Kapitel 1: Die Rettung
Es war noch früh am Morgen und im Ligusterweg Nr. 4 herrschte friedvolle Stille. Die Sonne war bereits aufgegangen und die ersten Strahlen fielen durch ein Fenster im ersten Stock auf das Bett eines schlafenden Jungen. Er hatte dunkles, wirres Haar, und auf seiner Stirn befand sich eine blitzförmige Narbe.
In der Mitte des Zimmers auf einem kleinen Tisch stand ein Vogelkäfig, in dem eine Schnee-Eule döste. Als die ersten Sonnenstrahlen den Käfig erreicht hatten schuhute der weiße Vogel mißmutig und steckte seinen Kopf tief unter die Flügel.
Harry Potter öffnete bei den leisen Protesten seiner Eule langsam die Augen und blickte in ihre Richtung. „Na Hedwig“, fragte er müde, „ist dir die Sonne heute morgen zu hell? Warte, ich ziehe die Vorhänge für dich zu, damit du noch ein bißchen schlafen kannst.“ Harry streckte den Arm aus und nahm seine Brille vom Nachttisch. Schläfrig stand er auf und zog die Vorhänge ein Stückchen weiter zu, so daß die Sonne nicht mehr auf die schlafende Hedwig fiel. Er ging zurück zu seinem Bett und blickte auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand. Es war zehn vor sieben, also hatte er noch ein paar Minuten Zeit, bevor Tante Petunia nach oben kommen würde, um ihn durch wildes Klopfen an seiner Zimmertür aus dem Bett zu holen.
Eigentlich hatte Harry ja Ferien, doch sein Onkel und seine Tante, bei denen Harry lebte, hatten beschlossen ihn in eine Sommerschule der Muggel zu schicken, damit er ausnahmsweise einmal etwas Vernünftiges lernen sollte. Normalerweise ging Harry nach Hogwarts auf eine Schule für Hexerei und Zauberei, aber Onkel Vernon und Tante Petunia hielten eine solche Schule für reine Zeitverschwendung.
Harry seufzte und nahm sein T-Shirt vom Stuhl um sich anzuziehen. In diesem Moment klopfte es laut an seine Zimmertür und eine schrille Stimme schrie: „Aufstehen, du Nichtsnutz, mach daß du aus dem Bett kommst!“
„Ja, ich komme gleich, Tante Petunia“, antwortete Harry verschlafen durch die geschlossene Zimmertür.
Als sich die Schritte seiner Tante entfernt hatten zog er sein T-Shirt an und nahm eine Jeans aus dem Schrank. Beide Kleidungsstücke waren dem dünnen Jungen um mehrere Nummern zu groß, doch seine Verwandten kauften Harry nie passende Kleidung, statt dessen mußte er immer die abgetragenen Sachen seines fetten Cousins Dudley tragen. Eigentlich mochte Harry Muggelsachen ganz gerne, wenn sie ihm denn gepaßt hätten, aber es war für ihn schon ein komisches Gefühl in solcher Kleidung in die Schule zu gehen. In Hogwarts trugen alle Schüler schwarze Umhänge und einen spitzen Zaubererhut. Am Anfang war Harry sich sehr komisch in diesen Sachen vorgekommen, doch nach vier Jahren in Hogwarts waren sie wie eine zweite Haut für ihn geworden. Glücklicherweise gab es in der Sommerschule keine Schuluniformen, da der Unterricht schließlich nur wenige Wochen stattfand. Harry erinnerte sich mit Abscheu an die Uniform, die Tante Petunia vor Jahren für ihn grau eingefärbt hatte, da sie ihm keine Neue kaufen wollte. Sie hatte wie ein alter Putzlappen ausgesehen und erbärmlich gestunken.
Nachdem er seine Socken angezogen hatte ging er zu Hedwigs Käfig und betrachtete seine Eule. Der Vogel schien Harrys Blick bemerkt zu haben und schielte mit einem Auge unter ihrem Flügel hervor. „Na, meine Gute, wie geht es dir? Tut dein Flügel noch sehr weh?“, fragte er sie und Hedwig antwortete mit einem mitleiderregenden Fiepen. „Ich wünschte ich könnte mehr für dich tun, aber die Salbe von Madam Pomfrey wird dir mit Sicherheit helfen. Wie gut, daß sie mir letztes Jahr ein kleines Döschen ihrer Salbe gegen Verletzungen als Reserve gegeben hat.“
Harry hoffte inständig, daß die Salbe der Schulkrankenschwester von Hogwarts auch Tieren half, denn Hedwig hatte ein paar Tage nach Beginn der Ferien einen kleinen Unfall mit einer Katze gehabt. Zum Glück war nichts schlimmes passiert, aber der rechte Flügel der Eule hatte ein paar tiefe Kratzer abbekommen. Diese Verletzung machte dem Vogel das Fliegen im Moment unmöglich, so saß sie nun schon seit drei Wochen in ihrem Käfig saß und sich von Harry bedauern und verwöhnen ließ.
Eigentlich hatte Harry, direkt nachdem er von Onkel und Tante erfahren hatte welch wunderbaren Pläne sie für seine Ferien geschmiedet hatten, einen Hilferuf an seinen Freund Ron schicken wollen, doch noch am selben Tag hatte Hedwig diesen Unfall gehabt und Harrys Vorhaben unmöglich gemacht. Ron kam aus einer reinen Zaubererfamilie und seine Eltern besaßen weder ein Telefon noch einen Briefkasten, so daß man sie auf anderem Wege als per Eulenpost nicht erreichen konnte.
Daraufhin hatte Harry seine zweite Freundin aus Hogwarts, Hermine Granger, anrufen wollen (ihre Eltern waren beide Muggel und besaßen ein Telefon), doch die Dursleys achteten stets darauf, daß Harry niemals alleine im Haus war, und hatten bisher jeden seiner Versuche das Telefon zu benutzen vereitelt.
Ein weiterer Schrei seiner Tante, er solle sich beeilen, riß Harry aus seinen trüben Gedanken. Er verließ sein Zimmer und trottete die Treppe hinunter in die Küche. Tante Petunia und Onkel Vernon saßen bereits am Tisch und tranken ihren Kaffee. Dudley war nicht zum Frühstück erschienen, denn im Gegensatz zu Harry mußte er nicht in diese Sommerschule und durfte seine Ferien mit Schlafen und Fernsehen genießen.
Als Harry die Küche betrat blickte Onkel Vernon von seiner Zeitung auf. Er warf einen bösartigen Blick auf Harry und legte seine Lektüre zur Seite. „Dein Lehrer hat gestern Abend angerufen, Bursche. Er hat sich darüber beschwert, daß du in fast allen Fächern absolut mangelhafte Leistungen bringst. Deine Kenntnisse in Mathematik und Chemie seinen haarsträubend, sagte er. Was lernst du eigentlich auf deiner komischen Schule?“ Harry schwieg. Es schien ihm klüger nicht auf Onkel Vernons Frage zu antworten, bevor er etwas Falsches sagte.
Onkel Vernon blickte ihn erwartungsvoll an. „Na, hat’s dir die Sprache verschlagen? Ich habe dich etwas gefragt, und erwarte eine Antwort. Jedenfalls scheinen sie dir keine Manieren beizubringen.“ Harry sah seinen Onkel ärgerlich an. Jetzt bleib bloß ruhig, versuchte er sich einzureden, laß dich nur nicht provozieren.
