlerweile nicht mehr schwarzen sondern grauen Hemdes den Schweiß von der Stirn.
Es hatte ihn seine ganze Kraft gekostet dem Sog des Dementors zu widerstehen, die Stimmen der Toten aus seinem Kopf zu verbannen und die Kälte zu ignorieren. Er wollte sich von den Dementoren nicht den einzigen positiven Gedanken stehlen lassen, den es jemals in seinem Leben gegeben hatte: Hogwarts und Albus Dumbledore.
Albus war immer für ihn da gewesen, hatte ihm die Hand gereicht, als er auf dem falschen Wege gewesen war und hatte ihm ein neues Leben gegeben. Er würde seinen Freund nicht verraten.
Severus wusste nicht wie lange er so dagesessen hatte, als sich die Tür seiner Zelle öffnete. Grelles Licht fiel durch die Öffnung, so dass er seine Augen mit dem Handrücken abschirmen musste, um nicht geblendet zu werden. Drei Gestalten standen vor der Zelle. Eine von ihnen hatte eine Fackel in die Hand, hielt sie aber so, dass Severus ihre Gesichter nicht erkennen konnte, er sah lediglich ihre schwarzen Silhouetten vor dem gleißenden Hintergrund.
Einer der Männer flüsterte mit seinem Nachbarn, der daraufhin nickte, sich umdrehte und die Zelle wieder verließ. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, konnte Severus endlich die Männer erkennen, die sein Verlies betreten hatten.
"Thomas Loyer und Roger Colby", sagte Severus sarkastisch, "seien Sie willkommen in meiner bescheidenen Hütte. Bitte verzeihen Sie, dass ich Ihnen nichts zu trinken anbieten kann, aber der Zimmerservice hier ist wirklich miserabel. Ich werde mich bei Gelegenheit bei dem zuständigen Mitarbeiter beschweren müssen."
Colby funkelte Severus wütend an. "Der Sarkasmus wird dir noch vergehen Snape, verlass dich darauf."
Thomas Loyer ging zurück zur Tür, klemmte die Fackel, die er in der Hand gehalten hatte, in eine Halterung an der Wand direkt daneben, und trat dann wieder neben seinen Kollegen. Die Flammen tauchten den kleinen Raum in ein diffuses Licht und die Schatten der Männer tanzten bizarr an den Wänden.
"Aber Mr. Colby", sagte Severus, mit einem übertrieben beleidigten Ton, "Sie wollen doch meine Gastfreundschaft nicht etwa mit Füßen treten? Ihre Kollegen im Ministerium waren bei weitem nicht so unhöflich."
"Ich bin bereits von deiner Verstocktheit unterrichtet worden", knurrte Colby, "glaube mir Snape, ich weiß besser damit umzugehen als meine Kollegen im Ministerium. Leider hatte ich noch einen anderen Auftrag zu erledigen und konnte die Vernehmung nicht von Anfang an selbst leiten, aber ich bin sicher, dass wir die verlorene Zeit schnell aufholen werden, nicht wahr, Mr. Loyer?"
Auf Thomas Loyers Gesicht breitete sich ein Grinsen aus, und auch Colby lächelte selbstgefällig.
"Aber, aber, Mr. Colby, immer diese leeren Drohungen, das ist doch sehr ungehörig für Mitarbeiter eines Ministeriums, Staatsbedienstete sozusagen", antwortete Severus sarkastisch.
Mit einer schnellen Bewegung war Colby neben Snape getreten, hatte seine Haare gegriffen und seinen Kopf ruckartig nach hinten gerissen. Dabei beugte er sich ganz dicht vor Severus' Gesicht und zischte: "Treib es nicht auf die Spitze, Freundchen, dir werden deine Frechheiten schon noch vergehen."
Severus stieß ein lautes Lachen aus. Im selben Moment rammte Thomas Loyer seine Faust mitten in Severus Magen und das Lachen endete in einem Keuchen.
Ein Reflex befahl Severus sich zusammen zu krümmen, doch Colbys Griff hielt ihn gewaltsam aufrecht. Es dauerte einen Moment, bis er wieder voll durchatmen konnte, denn der Schlag hatte ihm die gesamte Luft aus den Lungen gepresst.
"Das reicht, Death Eater", sagte Loyer wütend. Seine Augen funkelten gefährlich.
"Der Zimmerservice ist noch miserabler, als ich dachte", keuchte Severus, als er endlich wieder Luft bekam. Erneut holte Loyer aus und rammte seine Faust ein zweites Mal in Severus Magen. Severus stöhnte vor Schmerz.
Endlich lockerte Colby seinen Griff. Severus krümmte sich vor Schmerz zusammen und rutschte von der Pritsche auf den feuchten, kalten Boden.
Noch bevor Severus sich von dem zweiten Schlag erholen konnte, griff Colby seine Arme, drehte sie auf den Rücken und fesselte sie dort magisch, so dass Severus den beiden Auroren nun wehrlos ausgeliefert war.
"Nun?", fragte Colby erwartungsvoll, "hast du uns jetzt irgendetwas mitzuteilen?"
Severus schnaubte verächtlich.
"Du wirst schon noch lernen Respekt vor uns zu haben", sagte Loyer wütend und trat Severus, der direkt vor seinen Füßen lag, mit aller Kraft in die Seite.
Severus stöhnte erneut. Ein stechender Schmerz sagte ihm, dass eine oder mehrere Rippen diesen Tritt nicht heil überstanden hatten. Der Schmerz trieb ihm kalten Schweiß auf die Stirn.
"Das reicht, Mr. Loyer", hörte er die Stimme von Roger Colby irgendwo über sich.
"Aber wir haben doch gerade erst angefangen", protestierte der Angesprochene.
"Nein, es reicht, wir sind schließlich Auroren und keine Henker", sagte Colby streng. Dann kniete er sich neben Severus, griff wieder seine Haare und riss erneut seinen Kopf zurück, bis er Severus direkt in die Augen blicken konnte. "Vielleicht änderst du deine Meinung nun, Snape, denk darüber nach, wir werden in zwei Tagen wiederkommen, vielleicht bleibt dir dann weiteres erspart, wenn du artig bist und tust was man dir sagt."
Severus wollte wieder verächtlich Schnauben, doch er brachte nur ein Stöhnen zustande.
"Wenn du schön brav bist, kommt vielleicht morgen ein Aufseher und nimmt dir die Fesseln ab, also benimm dich", fügte Thomas Loyer hinzu. Dann, endlich, entließ Colby Severus aus seinem Griff, stand auf und wandte sich zur Tür. Loyer nahm die Fackel von der Wand und klopfte dreimal laut gegen die Tür. Einen Augenblick später wurde die Tür von außen geöffnet und die beiden Auroren verließen die Zelle. Bevor sich die Tür hinter ihnen schloss zog Colby seinen Zauberstab aus der Tasche, richtete ihn auf den leeren Wasserkrug und sagte leise "Aqua plenus." Leise plätschernd füllte sich der Krug mit Wasser.
Dann schloss er die Tür von außen und ließ Severus alleine zurück in der Dunkelheit.

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Kapitel 2

 

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