Ich möchte Dich aufessen

 

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Kapitel 1:
Eine harte Schule





Ich stand auf dem Bahnsteig von Hogwarts und blickte traurig in Toms Gesicht. Sanft küsste er mich auf den Mund. "Und du willst wirklich nicht mit mir zurückfahren?"

Diese Frage hatte er mir in den letzten Minuten mindestens fünfmal gestellt. Ich schüttelte wieder mit dem Kopf. "Nein, Granny geht es nicht gut. Es ist mir lieber, wenn ich gleich nach Sheffield appariere. Es geht schneller …"

"Schick mir eine Eule, wenn du angekommen bist!", drängte er.

"Tom, es ist doch nur für eine Woche." Die Dampflok gab ein schrilles Pfeifen von sich. "Du musst einsteigen", sagte ich und küsste ihn leidenschaftlich zum Abschied.

Tom stieg in den Zug. Einen Moment später schaute sein Kopf aus dem geöffneten Abteilfenster. Er streckte seine Hand nach mir aus und ich ergriff sie. "Versprich mir", versuchte er den Lärm zu übertönen, "wenn es ihr besser geht, dass du dann sofort zu uns kommst. Mama freut sich schon auf dich. Und dann planen wir unsere Hochzeit."

Den nächsten Satz verstand ich schon nicht mehr, denn der Zug hatte sich schnaufend in Bewegung gesetzt. Ich rannte noch ein Stück den Bahnsteig entlang und musste dann seine Hand loslassen. Tränen liefen mir die Wagen herunter.

"Ich liebe dich!", rief ich ihm hinterher, als ich ihn zum Abschied winken sah, aber er hörte es nicht mehr.

Wie hatte es nur dazu kommen können, dass ich nicht mit Tom im Hogwarts-Express nach London zurückfuhr? Wieso musste ich ihn anlügen und sagen, dass ich zu meiner kranken Großmutter nach Sheffield ging? Was um alles in der Welt hatte mich dazu gebracht, die nächsten sieben Tage mit diesem Mons… diesem Mann zu verbringen?

Ich wollte, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Zurück in die Zeit als ich noch unbekümmert auf eine staatliche Grundschule in Sheffield ging.

Es war sicher keine Unbekümmertheit, was die Sorgen und Nöte des Lebens anging, denn mein Dad arbeitete als Stahlkocher. Der Niedergang der Stahlindustrie traf unsere Familie genauso wie viele andere auch. Geld war, solange ich mich erinnern kann, Mangelware. Damit wir über die Runden kamen, ging meine Mum nachts in Arztpraxen und Kanzleien putzen.

Ihre Mutter, meine Granny, kümmerte sich daher um mich und den Haushalt. Außerdem half ihre schmale Rente uns dabei, nicht von staatlicher Sozialhilfe leben zu müssen. Für meine Eltern wäre dies eine unglaubliche Demütigung gewesen. Während mich mit meiner Mum und meinem Dad die übliche Liebe und Zuneigung, die zwischen Eltern und Kind bestehen, verband, ist mein Verhältnis zu Granny von einer anderen Art.

Sicher, ich liebe sie, aber da ist mehr. Ein Vertrauen, das ohne Worte auskommt. Sie strahlt eine Ruhe aus, die aus den Erfahrungen eines langen Lebens ihre Kraft schöpft. Es sind nur Kleinigkeiten, die einem Außenstehenden vielleicht albern vorkommen, für mich sind sie Hilfe und Stütze. Granny ist der Antrieb, weshalb ich mich allen Widrigkeiten entgegenstelle, getreu ihrem Lebensmotto: "Nur der Starke kann Schwäche zeigen."

Manchmal treibt sie mich mit ihren Sprichworten und Lebensweisheiten zum Wahnsinn. Denn wenn ich eine Erklärung über ihre Bedeutung haben möchte, meint sie bloß: "Du wirst es verstehen, wenn du in Deinem Leben an den richtigen Punkt kommst."

So gerne meine Eltern es mir ermöglicht hätten, auf eine Privatschule oder ein Internat zu gehen, aufgrund der finanziellen Situation war daran nicht zu denken. Es war schon schwierig genug das Geld für Schulbücher und Schuluniformen aufzubringen, die ohnehin alle aus zweiter oder auch dritter Hand stammten.

