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Kapitel 9: Geständnisse
Alcyone schwebte etwa zwei Meter in der Luft.
Sie war ein Vogel.
„Hermine! Wieso hast Du uns das nichts gesagt?“ es war Rons Stimme.
„Ich hatte keine Ahnung. Ehrlich“.
Hätte Alcyone in ihrer momentanen Form lachen können, hätte sie es getan.
Natürlich hatte Hermine das nicht herausfinden können. Alcyone hatte erst heute die Bescheinigung erhalten, daß sie nun offiziell ein Animagus war. Das hieß, daß sie auch erst seit heute registriert war. Hermine Granger hatte ihre Informationen auch sicher nicht erst heute erhalten und wenn doch, dann war diese Information mit Sicherheit noch nicht dabei gewesen.
Das erste Mal hatte sich Alcyone Ende Dezember verwandelt. Ein Freund von ihr aus dem Zaubereiinstitut hatte vorgeschlagen, ob sie es nicht ausprobieren wollten. Es war natürlich nicht ganz legal, aber Alcyone, die sich daran erinnerte, daß sie schon einmal die Chance dazu gehabt hatte, aber damals aus Rücksicht auf andere, verzichtet hatte. Diesmal hatte sie sich ohne zu Zögern dazu entschlossen und es hatte funktioniert. Ihrem Freund war es allerdings nicht gelungen. Eine Erklärung dafür hatte sie nicht.
Alcyone, die auch schon zu ihrer Zeit in Hogwarts nicht sehr viel von illegalen Vorhaben gehalten hatte, hatte sich sofort dazu entschlossen, es zu melden.
Was für ein glücklicher Zufall dachte sie sich, während sie so dahin schwebte, daß ich gerade heute die Zulassung dafür erhalten habe.
Jetzt hatte Alcyone die Möglichkeit zu Remus zu fliegen.
Alcyone flog auf das Fenster zu und hoffte, daß wenigstens einer der Drei, die immer noch staunende Gesichter machten, verstand, daß sie das Fenster öffnen sollten.
Alcyones Hoffnungen wurden nicht enttäuscht. Hermine eilte Richtung Fenster und Alcyone hörte Ron fragen „Was tust Du da?“
„Was wohl?“ fragte Hermine scharf. „Ich laß sie raus. Damit sie zu Professor Lupin kann!“
Hermine trat auf das mittlere Fenster zu und zog die schweren Brokatvorhänge beiseite. Dann öffnete sie vorsichtig das Fenster.
Die Kälte traf Alcyone mit einem Schlag und sie war noch nicht einmal draußen. Eine Sekunde lang überlegte sie sich, ob sie ihr Vorhaben nicht lieber sein lassen sollte und brav bis zum nächsten Tag warten. Aber das konnte und wollte sie nicht. Ihre innere Kraft trieb sie dazu, diese Strapazen auf sich zu nehmen.
Alcyone fiepte zuerst Hermine ein Dankeschön zu, dann auch Harry und Ron, woraufhin sie schließlich das Zimmer verließ und in die Dunkelheit flog.
Alcyone fror. Es war bitter kalt an diesem Januarabend. Hinzu kam noch die Tatsache, daß Alcyone noch nie richtig geflogen war.
Die Strecke zu Remus war nicht unbedingt eine Weltreise, aber sie wußte, daß sie ein paar Stunden unterwegs sein würde. Alcyone hatte keinerlei Ahnung, ob sie es durchhalten würde.
Ab und zu blickte sie nach unten und versuchte etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Der Himmel war wolkenverhangen und lies dem halben Mond keine Chance, durchzublicken. Landschaften zogen an ihr vorbei und ab und zu flog sie über hellerleuchtete Dörfer und Städte. Wenn es wärmer gewesen wäre, hätte Alcyone den Flug sicher genossen, vor allem, weil es ihr erster war. Der Flug, als sie sich zum ersten Mal verwandelt hatte, hatte darin bestanden, einmal im Kreis durch den Raum zu fliegen. Das war alles gewesen. Das es jetzt so gut funktionierte lag wahrscheinlich nur daran, daß alle ihre Kräfte sie dazu trieben, dies zu tun.
Wie lange Alcyone flog wußte sie bei weitem nicht. Es war ihr auch egal. Hauptsache, sie würde das Ziel erreichen und auf den letzten paar Meilen schien es so, als wären ihre Kräfte zu Ende. Alcyone mußte sich furchtbar anstrengen und mobilisierte ihr letzten Kräfte, als sie erkannte, daß sie kurz vor dem Wald war, in dem Remus Hütte gut verborgen war.