Er versuchte seinen Ärger hinunter zu schlucken und antwortete mit leiser, unsicherer Stimme: „Ich lerne in Hogw...., äh meiner Schule alles was ich für mein späteres Leben brauche.“ Fast hätte er den Namen seiner Schule ausgesprochen, doch dieser, sowie alle Worte die mit Zauberei und Hexerei zu tun hatten waren im Hause Dursley strengstens verboten.
Onkel Vernon blickte Harry ungehalten an. „Was du brauchst, hä, daß ich nicht lache, reine Zeitverschwendung ist das. Und wenn du mir noch einmal so eine freche Antwort gibst, wirst du gar nicht mehr zu diesen Irren zurückgehen. Dann kannst du ab nächstem Schuljahr ins ‚St.-Brutus-Sicherheitszentrum für unheilbar kriminelle Jungen‘ gehen. Die werden dir schon Manieren beibringen“, zischte Onkel Vernon gereizt.
Das war zu viel für Harry. „Ich werde wieder nach Hogwarts gehen, egal wie“, murmelte er leise vor sich hin.
Er hatte sofort bemerkt, daß er einen Fehler gemacht hatte, aber es war ihm einfach so heraus gerutscht. Nun konnte er seine Worte nicht mehr ungeschehen machen. Vielleicht hatte Onkel Vernon ihn ja nicht gehört, schließlich hatte er sehr leise geredet. Doch seine Hoffnungen wurden sofort zerstört, denn Onkel Vernon blickte Harry giftig an und sagte drohend: „Was hast du gesagt? An meinem Tisch wird so geredet, dass ich es verstehe. Also, raus mit der Sprache.“
Harry stockte der Atem. Warum hatte er sich nur so provozieren lassen? „Äh, nichts, Onkel Vernon, tut mir leid“, antwortete er unsicher.
Bei diesen Worten war sein Onkel aufgesprungen. Er packte Harry an den Haaren und riß seinen Kopf schmerzhaft nach hinten. Er bebte jetzt vor Wut und brüllte Harry an: “Nichts, hä? Du glaubst wohl du wärst besonders schlau. Ich kann dir nur raten, hüte deine Zunge Bursche. Wir können hier auch ganz andere Seiten aufziehen. Ich glaube wir waren viel zu nachsichtig mit dir!“ Onkel Vernon ließ Harrys Haare wieder los und verpaßte ihm im gleichen Moment eine kräftige Ohrfeige.
Harry sah seinen Onkel wütend an. Er wußte nicht was er sagen sollte, doch bevor er seine Gedanken wieder geordnet hatte knurrte sein Onkel: “Mach, daß du in die Schule kommst, dein Frühstück kannst du vergessen.“ Harry blickte seinen Onkel haßerfüllt an, unfähig sich zu bewegen. „Raus jetzt“, brüllte Onkel Vernon, und Harry drehte sich um und stolperte durch die Tür nach draußen in den Flur.
Er kochte vor Wut. Wie konnte sein Onkel nur so über Hogwarts reden?
Auf dem Weg nach draußen kam er an der Garderobe vorbei und blickte in den Spiegel. Seine Wange war feuerrot, doch das schmerzhafte Pochen fing bereits an abzuklingen. Harry hatte schon schlimmere Schmerzen aushalten müssen. Vor einigen Wochen, am Finaltag des Trimagischen Turniers, war er durch eine Falle in die Hände seines Todfeindes Lord Voldemort geraten. Dieser hatte Harry mit dem verbotenen Cruciatus-Fluch belegt, durch den Harry die schlimmsten Schmerzen seines Lebens durchlitten hatte.
Er nahm seine Schultasche und verließ das Haus der Dursleys. Da sie ihm kein Geld für den Schulbus gaben, mußte Harry jeden Tag den Schulweg von mehreren Kilometern zu Fuß hinter sich bringen. Er ging den Ligusterweg entlang und bemerkte, daß die Nachbarin der Dursleys, Mrs. Figg, am Fenster hinter der Gardine stand und ihn beobachtete. Früher hatten die Dursleys ihn immer zu Mrs. Figg gebracht, wenn sie mit Dudley einen Ausflug gemacht hatten, bei dem sie Harry nicht dabei haben wollten. Mrs. Figg hatte dem gelangweilten Harry dann immer ausgiebig die Photos ihrer zahllosen Katzen gezeigt.
Harry ging weiter die Straße entlang. Der Schulweg zog sich wie jeden Tag zäh dahin, aber in dieser Zeit hatte Harry immer die Gelegenheit etwas nachzudenken. Natürlich hatte Onkel Vernon in einem Punkt recht, auch wenn Harry das eigentlich nicht zugeben wollte. Da er seinem Alter entsprechend in der Muggel-Schule zur Zeit die neunte Klasse besuchte, waren seine Leistungen in den meisten Fächern sehr schlecht. In Hogwarts lernten die Schüler zwar schwierige Verwandlungen und das Brauen der kompliziertesten Zaubertränke, aber eine richtige Mathematik- oder Chemie-Stunde hatte Harry schon seit Jahren nicht mehr gehabt. Auf der Schule der Zauberer wurde nun einmal mehr Wert auf die speziellen Künste der Hexerei gelegt. Da Harry seinen Onkel kannte, und dieser nur selten leere Drohungen ausstieß, machte er sich langsam doch ernsthafte Sorgen, ob Onkel Vernon es wirklich wahr machen konnte, und Harry daran hindern würde nach den Ferien wieder nach Hogwarts zu gehen.
Würde Professor Dubledore, der Schulleiter von Hogwarts, oder einer der anderen Lehrer versuchen Kontakt mit Harry aufzunehmen, wenn er nicht pünktlich zu Beginn des Schuljahres mit den anderen Schülern erschien? Hoffentlich war Hedwig bald wieder gesund, sie war Harrys einzige Verbindung zur Welt der Zauberer.
Nach einer halben Stunde Fußmarsch hatte Harry die Schule erreicht. Da er noch ein paar Minuten Zeit hatte, trottete er gemächlich zu dem Zeitschriften-Kiosk auf der anderen Straßenseite um die Schlagzeilen zu lesen. Eigentlich interessierte ihn das Geschehen in der Muggelwelt nicht sonderlich, er hätte lieber den Tagespropheten, die Tageszeitung der Zauberer, gelesen, aber ein paar Informationen konnten ja nicht schaden. Harry betrachtete die verschiedenen Zeitungen, die an dem kleinen, runden Lädchen ausgehängt waren, und sein Blick blieb auf dem Leitartikel der Londoner Times hängen:
Achter ungeklärter Mord in zwei Wochen
Gestern am frühen Abend wurde die Leiche eines jungen Mannes in einem Londoner Vorort gefunden. Wie auch schon an den Körpern der anderen Opfer konnten keine Spuren von Gewalteinwirkung an der Leiche festgestellt werden. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Ein Zusammenhang zwischen den Todesfällen konnte noch nicht nachgewiesen werden. Nach derzeitigen Informationen standen die Opfer in keinem Kontakt miteinander ..........
Harry schluckte. In England und vor allem in London fanden zwar ständig Verbrechen statt, doch so viele Morde innerhalb so kurzer Zeit kamen trotzdem nicht häufig vor. Harrys Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Er dachte an seinen Schulkameraden Cedric Diggory, der von Lord Voldemort mit dem Todesfluch ‚Avada Kedavra‘ getötet worden war. Dieser Fluch war unaufhaltbar, wenn er einmal ausgesprochen war, und tötete das Opfer innerhalb von Sekunden, ohne irgendwelche Verletzungsspuren zu hinterlassen. War es möglich, daß der dunkle Lord oder seine Anhänger hinter diesen ungeklärten Morden steckte?
Harry wurde durch das Läuten der Schulglocke aus seinen Gedanken gerissen und beeilte sich, um in sein Klassenzimmer zu kommen. Pünktlich mit dem zweiten Klingeln erreichte er die Tür und betrat den kleinen Raum. Da nicht viele Schüler die Sommerschule besuchten waren die Klassen von acht bis zehn Schülern nicht in den normalen Klassenräumen der Schule untergebracht, sondern mußten sich mit den verschiedenen Karten- und Lagerräumen zufrieden geben.
Die meisten Schüler beachteten Harry kaum, als er den Raum betrat. Sie hielten ihn für ziemlich sonderbar, weil er immer in solch verbeulten, ausgeleierten Sachen herumlief. Pierce, ein großer, schlanker Junge mit braunen Haaren kam auf Harry zu und sagte: „Na, du Lumpensammler, da hast du ja wieder ein paar ganz schicke Klamotten ausgegraben. Haste die vom Trödel?“
Harry schwieg, er hatte keine Lust, sich in den paar Wochen, die er in der Muggelwelt verbrachte, noch mehr Feinde zu machen.
„Was ist, hat‘s dir die Sprache verschlagen?“
„Laß ihn doch in Ruhe Pierce“, sagte ein Mädchen hinter Harry. Sie hatte lange blonde Locken und eine niedliche Stupsnase. Harry mochte sie sehr gerne, hätte es aber nie offen zugegeben.
„Halt du dich da raus Lindsey, das geht nur Rumpelstilzchen und mich was an. Der Mülleimer kann sich gefälligst selbst verteidigen.“ Bei diesen Worten grinste Pierce, ging auf Harry zu und verpaßte ihm ohne Vorwarnung einen Kinnhaken. Harry strauchelte, konnte sich aber auf seinen Füßen halten.
Was nun passierte ging rasend schnell. Bevor Pierce noch einmal zuschlagen konnte, hatte Harry reflexartig unter sein T-Shirt gegriffen, seinen verborgenen Zauberstab, den er auch in der Muggelwelt stets bei sich trug ergriffen, und ihn auf Pierce gerichtet. Glücklicherweise war sein T-Shirt so weit, daß er den Zauberstab im Verborgenen halten konnte. Er blickte Pierce finster an und murmelte so leise, daß niemand ihn verstehen konnte „Horribilis vexare“. Pierce riß die Augen weit auf, gab ein Jaulen von sich und begann sich schlagartig am ganzen Körper zu kratzen. Der Juck-Fluch war der erste und auch harmloseste Fluch, der Harry eingefallen war und seine Wirkung würde nur wenige Minuten anhalten, Harry wollte schließlich nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen.
Erst nachdem er den Fluch ausgesprochen hatte wurde ihm bewußt, daß er einmal mehr in der Muggelwelt gezaubert hatte, und das war für einen minderjährigen Zauberer streng verboten. Schon zwei Mal hatte Harry wegen solch eines Verstoßes eine Verwarnung vom Zaubereiministerium erhalten. Er konnte nur hoffen, daß dieser Ausrutscher ihm keinen Schulverweis einbrachte. Harry ging mit einem Knoten in seinem Magen zu seinem Platz. Seine Mitschüler betrachteten ihn mißtrauisch. Sie konnten nicht verstehen was eben passiert war. Pierce, dessen Jucken langsam nachließ, warf Harry einen wütenden Blick zu, ging jedoch auch zu seinem Platz, denn in diesem Moment betrat der Lehrer Mr. Rice den Raum. Eine öde Physik-Stunde begann.
Harry, dem die meisten Grundlagen in diesem Fach fehlten, malte gelangweilt in sein Heft. Er machte sich immer noch Sorgen um den eben ausgesprochenen Zauberspruch, konnte jetzt aber nichts mehr daran ändern. Hoffentlich würde ihm das Ministerium gestatten auch weiterhin nach Hogwarts zu gehen.
Harry blickte gelangweilt an die Decke. Er sehnte sich nach den interessanten Unterrichtsstunden von Hogwarts, den Verwandlungen, der Zauberei und allem anderen. Selbst die Zaubertrank-Stunden von Professor Snape waren spannender als dieses sinnlose Berechnen von Fallgeschwindigkeiten und Stromwiderständen. Harry hätte sich nie träumen lassen, daß er einmal seinen verhaßtesten Lehrer vermissen würde, und wenn er gewußt hätte was ihn nächstes Schuljahr in Hogwarts erwartete, hätte er diese sehnsüchtigen Gedanken an Professor Severus Snape sicherlich sehr schnell wieder verdrängt.
Unverhofft wurde Harry durch einen Rippenstoß seines Nachbarn aus den Gedanken gerissen. Er blickte nach vorne. „Mr. Potter, haben Sie meine Frage verstanden?“, fragte Mr. Rice. „Ich wollte von Ihnen die Formel für die Berechnung der relativen Beschleunigung wissen.“
„Ich, ich.... ich weiß nicht, Sir“, stotterte Harry.
„Ach Mr. Potter“, seufzte der Lehrer, „was soll ich nur mit Ihnen machen, das ist Stoff der siebten Klasse, auf was für eine Schule gehen Sie denn, wenn Sie diese einfachen Sachen nicht wissen?“
Die anderen Schüler der Klasse kicherten. Harry biß sich auf die Lippen. Er konnte ja schlecht sagen, daß er normalerweise Teekannen in Schildkröten verwandelte statt trockene Geschwindigkeitsberechnungen durchzuführen. Doch Mr. Rice schien gar keine Antwort zu erwarten, denn er hatte sich bereits umgedreht, und schrieb ein paar, für Harry unverständliche Formeln an die Tafel. Nach einigen Minuten fing Harry wieder an in sein Heft zu malen. Er begann die Tage zu zählen, die er nun schon in dieser verdammten Schule saß und versuchte nachzurechnen was für ein Datum heute eigentlich war.
Harry blickte mit großen Augen auf das Ergebnis seiner Rechnung: heute war der 30. Juli. Das hieß, morgen war sein fünfzehnter Geburtstag. Normalerweise freute Harry sich nicht sonderlich auf diesen Tag, denn die Dursleys gaben ihm nicht viel Grund zum Feiern, aber in diesem Jahr war das anders. Dieses Mal fieberte er seinem Geburtstag entgegen und schickte ein Stoßgebet in den Himmel, daß ihm seine Freunde wie jedes Jahr Geburtstagskarten schickten, denn dann hatte er eine Chance einer der Eulen einen Hilfebrief mitzugeben.
Die Schulstunden verstrichen quälend langsam. Doch Harry hatte nun etwas Besseres zu tun als dem langweiligen Stoff zu folgen. Er riß geräuschlos ein Blatt aus seinem Heft und begann einen Brief an Ron zu schreiben:
Lieber Ron,
hier ist es grauenhaft, mein Onkel und meine Tante haben mich in eine Sommerschule der Muggel gesteckt. Ich habe keine Ahnung von dem Kram, den die da unterrichten. Es ist so langweilig, daß ich fast schon Professor Snape vermisse, kannst Du Dir das vorstellen?
Heute beim Frühstück hat Onkel Vernon mir gedroht, daß ich nächstes Jahr nicht mehr nach Hogwarts darf. Sie wollen mich tatsächlich in das St.-Brutus-Sicherheitszentrum schicken. Mein Onkel war so wütend, daß er mir sogar eine geknallt hat. Dann habe ich heute in der Schule dem ganzen noch die Krone aufgesetzt, und versehentlich gezaubert.
Meinst Du Deine Eltern können irgend etwas unternehmen um mich hier raus zu holen? Bitte antworte mir schnell. Hedwig ist leider krank, deshalb konnte ich Dir nicht früher schreiben.
Vielen Dank
Harry
Harry war nicht sehr zufrieden mit diesem Brief. Er wollte Ron so viel schreiben, fand aber nicht die richtigen Worte, zu viel ging ihm durch den Kopf. Aber eigentlich war ja egal was er schrieb. Hauptsache die Weasleys konnten ihm helfen.
Nach einem langen Schultag, der nach Harrys Meinung wohl Jahrhunderte gedauert haben mußte, endete die letzte Stunde und er machte sich auf den Weg zurück in den Ligusterweg. Normalerweise beeilte er sich nicht sonderlich um nach Hause zu kommen, doch heute war das anders. Vielleicht kam ja die ein oder andere Eule früher an, und er konnte noch heute seinen Brief wegschicken. Harry war voller Hoffnung, daß dies seine Chance war der Tyrannei seines Onkels zu entfliehen.
Als er in den Ligusterweg einbog bemerkte er erneut Mrs. Figg, die wieder hinter ihrer Gardine stand und zu ihm herüber blickte.
Zu Hause angekommen ging er direkt in sein Zimmer, ohne seine Verwandten auch nur eines Blickes zu würdigen. Onkel Vernon war noch auf der Arbeit (was für ein Glück), Tante Petunia bereitete in der Küche das Abendessen, und sein Cousin Dudley saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher.
Um sich die Zeit zu vertreiben holte Harry sein Lieblingsbuch „Quidditch im Wandel der Zeiten“ aus seinem Versteck unter dem losen Dielenbrett, legte sich auf sein Bett und betrachtete die beweglichen Bilder des Buchs. Hoffentlich dachten seine Freunde an ihn, sie hatten ihn doch wohl nicht vergessen? Harry hatte Angst über diese Möglichkeit nachzudenken und schob den Gedanken schnell wieder zur Seite.
Langsam verstrichen die Minuten und wurden allmählich zu Stunden. Als Harry auf die Uhr blickte war es bereits acht Uhr. Seine Tante und sein Onkel hatten es scheinbar nicht für nötig gehalten ihn zum Essen zu rufen. Nun gut, dann würde er sich eben, wenn alle vor dem Fernseher saßen, etwas zu Essen aus der Küche organisieren.
Harry wartete noch eine halbe Stunde und öffnete dann leise seine Zimmertür. Onkel Vernon, Tante Petunia und Dudley waren jetzt sicher im Wohnzimmer und er konnte unbemerkt in die Küche schleichen. Harry betrat leise die Treppe, wurde aber von den lauten Stimmen seines Onkels und seiner Tante gestoppt. Sie mußten die Wohnzimmertür offen gelassen haben und diskutierten lautstark.
Er wollte wieder in sein Zimmer zurückkehren, um noch eine halbe Stunde zu warten, als Onkel Vernon von unten brüllte: „Bursche, beweg deinen Hintern hier runter.“ Harry zuckte zusammen. Sein Onkel konnte unmöglich gesehen haben, dass er hier oben am Treppenabsatz stand. Wahrscheinlich war es nur ein dummer Zufall, dass er ihn ausgerechnet jetzt rief. Harry ging langsam die Treppe hinunter. Er hatte kein gutes Gefühl, denn Onkel Vernon rief Harry nie ohne Grund. Meistens wollte er nur etwas von ihm, wenn er der Meinung war, dass Harry wieder einmal etwas ausgefressen hatte. Als Harry das Wohnzimmer betrat saßen Tante Petunia und Onkel Vernon auf dem Sofa und blickten ihn haßerfüllt an. Dudley saß auf einem Sessel neben ihnen, wippte aufgeregt auf und ab und grinste hämisch.
„Was ist?“, fragte Harry.
„Das hier ist“, knurrte Onkel Vernon bösartig, hielt Harry einen Brief vor die Nase und funkelte ihn mit gefährlich zusammengekniffenen Augen an. Harry schluckte. Er erkannte den Briefkopf sofort. Bereits vor drei Jahren hatte ihm das Zaubereiministerium solch einen Brief geschickt, als der Hauself Dobby im Ligusterweg Nummer 4 gezaubert hatte.
Harry nahm den Brief aus Onkel Vernons Hand und las:
Sehr geehrter Mr. Potter,
uns ist zu Gehör gekommen, daß in Ihrem Wohnort verbotenerweise ein Juck-Fluch verwendet wurde. Wie wir Ihnen bereits vor drei Jahren ins Gedächtnis rufen mußten, ist es jugendlichen Zauberern nicht gestattet, außerhalb ihrer Schulen zu zaubern. Weitere Zauberei kann in schweren Fällen zum Schulverweis führen (Erlass zur Vernunftgemäßen Beschränkung der Zauberei Minderjähriger, 1875, Abschnitt C).
Außerdem ist Ihre magische Tätigkeit in Anwesenheit von Mitgliedern der nichtmagischen Gemeinschaft (Muggel) durchgeführt worden. Dies ist gemäß Abschnitt 13 des Geheimhaltungsabkommens der Internationalen Zauberervereinigung ein schweres Vergehen. Auch daran haben wir Sie bereits vor drei Jahren erinnern müssen.
Für diese wiederholte Übertretung der Zaubereigesetze wird Ihnen ein Bußgeld in Höhe von 30 Galleonen auferlegt. Zusätzlich überlassen wir es Professor Dumbledore und der Leiterin ihres Hauses, ob Ihnen diverse Vergünstigungen, wie Besuche in Hogsmeade, etc. entzogen werden.
Hochachtungsvoll
Mafalda Hopfkirch
Abteilung für unbefugte Zauberei
Zaubereiministerium
„Was sind 30 Galleonen?“, fragte Onkel Vernon barsch als Harry von seinem Brief aufsah.
„So ungefähr 150 Pfund“, antwortete er ihm, mit leicht zitternder Stimme. Harry hatte zwar gewusst, dass er Post vom Ministerium bekommen würde, aber trotzdem hatte es ihm einen Schlag in die Magengrube versetzt.
Sein Onkel und seine Tante blickten ihn immer noch wütend an. „Und was glaubst du, wer dieses Geld bezahlen soll?“, keifte Tante Petunia.
Harry überlegte fieberhaft. Er konnte seinen Verwandten ja schlecht sagen, dass er ein kleines Vermögen besaß, und die Strafe selbst bezahlen würde.
„Ich, ich, ..... mein Pate wird das bezahlen“, stotterte er unsicher.
„Dein Pate, der Verbrecher, hä?“, blaffte Onkel Vernon erbost.
„Der hat das Geld bestimmt gestohlen“, rief Tante Petunia schrill und schien einem Ohnmachtsanfall nahe.
„Wenn der soviel Geld hat, könnte er eigentlich dafür bezahlen, dass wir dich hier durchfüttern, schreib ihm das in deinem nächsten Brief.“
Harry schluckte. Das konnte Onkel Vernon unmöglich ernst meinen. „Äh, Sirius hat nicht viel Geld“, antwortete Harry schnell, „wie soll er denn auch welches verdienen?“
Onkel Vernon blickte ihn immer noch durchdringend an. Harry kannte nur einen Menschen, der ihn mit noch mehr Haß ansehen konnte, und das war Professor Snape, ach nein, und natürlich Lord Voldemort.
Onkel Vernon brummte missbilligend und sagte: „Wir werden jedenfalls keinen Penny für dich bezahlen, schreib dir das hinter die Ohren. Und noch was: Wer hat dir eigentlich die Erlaubnis unterschrieben, dass du in dieses Dorf darfst? Ich war es jedenfalls nicht. Wäre ja auch noch schöner, nach dem, was du damals mit Tante Magda angestellt hast.“
„Das war Sirius“, antwortete Harry leise.
„Sirius, Sirius, immer nur Sirius, dieser Gangster untergräbt ständig unsere Autorität. Der sollte mir mal in die Finger kommen, dem würde ich was erzählen.“ Onkel Vernon machte eine kurze Pause, bevor er mit leichter Panik in der Stimme fortfuhr: „Aber glaub ja nicht, ihn jemals einladen zu können, daß das klar ist. Von diesem Pack kommt mir keiner ins Haus. Und jetzt verschwinde.“
Harry verließ so schnell er konnte das Wohnzimmer und machte sich auf den Weg in sein Zimmer.
Er war ungefähr auf halber Höhe der Treppe, als er Onkel Vernon und Tante Petunia wieder von unten reden hörte. Vorsichtig ging er wieder 2 Stufen nach unten um besser hören zu können.
„Ich habe von Anfang an gesagt, daß der Junge uns nur Scherereien macht“, keifte Tante Petunia, „wir hätten ihn nie mit diesem riesigen Trottel mitgehen lassen dürfen, dann wäre es niemals so weit gekommen. Das hat seine Abartigkeit noch verstärkt.“
Darauf entgegnete Onkel Vernon: „Das hat ein Ende, Petunia, das verspreche ich dir. Er wird nicht mehr zu dieser Brut zurückgehen. Vielleicht ist es noch nicht zu spät einen halbwegs normalen Menschen aus ihm zu machen. Ich werde morgen früh in St. Brutus anrufen und einen Patz für das nächste Schuljahr für den Burschen reservieren. Dann wollen wir mal sehen, ob die ihm dort nicht Respekt einprügeln können.“
Harry hörte, wie Onkel Vernon von seinem Sessel aufstand, und geräuschvoll die Wohnzimmertür zuschlug. Harry schlich leise zurück in sein Zimmer und schloß geräuschlos die Tür. Alles drehte sich in seinem Kopf. Seine Verwandten schienen es tatsächlich ernst zu meinen, daß sie ihn nicht mehr zurück nach Hogwarts lassen wollten. Harry legte sich auf sein Bett und versank in seine Gedanken.
Er mußte wohl eingeschlafen sein, denn einige Stunden später erwachte er, als etwas gegen sein Fenster klatschte. Harry schreckte auf und blickte auf seine Uhr. Es war kurz nach halb drei: er hatte Geburtstag. Er stand auf und ging zum Fenster um nachzuschauen woher dieses Geräusch gekommen war. Als er das Fenster öffnete flog aufgeregt fiepend ein grau gefiederter Tennisball in sein Zimmer.
„Ach, hallo Pig, na mein Kleiner, hast du eine gute Reise gehabt?“ Harry strecke die Hand aus und die kleine Zwerg-Eule landete in Harrys Hand. Pigwidgeon, so der volle Name des kleinen Vogels, gehörte Ron. Harry freute sich, nun endlich etwas von seinem besten Freund zu hören. Pig hüpfte hysterisch auf seiner Hand hin und her. Am Bein der Eule war ein Brief und ein Päckchen festgebunden, das größer war als der kleine Vogel. Harry hatte große Mühe beides zu packen. „Ganz ruhig, Pig“, sagte er liebevoll zu der winzigen Eule, „du darfst gleich wieder los, ich habe nämlich einen sehr wichtigen Brief für dich an Ron.“ Pigwidgeon fiepte wieder aufgeregt und Hedwig, die das Spektakel aus ihrem Käfig beobachtet hatte, drehte den beiden demonstrativ den Rücken zu. Sie hielt nicht viel von der Unprofessionalität ihres kleinen Kollegen. Harry nahm den Brief für Ron und band ihn mit großer Mühe an Pigs Bein. Sobald er die kleine Eule losgelassen hatte flatterte sie wieder durch das Fenster und verschwand in der Nacht.
Harry nahm den Brief seines besten Freundes und öffnete ihn. Er enthielt eine Geburtstagskarte, in welcher sich Ron nach Harrys Befinden erkundigte. Harry schnaubte. Sein Befinden, daß er nicht lachte, aber seine Misere würde hoffentlich bald vorbei sein, sobald Pig den Brief an Ron überbracht hatte.
Nachdem er Rons Karte gelesen hatte öffnete er das Päckchen und ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Mrs. Weasley hatte ihm einen verführerisch duftenden Geburtstagskuchen gebacken. Harry nahm ein großes Stück und machte es sich auf seinem Bett bequem. Nachdem er gegessen hatte stellte er die Geburtstagskarte auf seinen Nachttisch und verstaute den restlichen Kuchen unter dem losen Dielenbrett, das sich unter seinem Bett befand.
Dann legte er sich wieder ins Bett. Er hoffte inständig, daß Rons Eltern ihm helfen würden. Sie waren sehr nette Leute, und hatten Harry schon mehrmals in den Ferien aufgenommen.
Als Harry am nächsten Morgen erwachte, saßen bereits drei Eulen auf dem Fensterbrett und warteten geduldig darauf, daß er ihnen öffnen würde. Harry öffnete das Fenster und ließ die Eulen ein. Sie waren von Hagrid, dem Wildhüter von Hogwarts, seiner Freundin Hermine, die auf einer Zaubererpost wohl eine Eule geliehen hatte, und von seinem Paten Sirius. Harry freute sie über die Geburtstagsgrüße und die Essensvorräte, die sie ihm geschickt hatten. Das war genau das, was er jetzt gebrauchen konnte. Hagrid hatte ihm einen riesigen Schinken geschickt, und Hermine und Sirius hatten ihm ebenso wie Ron einen Geburtstagskuchen gebacken. Er genehmigte sich ein Stück Kuchen und stellte die Karten auf seinen Nachttisch. Dann brachte er den Eulen eine kleine Schale Wasser.
Als Harry an diesem Morgen mit einem mulmigen Gefühl zum Frühstück in die Küche gehen wollte, fand er die Küchentür abgeschlossen vor. Er hörte das geschäftige Treiben seiner Tante und die raschelnde Zeitung seines Onkels durch die geschlossene Tür, wollte jedoch nicht klopfen. Als er auf den Boden blickte sah er vor der Küchentür einen Teller mit einer trockenen Scheibe Toast. Nun gut, wenigstens hatten sie ihm eine Kleinigkeit zum frühstücken hinterlassen. Harry hatte sowieso keine große Lust seinem Onkel an diesem Morgen zu begegnen. Er nahm sich den Toast, schulterte seine Schultasche und verließ das Haus. Zum Glück war heute Freitag, und er hatte die nächsten zwei Tage frei. Allerdings freute er sich auch nicht unbedingt darauf, zwei volle Tage mit den Dursleys verbringen zu müssen. An den Wochenenden bevölkerte normalerweise Dudleys Bande das Haus und ihre Lieblingsbeschäftigung schien es zu sein Harry zu piesacken.
Harrys Schultag verlief langweilig wie immer, und er konnte das Ende der letzten Stunde gar nicht abwarten. Er hoffte, daß Rons kleine Eule vielleicht noch am Nachmittag mit einer Nachricht seines besten Freundes zurück sein könnte.
Auf dem Nachhauseweg mußte er immer wieder in den Himmel blicken aber er suchte vergebens nach einem Anzeichen der kleinen Eule.
Harry hatte die Hoffnung auf eine schnelle Antwort Rons schon fast aufgegeben, als er in den Ligusterweg einbog. Mrs. Figg saß auf einer Bank in ihrem Vorgarten, eine Katze räkelte sich genüßlich auf ihrem Schoß, und sie blickte interessiert zu Harry herüber. Harry war nicht entgangen, daß die alte Frau scheinbar immer an ihrem Fenster stand oder sich im Garten aufhielt, wenn Harry an ihrem Haus vorüber ging.
Als er den Vorgarten von Nummer vier erreicht hatte, hörte er von einem nahe gelegenen Baum ein leises Fiepen. Harry blickte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war und erkannte Pig. Er lief schnell in Richtung des Baumes, und streckte seine Hand aus. Sofort kam Pig angeflogen und kuschelte sich glücklich in seine Hand. Der kleine Vogel war unübersehbar sehr stolz, daß er seine wichtige Aufgabe so gut erledigt hatte. „Hallo Pig, schön, daß du wieder da bist. Mußt dich ja ganz schön beeilt haben. Sei jetzt bitte ganz still bis wir in meinem Zimmer sind, damit mein Onkel und meine Tante dich nicht hören, wenn wir ins Haus gehen.“
Vorsichtig steckte er die Hand mit der Eule unter sein T-Shirt. Da es so warm war hatte er leider keine Jacke an, sonst hätte er die kleine Eule unauffälliger verstecken können, aber es mußte auch so gehen.
So leise wie möglich betrat Harry das Haus seiner Verwandten und wollte sofort die Treppe nach oben schleichen um den Brief von Ron zu lesen, als plötzlich Onkel Vernon vor ihm stand. „Was gibt’s da zu verstecken, Bursche?“, blaffte er Harry an.
Harry merkte wie seine Knie weich wurden. Onkel Vernon würde toben, wenn er die kleine Eule entdeckte. „Ich ... ich habe nur Bauchschmerzen, das ist alles“, antwortete Harry gequält.
„Hmpf, komische Art sich den Bauch zu halten. Mach, daß du in dein Zimmer kommst, Es reicht schon, wenn du uns die nächsten beiden Tage von morgens bis abends auf der Tasche liegst.“
Harry, der froh war so schnell von seinem Onkel entlassen worden zu sein, ohne daß dieser etwas von Harrys Geheimnis gemerkt hatte, rannte zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe nach oben. „Und mach gefälligst deine Hausaufgaben, du fauler Bengel“, rief sein Onkel ihm noch hinterher.
Nachdem Harry die Tür seines Zimmers hinter sich geschlossen hatte, holte er Pigwidgeon unter seinem T-Shirt hervor. Die winzige Eule hatte sich in seine Hand gekuschelt und war eingeschlafen. Vorsichtig setzte er sie auf den Tisch neben Hedwigs Käfig, stellte ihr eine kleine Schale mit Wasser hin, falls sie aufwachte und durstig war, und knotete behutsam den Brief vom Bein des Vogels:
Hallo Harry,
das ist ja furchtbar, was Du da schreibst. Meine Mutter war ganz aufgelöst, als ich ihr Deinen Brief gezeigt habe. Selbstverständlich werden wir Dir helfen, doch mein Vater meinte Du solltest vorher Sirius fragen, ob Du zu uns kommen darfst, schließlich ist er Dein Pate und will sicher wissen wo Du bist.
Wenn Hedwig immer noch krank ist kannst Du gerne Pig zu ihm schicken. Der kleine hatte den ganzen Sommer noch nicht viel zu tun, da freut er sich sicher über noch etwas Bewegung.
Sag mir sofort Bescheid, wenn Du eine Antwort von Sirius hast.
Gruß Ron
P.S. halt die Ohren steif, wir kriegen Dich da schon raus.
Rons Vater hatte Recht. Harry hatte gar nicht daran gedacht seinem Paten von seinem Problem zu berichten. Sicher war es besser Sirius vorher zu informieren, bevor er den Ligusterweg Nummer vier verließ.
Er setzte sich an seinem Schreibtisch, nahm seine Feder und ein Stück Pergament und schrieb einen langen Brief an seinen Paten. Er beschrieb alles, was sich in den letzten Wochen zugetragen hatte, daß er in die Muggel-Schule mußte, daß sein Onkel ihm gedroht hatte, ihn nicht mehr nach Hogwarts zu lassen, daß er ihn geschlagen hatte und daß er verbotener Weise gezaubert hatte.
Als Harry den Brief beendet hatte las er ihn noch einmal durch und setzte ein zufriedenes Gesicht auf. Sicher hatte sein Pate nichts dagegen, wenn er die letzten Ferienwochen bei Ron verbrachte.
Harry verschloß den Brief und setzte sich auf sein Bett. Er beobachtete die kleine schlafende Eule, die sicherlich erschöpft war von ihrer Reise. Er wußte nicht, wie lange er so dagesessen hatte, als Pig sich langsam regte. Die kleine Eule setzte sich auf und streckte verschlafen ein Bein. Als sie die kleine Schale mit Wasser neben sich bemerkt hatte hüpfte sie über den Tisch und begann genüßlich zu trinken. Harry stand auf, nahm eine Kleinigkeit zu Fressen für Pig aus Hedwigs Käfig und fütterte den kleinen Vogel.
„Tut mir leid Pig, aber ich muß dich gleich wieder auf die Reise schicken. Dieser Brief muß so schnell wie möglich zu Sirius. Es ist aber bestimmt nicht so weit, Sirius ist so weit ich weiß immer noch bei Professor Lupin, der wohnt glaube ich irgendwo in der Nähe von London.“ Mit diesen Worten band er den Brief an das Bein der Eule und streichelte ihr zärtlich den Kopf. Hedwig fiepte eifersüchtig und warf Harry einen neidischen Blick zu.
Nachdem Pig fertig gefressen hatte, hüpfte er zum Fenster, blickte Harry noch einmal stolz an, denn er liebte wichtige Aufgaben, und flog davon. Jetzt konnte Harry nur noch warten.
Der nächste Tag war ein Samstag. Schon vor dem Frühstück hörte er von unten die lauten Stimmen von Dudleys Freunden. Harry hatte keine Lust nach unten zu gehen, sie würden ihn sicher nur wieder verhauen, und so verbrachte er fast den ganzen Tag in seinem Zimmer um sehnsüchtig auf eine Antwort von Sirius zu warten.
Erst am Nachmittag kam Pigwidgeon mit der von Harry so sehnlichst erwarteten Antwort seines Paten zurück. Harry löste ungeduldig den Brief von Pigs Bein, und setzte die kleine Eule in Hedwigs Käfig, damit sie etwas trinken und fressen konnte. Aufgeregt öffnete er den Umschlag:
Mein lieber Harry,
ich bin erschüttert zu hören, wie Deine Verwandten Dich behandeln. Sei versichert, daß Du auch nächstes Schuljahr wieder Hogwarts besuchen wirst, dafür werde ich schon sorgen.
Leider kann ich Dir nicht erlauben zu den Weasleys zu gehen.
Harry starrte mit aufgerissenen Augen auf den Brief.
In der momentanen Lage ist es für Dich einfach zu gefährlich dort. Die Weasleys sind zwar alle Zauberer, haben aber keine großen Erfahrungen im Kampf gegen Lord Voldemort. Auch Professor Dumbledore, mit dem ich natürlich sofort Kontakt aufgenommen habe, ist meiner Meinung.
Harrys Finger krallten sich um den Brief bis seine Fingerknöchel weiß wurden. Wütend las er weiter:
Ich denke allerdings, daß wir zu einer akzeptablen Lösung Deines Problems gelangt sind. Remus Lupin, bei dem ich immer noch wohne, wird Dich morgen früh abholen und hier her bringen. Professor Dumbledore vertraut uns und meint, wir können Dir gemeinsam genügend Schutz bieten, bis Du nach Hogwarts zurück fährst.
Sage kein Wort zu Deinen Verwandten, und packe bis morgen früh Deine Sachen zusammen. Remus wird gegen 9 Uhr bei Euch sein. Leider kann ich nicht mitkommen, es ist zu riskant, da ich, wie Du weißt, immer noch gesucht werde.
Außerdem hat Professor Dumbledore versprochen, Dir keine zu harte Strafe aufzuerlegen, wegen Deines kleinen Versehens.
Mach Dir keine Sorgen mehr
Gruß Sirius
Harry konnte den Brief seines Paten nicht mehr aus der Hand legen. Er starrte immer wieder auf die Zeilen, die er ihm geschrieben hatte. In seinem Gesicht machte sich ein glückliches Lächeln breit. Endlich, nach so langer Zeit würde er bei ihm leben können. Fast genauso wie auf Sirius freute Harry sich darauf, seinen ehemaligen Lehrer Professor Lupin wieder zu sehen. Lupin war nach Harrys Meinung der beste Lehrer, den sie jemals in ‚Verteidigung gegen die dunklen Künste‘ gehabt hatten. Leider war am Ende des vorletzten Schuljahres herausgekommen, daß Lupin ein Werwolf war, und so verließ er die Schule, bevor sich die Eltern der Schüler darüber beschwerten. Außerdem fiel Harry ein Stein vom Herzen, daß Professor Dumbledore scheinbar seine verbotene Zauberei nicht zu streng bewertete.
Mit zitternden Händen nahm Harry ein Stück Pergament und schrieb Ron von Sirius‘ Antwort. Er konnte es immer noch nicht fassen.
Als Pigwidgeon sein Mahl beendet hatte war auch Harry mit dem Brief fertig und holte die winzige Eule wieder aus Hedwigs Käfig. „So mein Kleiner“, sagte er, „das ist jetzt die letzte Aufgabe, die ich Dir geben muß. Bring das zu Ron.“
Nachdem Pig ihn verlassen hatte, begann Harry seine Sachen zu packen. Er war zwar noch eine Menge Zeit bis Professor Lupin hier sein würde, doch er wollte auf alle Fälle fertig sein, wenn sein Lehrer kam um ihn abzuholen.
Auch an diesem Abend hielten es die Dursleys nicht für nötig Harry zum Essen zu rufen, aber Harry war viel zu aufgeregt um etwas zu essen, und wenn sein Onkel ihn wieder gereizt hätte, hätte er sich mit Sicherheit verplappert.
Als die Nacht hereinbrach legte Harry sich in sein Bett um zu schlafen, doch er war viel zu nervös. Er stand leise auf und schlich in die Küche um sich etwas zu essen zu holen. Die Dursleys hatten an diesem Abend Rinderbraten gegessen, und der ganze Kühlschrank war überfüllt mit Resten. Harry nahm sich ein Stück, und ging leise zurück in sein Zimmer Nachdem er gegessen hatte legte er sich wieder auf sein Bett, konnte jedoch lange Zeit nicht einschlafen, er war viel zu aufgeregt. Irgendwann fiel er in einen unruhigen Schlaf.
Er erwachte am nächsten Morgen sehr früh und sprang sofort aus dem Bett, um noch einmal den Brief seines Paten zu lesen. Er wollte sich nur noch einmal vergewissern, daß er das alles auch nicht geträumt hatte.
Um halb neun ging Harry die Treppe hinunter um mit seinen Verwandten zu frühstücken. An diesem Morgen war die Tür nicht versperrt und Harry betrat die Küche. Onkel Vernon sah nicht einmal von seiner Zeitung auf als Harry sich auf seinen Platz setzte, Tante Petunia wirbelte geschäftig durch die Küche und würdigte Harry ebenfalls keines Blickes, und Harrys fetter Cousin Dudley grinste nur hämisch. Das Frühstück verlief an diesem Morgen weitestgehend schweigend.
Harry wurde immer nervöser. Er mußte sich sehr zusammen reißen um nicht ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. So unauffällig wie möglich blickte er auf seine Uhr. Es war mittlerweile fünf Minuten vor neun. Gleich mußte Professor Lupin kommen. Harry glaubte vor Spannung platzen zu müssen. Hoffentlich kam er auch pünktlich. Was, wenn Sirius und Lupin es sich anders überlegt hatten, und ihn vielleicht doch nicht bei sich aufnehmen wollten?
Es klingelte.
„Geh, und mach die Tür auf, Bursche“, blaffte Onkel Vernon ohne von seiner Zeitung aufzusehen Harry an. Das hätte sein Onkel nicht zweimal sagen müssen, denn Harry hatte bereits die Küchentür erreicht, als sein Onkel den Satz beendet hatte. Eilig ging er durch den Flur, und öffnete die Haustür. Vor ihm stand ein schlanker, großer Mann, mit schulterlangen, hellbraunen Haaren, die bereits deutlich mit grauen Strähnen durchsetzt waren. Er trug eine abgetragene, enge Jeans und ein altes, graues T-Shirt. Harry staunte: “Professor Lupin, ich habe Sie ja noch nie in Muggelkleidung gesehen. Vielen, vielen Dank, daß Sie da sind.“
Mit diesen Worten fiel Harry seinem ehemaligen Lehrer um den Hals, ließ ihn jedoch sofort wieder los und blickte beschämt auf den Boden, schließlich gehörte es sich nicht einen Lehrer zu umarmen. „Entschuldigen Sie, tut mir leid“, murmelte Harry und sein Gesicht wurde rot.
Lupin lächelte. „Hallo Harry, schön dich wieder zu sehen. Es ist viel zu lange her“, sagte Professor Lupin und legte freundschaftlich eine Hand auf Harrys Schulter.
„Wer ist da, Bursche?“, ertönte die Stimme seines Onkels aus der Küche. Lupin und Harry blickten in Richtung Küchentür. „Hol jetzt am Besten deinen Onkel, ich werde hier warten. Ich glaube nicht, daß er mich hinein bitten wird.“ Damit hatte Lupin sicher recht. Harry lächelte ihn noch einmal an, drehte sich dann um, und ging in die Küche.
„Onkel Vernon, es ist mein Lehrer, er möchte mit dir reden“, sagte Harry zu seinem Onkel gewandt.
„Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt, du Taugenichts?“, blaffte dieser ihn an. Onkel Vernon erhob sich von seinem Stuhl und folgte Harry zur Haustür. Er blickte den Mann, der dort stand, mißtrauisch an. So etwas sollte ein Lehrer sein, der in Jeans herumlief? Sollte er der Jugend nicht ein besseres Vorbild sein?
Als Onkel Vernon die Tür erreicht hatte streckte Lupin ihm die Hand entgegen und sagte höflich: “Guten Tag Mr. Dursley. Mein Name ist Professor Lupin. Ich bin, oder besser ich war ein Lehrer ihres Neffen. Es tut mir leid, daß ich Sie an einem Sonntag Morgen stören muß, aber ich habe etwas Wichtiges mit Ihnen zu besprechen.“
„Ich weiß schon, ich weiß“, sagte Onkel Vernon ärgerlich, „Ihr Kollege Mr. Rice hat bereits Anfang dieser Woche angerufen und sich über die Leistungen dieses Versagers hier beschwert. Ich kann Ihnen nur sagen, daß sich das ändern wird.“
Während der letzten Worte sah er mit einem bösen Blick in Richtung Harry.
„Mr. Dursley, ich glaube Sie missverstehen mich“, antwortete Lupin freundlich, „ich war ein Lehrer von Hogwarts, und kann mich nicht im geringsten über Harrys schulische Leistungen beklagen, im Gegenteil.“
Onkel Vernon starrte Lupin haßerfüllt an. „Was wollen Sie hier, ich will mit Ihresgleichen nichts zu tun haben. Meine Familie und ich, wir haben kein Interesse an Ihrem Gesindel.“ Er blickte mit einem haßerfüllten Blick in Richtung Harry und sagte mit einem drohenden Ton in der Stimme: “Das gilt auch für den Burschen hier.“
Harry machte einen Schritt nach vorne und stellte sich neben Lupin. Dieser lächelte Harry freundlich an und legte einen Arm um Harrys Schultern. „Mr. Dursley, ich bin hier im Auftrag von Mr. Black, Harrys Paten. Er hat mich gebeten den Jungen zu ihm zu bringen. Er möchte, daß Harry den Rest seiner Ferien, bevor er zurück nach Hogwarts muß, bei ihm verbringt.“
Onkel Vernon war mittlerweile feuerrot angelaufen. „Ihr seid alles Betrüger und Verbrecher, kein Wunder, daß der Bengel hier so viel von euch hält. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Der Junge wird ab nächstem Jahr das ‚St.-Brutus-Sicherheitszentrum für unheilbar kriminelle Jungen‘ besuchen!“, brüllte er.
Lupin blickte Harry an: “Harry, geh bitte nach oben und hol deine Sachen, ich möchte unter vier Augen mit deinem Onkel sprechen.“
Harry gehorchte etwas enttäuscht, denn er hätte zu gerne gewußt was Professor Lupin noch zu Onkel Vernon sagen wollte, und ging die Treppe nach oben in sein Zimmer. Dort angekommen konnte er zwar noch das Brüllen seines Onkels hören, doch er konnte nicht mehr verstehen was er sagte.
Professor Lupin sah Harry nach und wandte sich wieder Onkel Vernon zu, als Harry aus seinem Blick verschwunden war: „Mr. Dursley, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie nur vor dem Gesetz der Muggel Harrys Vormund sind. Vor dem Zaubereigesetz wurde noch kein offizieller Vormund für den Jungen bestellt, da es bis jetzt noch nicht nötig war. Aus diesem Grund haben Sie keinerlei Handhabe den Jungen von seinem weiteren Besuch in Hogwarts abzuhalten.“
Onkel Vernon kochte. „Das ist eine Frechheit!“, brüllte er, „ich habe diesen Bengel jahrelang durchgefüttert, ich hatte alle Kosten am Hals und von Ihrem Pack hat niemand auch nur einen Finger gerührt.“
Lupin senkte leicht den Blick, dann entgegnete er ruhig: „Es war Mr. Black leider aus persönlichen Gründen bis jetzt nicht möglich seinen Pflichten gerecht zu werden, aber er möchte nun den Wünschen von Harrys Eltern entsprechen und den Jungen wenigstens vorläufig bei sich aufnehmen.“
Onkel Vernon schnaubte wieder, dann polterte er los: „Ich weiß zwar nicht, was Sie bei Ihrer Sippe für eine Rechtsprechung haben, aber ich habe noch von keinem Ministerium gehört, welches das Sorgerecht für ein Kind an einen entflohenen Verbrecher überträgt. Ja, Sie, ich höre auch Nachrichten, und wir haben alles verfolgt, was über diesen Verbrecher berichtet wurde.“
Professor Lupin schluckte leicht. Er hatte gehofft, daß die Dursleys über Sirius‘ Situation nicht informiert waren, aber eigentlich hätte er es erwarten müssen, da schließlich auch die Muggelnachrichten über Sirius‘ Ausbruch berichtet hatten. Er sah Onkel Vernon wieder in die Augen und antwortete: „Ich denke, Mr. Dursley, das sollten wir das Ministerium entscheiden lassen. Bis dahin werde ich den Jungen mitnehmen.“
Harry nahm seinen großen Koffer und den Käfig mit Hedwig und machte sich wieder auf den Weg nach unten. Als er wieder bei seinem Onkel und Professor Lupin angekommen war, sagte sein Lehrer: „Komm Harry, laß uns gehen.“ Onkel Vernon schien vor Wut fast zu platzen. Lupin nahm Harry den schweren Koffer aus der Hand und wandte sich zur Tür.
„Das wird ein Nachspiel haben, Sie werden noch von mir hören, Sie“, keifte Onkel Vernon, doch er machte keinerlei Anstalten seinen Neffen, der Lupin zur Tür gefolgt war, aufzuhalten.
Harry atmete erleichtert auf, als die Tür zum Ligusterweg Nr. 4 hinter ihm ins Schloß fiel. Er blickte Lupin interessiert an: „Was haben Sie denn noch zu meinem Onkel gesagt, ich hatte wirklich Angst er würde mich nicht aus dem Haus lassen!“
Lupin grinste. „Das brauchst du nicht zu wissen Harry, aber es scheint gewirkt zu haben, das ist die Hauptsache.“
Harry war enttäuscht, er hätte zu gerne gewußt, was Professor Lupin in seinem Abwesenheit zu seinem Onkel gesagt hatte. Insgeheim bewunderte er Lupin dafür, wie ruhig er während des gesamten Gesprächs geblieben war. Dieser Mann hatte wirklich eine unheimliche Selbstbeherrschung.
„Professor, wie kommen wir jetzt eigentlich zu Ihnen nach Hause, und zu Sirius?“, fragte Harry erneut.
„Na damit“, antwortete Lupin und zeigte mit dem Finger auf einen alten VW Käfer, der vor dem Haus der Dursleys geparkt war. „Und Harry, ich bin nicht mehr dein Lehrer, also sag bitte nicht Professor. Nenn mich Remus.“
Harry strahlte Lupin an und folgte ihm zum Wagen.
Als sie in den Wagen stiegen sah Harry wieder Mrs. Figg an ihrem Fenster stehen. Sie winkte ihm zu, und Lupin winkte zurück. Mrs. Figg lächelte ihnen zu und verschwand.
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