Kapitel 1
Neville Longbottom starrte auf die Spinnenbeine auf seinem Tisch. Wann sollte er die Spinnenbeine in seinen Zaubertrank geben? Wie viele Spinnenbeine sollte er in seinen Zaubertrank geben? Sollte er überhaupt Spinnenbeine in seinen Trank geben?
Neville konnte sich nicht mehr erinnern. Neville neigte grundsätzlich dazu, die meisten wichtigen Dinge zu vergessen und wenn er sich fürchtete, wurde es nur noch schlimmer.
Im Moment war Neville aber nicht einfach nur verängstigt, er war starr vor Entsetzen. Das war er in der Zaubertrankstunde immer. Er hatte Angst davor, einen Fehler zu machen und in Zaubertränke durchzufallen. Er hatte Angst davor, was mit ihm geschehen würde, wenn wieder einer seiner Tränke explodierte (beim letzten mal war er gegen einen anderen Tisch gestoßen worden und hatte sich beinahe den Arm gebrochen) Er fürchtete sich vor den Slytherins in der Klasse. (Dieses Jahr war es sogar noch schlimmer als in den letzten vier Jahren: Diesmal hatte die Gryffindors sogar Verwandlungen zusammen mit den Slytherins!) Aber am meisten ängstigte Neville Professor Snape.
Oh was, wenn Snape ihn wieder bei einem Fehler erwischte? Welch schreckliche Dinge würde Snape sagen oder tun? Neville erzitterte bei dem Gedanken.
Spinnenbeine jetzt, später oder gar nicht? Nun, wenn sie auf seinem Tisch lagen, dann mussten sie wohl Zutaten für den Zaubertrank sein, entschied er.
Also, jetzt oder später? Nun, irgendwann würde er sie beimengen müssen. Also genauso gut jetzt! Wahrscheinlich war es ohnehin egal, wann er es tat.
Aber wie viele musste er verwenden? Er beschloss, sie alle zu nehmen. Sein Zaubertrank würde ohnehin nicht funktionieren. Das hatte noch nie einer seiner Tränke getan.
„Gott, bitte lass ihn nicht explodieren!“ dachte er, nahm all seinen Mut zusammen und warf die Spinnenbeine in die blubbernde, grüne Flüssigkeit in seinem Kessel.
Da! War es richtig gewesen? Oder hätte er sie vielleicht schneiden müssen?
Neville starrte in seinen Kessel, als wollte er den Trank darin hypnotisieren. `Bitte, bitte nicht explodieren! Mach irgendwas, aber explodiere nicht!´
Und Nevilles Zaubertrank gehorchte. Langsam wurde er blass und klar wie Wasser.
Sollte das passieren? Neville warf einen flüchtigen Blick in den Raum. Die Tränke der anderen waren alle grün. Oh nein! Snape kam mit funkelnden Augen auf ihn zu.
Nevilles Knie wurden weich und seine Beine zitterten unkontrolliert. Er packte das Pult wie zum Beistand.
„Sag, Longbottom!“ schnarrte Snape “Was ist das für eine Farbe?“
´Bitte, hilft mir jemand!´ kreischten Nevilles Gedanken, als Professor Snape seinen Tisch erreichte. Und wieder gehorchte der Zaubertrank!
Ein kleiner weißer Strudel erschien im Kessel, wurde größer und größer.
Neville stolperte hastig zurück, als Snape in den Trank starrend näher kam.
„Was zum Henker hast du da gemacht, Longbottom? Ich habe noch nie einen Zaubertrank so etwas machen sehen!“
„I...I...Ich w..w..weiß n...n..nicht, Sir“, brachte Neville mit kaum hörbarem Flüstern heraus.
Jeder starrte den Zaubertrank an. Ein großer Strudel aus milchig weißem Zaubertrank füllte den ganzen Kessel. Lautes Blubbern und Zischen war zu hören.
Einige der anderen Schüler begannen sich zurückzuziehen, in der Erwartung, dass eine neue Explosion á la Neville in Kürze folgen würde.
Snape, der scheinbar ähnliche Gedanken hegte, löschte das Feuer unter Nevilles Kessel mit einem Wink seines Zauberstabes.
Zu spät! Mit einem schallenden Krachen zerriss Nevilles Kessel in Tausende Stücke und übergoss Snape mit dem mysteriösen Trank.
Snape schrie vor Schmerz, als sich der Trank in seine Haut brannte.
Neville wimmerte vor Angst. Oh nein, das Gebräu hatte die unangenehmste Person Hogwarts verletzt! Neville dachte, er wäre so gut wie tot!
Die anderen Schüler erstarrten vor Schreck: Die Slytherins fürchteten um Snapes Gesundheit, während die Gryffindors um die von Neville bangten. Einige von den Mutigeren näherten sich langsam um zu helfen.
Snape, noch immer unter offensichtlichen Schmerzen, fing sich in diesem Augenblick: „Nein, rührt das nicht an! Ich weiß nicht, was es bewirkt, aber es bewirkt definitiv etwas! Räumt die Klasse und diese Schweinerei auf, aber rührt den Trank nicht an! Dann nehmt die restliche Stunde, um zu lernen! Keine Hausübung!“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ die Klasse.
Die Fünftklassler der Slytherins und Gryffindors starrten ihm nach.
„Keine Hausaufgaben?“ wiederholte Harry Potter. Er traute seinen Ohren nicht.
„Keine Hausübung.“ Wiederholte Draco Malfoy, seinen Rivalen ungläubig anstarrend und vergaß in seiner Überraschung beinahe, wie sehr er Harry verabscheute.
Keine Hausaufgaben zu geben war so ungewöhnlich für Snape, dass sie beinahe fünf Minuten brauchten zu akzeptieren, dass dieser Fall gerade eingetreten war.
„Es muss ihn schlimm erwischt haben, wenn er so hinausstürmte“, bemerkte Hermine, als sie schließlich begannen aufzuräumen, wie Snape es ihnen aufgetragen hatte.
„Vielleicht sollten wir in den Krankenflügel hinaufgehen und nachsehen, ob es ihm gut geht?“ schlug Harry vor.
