Kapitel 26: Vor dem Vollmond
"Ich bin eine gute Zuhörerin", sagte MacGillivray leise und beförderte sacht eine dunkle Strähne des Tränkemeisters an ihren Platz auf dem Kopfkissen zurück.
Nach einem zugegebenermaßen recht lieblosen Abendessen hatten sie es vorgezogen, in einem wahren Bankett erotischer Genüsse zu schwelgen; sie hatten einander in nicht endenwollender Vereinigung begehrlich verzehrt, hatten sich unverzagt in die brodelnden Wogen absoluter Entrückung gestürzt und höchste Erfüllung gefunden, waren erfrischt aufgetaucht, nur um erneut von einem Strudel überwältigender Ekstase mitgerissen zu werden.
Die Zeit schien stillzustehen, bis sie schließlich, glückstrunken und wohlig erschöpft, in die Welt der anderen zurückkehrten.
Fast sofort hatte Catriona das Aufflackern einer rastlosen Furcht in dem Tränkemeister wahrgenommen, ein Gefühl, das sie wiederzuerkennen meinte, etwas, das ihn in dieser Intensität schon den ganzen Tag quälte.
Sie war nicht sicher, ob sie nicht bereits zu weit gegangen war mit der Andeutung; Severus Snapes verschlossenes Wesen ließ es kaum jemals zu, über so persönliche, in seinen Augen zweifelsohne entwürdigende Dinge wie Angst oder auch Besorgnis zu sprechen.
Ungeachtet dessen schien sich ihre mentale Verbindung mit jedem Zusammensein nur zu intensivieren, so daß sie inständig wünschte, er möge ihre unverbrüchliche Zuneigung spüren und sich ihr anvertrauen.
Snape rieb sich die Augen, als bereite ihm allein der Gedanke, über das zu sprechen, was ihn so mitnahm, körperliche Schmerzen.
"Ich habe seinerzeit mein Wort gegeben, daß niemand davon erfährt", sagte er langsam, und sie nahm erleichtert zur Kenntnis, daß er wenigstens keinen Versuch machte, die Existenz eines Problems zu leugnen.
"Erzähle mir von deiner Familie", sagte er plötzlich ernsthaft.
"Das wird dich enttäuschen", lächelte MacGillivray, die beschloß, vorzugeben, er hätte sie erfolgreich abgelenkt.
"Mein Vater ist Landwirt, meine Mutter Biologin, die schon seit Jahren erfolglos versucht, dem Ungeheuer von Loch Ness auf die Spur zu kommen."
Snapes Lippen zuckten. "Muggel?"
"Mein Vater", lachte Catriona völlig unbefangen.
Wie konnte sie nur so offen darüber reden? Schämte sie sich überhaupt nicht?
"Meine Mutter ist so schlecht in Kochzaubern, daß er sich freiwillig diese Aufgabe auferlegt hat. Selbstschutz sozusagen."
Sie lachte wieder, und in ihren Augen leuchtete freudig der Widerschein einer glücklichen Erinnerung.
"Geschwister?" fragte Snape so knapp, als befände er sich in einem Verhör, und sie müßte ihm Rede und Antwort stehen.
"Vier Brüder", gab sie bereitwillig Auskunft, und als sie den eigenartigen Blick des Tränkemeisters auffing, blitzte es anzüglich in ihren meergrünen Augen.
"Alle nichtmagisch", grinste sie achselzuckend. "Ich hatte großes Glück."
Snape sagte lange Zeit kein Wort. Muggel… und trotzdem war sie stolz auf ihre Familie, ein Gefühl, das er sich nicht einmal vorstellen konnte.
Wie seltsam, noch nie hatte er überhaupt erwogen, sich auszumalen, wie es hätte sein können, wenn… ja, wenn nicht alles so verfahren gewesen wäre, wenn sein verhaßter Vater nicht ausfallend geworden wäre, wenn er die Fähigkeit seiner Frau und seines Sohnes als etwas Besonderes anerkannt hätte, anstelle sie erst zu mißbilligen und dann mit rücksichtsloser Gewalt zu bekämpfen.
MacGillivrays warme Finger streichelten seine Arme, und sie bemerkte gänzlich unaufdringlich: "Warum möchtest du das wissen?"
"Es gibt eine Erinnerung", begann der Tränkemeister vorsichtig und holte zittrig Atem, "die ich bereit wäre, mit dir zu teilen, vorausgesetzt, du vertraust mir genügend, um dich einem 'Legilimens' zu unterziehen."
MacGillivray wagte kaum zu atmen. Sie bemühte sich nach Kräften, ihre Überraschung nicht zu zeigen. Nie, niemals hätte sie geglaubt, daß er ihr ein solches Angebot machen würde. Vermutlich spielte ihr die überreizte Phantasie einen Streich, und sie zog aus ihrer engen Verbindung falsche Schlüsse.
"Dein Vertrauen ehrt mich", sagte sie förmlich. "Beginne."
Spätestens jetzt würde er sich zurückziehen… stattdessen ein geflüstertes, seidenweiches "Legilimens"; sie versank in seinen unergründlichen Augen und fand sich inmitten einer wuselnden Menge aus Kindern, Jugendlichen, Gepäck und Taschen, winkenden Eltern und stolzen Großeltern auf einem Bahnhof wieder. Sommerferien.
Ein magerer, dunkelhaariger Junge in schlecht sitzender Schuluniform schob sich mit einem verstockten Ausdruck in dem blassen Gesicht an den Trauben geballter Wiedersehensfreude vorbei, peinlich darauf bedacht, niemanden zu streifen.
Er erwartete nicht, abgeholt zu werden, daher ignorierte er den ersten Ruf seines Namens vollkommen.
"Severus!" wiederholte die Stimme ungeduldig, und eine Hand packte den Riemen seiner Tasche.
Der Junge wirbelte herum, den Zauberstab gezückt, die Augen in kalter Berechnung zu schmalen Schlitzen verengt, bereit und willig, sich zu verteidigen.
"Was soll das denn?" Eileen Prince sah sich hektisch um, ob den Vorfall auch niemand beobachtet hatte, dann faßte sie das dünne Handgelenk ihres Sohnes und zog ihn hinter sich her.
Kein Wort der Begrüßung nach so langer Zeit.
"Dein Vater wartet mit dem Auto draußen", sagte sie hastig und drängte sich an einer hochmütigen Dame vorbei, die ihr einen mißbilligenden Blick nachsandte.
"Durch die Barriere kann er ja nicht", fügte sie fast entschuldigend hinzu.
"Er hat kein Auto", stellte der Junge sachlich fest, ohne sich von der Eile seiner Mutter anstecken zu lassen.
Dort drüben verabschiedeten sich gerade Potter und Black, seine ärgsten Feinde, voneinander.
"Das hab ich auch gesagt." Fast schien es, als wolle Eileen Prince lachen. "Er hat es von einem Kollegen namens Marty geliehen. Tu mir den Gefallen und verdirb nicht wieder alles."
Sie strich sich nervös das Haar zurück, fingerte an ihrem Kleid und sah zur Uhr.
"Er hat auch keine Fahrerlaubnis", fuhr ihr Sohn ungerührt fort. "Wer würde ihm ein Auto leihen?"
Eileen schnaubte entnervt. "Er gibt sich Mühe, Severus", beschwor sie ihn eindringlich, "sonst wäre er nicht hier."
Sie passierten die Barriere, durchquerten das Bahnhofsgebäude und traten hinaus in gleißendes Sonnenlicht.
"Ein despektierliches Wort", zischte seine Mutter warnend, "und du lernst mich kennen."
Der Junge preßte die Lippen fest aufeinander. Das konnte ja heiter werden. Sicherheitshalber ließ er die langen Haare ins Gesicht fallen, so daß niemand seine Augen sehen konnte.
"Na, was sagst du?"
Tobias Snape, sonnenverbrannt und auf eine undefinierbare Weise attraktiv, ließ den Zündschlüssel spielerisch vor der Nase seines bleichen, verschlossenen Sohnes baumeln.
"Toll", sagte dieser leidenschaftslos, und man sah ihm an, daß er inständig hoffte, von niemandem in dieser entwürdigenden Situation gesehen zu werden.
"Ein bißchen mehr Enthusiasmus", lachte Snape ironisch, schlug dem Sohn auf die Schulter und warf sich hinter das Steuer.
"Was willst du tun? Eis essen? Zum Strand? - Dafür sollte der Sprit reichen. Marty erwartet die Kiste erst morgen zurück."
Er ließ dröhnend den Motor an und bedeutete Eileen, um dem Klischee auch voll und ganz gerecht zu werden, das Radio anzuschalten, so daß man sein eigenes Wort nicht mehr verstand.
Der Junge auf der Rückbank schlug die Hände vors Gesicht, seine Mutter aber grinste über die Absurdität der Situation.
"Du hast Ferien, in drei Teufels Namen!" rief Tobias Snape übermütig. "Schulfrei! Nicht lernen, keine Hausaufgaben!"
Er setzte den Wagen so rasant zurück, daß er dabei nur um Haaresbreite eine kleine, elegant gekleidete Frau verfehlte, in der Severus voller Schrecken die Mutter seines Erzfeindes Sirius Black erkannte.
"Verfluchte Muggel!" keifte sie entrüstet, aber während der Junge vor Scham feuerrot halb unter den Sitz rutschte, brüllten seine Eltern vor Lachen.
Tobias Snape gab Gas, so daß die Hexe in eine blaue Wolke gehüllt wurde, und Eileen, die man sonst kaum einmal lächeln sah, hatte vor Lachen Tränen in den Augen.
xoxoxox
"Wie ging es weiter?" erkundigte sich MacGillivray verhalten, als er ihren Geist freigab.
Der Tränkemeister war entsetzlich bleich. Er zuckte in einer Geste absoluter Hilflosigkeit die knochigen Schultern.
"Wie es immer weitergegangen ist", sagte er tonlos. "Desaströs. Er wollte mit uns zum Strand, geriet in eine Kontrolle, legte sich mit dem Polizisten an und… meine Mutter mußte uns alle mit einem 'Obliviate', das sie selbst in große Schwierigkeiten hätte bringen können, aus der Hand des Gesetzes befreien. - Dafür durfte, nein, sollte sie dann zaubern, während er sie sonst…
Aber er hat sich ja 'bemüht'", flüsterte er bitter und verstummte; so sehr schien ihn die Erinnerung aufzuwühlen.
Catriona rückte dichter zu ihm. Für sie als Außenstehende hatte der Vorfall eher den Charakter einer Satire, mehr komisch als tragisch, aber für ihn mußte es die Hölle gewesen sein: ein Muggelvater, der sich überhaupt nicht für ihn interessierte, eine Mutter, die kaum ihren eigenen Platz kannte und entweder für ihn nicht einstehen wollte oder konnte. In der Schule nur Hänseleien, keine Freunde, die einzige Anerkennung von Horace Slughorn für den Außenseiter.
Zwar hatte sie ihr Vater auch immer aufgezogen, wenn sie in den Ferien an Zaubertränken herumexperimentierte, anstatt ihm zur Hand zu gehen, insbesondere, da er nicht recht verstand, was sie eigentlich tat, aber es war nie böse gemeint gewesen.
Gern hätte sie mehr von Snapes Erinnerungen gesehen; das Bild, das sie sich bisher gemacht hatte, erschien ihr zu einseitig, aber sie wagte keine weitere Frage.
Es gab nichts zu sagen; jedes Wort wäre banal für ihn gewesen; also folgte sie ihrem Instinkt, zog ihn an sich, teilte Wärme und Zuversicht mit ihm und wachte über seinen Schlaf, als ihm die Augen zufielen.
xoxoxox
Am Morgen, noch bevor Snape in alter Nervosität auffahren, sich ankleiden und in sein Labor eilen konnte, zauberte MacGillivray eine Kanne frischen Kaffees herbei. Von dem aromatischen Duft in wahre Hochstimmung versetzt, versuchte sie sich an schottischen Buns, doch das Ergebnis glich eher einem Korb voller Steine denn echten Milchbrötchen, so daß sie schicksalsergeben mit sich übereinkam, ebenso wie ihre Mutter nicht für Koch- und Backzauber geschaffen zu sein.
Wie gut, daß sie in Hogwarts den Luxus elfischer Küche genießen konnten. In Brasilien hatte sie das Kochen an eine Kollegin delegiert, die aber über nur unwesentlich ausgereiftere Fähigkeiten als sie selbst verfügte.
MacGillivray ersetzte schmunzelnd ihre steinharten Kiesel durch knusprige Brötchen aus der Küche, fügte für alle Fälle etwas Porridge hinzu und drapierte Spiegeleier mit Schinken auf einem weiteren Teller, den sie gekonnt in der Mitte des Tisches in Snapes spartanischem Wohnzimmer placierte.
Als sie zurückkehrte, saß Snape vollständig angekleidet auf dem Bett; er wirkte mitgenommen, aber um keinen Preis bereit, dies einzugestehen.
"Komm", sagte MacGillivray weich, "es gibt Kaffee."
Zu ihrer Besorgnis gab er keine Widerworte, erhob sich geschmeidig (jetzt nur nicht schwanken) und folgte ihr ins Wohnzimmer.
Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein schmales Gesicht.
"Werd mir nicht häuslich", sagte er dünn. "Mein Quartier ist für Gelage nicht vorgesehen."
Er nahm Platz; sie schenkte ihm Kaffee ein und beobachtete liebevoll, wie er fahrig in kleinen Schlucken trank. Allmählich schien es ihm ein wenig besser zu gehen; dennoch benötigte Catriona all ihre Diplomatie und eine gehörige Portion Einfühlungsvermögen, um ihn zu einem kargen Frühstück zu bewegen.
Wenig später feuerte sie einen Kessel an, während er nachdenklich in seinem Zutatenschrank Gläschen anhob, Schächtelchen separierte und kleine Phiolen mit scharfen Augen nach etwas Bestimmtem absuchte.
"Ich füge das Guaraná zum Schluß hinzu", murmelte er, umspannte mit zwei dünnen Fingern ein Pulverbriefchen und legte es vorsichtig beiseite.
Aus den Tiefen des Schrankes zauberte er einen gewaltigen Krug Bilsenkrautbier herbei.
MacGillivray grinste verschlagen. "Vielleicht verträgt Remus nur keinen Alkohol", sagte sie leichthin, aber Snape schien alles andere als amüsiert.
"Den Alraunenwein hat er doch auch vertragen", sagte er gallig, ohne aufzusehen.
"Das war etwas anderes", behauptete MacGillivray ohne rot zu werden, und plötzlich weiteten sich ihre Augen in ungläubiger Erkenntnis.
"Du hast ihm doch Coffeatinktur zur Ausnüchterung gegeben", vermutete sie. "Warum nutzt du nicht ein wenig davon zusätzlich zum Guaraná? Dies verlängert eventuell sogar die Wirkung."
"Weil ich dann das Bilsenkrautbier sparen könnte", parierte Snape bissig, woraufhin sie ungeduldig aufseufzte.
"Natürlich nicht so viel Coffeatinktur, du Esel", entfuhr es ihr inbrünstig.
Snape wölbte eine einzelne pikierte Braue ob des verliehenen Ehrentitels, aber sein trockenes "Einen Versuch ist es wert" strafte seinen angestrengt-gereizten Gesichtsausdruck Lügen.
Er wünschte sich, zugeben zu können, wie sehr er fürchtete, der Trank würde im entscheidenden Moment versagen, wie sehr ihm davor graute, der Werwolfverwandlung beizuwohnen. Schon jetzt war ihm die Kehle wie zugeschnürt.
Dennoch gab es keine Wahl für ihn, hatte nie eine gegeben, seit er sich zum ersten Mal Voldemort angeschlossen hatte, und nichts war bedeutsamer, als seine Position in den Todesserreihen zu bestätigen.
Ein unwillkürlicher Schauder durchlief seinen ewig frierenden Körper. Er schlug die Robe enger um sich und trat dichter ans Feuer.
MacGillivray dämpfte die Flammen ein wenig; das Letzte, das sie wollte, war, den Trank zu verderben, dann legte sie einen Arm um ihn.
Er erstarrte noch immer für den Bruchteil einer Sekunde, bevor er die Umarmung erwiderte, sie an sich preßte, als könnte er durch die Verbindung mit ihr dieser Welt entfliehen.
"Während du dorthin gehst", begann sie leise und streichelte zärtlich sein schwarzes Haar, "werde ich das Experiment an Remus durchführen. - Sofern er will. Natürlich" -
"Auf keinen Fall!" unterbrach sie der Tränkemeister mit einer Schärfe, die ihr durch Mark und Bein ging. Er packte ihre Handgelenke, so daß sein fester Griff Striemen auf ihrer hellen Haut hinterließ. "Du wirst an Vollmond nicht mit Lupin im selben Raum sein, mit oder ohne Trank, keine Diskussion! Meine Entscheidung ist endgültig."
Er ließ sie ruckartig los und wandte sich ab, als schäme er sich seiner heftigen Reaktion.
MacGillivray massierte betroffen ihre schmerzenden Handgelenke. Er hatte Angst um sie, eine gräßliche Furcht, Lupin könnte sie verletzen.
Hing das, worüber er nicht sprechen mochte, etwa mit Remus Lupin zusammen? Immer, wenn die Sprache auf ihn und die bevorstehende Transformation kam, verschloß sich Snape noch weiter, wurde berechnend, abweisend und regelrecht feindselig.
"Okay", sagte sie weich, um ihn nicht noch mehr aufzuregen. