Alcyone - Teil 2 - Rückkehr nach Hogwarts

 

 

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Kapitel 5: Blicke und Pflanzen



Alcyone lief gut gelaunt zur großen Halle. Als sie am Gryffindor Portraitloch vorbeikam, sah sie, wie gerade ein paar Schüler heraus kletterten und sie konnte einen kurzen Blick ins innere erhaschen. Was sie sah, war sehr wenig fast nichts, aber was sie sah, sah aus wie der Gemeinschaftsraum den sie kannte. 

Alcyone stieß einen kurzen, glücklichen unbemerkten Seufzer aus. 

Die Schüler, die aus dem Portraitloch gekommen waren(Alcyone vermutete Erstkläßler) schenkten ihr einen freundliches „Guten Morgen“, daß sie erwiderte, und liefen dann wie sie zum Frühstück. Alcyone, die langsamer lief, verlor die ihr bisher unbekannten Schüler schnell aus den Augen und war irgendwann alleine im Gang. 

Es war erst das zweite Mal, daß sie das Frühstück in der Hall mit den anderen einnahm, aber diesmal machte sie nicht den Fehler, zu den Schülertischen zu gehen, sondern steuerte gleich ihren Platz neben Hagrid (Hagrid hatte ihr gesagt, wer würde ihr den Platz neben sich frei halten)an. Da geschah es. 

Ihr Blick traf seinen. Sie war so überrascht darüber, ihn zu sehen, weil sie vor lauter Freude vergessen hatte, daß er hier unterrichtete, daß sie automatisch einen Schritt zurückwich, ihn aber dabei nicht aus den Augen lies. 

Kein Meter von ihr entfernt saß er. 

Severus Snape. 

Er blickte direkt in ihre Augen und sie in seine. 

Sie war unfähig sich zu bewegen und ihm schien es genauso zu gehen. Beide starrten sich einfach nur an und bemerkten nicht was um sie herum geschah. 

Es mußte wohl seltsam aussehen. Da stand die Aushilfslehrerin Alcyone Hide mitten im Raum und war nicht in der Lage auch nur mit der Wimper zu zucken. 

Sie hatte ihn seit er Hogwarts verlassen hatte, nicht mehr gesehen und obwohl seit dem viele Jahre vergangen waren, in denen sich Beide sowohl äußerlich als auch innerlich verändert hatten, wußten Beide offensichtlich ganz genau, wer der andere war. Alcyone fand, das Severus sich in seinem Aussehen nicht sehr verändert hatte. Er war nur größer geworden (soweit sie da beurteilen konnte, da er saß) und älter. Er trug sein pechschwarzes Haar immer noch schulterlang, kürzer als ihres und seine immer noch bevorzugte Farbe bei der Kleiderwahl war ebenfalls schwarz. Diese eintönige Farbauswahl paßte zwar damals wie heute zu ihm, ließ aber seine von Natur aus bleiche Haut noch bleicher erscheinen, fast so, als wäre jede Temperatur aus ihm gewichen, was in gewisser Weise auch stimmte. Sein Augen waren einfach nur leer. Sie konnte darin gar nichts erkennen, wenngleich sie wußte, daß er in ihren Augen alles erkennen konnte. Alles, was sie in diesem Moment dachte und fühlte. 

Sie wünschte sich, von seinem Blick wegzukommen, schaffte es aber nicht. Es war, als wäre sie von seinem Blick gefangen und er von ihrem und diese Tatsache schien es unmöglich zu machen, daß einer den Blick vom anderen abwenden konnte und sie verdammt dazu wären, sich ewig anzuschauen. 

Alcyone verdankte letztendlich ihre Befreiung einer Schülerin, die sie versehentlich anrempelte. Alcyone wurde dabei natürlich unfreiwillig von ihrem jetzigen Standort geschoben und dabei wurde auch die unsichtbare Kraft, die ihren Blick auf dem von Severus Snape hielt, gebrochen. 

Die Schülerin murmelte eine Entschuldigung und verschwand sofort. Alcyone fand, sie hätte sich bei ihr bedanken sollen. 

Ohne Severus Snape einen weiteren Blick zu schenken (das wollte sie unter keinen Umständen riskieren) eilte sie schnell an ihren Platz und setze sich neben Hagrid. 

Natürlich hatte sie jetzt keinen Hunger mehr und ihre Laune, die noch vor wenigen Minuten auf dem absoluten Höhepunkt war, hatte etwas an Höhe verloren. 

Hagrid, der scheinbar nichts bemerkt hatte, reichte Alcyone den Korb mit dem Toast, aus dem Alcyone, nur um nicht aufzufallen, einen herausnahm. Sie tat keine Marmelade drauf, sondern aß ihn trocken, wofür sie allerdings sehr lange brauchte. Sie wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als schnellsten aus dieser Halle herauszukommen. 



Nach der ersten Unterrichtsstunde im Gewächshaus war Alcyone nicht mehr in der Lage zu sagen, wer ihre Schüler waren und was sie ihnen beigebracht hatte. Anhand der Gesichter, an die sie sich noch vage erinnern konnte, als die Klasse verschwunden war, konnte sie beruhigt sein. Sie schienen alle fröhlicher Natur gewesen zu sein. Einzig und alleine die Kälte hatte ihnen wohl zu schaffen gemacht, denn allesamt hatten rote Backen. 

Alcyone wollte einen Blick auf ihren Stundenplan werfen, um festzustellen, wer gerade da war, schaffte es aber nicht, in dem Augenblick schon die nächste Klasse eintraf. 

Alcyone, die sich inzwischen wieder völlig bei Sinnen war, fiel augenblicklich ein, welche Klasse dies war und was sie vorhatten. 

Die Schüler, die allesamt pünktlich eintrafen folgten ihr im Gewächshaus zwei ein, wo sich die fleischfressenden Pflanzen befanden. 

Als sich alle eingefunden hatten, fiel Alcyones Blick als erstes auf einen Schüler, der ziemlich weit vorne stand. Er sah aus wie James Potter. 

Das muß sein Sohn Harry sein, dachte sie. Sie erinnerte sich daran, daß Remus ihr erzählt hatte, daß er ebenfalls auf Hogwarts war. 

Sie blickte schnell woanders hin. Remus hatte ihr ebenfalls von den Leuten erzählt, die Harry immerzu anstarrten. Das wollte Alcyone keinesfalls tun, wenngleich sie ihn gerne aus einem anderen Grund angesehen hätte. Sie hatte seine Eltern gekannt. James und Lily. Aber Harry hatte sie nie zu Gesicht bekommen. Die Potters hatten sie sowohl zur Hochzeit als auch zu Harry Taufe eingeladen. Aber sie war bei keinem der Beiden Festivitäten anwesend gewesen. Sie konnte es damals nicht. Wegen Sirius Black. Ihre Wut auf ihn, war damals auf einem Höhepunkt gewesen (inzwischen war er ihr völlig gleichgültig, und sie wollte James und Lily nicht ihre Freudentage verderben, wenn sie mit einen totalen miesen Laune und Wut auf James Trauzeugen und Harrys Paten aufgetaucht wäre. Die Potters bedauerten das natürlich sehr und hatten ihr sowohl Fotos von der Hochzeit als auch von Harry als Baby zukommen lassen. Sie hätte sie auch gerne mal besucht, aber die Tatsache, daß James und Lily sich vor Du-weist-schon-wer versteckt hielten und ihr der Aufenthaltsort nicht bekannt war, erschwerten das natürlich. 

Sie war auch sehr bestürzt über den Tod der Potters gewesen. Daß Harry überlebt hatte, war ein kleiner Trost gewesen und sie hatte damals geahnt, daß er zu Lilys Schwester kommen würde. Dafür hatte ihr der Junge, den sie nicht kannte, äußerst Leid getan. Sie hätte ihn auch zu sich genommen (was natürlich nicht ging), nur um zu verhindern, daß er zur Schwester von Lily kam, weil sie wußte, was für einen schreckliche Person Lilys Schwester war. Lily hatte ihr einmal von ihr erzählt und Alcyone hatte nicht glauben könne, daß es solche Leute auf der Welt gab. 

Alcyones Blick wanderte zu dem rothaarigen Jungen neben Harry. Er kam ihr auch bekannt vor. Sie glaubte, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben, oder sah er nur jemand ähnlich, den sie kannte? 

„Willkommen“, sagte sie und stellte sich erst einmal. „Mein Name ist Alcyone Hide und ich bin die Vertretung für Professor Sprout. Für alle, die sich Sorgen um sie machen - ich nehme an, jeder hier – es geht ihr besser. Zuerst möchte ich Sie alle darauf hinweisen, mich bitte nicht mit Professor anzusprechen, denn ich bin keiner.“ 

Ein paar Schüler lachten. 

„Das heißt aber nicht“, fuhr Al fort, „daß ich keine Ahnung davon habe, wie ich Euch zu unterrichten habe.“ 

Ein paar Schüler schauten sich gegenseitig fragend an, was Alcyone nicht entging. 

„Allen, die immer noch Zweifel haben, ob ich eine fähige Vertretung bin, werde ich jetzt das Gegenteil beweisen.“ 

Sie lächelte in die Runde. 

Ein paar lächelten ihr zurück, unter Ihnen auch Harry. 

„Ich habe mir gedacht, daß ich mit Euch heute fleischfressende Pflanzen füttern werde“ 

Ein paar Schüler, vor allem Mädchen blickten sie besorgt, teilweise sogar ängstlich an. 

„Keine Sorge,“ beruhigte Alcyone. „Es sind noch ganz kleine Pflanzen. Sie können noch keinen großen Schaden anrichten, außer vielleicht ein paar Kratzer und Schnittwunden, wenn ihr nicht vorsichtig seid.“ 

„Nichts, was nicht sofort behandelt werden könnte.“ fügte sie noch schnell hinzu. 

Die Klasse folgte ihr weiter nach hinten ins Gewächshaus, wo die fleischfressenden Pflanzen eine ganze Abteilung für sich hatten. Hier war es auch etwas wärmer, was daran lag, daß Alcyone eine Heizung herbeigezaubert hatte, um die Luft für die Pflanzen, die hier keinen Winterschlaf hielten, etwas wärmer zu machen. 

Ganz am anderen Ende standen sie. Zehn fleischfressende Pflanzen mit jeweils einer Blüte, die einem scharfzähnigen Mund ähnelte, allesamt fast noch Sprößlinge. 

Alcyone entging nicht, wie ihre Klasse die Pflanzen von der Ferne mißtrauisch beäugten. 

„Anhand ihrer Farbe der Blüte könnt ihr erkennen, wie hungrig Sie sind. Kann mir das vielleicht einer von Euch erläutern?“ 

Eine Hand schoß sofort in die Höhe. Es war ein Mädchen, daß direkt neben dem rothaarigen Jungen stand und Alcyone bemerkte außerdem, wie weiter hinten jemand von Gryffindor stand, dessen Gesichtsausdruck zwar Wissen verriet, aber ebenfalls große Schüchternheit und Angst zu versagen. 

Die übliche Option wäre jetzt gewesen, daß Mädchen, daß ihre Hand sofort gehoben hatte, zu nehmen, aber das tat Alcyone nicht. 

„Gut, da hinten in der Ecke. Wie ist Ihr Name?“ fragte sie mit sanfter Stimme. 

Der Junge hob seinen Kopf und wurde rot. 

„Neville Longbottom, Miß.“ sagte er schüchtern. 

„Mr Longbottom“, bestätigte Alcyone. „Sie können meine Frage sicher beantworten.“ 

Sie lächelte Neville Longbottom freundlich und unterstützend an. 

„Wenn - wenn die Blüte hellrot, fast orange, ist, hat - hat die Pflanze Hunger und wenn sie dunkelrot ist, ist sie – ist sie - satt.“ stammelte er. 

Alcyone nickte. „Sehr gut, Mr Longbottom. Ich würde sagen, zehn Punkte für Gryffindor.“ 

Neville Longbottom blickte hochrot zu Boden. 

Alcyone vermutete, daß er nicht sehr oft Punkte für sein Haus holte. 

„Ja. Wie ihr sehen könnt, haben alle Blüten einen sehr hellroten Farbton. Ich werde euch jetzt einmal zeigen, wie sie korrekt gefüttert werden können, ohne daß man selbst verletzt wird. Schaut Bitte alle ganz genau zu. 

Alcyone beugte sich zum Boden und holte ein Glas mit Deckel herauf, daß sie unter einem Tisch verstaut hatte. Darin befanden sich sehr viele tote Fliegen. 

Alcyone stand ebenfalls im sicheren Abstand zu den Pflanzen, nicht ohne Grund. 

„Junge fleischfressende Pflanzen sind genauso wie die älteren nicht sehr anspruchsvoll, was Nahrung angeht. Sie beißen bei allem zu, was auch nur in ihre Nähe kommt. Ich möchte euch deshalb bitten, äußerst vorsichtig zu sein, wenn ihr den Pflanzen die Fliegen gibt.“ 

Alcyone öffnete den Deckel und holte eine tote Fliege heraus, trat einen Schritt näher an die Pflanzen und hob die tote Fliege an einem Flügel etwa einen Meter über eine der fleischfressenden Pflanzen hielt. Sofort begann die Pflanze, deren Blüte bisher regungslos dalag, sich zu bewegen. Sie schoß ein Stück in die Höhe, schaffte es aber nicht, die Fliege mit ihrer Blüte, die immer auf und zu klappte, zu erreichen. 

„Wie ihr seht, kann die fleischfressende Pflanze in einem bestimmten Umkreis Fleisch spüren. Weis jemand von euch wie?“ 

Die Schülerin, deren Hand vorhin schon bei Alcyones Frage in die Höhe geschossen war, hob diesmal wieder sofort ihre Hand. Alle anderen schauten Alcyone nur fragend an. Inklusive Neville Longbottom. 

Alcyone beschloß, sie diesmal dran zunehmen. „Ja, Miß?“ 

„Granger. Hermine Granger.“ 

„Miß Granger.“ Alcyone nickte. Bitte.“ 

Hermine Granger begann sofort einen Vortrag zu halten. „Alle fleischfressenden Pflanzen der magischen Sorte, wie Sie sich auch in diesem Gewächshaus befinden haben sowohl an ihrem Stiel, als auch an den äußeren Rändern der Blüte sogenannte Rezeptoren, die wie sehr kleine Bambußsprossen aussehen. Diese Rezeptoren sind sehr empfindlich und können alle Arten von Schwingungen in der Luft aufnehmen. Lebewesen verursachen andere Schwingungen in der Luft als zum Beispiel Wind oder einfach nur Blätter oder ähnliches. Dadurch kann die Pflanze unterscheiden, was sich nun in ihrem Direkten Umkreis befindet und beißt nicht gleich bei jeder Bewegung zu.“ 

Alcyone schaute Hermine Granger überrascht an. Dieses Mädchen schien wohl jedes Buch in der Bibliothek auswendig gelernt zu haben, so ausführlich, wie sie antwortete und Alcyone ahnte, daß sie in jedem Unterricht solche Antworten gab. 

„Sehr gut Miß Granger.“ Sagte Alcyone und gab ihr dafür wie Neville Longbottom zehn Punkte. 

Alcyone blickte zu der toten Fliege in ihrer Hand, die immer noch außer Reichweite der beißenden Blüte war. Dieser aber schien noch nicht müde geworden zu sein und versuchte immer wieder vergeblich die Fliege zu erreichen. Alcyone beobachte die Aktionen der Blüte ganz genau und lies in einem bedachten Augenblick die Fliege los, die direkt in die offene Blüte fiel. Daraufhin schloß sich die Blüte sofort und zog sich zurück an den Stiel, bis sie wieder unbewegt dalag. Kaum eine Sekunde später verwandelte sich das hellrot der Blüte in dunkelrotes. 

„Habt ihr das ganz genau gesehen?“ fragte Alcyone ihre Klasse. Wenige waren imstande zu nicken. 

„Die Pflanze wurde nur deswegen von einer Fliege satt, weil sich noch klein ist. Größere brauchen mehr Nahrung.“ Sie warf einen Blick in die Runde und fuhr fort. Wie euch sicherlich aufgefallen ist, habe ich die Bewegungen der Blüte ganz genau beobachtet. Warum?“ 

Wieder schoß Hermine Grangers Hand in die Höhe. Ein Huffelpuff hob ebenfalls seine Hand, wenngleich auch etwas langsamer. Alcyone nahm ihn dran. 

„Weil Sie nach einer gewissen Zeit ein System in ihrem Angriff hat. Sie wiederholt ihre Bewegungen schließlich und Sie genau wußten, wann Sie ihre Blüte öffnet, zum Angriff und wohin..“ 

„Genau. Zehn Punkte für Sie. Das funktioniert aber nur bedingt. Diese Art der Fütterung ist nur bei toten Tieren anzuwenden. Wenn ich eine lebende Fliege genommen hätte, die in meinen Griff gezappelt hätte, wäre das vermutlich auch noch gegangen, aber es wäre äußerst schwierig gewesen, die Angriffe der Pflanze vorherzusehen. Auch geht dies nur bei jungen Pflanzen. Wenn sie älter werden reichen ihre Angriffe in ihrem gesamten Umkreis, in dem sie die Schwingungen wahrnehmen, aus. In dem Fall wäre meine Hand jetzt Vergangenheit.“ 

Sie lächelte gequält, weil sie an den jungen Auszubildenden denken mußte. 

Jetzt war es jedoch an der Zeit für die praktischen Übungen und bevor sie beginnen konnte belehrte sie ihre Schüler noch mit ernster Stimme. „Sie werden heute nur lernen, die Pflanzen so zu füttern, wie ich es getan habe. Wenn Sie sich gut anstellen, gehen wir in der nächsten Stunde einen Schritt weiter. Ich möchte, daß Sie nacheinander vorkommen und jeder von Ihnen eine Pflanze füttert. Falls Ihnen es nicht gelingen sollte und die Fliege nicht in die Blüte, sondern irgendwo anders im Umkreis der Pflanzen landen sollte, versuchen Sie bitte unter keinen Umständen sie herauszuholen. Sonst könnte die Pflanze zubeißen. Verstanden?“ 

Ein einheitliches Nicken. 

Alcyone nahm das Glas mit den toten Fliegen in die Hand. „Jetzt brauchen wir nur noch jemand der anfängt. Meldet sich jemand freiwillig?“ 

Die Klasse sah Alcyone schweigend an. Offensichtlich traute sich keiner. 

Alcyone war gerade im Begriff einen Freiwilligen zu bestimmen, als Neville Longbottom schüchtern die Hand hob. „Ich werde es tun.“ sagte er leise. 

Alcyone schenkte ihm ein freudiges Lächeln. 

„Sehr gut Mr Longbottom. Kommen Sie bitte vorne.“ 

Neville Longbottom trottete langsam nach vorn und blieb neben ihr stehen. Sein Gesicht war rot vor Aufregung. Fast so, als hätte er sich gerade eben zum ersten Mal freiwillig gemeldet. 

Alcyone hob ihm das Glas hin und bat ihn, eine Fliege herauszunehmen. 

„Fassen Sie sie am besten an den Flügeln an. Das ist am einfachsten.“ riet sie, während er versuchte, eine der Fliegen herauszuholen, was sich für ihn schwierig gestaltete. Er war so sehr nervös, daß seine Hand zitterte. 

Schließlich hatte er es doch geschafft und hielt die Fliege in seinem ausgestreckten Arm. 

„Jetzt heben Sie den Arm hoch und über eine der Pflanzen.“ 

„Wie hoch?“ fragte er sie. 

„Schauen Sie sich einmal den Stiel ihrer gewählten Pflanze an. Was glauben Sie, wie weit würde er gestreckt reichen? Zeigen Sie es mir mit ihrer Hand.“ 

Neville Longbottom schaute die Pflanzen ganz genau an, natürlich aus sicherer Entfernung, und hob dann seine Hand, in der er nicht die Fliege hielt, ein Stück. „Ich würde sagen, soviel vom Tisch ausgesehen.“ 

„Gut Mr Longbottom. Und jetzt heben Sie ihre Hand über die Pflanze, in dem Abstand, den sie gerade festgestellt haben und nehmen noch ein bißchen hinzu, so daß sie sich noch außerhalb der Reichweite befinden.“ 

Neville Longbottom schob zitternd seine Hand über eine Pflanze und zwar so hoch, wie sein Arm reichte. Die Pflanze rührte sich nicht von der Stelle. 

Alcyone beobachtete ihn ganz genau, so daß sie beim kleinsten Fehler eingreifen könnte. 

„Wie sie sicher alle sehen können, ist Mr Longbottom so auf der sicheren Seite. Auf diese Art können sie sich der Pflanze nähern.“ 

Sie blickte Neville Longbottom an. 

„Nun senken Sie ihren Arm langsam. Sie werden erkennen, wenn Sie in den Rezeptorenbereich kommen.“ 

Neville Longbottom senkte seinen Arm langsam und zitternd. Alles blickte gespannt auf ihn. 

Er schien es gut zu machen und sah voll konzentriert aus. Als seine Hand mit der Fliege allerdings in den Rezeptorenbereich gelangte, fing die Blüte sofort an in die Höhe zu schnellen und nach der Fliege (und natürlich auch der Hand, die sie hielt) zu schnappen. Neville Longbottom erschrak dabei so sehr, daß er einen Schritt zurückwich und ihm dabei die Fliege aus der Hand fiel, haarscharf an der Blüte vorbeiflog und auf der Erde in dem Topf landete. 

Alcyone konnte ein Gekicher hören. 

Sie drehte such zu dem Rest der Klasse. “Wer war das?“ fragte sie scharf. 

Ein Mädchen weiter hinten hob entschuldigend die Hand. 

„Schön.“ sagte Alcyone an das Mädchen gerichtet. Sie sind die nächste.“ 

Dann blickte sie Neville Longbottom an, der neben ihr stand und bleich vor Schreck im Gesicht war. 

„Möchten Sie es nochmals probieren?“ fragte sie ihn mit einem Lächeln. 

Neville Longbottom schien nicht zu wissen, was er darauf antworten sollte. 

„Wen Sie sich nicht sicher sind, können Sie es sich bis zum Ende der Stunde überlegen.“ 

„Nein Miß.“ Sagte Neville Longbottom tapfer. „Ich möchte es gleich wieder probieren.“ 

Alcyone war froh über diese Reaktion und hielt ihm erneut das Glas mit den Fliegen hin. Neville Longbottom nahm sich wieder zitternd eine und tat daraufhin das gleiche wie vorhin. Als die Blüte wieder zu schnappen begann, erschrak Neville Longbottom zwar wieder, lies die Fliege aber nicht fallen. 

„Sehr gut Mr Longbottom. Und jetzt beobachten Sie die Blüte ganz genau. Lassen Sie sich ruhig Zeit. Und versuchen Sie, nicht zu zittern, das könnte die Flugbahn der Fliege beeinflussen.“ 

Neville nickte und tat wie ihm geheißen wurde. Er schien zwar immer noch zu zittern, aber es hielt sich in Grenzen. 

Es herrschte vollkommene Still im Gewächshaus. Alles starrte gespannt auf Neville Longbottom, wie er konzentriert auf die Angriffe der Blüte schaute. Dann, es waren vielleicht zehn oder auch zwanzig Sekunden verstrichen, lies er die Fliege fallen und sie flog tatsächlich in die Blüte, wenn auch ganz knapp. 

Neville Longbottom, der aufgehört hatte zu atmen, stieß einen erleichterten Seufzer aus, während seine Atmung wieder einsetzte und blickte dann Alcyone an. 

„Sehr gut Mr Longbottom.“ lobte sie ihn. „Und für Ihren Mut, als Erster hier vor zu kommen und es gleich wieder zu versuchen, gebe ich Ihnen fünf Punkte.“ 

Sie schenkt ihm ein zufriedenes Lächeln und erlaubte ihm, sich wieder zur Gruppe zu begeben. Ein paar seiner Freunde klopften ihm sofort auf die Schulte und beglückwünschten ihm zu seinem Mut. 

Alcyone ließ ihnen einen Augenblick, um Neville zu loben (sie glaubte immer mehr, daß er so etwas nicht oft tat) und forderte dann den nächsten auf, daß Mädchen, daß sich vorhin über Neville lustig gemacht hatte. 

Alcyone sollte eigentlich nicht schadenfroh sein, aber dennoch freute sich ein wenig darüber, daß es das Mädchen nicht gleich schaffte. Im Gegensatz zu Neville Longbottom erschrak sie zwar nicht, aber weil sie die Blüte nicht genug beobachtet hatte, flog die Fliege daneben. Sie schaffte es dann ebenfalls beim zweiten Versuch. 

Alcyone war mit allen zufrieden. Jeder schaffte es, spätestens beim dritten Versuch. Nur einmal mußte sich eingreifen, als eine Schülerin von Gryffindor ihre Fliege neben die Pflanze warf und sie wieder holen wollte. Alcyone hatte ihren Arm schnell gepackt und rechtzeitig weggezogen, bevor sie gebissen werden konnte. Sonst gab es keine weiteren Zwischenfälle. 

Sie war wieder richtig glücklich und hatte den Zwischenfall vom Morgen schon wieder vergessen. Sie war so sehr mit ihrer Klasse beschäftigt, daß ihr der ganz in schwarz gekleidete Mann, der draußen vor dem Gewächshaus stand und sie beobachtete, nicht auffiel. 

Als Harry an der Reihe gewesen war, hatte sie ihn behandelt, wie jeder andere auch. Sie starrte ihn nicht an und machte keinerlei Kommentare und starrte ihn auch nicht an. Auch er schaffte es erst beim zweiten Versuch. 

Hermine Granger war die einzige, der es gleich beim ersten Versuch gelang. Sie hatte die Fliege genommen und ohne weitere Hilfe von Alcyone die Pflanze fast professionell gefüttert. Alcyone lobte ihre Vorführung, gab ihr aber keine Punkte. 

Nachdem alle vorne waren, gab es nur noch dunkelrote Blüten. Alle Pflanzen waren versorgt. 

„Sehr gut. Ich bin euch äußerst zufrieden“, lobte sie alle. „Das heißt, das nächste Mal gehen wir einen Schritt weiter. Was das heißt verrate ich euch noch nicht.“ tat sie geheimnisvoll. „Damit seid ihr für heute entlassen.“ Schloß sie den Unterricht. 

Daraufhin liefen die Schüler allesamt aus dem Gewächshaus. Alcyone konnte einige Gesprächsfetzen aufnehmen, wie „toller Unterricht“, „Keine Hausaufgaben?“ oder auch „ich hatte Respekt vor der Pflanze“. Einige verabschiedeten sich sogar, was Alcyone sehr freute. 

Sie blickte den Schülern noch kurz nach, und nachdem alle draußen waren, machte sich daran, alles aufzuräumen und für den nächsten Unterricht vorzubereiten. Es war zwar jetzt Mittagspause, aber Alcyone wollte das noch vorher erledigen, damit sie in Ruhe essen könnte. 

Sie war gerade dabei, den Deckel auf das Glas, indem sich noch genau fünf Fliegen befanden, drauf zu schrauben, als eine kalte Stimme sie erschrecken lies. 

„Alcyone.“ 

Vor Schreck lies Alcyone das Glas fallen und es zerschellte klirrend am Boden in tausend kleine Teile. 

Alcyone blickte den Scherbenhaufen auf dem Boden an. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Doch im Gegensatz zu dem, von dem sie glaubte, daß er sich hinter ihr befand, war dieses zerbrochene Glas rein gar nichts. Sie hoffte, daß ihr Gehör ihr einen Streich gespielt hatte und er es nicht war, sondern jemand anderes. Hagrid oder Dumbeldore, aber nicht er. 

Alcyone traute sich kaum umzudrehen. Sie hätte sich jetzt viel lieber um das kaputte Glas gekümmert, aber so gerne sie es getan hätte, es war nicht möglich. Eine unsichtbare Hand zwang sie dazu, sich umzudrehen. 

Er war es wirklich. Etwa zwei Meter vor ihr stand in seiner voller Größe Severus Snape. Er war immer noch völlig in schwarz gekleidet. Sie musterte ihn ganz kurz, oberflächlich und abschätzig. Sie stellte fest, daß sich in seinem Gesicht nichts regte, soweit sie das erkennen konnte, denn sie vermied es strikt, ihm direkt in die Augen zu schauen und fixierte irgendeinen fiktiven Punkt rechts neben ihm. 

„Was willst Du?“ fragte sie barsch. 

„Mein Vorrat an Aconitum ist aufgebraucht. Ich wollte Dich fragen, ob Du mir welches geben kannst.“ Seine Stimme war immer noch kalt und völlig emotionslos. 

„Guter Versuch, Severus. Aber selbst ich weis, daß Du Dir das selber besorgen könntest. Also. Was willst Du wirklich?“ Ihrer Stimme war jegliche Freundlichkeit entwischen, die sie besaß. 

Immer noch schaute sie an Severus Snape vorbei und hatte keinerlei Ahnung, ob dieser sie anschaute und wenn, wie. Es war ihr auch egal. Sie wollte nur, daß er sofort wieder verschwand. 

„Mit Dir reden.“ Es klang ehrlich. 

Damit hatte Alcyone nicht gerechnet. Ihr starkes Bemühen, an Snape vorbeizusehen, mußte Alcyone an dieser Stelle aufgeben. Ihr Blick wanderte direkt zu seinen Augen Sie wußte nicht, was sie darin zu sehen erhofft hatte, aber es war der gleiche leere Blick, den er auch schon beim Frühstück hatte. Allerdings glaubte Alcyone, diesmal auch so etwas wie Trauer darin zu erkennen. Trauer in den Augen von Severus Snape? Wohl kaum, dachte sie sich. 

Aber was dachte sie überhaupt darüber nach? Das war pure Zweitverschwendung. 

„Ich will aber nicht mit Dir reden!“ herrschte sie ihn an. 

„Alcyone bitte“, sagte Severus und trat einen Schritt näher an sie heran. 

„Bleib wo Du bist Severus.“ Alcyone streckte ihren linken Arm vor um ihm zusätzlich klar zu machen, daß er stehenzubleiben hatte. 

Snape blieb stehen und schaute sie mit seinen regungslosen Augen an. 

„Alcy.“ sagte Snape. Daß seine Stimme dabei sanft klang, bemerkte Alcyone nicht. Es tat ihr nur weh, daß er sie so nannte. 

„Nenn mich nicht Alcy!“ schrie sie ihn an. „Das Privileg mich so zu nennen hast Du schon vor Jahren verloren.“ 

Sie wußte nicht, ob es Wut, Verzweiflung, Enttäuschung oder einfach nur Haß war (vielleicht auch alles zusammen?!), was sie gerade im Moment für Severus Snape empfand. Was er ihr damals angetan hatte, konnte sie ihm nicht verzeihen. Es war unmöglich. 

Alcyones Arme, die inzwischen zu Beiden Seiten schlaff herunter hingen, fingen an zu zittern. Sie ballte die Hände zu Fäusten und war kurz davor auszurasten. 

Sie versuchte tief einzuatmen, um so etwas ruhiger zu werden und ihre angestauten Aggressionen abzubauen. Es war ein enormer geistiger Kraftaufwand. 

Als sie glaubte, ihre Beherrschung wieder gefunden zu haben, handelte sie, bevor dieser Zustand wieder zu verschwinden drohte. 

„Geh bitte.“ sagte sie ruhig. 

Snape rührte sich nicht. 

„Geh bitte.“ sagte Alcyone, diesmal nicht mehr ruhig, sondern bestimmt. 

Snape bewegte sich keinen Millimeter. 

„Du sollst endlich gehen!“ Diesmal war ihre Stimme ziemlich schroff und Alcyone mußte mit den Tränen kämpfen, die sich langsam in ihren Augen bildeten. Noch war sie in Führung und lies den Tränen keine Chance, ihre Augen zu verlassen. Das letzte, was sie wollte, war vor Severus Snape zu weinen. 

„Nein das tue ich nicht!“ sagte Snape bestimmt. „Nicht bevor wir geredet haben.“ 

Alcyone schüttelte heftig den Kopf. „Wenn Du mit über damals reden willst kannst Du es vergessen. Denn darüber gibt es nichts mehr zu bereden.“ 

Ihr Kampf gegen die aufkommenden Tränen wurde immer heftiger. Lange würde sie sie nicht mehr unterdrücken können. 

„Hör mir gut zu Severus“ sagte sie und versuchte dabei so ruhig wie möglich zu bleiben. „Was damals passiert ist, ist passiert. Du hast mir furchtbar weh getan. Das kann ich Dir einfach nicht verzeihen.“ 

Sie schloß kurz die Augen und öffnete sie wieder, in der Hoffnung, daß sie dadurch den auszubrechen drohenden Tränenfluß noch ein wenig zu verzögern. 

„Ich würd sagen, wir Beide versuchen uns während meiner Zeit hier am Besten aus dem Weg zu gehen. Und wenn wir uns dennoch mal begegnen sollten, verhalten wir uns wie Erwachsene und bringen uns den nötigen Respekt, schließlich sind wir im Moment Kollegen. Das heißt aber nicht, daß Du Dir etwas drauf einbilden kannst, wenn ich Dich grüße. Ich tue das dann nur, um nicht aufzufallen. Und jetzt geh bitte.“ 

Snape stand immer noch an der selben Stelle und machte keinerlei Anstalten sich zu bewegen. 

„Gut“, sagte Alcyone. Sie mußte sich jetzt schon sehr beherrschen, denn sie wußte, daß sie jeden Moment einen Tränenausbruch haben würde. „Wenn Du nicht gehst, gehe ich.“ 

Am liebsten wäre Alcyone hinaus gerannt, aber sie wollte so wenig wie möglich Emotionen der Schwäche vor Severus Snape zeigen und lief ganz langsam und so ruhig sie konnte an ihm vorbei. Das Unglück mit dem Glas war ihr egal, aber sie hatte es eh längst vergessen. Das einzig Wichtige in diesem Moment war für sie, aus dem Gewächshaus zu kommen und dann so schnell und so weit wie möglich aus Snapes Reichweite zu kommen. 

Der Weg zum Ende des Gewächshauses schien nicht aufzuhören. Sie hatte das Gefühl, als würde sie ihn in diesem Leben nicht mehr erreichen. 

Als sie das Ende letztendlich doch noch erreicht und das Gewächshaus verlassen hatte, dachte sie nicht daran, sich noch nach Snape umzudrehen, ob er ihr nachschauen oder vielleicht sogar folgen würde. Sie schlug dir Tür heftig zu (es war ihr völlig egal, ob das Glas brechen würde oder nicht) und begann zu rennen. Ihre Tränen liefen ihr jetzt in Strömen die Wange hinunter und sie hob die Hände vors Gesicht, damit niemand, dem sie zufällig begegnen sollte, es sehen konnte. Allerdings war es gar nicht erst zu übersehen. Ihre Tränen waren so stark und ihr Schluchzen war sehr laut. 

Alcyone rannte so schnell sie konnte. Sie wollte so schnell wie möglich irgendwo anderes hin, nur weg von diesen Gewächshäusern. Sie übersah sogar die drei Gestalten neben ihr, die sie beinahe umgerannt hätte. 

Kapitel 4 

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