Vielleicht waren meine Eltern und Granny deshalb auch nicht so geschockt gewesen, als der Brief aus Hogwarts kam, der ihnen mitteilte, dass ich in der Schule für Zauberei und Hexerei aufgenommen war. Sie sahen wohl zuallererst die Chance, die ich damit hatte, eine gute Ausbildung zu erhalten, und dadurch einmal ein sorgenfreieres Leben zu haben. Meine Eltern konnten es sich nicht leisten, über die Tatsache, dass ihr einziges Kind eine Hexe war, schockiert zu sein.

Als ich dann mit dem Dampfzug das erste Mal nach Hogwarts fuhr, erschien es mir wie das Paradies. Eine neue faszinierende Welt tat sich für mich auf, die weit über meine Vorstellungskraft hinausging, und obwohl ich nicht wusste, was mich erwartete, nahm ich mir vor, jede Chance zu nutzen.

Der Sprechende Hut teilte mich nach Hufflepuff ein.

Es stellte sich bald heraus, dass ich wirklich eine sehr talentierte Hexe war, und da ich den bestmöglichen Schulabschluss machen wollte, enthielten meine Zeugnisse schnell nur ‚Einsen' und ‚Zweien'. Mit einer Ausnahme - ‚Zaubertränke'.

Ich konnte für dieses Fach noch soviel lernen, sobald ich in diesem düsteren Kerker stand und dieser Lehrer - Professor Severus Snape - auch nur in meine Nähe kam, konnte ich mich an keine Zaubertrankzutaten, geschweige denn an die korrekte Zubereitung eines Zaubertrankes, erinnern.

Snape hatte die Angewohnheit sich in jedem Jahrgang einen Schüler herauszupicken, den er dann während des Unterrichtes, jeden noch so kleinen Fehler vor der ganzen Klasse bloßstellend, nicht mehr aus den Augen ließ - in meinem Jahrgang war ich es.

Ich hätte nie gedacht, dass ich vor einem Menschen, sei es nun Zauberer oder Muggel, eine solche panische Angst entwickeln könnte. Seine Stimme verfolgte mich bis in meine Alpträume und wenn er im Unterricht auf mich zukam, hätte ich mich am liebsten hinter dem Kessel versteckt. Blickte er mir bei meinen ungeschickten Versuchen, einen Zaubertrank zu brauen, über die Schulter, dann beschlich mich das ungute Gefühl, er würde mich gleich zur Strafe für meine dilettantischen Versuche mit dem Kopf in den Kessel tunken.

Wie ich das erste Schuljahr in diesem Fach überstand, weiß ich nicht mehr, immerhin hatte ich am Ende gerade noch ein ‚Ausreichend' im Zeugnis stehen. Mein Horror vor Snape war so groß, dass für mich - ungeachtet meiner Vorsätze am Beginn des Schuljahres - feststand: Hogwarts würde mich im nächsten Schuljahr nicht mehr sehen!

Es war Granny, die mir gut zuredete und meinen Ehrgeiz weckte. "Weißt du", sagte sie, "damit hat dieser Professor Snape schon sein Ziel erreicht. - Stell dir mal sein Gesicht vor, wenn er feststellen muss, dass du nicht klein beigibst."

Ich wollte mir Snapes Gesicht lieber nicht vorstellen. Andererseits konnte ich mir die Enttäuschung auf den Gesichtern meiner Eltern vorstellen, wenn ich so schnell kapitulierte.

"Ich hoffe, Snape gehen nicht die Gemeinheiten aus", erklärte ich kämpferisch.

"Das ist meine kleine Janet!", sagte Granny stolz. "Der Mensch, der sie in die Knie zwingt, muss erst noch geboren werden."

Also ging ich weiter nach Hogwarts. Aber weder sie noch ich kannten Severus Snape wirklich.

