Amoris Infinitas

 

 

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Kapitel 5: Von Zaubertränken und Spiegeln



Nach einer langen und schlaflosen Nacht am Krankenbett eines gesuchten Mörders, die sie damit verbracht hatte, dessen zahllose gebrochene Knochen zu heilen und tiefe, blutende Wunden zusammen zu flicken, um das Leben des besagten Mörders zu retten, gönnte sich Madame Pomfrey einen langen und tiefen Mittagsschlaf. Doch plötzlich schrillte ihr Alarm. Augenblicklich hell wach sprang sie aus dem Bett und in ihre Pantoffeln, warf sich den Morgenmantel über, griff ihren Zauberstab und hastete hinüber in das Krankenzimmer.

"Professor Snape! Was um Himmels Willen tun Sie da!", rief die Medihexe beim Anblick ihres Patienten aus.

"Ich bin kein Professor mehr", grummelte Snape und starrte Pomfrey aus fiebrigen Augen an, während er Anstalten machte das Bett zu verlassen. "Wo sind meine Kleider?"

"Wagen Sie es ja nicht aufzustehen, Mr. Snape", warnte Madame Pomfrey nachdrücklich. "Sie brauchen mindestens noch drei, vier Tage strengster Bettruhe oder Sie werden einen Rückfall erleiden."

"Ich muss brauen. Noch einmal, wo sind meine Kleider?"

"Brauen? Sie halluzinieren wohl!", rief die Medihexe entsetzt. "Sie verlassen diese Krankenstation nur über meine Leiche, Mister!"

"Und woher, wenn ich fragen darf, können Sie sich so sicher sein, dass ich Sie nicht töten werde?", fragte Snape bitter.

Pomfrey wurde blass. "Das würden Sie nicht ..."

"Reizen Sie mich lieber nicht, Weib. Holen Sie meine Sachen und gehen Sie mir aus dem Weg", befahl Snape barsch. "Und nein, ich werde kein tödliches Gift brauen, um zahllose Muggel zu vergiften, sondern einen Heiltrank - für mich."

"Sie denken also, Sie könnten sich selbst besser heilen als ich das kann?", sagte Madame Pomfrey mit hochgezogenen Brauen. Zuckersüß fuhr sie fort: "Es tut mir schrecklich leid, aber aus Kleidern wird so schnell nichts. Ich habe den Hauselfen aufgetragen, Ihre Sachen zu reinigen und auszubessern, sie waren in kaum einem besseren Zustand als Sie selbst. Und Ersatz läßt sich nicht beschaffen, da Ihre Räume vom Ministerium verschlossen und versiegelt wurden."

"Dann schicken Sie einen verdammten Hauself, die können hinein- und herausapparieren, ohne sich um Siegel zu scheren", knurrte Snape ungeduldig und fixierte die Medihexe mit einem Blick, der keine Widerrede duldete. "Ich brauche diesen Trank - jetzt!"

"Was Sie brauchen oder nicht, das entscheide immer noch ich", entgegnete Pomfrey kühl. "Doch falls es Sie beruhigt, Mister Snape, ich werde mit der Direktorin über Ihren absonderlichen Wunsch sprechen." Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ erhobenen Hauptes das Krankenzimmer.

Erschöpft von der hitzigen Diskussion ließ sich Snape zurück in die Kissen fallen. Er fühlte, wie die Verbände um seine Brust feucht und warm von frisch aussickerndem Blut wurden, aber das war ihm gleich. Die Schmerzen in seiner linken Seite waren viel schlimmer. Sie hatten ihn viel früher als erwartet aus dem Heilschlaf geweckt. Die schwarze Wunde, die die Schmerzen verursachte, war noch kaum größer als seine Hand, aber sie würde sich unaufhaltsam ausbreiten, tödlich wie die Pest. Bald würde er nicht mehr in der Lage sein, den Zaubertrank zu brauen. Er fühlte bereits, wie das Fieber stieg, ein Fieber, das ihn verzehren würde, wenn er den Trank nicht rechtzeitig einnehmen konnte. Und Pomfrey, die sich Heilerin schimpfte, hatte offensichtlich noch überhaupt nicht gemerkt, was mit ihm los war. Heiler! Wenn er einen Zauberstab hätte, könnte er diese lästigen Schnitte in sekundenschnelle verschwinden lassen. Aber auf dem Nachttisch war kein Zauberstab. Natürlich, sie konnten ihn ja nicht mit einem Zauberstab allein lassen nach dem, was er getan hatte. Zweifelsohne hatte die Direktorin ihn in Verwahrung genommen. Und der Spiegel? Er würde sie bald aufsuchen und einiges mit ihr besprechen müssen, aber nicht jetzt. Erst der Trank. Etwa zwei Stunden brauen. Wenn er es nur bis runter in die Kerker schaffte. Und seine Kleider. Er brauchte seine Kleider. Warum zum Teufel brauchte Pomfrey so lange? Verdammt, die Schmerzen machten ihn wahnsinnig. Zwei Stunden, noch zwei quälende Stunden ...