„Nachsehen, ob es ihm gut geht!?“ wiederholte Ron entsetzt „Harry, wir sprechen hier von Snape! Wen kümmerts, ob er in Ordnung ist? Ich hoffe, es bringt ihn um!“
„Ich glaube nicht, dass es das tun wird!“ meinte Hermine „Der Zaubertrank war noch immer heiß vom Feuer. Er hat ihn wahrscheinlich nur ziemlich schwer verbrannt.“
„Aber er sagte, dass er etwas bewirkt“, schluchzte Neville, der sich immer noch vor Snapes Rache fürchtete.
„Ach was, Neville, er kommt wieder in Ordnung!“ antwortete Harry „Sobald die Wirkung des Zaubertranks nachlässt, wird er nicht mehr als einen schlimmen Sonnenbrand haben.“
„Was, wenn sie nicht nachlässt?“ quiekte Neville noch einmal zitternd.
„Natürlich wird sie!“ erklärte Ron, „ Aller Zaubertränke tun das! Oder Hermine?“
„Eigentlich nicht! Die heilenden Tränke, die wir zum Beispiel machen, wären doch komplett nutzlos, wenn ihre Wirkung nachließe. Es ist daher gut möglich, dass Nevilles Trank, was immer es war, ein Gegenmittel verlangt.“
Neville begann auf das hin zu weinen, während Ron mit gezückter Faust in die Luft sprang: „Wir könnten möglicherweise sogar einen Monat ohne Zaubertranklehrer sein, wenn sie solange kein Gegenmittel finden.“ Aber der Rest der Gryffindors teilte seinen Enthusiasmus nicht. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, Neville zu beruhigen.
Die Slytherins auf der anderen Seite des Raumes hatten ihre eigenen Schlüsse gezogen, aber anders als die Gryffindors waren sie eher besorgt. Snape war immerhin der Hauslehrer von Slytherin. Was würde aus ihrem Haus werden, wenn er sich nicht schnell erholte?
Sobald der Kerker daher aufgeräumt war und die Gryffindors glücklich verschwanden (natürlich nicht um zu lernen – außer vielleicht Hermine), machten sich die Slytherins auf den Weg zum Krankenflügel, um herauszufinden, was mit ihrem Lehrer geschehen war.
Sie kamen allerdings nicht weit. Madame Pomfrey ließ sie nicht hinein. Nicht alle! Nein, nicht einmal einen von ihnen! Nein, sie würde ihnen nicht erzählen, was mit Snape nicht stimmte! Nein, sie glaubte nicht, dass er morgen unterrichten könnte!
Und dann schlug sie ihnen einfach die Türe vor der Nase zu. Sie klopften noch eine Weile an, aber Madame Pomfrey ignorierte sie.
Sie wusste einfach nicht, was sie ihnen hätte erzählen sollen und sie hatte im Moment wirklich wichtigere Probleme zu lösen. Neville Longbottom hatte, so schien es, versehentlich einen Verjüngungstrank gebraut. Severus Snape wurde jünger und jünger und sie war bisher nicht in der Lage gewesen, etwas dagegen zu tun. Sie hatte Zauberformeln, Tränke und Kombinationen aus beidem versucht, aber nichts hatte bisher geholfen.
Madame Pomfrey machte sich ernsthafte Sorgen, dass der Prozess Snape töten würde, und selbst wenn nicht, schien er ziemlich schmerzhaft zu sein. Severus beklagte sich immerhin nicht. Er stöberte durch ihren Vorrat an Zaubertrankzutaten, in dem Versuch, etwas zu finden, das sie noch nicht probiert hatten.
Auf einmal drehte er sich um, schnappte sich ein Buch vom Regal und kam zu ihr, die immer noch bei der Tür stand.
„Hier“, sagte er, unter diesen Umständen erstaunlich ruhig „ das könnte funktionieren.“
Sie starrte auf das Rezept in dem Buch. Er hatte recht, es könnte funktionieren. Aber sie hatten nicht mehr viel Zeit, es zu probieren und wenn es nicht funktionierte...
Einige Stunden später saß Madame Pomfrey im Büro des Direktors, wo eine Notfallsitzung aller Lehrer auf ihre Anregung hin einberufen worden war.
Als sie zu erklären versuchte, was mit Severus Snape passiert war, wünschte sie sich eindeutig irgendwo anders zu sein, nur nicht hier. Sie fühlte sich, als hätte sie versagt. Nicht nur vor Severus, sondern vor allem vor Dumbledore. Sie wusste, dass der Direktor in Snape einen engen Freund sah, obwohl sie sich nur schwer erklären konnte, wie jemand den Meister der Zaubertränke überhaupt mögen konnte. Aber im Moment hätte sie ihn wahrscheinlich selbst umarmt, hätte er, wie durch ein Wunder gesundet, den Raum betreten.
„Aber du sagtest, du konntest den Prozess stoppen, Poppy?“ fragte Dumbledore, seine normalerweise lustig funkelnden Augen waren voll Sorge.
„Ja Albus, aber ich habe absolut keine Ahnung, wie er umgekehrt werden könnte!“ Oh wie sie es hasste, jemanden enttäuschen zu müssen.
„Bist du absolut sicher, dass er gestoppt wurde? Er ist nicht mehr in Gefahr?“
„Es hat keine Veränderung mehr gegeben, seit er den letzten Trank zu sich genommen hat, den wir gebraut haben, und das war vor über drei Stunden. Ob es die Medizin war, die geholfen hat, oder ob der Zaubertrank seine Wirkung verliert, kann ich nicht sagen. Aber ich weiß nicht – Ich habe einfach keine Idee, wie wir ihn zurückverwandeln sollen!“ Sie weinte beinahe.
Dumbledore hingegen schien ein bisschen mehr Hoffnung zu haben. „Na, na Poppy!” sagte er sanft, “ wenn er nicht mehr in unmittelbarer Gefahr ist, haben wir genug Zeit, zu einer Lösung zu kommen. Du hast es geschafft, sein Leben zu retten und ich wage es zu sagen, dass dies keine schwache Leistung war, wo du doch nicht wusstest, was für ein Zaubertrank es war. Ich schlage vor, wir beginnen sofort mit unserer Suche nach einem Gegenmittel. Lasst uns Mr. Longbottom herrufen und ihn fragen, wie er den Trank zubereitet hat.“
„Ich gehe und hole ihn!“ bot Professor Sprout an. „Er müsste jetzt im Gewächshaus sein. – Er liebt es einfach, mir bei der Pflege der Pflanzen zu helfen.“ Fügte sie hinzu, als sie die überraschten Blicke der anderen sah.