Das zweite und dritte Schuljahr vergingen relativ ereignislos. Meine Noten blieben unverändert gut, nur in ‚Zaubertränke' schrammte ich gerade so an einem ‚Ungenügend' vorbei. Meine Angst vor Professor Snape hatte ein Niveau erreicht, auf dem ich ein körperliches Schaudern kaum noch unterdrücken konnte. Mein Unbehagen schien ihn nicht zu stören, ganz im Gegenteil …

In den Sommerferien zwischen meinem dritten und vierten Schuljahr in Hogwarts starben im Abstand von wenigen Tagen meine Eltern. Ihre Krankheiten und die damit verbundenen Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte hatten das wenige Ersparte aufgezehrt und Grannys schmale Rente reichte zudem nicht aus, um die Miete für die Wohnung, die Lebensmittel und was sonst so benötigt wurde zu zahlen. Wir mussten deshalb in ein kleines Einzimmer-Appartement umziehen, das sich in einer dieser großen Mietskasernen am Stadtrand von Sheffield befand.

War vorher das Geld für die Schulbücher und die Schuluniform schon sehr knapp gewesen, so war nun hierfür überhaupt kein Geld mehr vorhanden. Das Stipendium für den Schulbesuch in Hogwarts umfasste jedoch nur Unterkunft und den Unterricht. Ich musste also versuchen, während des Schuljahres mit Nachhilfeunterricht Geld zu verdienen, um mir meine Schulbücher leisten zu können.

Der Unterricht hatte bereits seit zwei Wochen angefangen, als ich schließlich in Hogwarts eintraf. Die erste Stunde ‚Zaubertränke' am Montagmorgen wurde zur Tortur.

"Ah, Miss Smith, schön, dass Sie sich endlich wieder herablassen meinen Unterricht zu besuchen." Snape zielte mit jedem einzelnen Wort auf mich. "Da ich nicht vorhabe, Ihr Schwänzen noch zu unterstützen, werden Sie jetzt nach vorne kommen und der Klasse zeigen, wie man einen Schrumpftrank braut."

Natürlich hatte ich keine Ahnung. Wie denn auch? Was bildete sich dieser Mann ein? Dass ich am Grab meiner Eltern die Nase in sein verdammtes Schulbuch steckte?

Und wie konnte er mein Fehlen als Schwänzen bezeichnen? Es war Dumbledore, der auf Grannys Anfrage, die Erlaubnis gegeben hatte, dass ich zwei Wochen später zum Unterricht erscheinen durfte.

Eine Mischung aus ohnmächtiger Wut auf Snape und schmerzhafter Trauer über den Tod meiner Eltern stieg in mir hoch und schnürte mir die Kehle zu. Ich war unfähig mich zu bewegen.

"Nun, brauchen Sie eine Extraeinladung?" Snape bewegte sich langsam auf den Platz zu, auf dem ich saß. Unter seinem stechenden Blick erhob ich mich. Sein Gesicht, das von den langen, strähnigen Haaren umgeben war, schwebte nun drohend über mir.

Ich schluckte. "Nein."

"Nein, was?", bellte er zurück.

"Ich brauche keine Extraeinladung, Sir", sagte ich leise, um das Zittern meiner Stimme zu verbergen. Es entstand eine quälend lange Pause. Als ich es geschafft hatte meine Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen, fuhr ich lauter fort: "Da ich in den letzten zwei Wochen leider Ihren Unterricht nicht besucht habe, habe ich keine Ahnung wie ein Schrumpftrank zubereitet wird."

Snape sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. Es lag unverhohlener Triumph in ihnen. Er hatte mir wieder seine Macht demonstriert. Er drehte sich um und ging zurück zum Lehrertisch. "Smith, Sie holen sich am Ende des Unterrichts Ihre Strafarbeit bei mir ab! Und zehn Punkte Abzug für Hufflepuff, wegen einer frechen Antwort."

Ich wollte etwas erwidern, doch Mary, meine Banknachbarin und Schulfreundin, zog mich zurück auf meinen Platz. "Sei still, du machst es nur noch schlimmer", raunte sie mir zu.

Es sollte die erste und einzige Strafarbeit während meiner Schulzeit bleiben.

Am selben Abend ging ich zu Professor Sprout. Ich wollte mir von ihr die Erlaubnis holen, jüngeren Schülern gegen Geld Nachhilfeunterricht erteilen zu dürfen.

"Es tut mir leid, aber dass kann ich Ihnen nicht erlauben." Sie blickte mich durch ihre Brille an. Als sie mein enttäuschtes Gesicht bemerkte, fügte sie noch hinzu: "Allerdings besteht die Möglichkeit, dass Sie bei einem Lehrer als Hilfskraft arbeiten."

Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich mich schon zwischen den Pflanzen in Madam Sprouts Gewächshäusern. Doch dann landete ich ziemlich unsanft auf dem Boden der Tatsachen, als sie sagte: "Professor Snape sucht schon seit einiger Zeit jemanden, der ihm bei der Herstellung und Vorbereitung von Zaubertränken behilflich ist."

Meine Gedanken rasten. Ausgerechnet Snape. Selbst Professor Trelawney wäre mir im Augenblick lieber gewesen. "Fin-findet er k-keinen Slyth-Slytherin, d-der ihm h-hilft?", stotterte ich.

Auf Professors Sprouts Gesicht entstand ein verstehendes Lächeln. "Nein, wahrscheinlich nicht. - Ich kann verstehen, dass Sie über diese Möglichkeit nicht begeistert sind. Aber -", sie zögerte kurz, "sehen Sie es von dieser Seite: ‚Zaubertränke' ist Ihr schlechtestes Fach. Wenn Sie jetzt als Hilfskraft bei Professor Snape arbeiten, dann können Sie vielleicht mit dem, was Sie dabei lernen, Ihre Note verbessern. Und … Professor Snape ist zwar kein einfacher Zeitgenosse - trotzdem, er hat noch keinen seiner Schüler umgebracht."

Nein, das wahrscheinlich nicht, aber wenn das Gerücht stimmte, er sei ein Todesser, dann hatte er höchst wahrscheinlich … und ich würde vielleicht nur die erste Schülerin sein.

Professor Sprout hielt mir ein Stück Pergament hin. "Wenn Sie sich entschieden haben, melden Sie sich damit bei Professor Snape."

Ich ergriff das Papier und stand auf. Bevor ich das Büro verließ, verabschiedete ich mich mit einem schwachen "Danke."

Ich brauchte bis zum Freitagnachmittag, dann hatte ich mich entschieden. Ich würde die Stelle als Hilfskraft bei Snape annehmen. Zum einen brauchte ich das Geld, zum anderen hatte Granny Recht: "Der, der mich in die Knie zwingen kann, der muss erst noch geboren werden!" Aber, wie bereits gesagt, ich kannte Snape nicht.

Als ich zu Snapes Büro ging, um mich um die Stelle - na ja - zu bewerben, kam mir der Weg in die Kerker so kurz vor, als wäre Hogwarts seit dem Frühstück auf die Größe eines Einfamilienhauses geschrumpft. Ich klopfte. Ein dumpfes "Herein!" sagte mir, dass es für mich nun kein Zurück mehr gab. Ich atmete noch einmal tief ein, drückte die Türklinke runter und schob die schwere Eichentür auf, damit ich eintreten konnte.

"Was wollen Sie, Smith?" Snape saß an seinem Schreibtisch. Er blickte mich scharf an.

Mit zitternden Händen gab ich ihm das Pergament. "Professor Sprout sagte, Sie benötigen eine Hilfskraft."

Er begann mich von oben bis unten zu mustern, mit einem Ausdruck in seinen Augen, als würde er mich in diesem Augenblick zum ersten Mal wirklich wahrnehmen. Ich fühlte mich unter seinem Blick, als sei der Tag des Jüngsten Gerichtes angebrochen.

Mir wurde plötzlich unangenehm bewusst, wie abgetragen und schäbig meine Kleidung war. Das Schwarz meiner Schuluniform war ausgebleicht. Mein Umhang war mir um einiges zu groß, so dass Granny ihn in der Länge und an den Ärmeln gekürzt hatte und das Zuviel-an-Stoff zum Rauslassen in einem dicken Saum verborgen hatte. An mehreren Stellen waren die Kleidungsstücke bereits gestopft. Ich senkte den Blick auf meine Schuhspitzen, die ebenfalls schon ziemlich ramponiert waren.

Ich weiß nicht, wie lange ich dieser Musterung ausgeliefert war, als mich Snape mit einem rüden: "Nächsten Freitag, 16 Uhr. Und seien Sie pünktlich, Smith!" aus meinen Gedanken riss. Ich hob meinen Blick und schaute ihm ins Gesicht. Seine dunklen Augen registrierten gefühllos mein Mienenspiel. Diesmal hielt ich seinem Blick stand. Mit einem kurzen "Ja, Sir." und einem "Danke." verließ ich das Büro.

Das Urteil war gesprochen. Ich hoffte inständig, dass es keine Folter enthielt.

Am nächsten Tag war das erste Hogsmeade-Wochenende für uns Viertklässler. Mary, ihr Bruder Daniel und sein Freund Tom Mitchell, die beiden waren in Ravenclaw, beschlossen, den Honigtopf, die Drei Besen und alle anderen Sehenswürdigkeiten des Dorfes unsicher zu machen. Ich ließ mich von ihrer Fröhlichkeit und ihrem Übermut anstecken. Snape und alles was mit ihm zusammenhing war wenigstens für einen Tag vergessen.

Ich glaube hier fing es auch mit Tom an. Zuerst verbrachten wir nur viel Zeit zusammen, dann gingen wir miteinander und irgendwann sprachen wir davon, dass wir auch später zusammenbleiben wollten. In den beiden letzten großen Ferien verbrachte ich dann jeweils eine Woche bei ihm zu Hause. Dabei lernte ich auch seine Mutter kennen. Mrs Mitchell war eine liebenswerte Frau, die jedoch vollständig für ihren Sohn lebte.

In den Sommerferien vor unserem letzten Jahr in Hogwarts machte mir Tom dann einen Heiratsantrag und ich nahm ihn an. Die Frage, ob er die Liebe meines Lebens sei, stellte ich mir damals noch nicht.

In der Schule war es ein offenes Geheimnis, dass wir zusammen waren und die meisten Mitschüler, allen voran die Slytherins, glaubten wohl auch, dass wir miteinander schliefen. Aber ich hatte da meine Prinzipien: Kein Sex vor der Ehe. Das mochte altmodisch klingen, dennoch akzeptierte Tom es interessanterweise ohne große Diskussionen. Mehr als intensive Küsse und das ein oder andere intime Streicheln, das aufgrund unserer Unerfahrenheit mehr Last als Lust war, passierten zwischen uns nicht.

Stattdessen genossen wir es, uns zu unterhalten, miteinander zu diskutieren und uns unsere Zukunftspläne, Ängste und Wünsche zu erzählen. Etwas, das konnte ich ihm nicht erzählen: nämlich wie ich mich bei meinen Zusatzstunden mit Snape fühlte.

Tom hatte allerdings auch nie danach gefragt.

Als ich mich am späten Freitagnachmittag zu meiner ersten Stunde als Snapes Hilfskraft in seinem Labor einfand, begrüßte er mich mit: "Dahinten steht der Kessel und da liegt das Rezeptbuch. Bereiten Sie die Basislösung für die Wachtränke. Das schaffen Sie hoffentlich, ohne mein Büro zu verwüsten." Dann wandte er sich wieder den Folianten zu, die auf seinem Schreibtisch lagen.

Ich begann, die Zutaten abzuwiegen und in den Kessel zu geben. Doch so sehr ich mich auch anstrengte, die Buchstaben tanzten vor meinen Augen und meine Hände zitterten so stark, dass ich nur mit Mühe den Rührlöffel halten konnte.

Die Lösung simmerte nun seit etwa zwei Stunden und ich musste nur noch gemahlenes Horn des Graphorns und getrocknete Holunderblüten hinzugeben, dann wäre ich für heute von Snape erlöst. Ich hatte gerade das Glas mit den abgewogenen Hornspänen in die Hand genommen, als ich hinter mir einen Schlag hörte. Noch bevor ich den Glasinhalt in den Kessel streuen konnte, schien mein Handgelenk in einem Schraubstock eingespannt zu sein.

"Wollen Sie mich umbringen?", keuchte Snape und drehte meinen Arm ziemlich grob vom Kessel weg. Der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen. Als Snape mein Handgelenk freigab, hinterließen seine Finger weiße Abdrücke auf meiner Haut. "Wenn Sie sich nicht auf das konzentrieren können, was Sie hier tun, dann kann ich Sie nicht gebrauchen!"

Seinen Gesichtsausdruck konnte ich jedoch nicht deuten, die schwarzen Haare verhinderten dies. Er ignorierte meinen Schrecken, nahm einen kleinen Tropfen Flüssigkeit aus dem Kessel, gab ihn in eine kleine Schale und stellte diese auf den massiven Steintisch in der hintersten Ecke des Labors. Dann tat er einen winzigen Hornspan hinein - eine Sekunde später gab es einen grellen Lichtblitz und eine ohrenbetäubenden Explosion. Dort, wo Snape die Schale hingestellt hatte, klaffte im Tisch ein Loch, das so groß war, dass man locker einen Quaffel hätte durchwerfen können.

Ich erstarrte. "Wenn ich nun die Hornspäne … Nicht auszudenken …", pochte es in meinem Kopf.

Meine Knie wurden zu Gummi … Ich konnte mich gerade noch an einer Tischkante festhalten, sonst wäre ich gestürzt. Sofern Snape von meiner Reaktion auf seine Demonstration etwas mitbekommen hatte, unterließ er jeden Kommentar.

Mit zwei kurzen Bewegungen seines Zauberstabes waren der gefährliche Inhalt im Kessel vor mir und das Loch im Steintisch verschwunden.

"Also, dann, Smith, das Ganze von vorne. Und Sie werden dieses Labor erst dann verlassen, wenn Sie eine brauchbare Basislösung hergestellt haben. Haben Sie mich verstanden?" Snapes Stimme nahm mit jedem Wort an Schärfe zu.

Ich riss mich zusammen und dachte verbissen: "Er wird mich nicht in die Knie zwingen, er nicht!"

Doch jetzt beobachtete er jede meiner Handbewegungen. Snape schien jedes Zittern meiner Hände und jedes Zögern mit einer grimmigen Genugtuung zu registrieren.

"Ignorier ihn! Vergiss, dass er da ist!" Und wirklich, ich schaffte es, seine Anwesenheit an den Rand meines Bewusstseins zu drängen.

Zwar brauchte ich für die zweite Lösung fast vier Stunden, aber selbst Snape fand dann nichts mehr daran auszusetzen. Er ließ mich gehen. Sein "Nächsten Freitag, 16 Uhr!" begleitete mich in mein Zimmer. Hier ließ ich mich auf mein Bett fallen und vergrub mein Gesicht in die Kissen. Meine Augen brannten, trotzdem wollte ich mir nicht die Blöße geben und weinen.

Die Stelle als Hilfskraft bei Snape behielt ich bis zu meinem Schulabschluss. Es war eine unterschwellige Feindseligkeit zwischen uns, doch ich wollte ihm keinesfalls Genugtuung verschaffen, indem ich aufgab.

Ich lernte, Snapes bissige Kommentare soweit wie möglich zu ignorieren. Gleichwohl wenn er mir bei der Zubereitung von Zaubertränken im Unterricht oder in seinem Labor auf die Finger schaute, schaffte ich es immer nur mit äußerster Anstrengung ruhig zu erscheinen.

Sofern er mir Anweisungen gab, befolgte ich sie mit einem "Ja, Sir!", stellte hin und wieder zu einigen Punkten, die mir unklar waren, Fragen, die er gewohnt unfreundlich beantwortete, ansonsten wechselten wir kein Wort mehr als unbedingt notwendig.

Snape schien zu fühlen, dass ich meine Furcht vor ihm in den Griff bekam, und so begann er mich auf andere Weise zu quälen. Es kam des Öfteren vor, dass er mich auch samstags oder sonntags Zaubertränke zubereiten ließ, mir irgendwelche Briefe für die Anforderung von Zaubertrankzutaten diktierte oder ich Rezepte in die großen Folianten schreiben musste. Diese Sonderschichten schob er meistens dann ein, wenn ein Hogsmeade-Wochenende anstand.

Da ich mir kaum noch Fehler erlaubte, konnte ich in der Regel nach wenigen Stunden sein Büro verlassen und mich mit meinen Freunden in den Drei Besen treffen. Snapes Laune verbesserte das ganz und gar nicht.

Professor Sprout hatte Recht gehabt, meine Zeugnisnoten in ‚Zaubertränke' wurden besser. Durch den zusätzlichen Umgang mit Snape lernte ich ziemlich schnell, meine Nerven auch in anderen unangenehmen Situationen nach außen hin im Zaum zu halten. Es war eine harte Schule, doch ich war zäh und eine gute Schülerin. Ich bestand bei den Zwischenprüfungen am Ende der fünften Klasse die Klausur in ‚Zaubertränke' sogar mit ‚Gut'.




Kapitel 2

 

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