"Mister Snape?"
Der Zauberer fuhr aus einem leichten, unruhigen Schlaf hoch.
"Aus mir unverständlichen Gründen hat die Direktorin zugestimmt. Sie dürfen Ihren Trank brauen, falls Sie noch immer darauf bestehen. Aber ich warne Sie, keine faulen Tricks." Snape nickte müde und schaute dann fragend auf das schwarze Bündel, das über Pomfreys Arm hing.

"Ach ja, Dobby hat Ihnen etwas zum Anziehen besorgt. Aber zuerst nehmen Sie dies hier." Mit einem Ausdruck äußerster Missbilligung reichte Madame Pomfrey ihrem Patienten eine Flasche mit Bluterneuerungstrank und zwei kleine Phiolen. Snape brauchte die Etiketten nicht zu lesen, um die Flüssigkeiten als ein fiebersenkendes Mittel und ein Stärkungselixier zu identifizieren. Sehr zu Pomfreys Erleichterung schluckte er die Tränke ohne Protest und schlüpfte dann mit Hilfe der Medihexe in seine Kleider.

"Ich habe Miss Granger gebeten in den Klassenraum für Zaubertränke zu kommen. Wir werden Ihnen assistieren", sagte Madame Pomfrey fest und voller Misstrauen. Snape verzog seine Lippen, also ob er einen beißenden Kommentar abgeben wollte, aber überlegte es sich anders. Er würde all seine Kraft zum Brauen benötigen, nicht für nutzlose Diskussionen. Und, so wenig er den Gedanken auch mochte, er konnte tatsächlich Hilfe gebrauchen.

"Wir nehmen die Flohverbindung, Sie wollen doch nicht auf halbem Weg die Treppe hinunter zusammenklappen", sagte die Medihexe streng und steuerte den alles andere als sicher auf den Beinen stehenden Ex-Professor hinaus aus dem Zimmer und in ihr Büro hinein.


***




Hermine wartete bereits im Klassenzimmer, als Madame Pomfrey, einen extrem blassen Snape stützend, aus dem Kamin stolperte. Bei ihrem Anblick richtete sich Snape zu seiner üblichen, eindrucksvollen Höhe auf, aber sie konnte deutlich sehen, dass der Mann alles andere als geheilt war und eigentlich fest ins Bett gehörte. Ihre Neugier war geweckt. Was war das für ein geheimnisvoller Trank, den Snape unbedingt haben musste?

Zwei Stunden später sah Snape aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Nachdem er einen einzigen Tropfen einer klaren Flüssigkeit aus einer winzigen Glasphiole, die Dobby aus seinen privaten Vorräten beschafft hatte, hinzugefügt und dreimal gegen den Uhrzeigersinn gerührt hatte bis der Trank seine endgültige Bernsteinfarbe annahm, schob die Medihexe ihn energisch in einen Stuhl, und er ließ es einfach geschehen. Seine Hände zitterten vor Erschöpfung und seine Augen fielen zu.

"Wie viel brauchen Sie?", fragte Pomfrey kühl. Noch immer schien sie alles andere als begeistert von der Aktion ihres Patienten zu sein.

"Der kleine silberne Pokal. Bis zum Rand. Der Rest muss in Flaschen gefüllt werden, bevor er anfängt abzukühlen", antwortete der Tränkemeister schwach und öffnete nicht einmal die Augen, als der Pokal an seine Lippen gehalten wurde. Er schluckte die bittere Flüssigkeit und schlief augenblicklich ein.

Kopfschüttelnd blickte die Medihexe auf ihren ehemaligen Kollegen. Was hatte sich Snape nur hierbei gedacht? In seinem Zustand komplizierte Tränke zu brauen! Und McGonagall war auch nicht besser, immerhin hatte der ehemalige Tränkelehrer kaltblütig den Direktor umgebracht. Er wurde in ganz Großbritannien gesucht, tot oder lebendig. Warum hatte sie nicht längst das Ministerium alarmiert? Noch einmal schüttelte sie den Kopf, dann wandte sie sich mit einem Schulterzucken an Hermine.

"Miss Granger, würden Sie bitte den Stuhl in ein Sofa verwandeln? Ich gehe und hole ein paar Decken und neue Verbände."

Hermine nickte und schwenkte ihren Zauberstab. Jetzt stand dort statt des Stuhls ein gemütlich aussehendes rosa Sofa. Vorsichtig ließ sie den schlafenden Zauberer darauf schweben und lächelte bei dem Gedanken daran, was er wohl zu der leuchtenden Farbe seines neuen Bettes sagen würde. Nein, sei nicht grausam, schalt sie sich selbst und änderte die Farbe in Dunkelgrün. Dann begann sie die Brauutensilien, die überall auf den Tischen verstreut lagen, einzusammeln und zu säubern. Es war ein extrem komplizierter Trank gewesen, und Snape hatte ihn auswendig und ohne auch nur ein einziges Mal zu zögern oder im Geringsten daran zu zweifeln, was er als nächstes tun musste, gebraut. Obwohl Hermine ziemlich gut in Zaubertränke war, begriff sie nun, dass sie niemals sein Level der Perfektion erreichen würde, egal wie hart sie arbeitete. Es war einfach nicht genug, peinlich genau Instruktionen zu folgen, für eine wahre Meisterschaft musste man die Kreativität und Intuition besitzen, die Rezepte zu verbessern, wie der Prinz es getan hatte...

"Ah, danke, Miss Granger", sagte die Medihexe, als sie mit einem Haufen Decken und Binden in den Armen zurückkam. Sie legte ihre Last auf einen Stuhl neben das Sofa und begann, den tief schlafenden Tränkemeister zu entkleiden.

Während Hermine mit silbernen Messern und Kesseln herumhantierte, schaute sie von Zeit zu Zeit hinüber zum Sofa. Die durch den Sectumsempra verursachten Schnitte waren noch immer rot und hatten sich stellenweise geöffnet, aber sie schienen zu heilen. Als Pomfrey jedoch ein wenig zur Seite rückte, um den Verband um Snapes Kopf zu erneuern, konnte sie eine weitere Wunde in der Seite des Zauberers sehen, die sie nach Luft schnappen ließ. Sie war geschwärzt und verschrumpelt, so als ob das Fleisch weggebrannt worden wäre...


***




"Er brauchte den Trank bestimmt wegen des Brandmals", erklärte Hermine ihren Freunden eine halbe Stunde später, als sie zusammen am Ufer des Sees saßen und den Sonnenuntergang betrachteten. "Ich möchte nur gern wissen, was die Wunde verursacht hat. Du hattest doch nur den Sectumsempra benutzt, Harry, das kann doch unmöglich der Grund dafür sein, oder?"

"Ich weiß es nicht. Ich schätze, wir müssten Snape fragen. Allerdings hat er keinerlei Tränke gebraucht, um Draco zu heilen ..."

"Und es sah wirklich aus wie Dumbledores Hand, schwarz und verschrumpelt?", fragte Ron, der ein Gesicht machte, als müsste er Nacktschnecken schlucken.

Hermine nickte.

"Dumbledores Hand ...", murmelte Harry und plötzlich kam ihm ein Gedanke. "Snape kann doch nicht ..." Er griff in seine Taschen. Bei all dem, was geschehen war, hatte er den Spiegel total vergessen. Er hatte gedacht, es sei ein geheimes Mittel der Kommunikation, so wie der Spiegel von Sirius, es konnte doch unmöglich ... Er wickelte das kleine Päckchen aus. Hier war er, blutverkrustet und dreckig und zerbrochen.

"Was willst du denn damit?", fragte Ron, der bei dem Anblick noch eine Spur angeekelter aussah als zuvor.

Ohne zu antworten, richtete Harry seinen Zauberstab auf das verdreckte Ding. "Scourgify!"

Rosa Seifenblasen erschienen auf dem Spiegel. Nachdem er die Blasen mit dem Taschentuch abgewischt hatte, sah der Spiegel schon etwas manierlicher aus. Schließlich, nach mehreren wiederholten Reinigungszaubern, kam unter all dem Schmier und Dreck die silberne Oberfläche des Spiegels hervor. Man konnte feinste Gravierungen erkennen, Girlanden aus winzigen Blumen, die sich um uralte Runen schlangen. Und auf dem Griff war ein Adler.

"Harry, das ist doch nicht, das kann doch nicht -?", stotterte Hermine ehrfurchtsvoll.

"Das muss er sein, Hermine", flüsterte Harry fast. "Rowena Ravenclaws Spiegel. Ich habe ihn im Gras gefunden, dort wo Snape gelegen hat - er muss auf den Spiegel gefallen sein und ihn zerbrochen haben."

"Und dabei hat die freiwerdende schwarze Magie sich in seine Seite gefressen und die Wunde verursacht. Wie bei Dumbledores Hand", schloss Hermine ernst. "Der Trank, den er gebraut hat, muss der gleiche gewesen sein, mit dem er Professor Dumbledore behandelt hat."

"Aber was zum Teufel wollte Snape mit einem Spiegel?", fragte Ron ungläubig. "Er sieht nicht gerade aus, als hätte er je einen benutzt."

"Vielleicht hat er ihn für jemanden aufbewahrt?"

"Nein, Harry." Hermine schüttelte den Kopf. "Snape wäre nicht so dumm, ein solch wertvolles Objekt mit sich herumzuschleppen, besonders nicht, wenn er es für Voldemort in Verwahrung hatte. Ich wette, er wollte ihn Professor McGonagall bringen, damit sie ihn unschädlich machen lässt."

"Nun, jetzt ist er jedenfalls unschädlich gemacht." Harry wickelte das Taschentuch wieder um den Spiegel und steckte ihn zurück in seine Tasche. "Fünf Horcruxe geschafft, bleibt also noch einer."


TBC

 
 

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