„Aber Albus, es könnte Wochen dauern, ein Gegenmittel zu finden!“ quiekte Professor Flitwick. „Wer soll in der Zwischenzeit Zaubertränke unterrichten und die Slytherins beaufsichtigen?“
„Nun“, sagte Dumbledore, das alte Funkeln wieder in den Augen „es scheint, als müsste ich dies selbst übernehmen.“
Madame Pomfrey erinnerte sich noch an die Zeit, als Dumbledore Vorstand von Gryffindor gewesen war und wie viel Freude ihm seine Pflichten bereitet hatten, aber...
„Albus“, sagte sie vorsichtig „du bist dir aber doch bewusst, dass die Slytherins nicht wie die Gryffindors sind, oder? Sie sind um einiges schwieriger zu handhaben, so viel launischer, misstrauisch und aggressiv. Und viele von ihnen mögen dich nicht gerade, weißt du. Sie sehen in dir immer noch einen Gryffindor und somit einen Feind.“
„Mach dir keine Sorgen, Poppy! Ich glaube, ein Weilchen werde ich mit ihnen fertig. Das kann doch nicht so schwierig sein. Severus hatte sie immer gut im Griff und er kann nicht wirklich gut mit Leuten umgehen, oder?“
Dem musste Madame Pomfrey zustimmen, aber da war immer noch eine kleine störende Stimme in ihrem Kopf, die sie daran erinnerte, wie sehr sich Dumbledore von Snape unterschied und wenn nicht, so hatten sie den Zaubertrankmeister in seiner Fähigkeit, das schwierigste der Haus Hogwarts zu leiten, unterschätzt.
„Da wir gerade von Severus sprechen“ schaltete sich Professor McGonagall ein „Was sollen wir mit ihm tun? Wir können ihn nicht für, wer weiß wie lange, im Krankenflügel einsperren!“
„Nun“ Dumbledore zögerte einen Moment „Wie alt ist er jetzt gerade, Poppy?“
„Wie alt? Der Zaubertrank gibt mir keine Zeitangaben! Woher soll ich das wissen?“
„Eine grobe Schätzung wird reichen“, sagte Dumbledore sanft.
„Hm, er sieht aus wie 12 oder 13 Jahre, aber wenn ich mich daran erinnere, wie klein er als Junge war, würde ich eher 14 oder 15 sagen. Hilft dir das irgendwie weiter?“
„In diesem Fall stecken wir ihn einfach in die fünfte Klasse der Slytherins“, entschied Dumbledore, „Er passt gut zu ihnen. Ich wette, es wird ihm eine Menge Spaß machen, seine Kindheit noch einmal zu erleben.“
„Albus!“ kreischte Professor McGonagall zu jedermanns Überraschung „Du kannst nicht ernsthaft erwägen, ihn in den Unterricht zu schicken.“
„Natürlich tue ich das! Ein kleiner Auffrischungskurs kann ihm nicht schaden. Lasst uns mal sehen, wie viel er vergessen hat über die Jahre!“ kicherte Dumbledore.
„Aber Albus“, beharrte McGonagall „Weißt du nicht mehr, wie der 15jährige Severus war? Er in einer Klasse mit Harry, Hermine, dem jungen Malfoy und Neville Longbottom! Als würde man in einem Irrenhaus unterrichten! Albus, tu` mir das nicht an! Ich flehe dich an!“
„Beruhigen dich, Minerva! Er war gar nicht so schlimm. Er wird nicht der selbe Junge sein, der er damals war. Harry ist nicht James und Sirius Black ist auch nicht da. Und wenn ich mich richtig erinnere, war Verwandlung sein schlechtestes Fach. Beschäftige ihn einfach mit schwierigen Aufgaben und er wird dir keine Probleme machen.“
„Nun, ich könnte ihm vielleicht doch noch einige grundlegende Verwandlungen beibringen...“ grübelte Professor McGonnegall „Ich hatte die Hoffnung bei ihm schon völlig aufgegeben, weißt du?“
„Aber was ist mit den Flugstunden?“ fragte Madame Hooch „Erinnern Sie sich noch an all die Schäden, die er in den Flugstunden anrichtete? Wir haben dank Neville bereits einen Engpass an Besen. Ich brauche keinen zweiten Neville in meinem Unterricht!“
„Ich muss zugeben, das könnte teuer werden!“ seufzte Dumbledore. „Also gut, er wird von den Flugstunden befreit. Schließlich sind es die Quidditch-Spieler ja auch...“
„Wenn er so schlecht in der Schule war“, fragte Flitwick überrascht „Wie konnte er dann überhaupt Lehrer werden?“
„Oh, er mag schrecklich gewesen sein in Verwandlung und Fliegen, aber er war immer Klassenbester in den anderen Unterrichtsgegenständen. Manchmal war er schlimmer als Hermine, wissen Sie“, lächelte Dumbledore, offensichtlich in Erinnerungen versunken.
In diesem Moment kam Professor Sprout mit einem sehr verängstigten Neville im Schlepptau zurück. Als er hörte, was sein Zaubertrank mit Snape angestellt hatte, begann er zu weinen und schwor, dass alles ein Unfall gewesen sei. Sie mussten ihn erst beruhigen, bevor er ihnen etwas erzählen konnte und was er ihnen dann zu sagen hatte, war wenig produktiv. Es schien, als konnte er sich nicht mehr wirklich an die Zutaten erinnern, die er in den Trank gemischt hatte, geschweige denn in welcher Reihenfolge oder Menge.
Am Ende entschied man, sich die Zaubertranklehrer von Beaubattons und Durmstrang zu Rate zu ziehen.
Severus musste zwei Tage im Krankenflügel bleiben, bis seine Verbrennungen verheilt waren, um dann in den Slytherin Schlafsaal der fünften Klasse zu übersiedeln, wo ein zusätzliches Bett für ihn aufgestellt werden würde.
Neville floh aus dem Direktorszimmer mit einer Geschichte für seine Freunde, die sich bald wie ein Strohfeuer in ganz Hogwarts ausbreitete.
„Ist dir klar, dass das bedeutet, wir haben einen Lehrer im Schlafsaal?“ knurrte Blaise Zabini, als sie nach ihrer letzten Stunde am Freitag zurück in ihren Gemeinschaftsraum gingen.
„Es wird nicht für lange sein, Blaise!“ Draco versuchte, ihn zu beruhigen, ihn von seiner schlechten Laune zu befreien. Zabini war die meiste Zeit eine Nervensäge, aber Draco fand kaum jemanden, mit dem er reden konnte. Zumindest niemanden, der tatsächlich verstand, was er dachte oder fühlte. Nicht, dass Blaise viel von Gefühlen verstand. Er war etwas intelligenter als Crabbe und Goyle, was ihn quasi aus Magel an Auswahlmöglichkeiten zu Dracos Vertrauten machte. ´Ich wünschte ich hätte einen richtigen Freund!´ dachte Draco ´Jemanden dem ich erzählen kann, was mir wirklich durch den Kopf geht, jemanden, der mich versteht.´
„Wir werden uns rund um die Uhr benehmen müssen!“ beklagte sich Blaise „Ich wette, er verpfeift uns, wenn wir nach zehn noch auf sind oder Hausaufgaben abschreiben!“
„Ja, wir werden nicht einmal raufen können, bis er weg ist“, fügte Vincent Crabbe verdrossen hinzu.
„Vielleicht sollte wir ihn verhauen!“ schlug Gregory Goyle vor.
Leute aufzumischen und zu verprügeln, waren Goyles und Crabbes liebste Hobbys. Eigentlich wusste Draco nicht, ob einer der beiden überhaupt ein anderes Hobby hatte. Nun, das war immerhin der Grund, weshalb er ständig um sich hatte. Sie stellten großartige Bodyguards dar, auch wenn sie keine besondere intellektuelle Stimulanz für ihn waren.
„Ich glaube, wir benehmen uns besser und warten, bis er verschwindet,“ erklärte er „Er würde es nur Dumbledore erzählen, wenn wir ihm in irgendeiner Weise Schaden zufügen. Dann wären wir in echten Schwierigkeiten.“
Diese Aussicht brachte Crabbe und Goyle zum Schweigen, aber Blaise suchte immer noch nach einer Möglichkeit, seinem Ärger Luft zu machen.
„Lasst uns ihm wenigsten zeigen, dass er nicht willkommen ist!“ sagte er „Ihr wisst schon, unfreundlich sein und so! Du bist gut in so was, Draco. Du wirst es ihm schon klarmachen!“
„Ja, vielleicht!“ Draco hatte immer gewusst mit Beleidigungen umzugehen und normalerweise gefiel ihm das auch ziemlich, aber irgendwie freute er sich diesmal nicht auf die Chance, sein Talent auszuspielen. Er musste an all die Male denken, in denen Snape ihn davonkommen hatte lassen, nachdem er Rauferein mit Potter und seinen Freunden angezettelt, seine Hausaufgaben vergessen hatte oder zu spät zum Unterricht gekommen war.
Snape bevorzugte Draco mehr als die anderen Slytherins. Die ganze Schule wusste das, aber Snape kümmerte es nicht, was die anderen dachten. Draco hatte sie hintern seinem Rücken flüstern gehört, dass Snape es nur tat, um sich bei Dracos Vater Lucius Malfoy einzuschleimen oder dass dieser ihn mit irgendetwas erpresste, es zu tun.
Draco selbst äußerte sich nie zu diesen Gerüchten. Niemand wusste besser als er, wie unwahr sie waren. Lucius Malfoy hasste Snape aus Leidenschaft, obwohl Draco nicht genau wusste warum eigentlich, und dass er nichts mehr wünschte, als dass Snape sich von seinem Sohn so fern wie möglich hielt.
Nein, Draco hatte wirklich keine Ahnung, warum Snape ihn so mochte, aber er fand es irgendwie liebenswert. Was! Begann er wirklich damit, einen Lehrer zu mögen? Sicher nicht! Was dachte er da?
„Ich frage mich, ob er bereits da oben ist“, sagte er, als sie den Gemeinschaftraum betraten und begannen, die Stufen zu ihrem Schlafsaal hinaufzugehen. ´Außerdem bin ich gespannt, wie er aussieht´, dachte er.
Und wirklich lag eine kleiner Junge zusammengerollt auf dem fünften Bett, dass man, sehr zu Vincents und Gregorys Verärgerung, die den freien Platz für ihre ständigen Ringkämpfe (sie nannten es Training) genutzt hatten, zusätzlich in den Raum gestellt hatte. Er musste gelesen haben, denn er hielt ein großes Buch in den Händen, hatte aber aufgehört und sich aufgesetzt, als sie eintraten.
Die vier Slytherins standen in der Tür und taxierten ihn einen Moment. Er war klein! Sehr klein um genau zu sein! Vielleicht sogar kleiner als Draco, der neben Harry Potter der kleinste ihrem Jahrgang war.
Als Gregory, bei weitem der größte Junge der Klasse, das sah, fühlte er sich ermutigt, ging in das Zimmer und blieb mit verschränkten Armen direkt von dem Jungen stehen. Er grinste und nahm sich Anleihe bei Draco, indem er spöttisch fragte: „So, und wie sollen wir dich nennen? Mini-Prof?“
Die anderen brachen in schallendes Gelächter aus.
Der Jungen hingegen zuckte nicht einmal. Ruhig und entschlossen starrte er hinauf in Gregorys Gesicht, mit schwarzen Augen kalt wie Eis.
Goyle musste sich zurückhalten, um vor Überraschung nicht einen Schritt zurückzuweichen. Der Junge hatte einen ähnlich herablassenden Blick wie Draco! Und er hatte immer gedacht, es läge an den grauen Augen, die Dracos Blick so kalt wirken ließen.
„Mein Name ist Sverus, falls du es vergessen haben solltest!“
Sogar seine Stimme war kalt wie Eis! Ganz gelassen und ruhig, wie sie es als ihr Lehrer gewesen war. Er schien nicht das kleinste bisschen eingeschüchtert durch den hoch aufragenden Goyle vor ihm.
Vincent kam ein bisschen näher, um seinen Freund zu helfen, falls es notwendig war.
„Halt dich bloß von uns fern“, knurrte Goyle in seinem bedrohlichsten Ton „Wir wollen mit einem kleinen Nichts wie dir nichts zu tun haben, solltest du uns also belästigen, müssen Vince und ich dich leider in Stücke reißen.“
Draco musste einen Moment geblinzelt haben, denn er hatte nicht gesehen, dass Severus sich bewegt hatte. Der Junge saß immer noch am Bett, die Andeutung eines grausamen Lächelns auf den Lippen, während Goyle sich mit beiden Händen die Nase hielt; Blut tropfte zwischen den Fingern hervor.
„Droh mir nicht!“ erklärte Severus in dem selben seltsam kalten Ton, der er schon zuvor benutzt hatte. „ich bin viel gefährlicher als einer von euch oder alle von euch zusammen!“
Vincent packet ihn am Kragen und warf ihn mit aller Kraft mit dem Rücken an die Wand. Draco hörte ein leichtes Keuchen, als der Atem aus Severus herausgepresst wurde, aber das angedeutete Lächeln zuckte nicht einmal.
Severus holte aus und trat Vincent gegen das Schienbein, was bewirkte, dass der größere Junge von ihm abließ und einen Schritt zurückwankte. Er tauchte hinter Crabbe und trat in die Mitte des Raumes und genau zwischen seine vier Feinde.
„Ihr Jungs wollt euch schlagen? Okay, kommt schon!“ sagte er, während er seinen eisigen Blick auf Blaise richtete.
Draco warf einen hastigen Blick von Gregory, der sich noch immer die Nase hielt und erfolglos gegen Tränen des Schmerzes ankämpfte, zu Vincent. Crabbe rieb sich mit einer Hand sein Bein, während er Severus mit einem Hauch von Vorsicht in den Augen beobachtete. Neben sich konnte er Blaise leicht zittern spüren, der unwillkürlich vor dem Blick aus diesen kalten schwarzen Augen zurückgewichen war und der nun seinen Arm mit Rücken berührte.
´Ja, wir werden nicht einmal raufen können, bis er weg ist!´ Vincents vorherige Worte hallten in seinen Gedanken wieder. ´Können keine Raufereien anfangen? Verdammt, er zettelt bereits Kämpfe mit uns an!´ Und er war außerdem so unglaublich ruhig dabei! Als ob er wüsste, dass es keinen Weg gibt, bei dem verlieren könnte.
Dracos Augen fixierten die Uhr an der Wand gegenüber dem Bett, als wäre sie ein Rettungsanker. Als könnte ihm die Uhr aus diesem Durcheinander heraushelfen! Aber warte! Die Uhr konnte ihm helfen! Die Uhr half ihm!
„Wir haben keine Zeit für eine Schlägerei“, erklärte er in der Hoffnung, sich genauso ruhig anzuhören, wie Severus es getan hatte. „In fünf Minuten gibt’s Abendessen. Lasst uns gehen!“
Er warf seine Tasche aufs Bett und war erleichtert zu sehen, dass Vincent und Blaise mit ihm zustimmten. Severus zuckte mit den Achseln und begann seinen zerknitterten Umhang zu glätten, während Gregory seine Sachen fallen ließ, wo er gerade stand und aus dem Raum stolperte, etwas von „... Pomfrey ... Nase ... gebrochen ...!“ glucksend.
Obwohl niemand ihn eingeladen hatte, lief Severus hinter den drei verärgerten Jungen auf ihrem Weg in die große Halle her. Er schien weder das plötzliche Schweigen zu bemerken, dass eintrat, als er die Halle betrat, noch die Blicke, die ihm folgten, als er zum Tisch der Slytherins hinüberging und sich auf Gregorys Sessel fallen ließ, der rechts von Dracos stand.
Draco beobachtet ihn vorsichtig aus dem Augenwinkel und fragte sich, was wohl passieren würde, wenn Gregory aus dem Krankenflügel zurückkehrte und bemerkte, dass sein Platz besetzt war. Severus seinerseits wusste nicht, oder, was Draco wahrscheinlicher schien, scherte sich nicht darum, wessen Platz er eingenommen hatte. Er schien zufrieden mit sich selbst, weil er seine Schlafsaal-Gefährten gegen sich aufgebracht hatte und schenkte jedem am Tisch einen eisigen Blick, wann immer er sie erwischte, wie sie ihn anstarrten.
Am Slytherin-Tisch war es ungewohnt still. Eine Zeit lang traute sich niemand, den unfreundlichen Fremden als erster anzusprechen. ´Vielleicht spüren sie die Feindseligkeit, die Severus ausstrahlt sogar noch am Tisch der Gryffindors am anderen Ende der Halle´, dachte Draco. Er fragte sich vergeblich, ob die anderen Schüler vielleicht so überzeugt waren, dass Severus sie verpfeifen würden, wenn sie irgendwelche Regeln brachen, wie er und seine Freunde es waren.
Draco fürchtete sich nicht länger vor dem Lehrer Severus Snape. Mit dem Jungen, entschied er, war es viel schwieriger fertig zu werden.
Das Abendessen ging viel besser vorüber, als er befürchtet hatte. Severus schaffte es, jeden zu beleidigen, der es wagte, ihn anzusprechen, aber keiner von ihnen versuchte, sich auf physische Art und Weise zu rächen. Versuche, verbal zurückzuschlagen, erwiesen sich als ziemlich sinnlos, aber wer mit klarem Verstand würde erwarten, Snape an Sarkasmus übertreffen zu können?
Die erwartete Auseinandersetzung zwischen Severus und Gregory wurde einfach durch die Tatsache verhindert, dass Goyle erst gar nicht beim Abendessen erschien. Vielleicht hatte Severus ja gewusst, dass er nicht rechtzeitig aus dem Krankenflügel zurückkommen würde. Er war immerhin derjenige gewesen, der Gregorys Nase zerschmettert hatte. Er wusste möglicherweise genau, wie viel Schaden er angerichtet hatte.
Sobald er mit dem Essen fertig war, spurtete Draco zurück zum Schlafsaal, schnappte sich seinen Quidditch-Umhang und ging zum Training. Erst als er das Quidditch-Feld erreicht hatte, war er in der Lage, sich zu entspannen. Kein Blaise, kein Vincent, kein Gregory und, das Beste, kein Severus! Jetzt würde er ein bisschen Ruhe und Frieden finden, während er den Schnatz jagte und Klatschern auswich. Zumindest würde es ihm wie Ruhe und Frieden vorkommen im Vergleich zum dem, was wahrscheinlich in diesem Moment im Schlafsaal vorging.
Draco kehrte zehn Minuten vor der Bettruhe in den Gemeinschaftsraum zurück. Er wünschte, er hätte noch fortbleiben können, bis jeder schlief, aber er wollte Strafe wegen Überschreitens der Nachtruhe riskieren.
Als er durch die Geheimtür schlüpfte, erwartete er laute Stimmen vieler plaudernder Leute zu hören oder vielleicht auch eine Auseinandersetzung. Er stoppte mitten im Schritt, als er in völlige Stille trat. Das war sehr ungewöhnlich! Normalerweise blieben die Slytherins auf, bis sie entweder todmüde umfielen oder jemand sie in Bett schickte (dieser jemand war natürlich gewöhnlich Snape!).
Auf den ersten Blick sah es so aus, als sei der Raum leer. Ein zweiter Blick enthüllte Severus, glücklich zusammengerollt im besten Sessel am Kamin, der normalerweise den Siebtklässlern vorbehalten war. Er schien etwas geschrieben zu haben, sah aber nun mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht Draco an. Nun, wenigstens schenkte er ihm nicht wieder diesen eisigen Blick!
„Hey, wo sind die anderen?“ fragte Draco verwirrt.
„Ins Bett gegangen, wie es scheint. Entweder habe sie Angst davor, dass Dumbledore, die Bettruhe kontrolliert oder sie mochten meine Gesellschaft nicht. Wahrscheinlich letzteres! Ich nehme an, du gehst auch?“
Severus hörte sich eher amüsiert an und nicht so unfreundlich wie zuvor. Hätte Draco ihn nicht mit Gregory und Vincent kämpfen oder ihn jedermann während des Abendessens beleidigen gesehen, hätte er vielleicht gedacht, dass es sich eigentlich um einen netten Jungen handelt. Vielleicht sollte er sich zu ihm setzen und versuchen, mit ihm zu reden?
Er erinnerte sich rechtzeitig, was seine Freunde sagen würden, wenn er versuchte, sich mit ihrem Lehrer anzufreunden und so beschloss er, Severus einen befremdeten Blick zu schenken und hinauf in den Schlafsaal zu laufen. Er fand den Raum dunkel vor und offensichtlich schlief bereits jeder. Wie langweilig! Na ja, wenigstens belästigten sie ich nicht irgendwie. Er hätte eigentlich etwas malen oder das Lied, an dem er schrieb, beenden können! Aber um das zu tun, hätte er einen Tisch gebraucht. Das hätte bedeutet, dass er es unten im Gemeinschaftsraum hätte tun müssen. Das wiederum hätte bedeutet, dass Severus mitbekam, was er machte.
Nein, das kam nicht in Frage! Auf keinen Fall würde er irgendjemanden, und schon gar nicht Severus, eines seiner Hobbys herausfinden lassen!
Er würde also schlafen gehen müssen, wie alle anderen auch.
Ein lautes klapperndes Geräusch und ein Schrei ließen Draco aus seinen Träumen aufschrecken. Er setzte sich im Bett auf.
„Was zum...?“
Albus Dumbledore stand unter der Tür in einer Pfütze Wasser. Er war triefend nass und hatte einen Eimer auf dem Kopf.
„Huh!“ and „Wer?“ waren die Kommentare seiner ebenfalls völlig verwirrten Kameraden.
Severus hingegen wälzte sich vor Lachen in seinem Bett auf der anderen Seite des Zimmers.
Langsam und bedächtig nahm Dumbledore den Eimer vom Kopf. Er sah im Raum herum und fixierte jeden der einzelnen Jungen der Runde mit einem strengen Blick.
„Oh, ich hätte nie gedacht, dass du auf diesen alten Trick reinfallen würdest“, kicherte Severus, als er an der Reihe war.
„Wessen glänzende Idee war das?“ Fragte Dumledore nach einer Weile.
Severus löste sich wieder in einem Lachanfall auf, während die anderen Dumbledore verblüfft anstarrten. Was ging hier vor?
„Ihr fünf meldet euch gleich morgen nach dem Frühstück in meinem Büro zum Nachsitzen!“ merkte der Direktor an, als er tropfend und mit dem Eimer in der Hand aus dem Raum rauschte und die Tür hinter ich schloss.
„Was ist passiert?“ keuchte Blaise.
Ein übler Verdacht kroch in Draco hoch.
„Severus, was hast du getan?“ fragte er ausdruckslos.
„Einen Eimer Wasser auf die halbgeschlossene Tür gestellt, was sonst!“ kam die sachliche Antwort.
„Du hast uns allen Nachsitzen eingebrockt, du kleine Ratte!“ schrie Blaise.
„Ja, ich glaube, das hab ich“, folgte es immer noch sehr sachlich.
„Lauf ihm nach und sag ihm, dass du allein es warst! Wir hatten nichts damit zu tun! Es ist nicht fair, dass wir alle nachsitzen müssen!“ verlangte Vincent.
„Euer eigener Fehler, wenn ihr so langsam seid!“ lächelte Severus, der sich auf die andere Seite drehte und so tat, als würde er schlafen. Draco hingegen starrte Gregory an, der untypisch gedämpft auf dem Bett saß und an seiner Nase herumfingerte. Nein, Gregory fürchtete sich doch nicht etwa vor dem niedlichen kleinen Severus, oder doch?
Das Frühstück war ein Desaster.
Severus kam als Erster der Slytherin Fünftklässer am Tisch an und setzte sich wieder Gregorys Sessel. Gregory kam kurz danach und sah, dass sein Platz besetzt war. Seine Proteste und Drohung trafen auf Severus´ übliche gelassene Reaktion. Vincent, der fürchtet, sein Freund könnte sich noch einmal eine gebrochene Nase holen, beeilte sich, ihm zu Hilfe zu kommen, was Severus dazu bewegte, auf seinen Sessel zu steigen und Gregory eine Kanne Milch über den Kopf zu leeren.
Der daraus entstehenden Essenschlacht schloss sich bald der Rest des Hauses an und veranlasste Professor McGonnagall zu einem Wettkampf im „Wer-als-Erster-wegsieht“ mit Severus (welchen er gewann!) und ihnen mit einer weiteren Einheit Nachsitzen zu drohen.
Gregory schaffte es schließlich einen Viertklässler, der neben Blaise und gegenüber von Vincent saß, aus seinem Sessel „wegzutyrannisieren“. Draco, der zwischen Vincent und Severus saß, begann sich zu fragen, ob es bald erforderlich sein würde, dass er die Rolle des Friedenstifters spielte. Das war eine Rolle, mit der er absolut keine Erfahrung hatte und er fühlte sich auch nicht gerade geneigt, sie zu erlernen. Seiner Meinung nach würden auch die besten Friedensstifter sehr wahrscheinlich aufgegeben, angesichts der wütenden Blicke, die zwischen Severus und Gregory hin- und hergingen.
Dumbledore erschien nicht beim Frühstück. Gerüchten zufolge hatte er sich eine schlimme Erkältung eingefangen und beschlossen im Bett zu bleiben. Irgendwie fühlte sich Draco an die nasse Robe und die eisigen Temperaturen in den Kerkerkorridoren erinnert. Es war Mitte Januar und sogar die Slytherin Schlafsäle waren zu dieser Zeit unangenehm kalt.
Direkt nach dem Frühstück gingen die fünf Jungen hinüber zum Büro des Direktors. (Severus kannte natürlich das Passwort, mit dem sie hinein kamen!)
Entgegen den Gerüchte saß Dumbledore hinter seinem Schreibtisch, aber er hatte eine sehr rote Nase, die zumindest einen Teil der Geschichte bestätigte.
„Ah ja, ich nehme an, Sie sind wegen Ihrer Strafe hier.“ Er lächelte.
Draco gefiel dieses Lächeln gar nicht.
„Ich habe mit Mr. Filch darüber gesprochen und ich glaube, wir haben die perfekte Arbeit für Sie fünf gefunden. Da es scheint, dass Sie Wasser so sehr mögen, haben Sie die einmalige Chance den Morgen damit zu verbringen, den Boden in der Eingangshalle zu schrubben! Ohne Magie natürlich!“
Oh nein! Der Boden der Eingangshalle war fast zur Gänze braun von geschmolzenem Schnee und Matsch, den die Schüler mit ihren Stiefeln hereintrugen. Sie würden stundenlang schrubben!
„Aber wir haben gar nichts getan!“ heulte Blaise, der immer noch Spuren von Haferbrei von der morgendlichen Essensschlacht in den Haaren trug. „Es war ganz allein Severus!“
„Ja, komm schon Severus, erzähl ihm die Wahrheit!“ drängte Draco, der an einem Marmelade-Fleck an seinem rechten Ärmel kratzte.
„Welche Wahrheit?“ fragte Severus unschuldig und schenkte Dumbledore sein niedlichstes Lächeln. Sogar Draco musste zugeben, dass er aussah wie ein Engel, trotzdem er mit Cornflakes und Orangensaft bedeckt war. „Ihr hackt bloß auf mir rum, weil ich der Neue bin!“ Das wurde begleitet von einem ebenso niedlichen Schmollmund.
Dumbledore schenkte Draco einen anklagenden Blick und schickte sie weg, sich Eimer und Bürsten zu holen („Ihr wisst, wo sie sind!“) und an die Arbeit zu gehen.
Die Eingangshalle zu schrubben stellte sich als weitaus schwieriger heraus, als Draco befürchtet hatte. Eine Schneeballschlacht zwischen Hufflepuff Drittklässlern und Gryffindor Zweitklässlern war direkt vor der Tür ausgebrochen und verirrte Schneebälle flogen immer wieder herein. Einige der Teilnehmer rasten herein und wieder hinaus. Sie kreischten vor Begeisterung und schleppten große Klumpen aus Schnee und Matsch herein.
Einer von ihnen, ein besonders lästiger Gryffindor, rutschte auf Severus´ Bürste aus, die er verzaubert hatte, die Arbeit für ihn zu machen, krachte in Vincents Eimer und verschüttete unbeabsichtigt das schmutzige Wasser über Draco. Tropfend nass, die Hände mit schlammgrauen Seifenblasen vom Schrubben überzogen, stand Draco auf, schnappte sich die verzauberte Bürste, die genauso schmutzig war wie seine Hände und warf sie nach Severus.
„So ist das also!“ schrie er „Du solltest das ohne Zauberei machen! Also schrubb jetzt! Das ist sowieso alles DEINE SCHULD!“
„Nein, ich will doch nicht so aussehen wie du, Blondie!“ erwiderte Severus kalt.
„Was meinst du? Wie sehe ich aus?“ fragte Draco erschrocken.
„Wie etwas, das die Katze hereingeschleppt hat! Direkt aus dem Fluss, wohlgemerkt!“
Mrs. Norris erhob sich von ihrem Platz auf der dritten Stufe der Haupttreppe, den sie gewählt hatte, weil er absolut trocken und genügend weit weg von der Schneeballschlacht, um annehmen zu können, dass er es auch bleiben würde. Sie schenkte den Jungen ein arrogantes Naserümpfen und machte sich davon, Filch zu suchen. Gerade so, als würde sie sich nie mit so etwas abgeben, das so nass war, wie gerade Draco.
Draco schlenderte, seinen Eimer schwingend, zu Severus. „Ich werde dir zeigen, wie es sich anfühlt ganz nass zu werden!“
Gregory und Blaise schnappten sich sofort ihre eigenen Eimer und folgten ihm in die Schlacht. Vincent zögerte einen Moment angesichts seines umgestülpten Eimers, nahm sich dann einfach Severus´ und folgte ihnen.
Dann kam Filch und beendete den Kampf, aus dem sie alle fünf durch und durch nass hervorgingen und den Severus dieses mal verloren hatte. Vier Gegner, von denen drei viel größer als er waren, waren selbst für ihn zuviel gewesen. Nichtsdestotrotz hatten die vier unter üblen Tritten und Bissen zu leiden gehabt.
Filch starrte sie einen Moment lang an. Seit den Tagen der Marauders hatte er nicht mehr eine so einfache Strafarbeit in einem solchen Chaos enden gesehen. Er konfiszierte die Zauberstäbe der Jungen, stieß dem grinsenden Severus Bescheid dafür, dass er seine Bürste verzaubert hatte und schickte sie zurück in ihren Schlafsaal, damit sie sich umzogen und zu Mittag zu aßen, bevor sie von Neuem begannen, den Boden zu säubern, der nun bedeutend schlimmer aussah, als er am Morgen ausgesehen hatte, als sie mit dem Putzen begonnen hatten.
Dann ging er, um Dumbledore von dem Vorfall zu erzählen.
Sie kamen früh und schlecht gelaunt zum Mittagessen, was nichts Gutes für die anderen Schüler bedeutete. Draco spürte nicht länger auch nur die geringste Berufung, den Friedensstifter zu spielen. ´Es ist viel wahrscheinlicher´, dachte er ´dass ich es bin, der den Krieg beginnt!´
Er hielt sich jedoch zurück, Severus anzugreifen, nachdem Professor McGonnagall aus ihm unbekannten Gründen nahe dem Slytherin Tisch Posten bezogen hatte und beinahe unablässig die Fünftklässler im Auge behielt, während sie die Gryffindors beinahe völlig unbeaufsichtigt ließ.
Susan, ein schüchternes Slytherin-Mädchen, näherte sich Severus vorsichtig.
„Ähm, Professor Snape, Sir“, fragte sie mit leicht zittriger Stimme.
Severus drehte sich zu ihr um „Mein Name ist Severus!“ schnauzte er sie an.
Susan wich zurück und rannte beinahe davon, aber dann fasst sie sich ein Herz und sagte: “Ich habe mich gefragt, ob Sie mir vielleicht mit meiner Zaubertrank Hausaufgabe helfen könnten. Ich glaube nicht, dass ich den Text in diesem Buch ganz verstanden habe, Sir ... äh, Severus.“
„Warum sollte ich dir helfen? Was ist für mich drin?“ fragte Severus unfreundlich.
Susan, jetzt weiß wie ein Laken und sichtbar zitternd, schaffte ein kaum hörbares „Was wollen Sie denn?“
„Hm...ich weiß! Ich werde deine Hausaufgaben für dich machen, wenn du das in Neville Longbottoms Suppe wirfst!“ lächelte Severus und gab ihr einen Filibuster-Feuerkracher.
„Hey, wo hast du den her?“ keuchte Draco überrascht.
„Hab ihn in Blaises Truhe gefunden!“ sagte Severus in seinem sachlichen Ton.
„Was, du warst an unseren Truhen?“ schrie Crabbe empört.
„Nein, nur in Blaises! Ich hatte nicht die Zeit die euren zu durchsuchen ...noch nicht!“
An dieser Stelle musste Professor McGonnagall einschreiten um einen weiterem größeren Kampf zu verhindern.
Susan, die ihre Gelegenheit sah, nahm all ihren Mut zusammen, nutzte den Moment der Ablenkung, um durch den Raum zu spurten und den Feuerkracher genau auf Nevilles Teller zu werfen. BUMM! Dieses mal waren es die Gryffindors, die mit Essen bekleckert waren.
Die arme, schüchterne kleine Susan jedoch kam nicht weit. Hagrid erwischte sie an der Schulter und schleifte sie mit, um sich Dumbledore zu stellen.
„Professor Snape hat versprochen, mir mit meinen Hausaufgaben zu helfen, wenn ich es mache!“ schluchzte sie zu ihrer Verteidigung.
„20 Punkte Abzug für Slytherin!“ krächzte Dumbledore mit seiner Halsentzündung und putzte sich die laufende Nase. Dann vergrub er sein Gesicht in den Händen. Was war nur in Severus gefahren? Er benahm sich so wie damals, als er wirklich noch ein Kind war. ´Ich hoffe nur, er versucht lediglich sich bei Neville zu revanchieren. Die Slyterhins haben vielleicht wirklich auf ihm herumgehackt. Gott steh uns bei, sollte er wieder damit anfangen, Raufereien mit jedermann anzuzetteln und den Unterreicht zu stören. Und was wenn er...! Nein, nein, das würde er sicher nicht mehr tun! Auf keinen Fall!´
Draco grinste und streckte die Zunge heraus, als Harry und seine Freunde durch die große Halle gingen, bedeckt mit Suppe und mit Nudeln in den Haaren. Harry warf ihm einen bösen Blick zu und plötzlich stieg in Draco ein böser Verdacht auf, wer unter der Vergeltung der Gryffindors zu leiden haben würde.
Natürlich! Auf einmal sah er es ganz klar: Wer würde erwarten, dass Professor Snape solch schmutzige Tricks benutzte? Sie würden ihn nie verdächtigen sondern dem Rest der Slytherins für alles die Schuld geben!
Ohne seinen Zauberstab war Severus gezwungen, wirklich am Schrubben des Bodens teilzunehmen. Er tat es mit wenig Enthusiasmus, während die anderen vier wie wild arbeiteten. Wenn sie heute nicht fertig wurden, würden sie es morgen zu Ende bringen müssen, wenn alle anderen nach Hogsmeade gingen! Auf keinen Fall wollten sie alleine zurückbleiben!
Severus begann langsam schmutzige Muster mit seiner Bürste auf den Boden zu malen: auf und ab, eine Welle, einen Kreis, ein Kreuz, ein Quadrat ... einen Baum, noch einen, einen See und Wolken darüber, einen Hund, der am See entlang lief...
Draco starrte mit offenem Mund auf das Bild. Was tat Severus da? Man konnte tatsächlich Bilder mit Dreck malen?! Dort sollte ein Drachen sein, kein Hund! Aber es war ein niedlicher Hund! Vielleicht sollte der Drachen den Hund jagen? Vielleicht konnte Severus Drachen nicht so gut zeichnen? Vielleicht sollte Draco ihm helfen? Den Dragon für ihn machen?
„SEVERUS, WAS MACHTS DU DA?? WIR SOLLEN DIESE RAUM REINIGEN!“ Das war Blaise! Für einen Moment wusste Draco nicht, worüber er schimpfte. Dann erinnerte er sich an den Ausflug nach Hogsmead.
„Warum? Gefällt dir mein Bild nicht?“ fragte Severus unschuldig.
„NEIN!“ schrieen vier aufgebrachte Jungen ihn an.
„Möchtet ihr, dass ich etwas anderes für euch male?“
„NEIN!“
Im ersten Stock, ungesehen von den Jungen, ging Albus Dumbledore weg, den Kopf sorgenvoll schüttelnd. Was alles würde Severus dieser Schule antun, bis sie einen Weg gefunden hatten, ihn zurückzuverwandeln? Oder vielmehr: Was würde er nicht tun?
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