Alcyone ließ sich tiefer sinken und glitt langsam und bedächtig durch die Bäume. Es war dunkel, sehr dunkel, doch eine innere Kraft wies Alcyone den Weg und schließlich konnte sie ein Licht erkennen, zuerst ganz schwach, dann immer stärker werden, bis sie schließlich Remus Hütte direkt vor ihr erkennen konnte. Sie hatte ihr Ziel erreicht.
Alcyone, getrieben durch all ihre inneren Kräfte, schaffte es nicht, rechtzeitig zu bremsen und knallte gegen ein Fenster.
Es gab ein lautes Geräusch und Alcyone glitt voller Schmerz zu Boden.
Fast automatisch verwandelte sie sich zurück in ihre ursprüngliche Gestalt.
„Au“, sagte sie und rieb sich den Kopf.
In dem Moment ging die Tür auf und ihr Bruder erschien mit gehobenem Zauberstab.
„Was?“ schrie er, hielt aber sofort inne, als er erkannte, wer da am Boden lag.
„Alcyone!“ sagte er überrascht und beugte sich sofort zu ihr herunter. „Alles in Ordnung?“
Alcyone nickte und rieb sich immer noch den Kopf. „Oh Mann. Ich muß das erst noch in den Griff kriegen.“
Remus legte ihr besorgt einen Arm um die Schulter und half ihr beim Aufstehen.
„Du fühlst Dich ja eiskalt an!“ stellte er fest.
„War ja auch ein langer Weg“. Alcyone merkte jetzt erst, daß sie vor Kälte zitterte.
„Wo wir gerade dabei sind. Wie kommst Du eigentlich hierher?“
„Ich bin geflogen!“
„Wie? Ich sehe keinen Besen“.
Alcyone lächelte matt. „Nicht mit einem Besen. Ich bin richtig geflogen. Als Vogel.“
Remus schaute seine Schwester ungläubig an. „Du bist ein Animagus?“
Alcyone nickte. „Ja, seit heute. Offiziell“.
Remus schien beeindruckt zu sein, zeigte es aber nicht deutlich. Statt dessen schob er sie einfach in die Hütte.
Obwohl es drinnen eindeutig wärmer war, fühlte Alcyone jetzt erst, wie durchgefroren sie wirklich war. Die angenehme Wärme, die sie jedesmal spürte, wenn sie Remus Hütte betreten hatte, tat dieses Mal nur weh.
„Geh nur ins Wohnzimmer. Ich mach Dir gleich einen heißen Tee.“
Alcyone nickte ihrem Bruder zu und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer.
Dort angekommen, entdeckte sie sofort eine Decke, die über das Sofa gehängt war. Alcyone griff nach ihr und wickelte sich sofort in sie ein. Dann lief sie um das braune, alte Sofa, um sich darauf niederzulassen.
Sie erschrak.
Vor dem Sofa saß auf dem Boden ein großer schwarzer Hund, der sie anzuschauen schien.
„Remus. Seit wann hast Du denn den hier?“ schrie sie in die Küche.
„Wen?“ schrie Remus zurück.
„Den Hund!“
Darauf erhielt sie keine Antwort mehr.
Alcyone drehte sich wieder dem Hund zu, der immer noch gleich da saß und sie anstarrte.
Alcyone starrte zurück und als sie direkt in seine Augen sah, kam es ihr mit einem Mal.
„Sirius Black.“ sagte sie etwas abschätzig. „Ich wußte gar nicht, wie nah ich wirklich an der Wahrheit dran war, als ich Dich mal als dreckigen Hund beschimpft habe.“
Alcyone erkannte, daß der Hund sie giftig anblickte und kurz darauf stand Sirius in seiner wahren Form vor ihr. Er sah, verglichen mit dem Fahndungsbild von ihm, richtig gut aus. Er war nicht mehr nur Haut und Knochen und sein Haar und Bart waren geschnitten und er sah gepflegt aus. Trotzdem stand ihr gegenüber nicht der Sirius, den sie von früher her kannte. Die Jahre in Askaban standen ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.
„Dein Leben muß wirklich sehr trostlos sein, daß Du aus Askaban fliehen konntest!“ Alcyone versuchte so emotionslos zu klingen, wie es ging.
Sirius verschränkte die Arme. „Eigentlich hätte ich eine nettere Begrüßung erwartet, aber immerhin sprichst Du wieder mit mir!“
„Freu Dich nicht zu früh!“ sagte Alcyone, diesmal etwas freundlicher.
In diesem Moment kam Remus mit einer Kanne Tee, zwei Tassen und einem Becher an. Er stellte das Tablett auf den Tisch und lächelte.
„Wie schön, ihr habt euch schon gefunden.“
Alcyone warf ihrem Bruder einen scharfen Blick zu und setzte sich auf das Sofa. Sirius dagegen setze sich auf den abgenutzten Sessel neben dem Kamin, um so Sicherheitsabstand zu Alcyone zu halten.
Alcyone beobachtete, wie Remus den brühend heißen Tee zuerst in den Becher goß und ihr reichte. Alcyone nahm ihn dankbar an.
Als sie den ersten Schluck nahm breitete sich die Wärme in ihrem inneren sofort aus. Sie spürte, wie die wohlige Wärme vom Magen aus den Weg bis in jeden Äußersten Winkel ihres Körpers strömte. Der Tee wirkte Wunder und Alcyone vermutete, daß Remus wieder einmal irgend etwas hineingetan hatte. Sie war ihm diesmal sehr dankbar dafür. Mit jedem Schluck kehrte sowohl ihre Kraft, als auch ihre eigene Körpertemperatur immer mehr zurück.
Nachdem sie den Becher vollends ausgetrunken hatte, stellte sie ihn auf den Tisch.
Remus hatte sich inzwischen neben ihr auf das Sofa gesetzt und saß somit zwischen ihr und Sirius.
„Was führt Dich eigentlich zu uns?“ fragte Remus sie.
Alcyone blickte ihren Bruder an und nickte gleichzeitig abschätzend in Sirius Richtung.
„Sein Brief!“
„Ach ja?“ sagte Remus überrascht. „Ich war überzeugt davon, daß Du darauf nicht reagieren würdest.“
„Im Prinzip war es nicht nur sein Brief alleine. Auch drei sehr neugierige Schüler haben etwas damit zu tun.“
„Hermine Granger, Ron Weasley und Harry Potter!“ sagte Remus automatisch.
Weasley. Genau. Jetzt hatte es Alcyone. Was konnte er auch sonst sein. Er war Arthur Weasleys Sohn und der Bruder von Charly und Bill. Sie kannte Arthur Weasley vom Ministerium her sehr flüchtig und Bill und Charly waren einige Klassen unter ihr gewesen, aber sie konnte sich noch gut an sie erinnern. Natürlich. Warum war ihr das nicht gleich eingefallen. Wenigstens war diese Frage nun beantwortet.
„Genau die“, sagte Alcyone. „Die drei und Sirius Brief haben mich dazu gebracht die Strapaze hierher zu kommen auf mich zu nehmen.“
„Inwiefern?“ fragte Remus.
Alcyone erzählte ihrem Bruder (und natürlich auch Sirius, den sie aber mit Absicht nicht ansah) wie Harry, Ron und Hermine sie besucht hatten und was sie ihr erzählt hatten.
„Und deswegen bin ich hier. Weil ich zuerst mit Euch reden will, bevor ich auch überhaupt daran denke, mit Snape zu sprechen. Außerdem ist es wirklich an der Zeit, daß Du erfährst, was damals ist. Und ich sollte mich mit Sirius aussprechen.“ Den letzten Teil auszusprechen hatte sie viel Überwindung gekostet. Aber sie mußte es tun. Und tief in ihrem Inneren wollte sie es auch.
Remus lehnte sich zurück und blickte seine Schwester aufmunternd an. „Laß Dir Zeit, solange Du willst. Und wenn es nicht mehr geht, dann höre auf.“
Remus wußte, daß es Alcyone nicht leicht fallen würde, über diese schmerzliche Vergangenheit zu sprechen. Alcyone war dankbar dafür, daß sie so einen verständnisvollen Bruder hatte. Sie war auch dankbar dafür, daß Sirius sich bisher auch zurückgehalten hatte.
Sie bat ihren Bruder zuerst noch um Tee, nahm einen Schluck und umklammerte die Tasse fest.
Jetzt wagte sie es, Sirius anzuschauen, der völlig regungslos im Sessel saß und einen ziemlich ruhigen und gefaßten Eindruck machte.
Dann blickte sie wieder zu Remus und als sie seinen verständnisvollen und aufmunternden Blick einige Sekunden auf sich einwirken hatte lassen, begann sie zu erzählen.
Sie erzählte die ganze Geschichte, die sich damals an dem Platz am See abgespielt hatte. Sie ließ kein Detail aus und hörte erst an der Stelle auf, wo sie Severus angeschrien hatte, daß sie ihn nie wieder sehen wollte. Es war eine Qual für Alcyone, weil sie im Geiste noch mal alles durchmachen mußte und sie mußte sich zwingen, das ganze sachlich und nicht emotional zu erzählen, was sich als äußerst Schwierig gestaltete.
Es herrschte eine bedrückende Stille nachdem Alcyone aufgehört hatte zu erzählen, und die erst durch Sirius gebrochen wurde.
„Ich hätte nie geglaubt, daß mir das einmal über die Lippen kommen würde.“ Er holte tief Luft. Dann sprach er, nicht ohne gewisse Abschätzung folgenden Satz aus. „In gewisser Weise tut mir Severus leid.“
„Was?“ sagte Alcyone ungläubig. „Hast Du mir etwa nicht genau zugehört?“
„Doch“, sagte Sirius.
„Wie kommst Du denn dann darauf, daß Snape einem leid tun könnte. Er hat mir einfach unglaubliche Dinge unterstellt“. sagte Alcyone brüskiert.
Remus legte seiner Schwester eine Hand auf ihren Arm.
„Sirius hat schon Recht mit dem was er sagt.“ sagte Remus sanft.
Alcyone sah ihn zugleich fragend und verständnislos an.
„Denk doch mal darüber nach. Warum ist Severus überhaupt auf die Idee gekommen, Dir das alles zu unterstellen.“
Alcyone schwieg.
„Weil er, Deiner Erzählung nach, Gerüchte gehört hatte. Und mal ehrlich Al, sie hätten gut wahr sein können. Und Du weist auch warum!“
Alcyone schwieg weiterhin. Sie war nicht in der Lage, etwas zu sagen und ihr rationaler Verstand hatte sich abgeschaltet.
„Weil keiner die Wahrheit kannte. Hast Du Dir jemals Gedanken darüber gemacht? Für uns war es selbstverständlich. Für mich, für Dich, für Sirius, für James und für Peter. Wir wußten die Wahrheit. Aber alle anderen nicht. Keiner von uns hatte jemals darüber auch nur im Entferntesten nachgedacht, daß wir Beide sehr viel Zeit zusammen verbrachten und uns z.B. manchmal sehr vertraut umarmt hatten. Für uns war das als Geschwister etwas ganz normales. Aber die anderen mußten früher oder später irgend etwas vermuten, egal wie falsch es war.“
Alcyone dachte über Remus Worte nach. Er hatte Recht. Sie hatte sich nie Gedanken gemacht, was andere darüber denken könnten. Es war genau so, wie ihr Bruder es gesagt hatte. Das ihr das früher nicht bewußt war.
„Ich verstehe was Du meinst.“
„Das ist aber noch nicht alles.“ Remus klang jetzt etwas ernster.
„Du hast gesagt, daß Du zu Severus gesagt hast, daß Du glaubtest, ihr Beide würdet euch lieben und vertrauen und hast ihm vorgeworfen, daß er es nicht täte.“
Alcyone nickte schweigend.
„Ist Dir auch klar, daß er Dir das auch hätte vorwerfen können? Er hätte auch einen Grund gehabt, auch wenn er ihn nicht kannte.“ Remus machte eine kurze Pause und fuhr dann fort. „Vertrauen kann man einander nur, wenn man immer ehrlich ist. Und Du hast Severus etwas verschwiegen, Du hast ihm nicht die Wahrheit gesagt.“
„Du hast gesagt, ich solle vorsichtig sein und ihm das auf gar keinen Fall sagen.“ verteidigte sich Alcyone.
„Das ist schon richtig Al, aber es geht darum, daß er das Recht auf die Wahrheit gehabt hätte. Wir waren es damals, die Severus nicht vertraut haben. Wir haben lange gebraucht, bis uns klar wurde, wie er wirklich ist.“ Dabei warf er einen Blick zu Sirius.
„Ich weis ja nicht, wieviel Du weist“, sagte Sirius, „aber Severus war doch mal Anhänger von Voldemort“.
Alcyone schauderte, als Sirius diesen Namen aussprach. Dennoch war sie imstande zu nicken. Sie blickte ihn jetzt an, und es fiel ihr nicht einmal schwer.
„Wußtest Du auch, daß er Doppelagent für Dumbeldore war?“
Alcyone schüttelte den Kopf.
Remus lies einen undeutlichen, leisen Laut von sich. „Ich fang am Besten ganz von vorne an. Du kanntest ja die ganzen Gerüchte über Severus. Einige waren tatsächlich wahr. Er beherrschte tatsächlich mehr Flüche als die meisten Siebtklässler und er war tatsächlich einmal ein schlechter Mensch. Aber dann warst Du da. Du hast ihn zu einem guten Mensch gemacht.“
„Ich versteh nicht“. sagte Alcyone.
Sirius lächelte.
„Als Du nach Hogwarts kamst und der Hut Dich nach Gryffindor gesteckt hat, konnten wir, damit meine ich James und mich, das nicht ganz nachvollziehen. Du hattest alle Eigenschaften, die ein Huffelpuff hatte. Du warst nett, ruhig, gerecht und Hilfsbereit und etwas naiv. Als Remus uns dann erzählt hatte, daß Du seine Schwester bist, dachten wir, daß es daran liegt, daß der Hut Dich nach Gryffindor gesteckt hatte, weil Du eben Remus Schwester bist. Aber das stimmte nicht.“
Alcyone folgte aufmerksam Sirius Wirten, aber sie hatte keine Ahnung, was Sirius meinte. Sie sollte es jedoch gleich erfahren.
„Es war Severus. Durch ihn bist Du mutiger geworden. Verstehst Du? Ihr Beide habt euch ergänzt. Durch ihn hast Du Deine Naivität abgelegt . Du hast Dich von da an gewehrt und denk daran, wie Du mich angeschrien hast oder als Du am Slytherintisch warst und Dich gegenüber Malfoy behauptet hast. Das hättest Du Dich sonst nie getraut. Und im Gegenzug hattest Du Severus gezeigt, wie es ist, von jemand wirklich und wahrhaftig geliebt zu werden.“
„Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, ein Anhänger von Du-weist-schon-wem zu werden!“ sagte Alcyone.
Sirius nickte. „Du hast schon Recht. Aber betrachte doch die Umstände, die ihn dazu gebracht haben. Er hatte geglaubt, Du, die er so sehr geliebt hatte, hätte ihn in Wirklichkeit nur ausgenutzt. Das ist so ziemlich das Schlimmste, was einem passieren kann. Dadurch wurde er anfällig für die Dunkel Seite. Es schien als wäre er wieder komplett der alte Severus Snape gewesen.“
Sirius brauchte nicht zu erwähnen, daß Snape sich allen anderen, die nicht aus Slytherin waren, nie nett verhalten hatte, auch als er mit Alcyone noch zusammen war. Aber Alcyone wußte, wie Sirius es meinte. Er redete von Snapes Innerem.
„Wir glaubten sogar, daß es schlimmer war. Aber dem war nicht so. Severus hatte sich durch Dich geändert und kam deshalb zurück. Zurück auf die richtige Seite. Natürlich wußte keiner, warum er es wirklich tat. Wir wußten es damals auch nicht. Es hatte lange gedauert, bis es uns klar wurde. Und er tat etwas, was sich vermutlich keiner von uns getraut hätte. Er war als Spion für Dumbeldore tätig. Verstehst Du jetzt Alcyone?“
Alcyone nickte. Eine Träne lief ihr die Wange hinunter.
Die Beiden hatten ja so Recht, mit allem was sie sagten. Alcyone war damals einfach zu wütend und zu Jung gewesen um zu verstehen, was passiert war.
„Warum habt ihr mir das nicht schon früher gesagt?“ fragte sie.
„Wie denn? Zum einen wußten wir ja nicht, was damals genau vorgefallen war und zum anderen hättest Du mir eh nicht zugehört. Du weist doch selbst, wie Du bisher immer reagiert hattest, als ich Snape auch nur am Rande erwähnt hatte. Du mußtest von Dir aus den Anfang machen!“
Alcyone mußte sich eingestehen, daß Remus völlig Recht hatte. Heute hatte so ziemlich jeder Recht, nur sie nicht.
Sie stellte den Becher, den sie immer noch in der Hand hatte auf das Tablett und schaute ihren Bruder an. Er blickte ihr verständnisvoll in die Augen und drückte sie sanft an sich. Alcyone wußte, daß er ihr somit mitteilen wollte, daß er voll hinter ihr stand, egal, was sie jetzt in der Sache mit Severus Snape tun würde.
Alcyone lehnte sich fest an Remus und war froh, daß jemand da war, den sie über alles liebte, dem sie vollkommen vertraute und bei dem sie immer Trost fand.
„Alcyone“. Hörte sie plötzlich Sirius sagen.
Alcyone schaute zu ihm.
„Es gibt da noch etwas, was ich Dir sagen möchte.“
Alcyone nickte.
„Ich möchte, daß Du weist, warum ich das Snape damals angetan habe“.
Alcyone brauchte nicht zu fragen, von welcher Sache Sirius sprach. Sie wußte es genau.
„Ich habe Severus damals verachtet und überhaupt nicht leiden können. Aber da gab es noch eine Sache. Ich war neidisch auf Severus.“
„Neidisch?“ Alcyone blickte Sirius ungläubig an. „Wieso?“
„Du hast es nie gewußt, aber ich war damals in Dich verliebt gewesen. Vielleicht glaubte ich es auch nur zu sein. Ich weis es nicht mehr genau. Was ich definitiv weis, war, daß ich es einfach nicht ertragen konnte, daß jemand wie Severus Snape Dein Herz gewinnen konnte. Mein Haß auf ihn wurde deswegen immer größer, bis zu dem Tag, an dem dieses schreckliche Ereignis passiert ist. Es war pure Eifersucht und der Höhepunkt meines Hasses, der mich zu dieser Tat getrieben hatte. Ich weis, das es völlig falsch war. Verzeih mir bitte.“
Es klang ehrlich und Alcyone glaubte ihm. Sie hatte gespürt, wie schwer es Sirius gefallen war, ihr das zu gestehen. Sie konnte es auch in seinen Augen erkennen, und das, obwohl er gut einen Meter von ihr entfernt saß. Auch sah sie, daß er mit Tränen kämpfte. Das tat sie auch, doch im Gegensatz zu Sirius, wußte Alcyone bereits, daß sie diesen Kampf früher oder später verlieren würde.
Sie löste sich von Remus, erhob sich langsam vom Sofa und schritt auf Sirius zu.
Als sie ihn erreicht hatte, kniete sie sich vor ihn auf den Boden und legte ihre Hände auf seine, die er im Schoß gefaltet hatte.
Die Beiden blickten sich in die Augen.
„Natürlich verzeihe ich Dir. Und, ich möchte Dir danken.“
„Wofür?“ fragte Sirius.
„Das Du mir die Augen geöffnet hast!“ sagte Alcyone.
Sirius lächelte sie an. Es war ein Lächeln, das sie noch nie zuvor an ihm gesehen hatte und dieses Lächeln führte dazu, daß sie sich erhob und fest an Sirius drückte.
Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und verlor in diesem Moment ihren Kampf mit den Tränen. Es war, als wären all die Jahre, in denen Sirius ihr völlig gleichgültig gewesen war, mit dieser Umarmung verschwunden.
Alcyone spürte, wie Sirius seine Arme um ihren Rücken legte.
Es war bei weiten keine bequeme Position, in der sich Alcyone gerade befand, aber das störte sie nicht.
„Severus weis vermutlich gar nicht, was er an Dir hatte!“ flüsterte Sirius ihr ins Ohr.
Alcyone löste sich abrupt aus der Umarmung.
Severus. Sie hatte ganz vergessen, warum sie ursprünglich hier her gekommen war.
Sie mußte sofort zurück nach Hogwarts und mit Snape reden. Jetzt gab es allerdings noch einen anderen Grund, außer dem, der den Unterricht betraf. Sie mußte ihm alles sagen. Alles, was sie eben erst selbst realisiert hatte.
„Ich muß zu ihm“, schluchzte sie. Die Tränen rannen ihre Wangen hinunter.
„Das halte ich für keine gute Idee“, sagte Remus.
„Ich kann ihm da nur zustimmen“, pflichtete Sirius seinem Freund bei.
„Aber“, wollte Alcyone protestieren. Sie hielt aber selber im Satz inne, weil ihr klar wurde, auf was die Beiden ansprachen. Es war spät geworden und selbst wenn sie sich sofort auf den Weg nach Hogwarts machen würde, könnte sie deswegen nicht eher mit Severus sprechen. Sie würde viel zu müde sein und vermutlich würde sie es nicht einmal schaffen, bis nach Hogwarts zurückzufliegen.
„Du kannst heute Nacht hier schlafen“. sagte Remus.
„Und Morgen früh kannst Du dann ja apparieren“. Meinte Sirius.
„Ich kann nicht apparieren“, sagte Alcyone.
„Aber wie bist Du dann so spät hier her gekommen?“ fragte Sirius.
„Ob Du es glaubst oder nicht, Du bist nicht der einzige Animagus in diesem Raum“.
Alcyones Tränenfluß hatte sich inzwischen etwas vermindert und ehe Sirius etwas erwidern konnte, vollführte Alcyone ihm eine kleine Show vor, indem sie sich kurz in einen Vogel und schließlich wieder zurück verwandelte.
„Respekt“, sagte Sirius beeindruckt.
„Danke“, sagte Alcyone mit einem verlegenen Lächeln.
„Ich mach Dir einen Vorschlag“, bot Sirius ihr an. „Ich kann apparieren und Morgen früh werde ich mich mit Dir bis zur äußersten Grenze an Hogwarts apparieren und den Rest kannst Du ja fliegen oder zu Fuß gehen. Wie Du willst.“
„Das würdest Du tun?“ fragte Alcyone ungläubig und riß ihre Augen auf..
„Natürlich“.
„Danke“, sagte Alcyone mit einem strahlenden Gesicht. Das würde vieles einfacher machen. Sie würde nicht erledigt und halb erfroren sein, wenn sie wieder in Hogwarts war und es sparte Zeit. Sie wußte, daß Sirius das Apparieren gut beherrschte und sie ohne Schwierigkeiten mit in den Zauber einbeziehen konnte.
„Oh Leute“, sagte Remus plötzlich. „Mir fällt ein, wir haben da ein kleines Problem was die Bettenanzahl betrifft. Ich hab doch nur zwei.“
„Das ist kein Problem“, sagte Alcyone. „Ich schlaf auf dem Sofa“.
„Kommt nicht in Frage“, sagte Sirius. „Ich kann als Hund auf dem Boden schlafen.“
„Niemals“, entgegnete Alcyone.
„Moment“, unterbrach Remus die Beiden. „laßt mich doch erst einmal ausreden. Mein Bett ist groß genug, darin können auch zwei schlafen.“
Sirius grinste plötzlich heimtückisch. „Okay, dann würd ich sagen, daß Al und dich ich in Deinem Bett schlafen.“
„Treibs ja nicht zu weit“, fuhr in Alcyone an. „Nur weil ich Dir verziehen habe, brauchst Du nicht meinen, daß Du das jetzt schamlos ausnutzen kannst.“
„Leute, beruhigt euch“, sagte Remus sanft.
Alcyone blickte zuerst zu Remus, dann Sirius und fing plötzlich an zu lachen. Sirius fiel als sofort ein. Nur Remus tat es als einziger nicht.
„Ich schlaf bei Dir“, sagte Alcyone zu Remus, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte. „Das wird am einfachsten sein.“
Sie blickte zu Sirius, der inzwischen auch aufgestanden war und ziemlich müde aussah. „Sirius hat sich bestimmt schon im Gästezimmer ausgebreitet und es wäre ja nicht das erste Mal, daß wir Beide zusammen in einem Bett schlafen“.
Remus nickte. „Einverstanden. Aber ich muß Dich warnen meine Liebe, ich schnarche. Darüber hat sich Sirius schon des öfteren beschwert.“
Alcyone blickte zu Sirius, der eine Unschuldsmiene machte.
„Das stört mich nicht.“ sagte Alcyone wahrheitsgemäß. Sie war müde. Der Tag war anstrengend und lang gewesen. Sie würde gut schlafen, egal ob neben ihr ihr schnarchender Bruder lag oder sonst wer.
Remus nickte. „Gut, ich würde dann sagen, daß wir jetzt alle ins Bett gehen, das war ein langer Abend.“
Alcyone und Sirius nickten Beide zustimmend.
Alcyone half Remus den Tee aufzuräumen, während Sirius im Wohnzimmer alle Lichter löschte. Dann wünschten sie sich alle eine Gute Nacht und zehn Minuten später lag Alcyone neben ihrem Bruder im Bett und war bereits eingeschlafen.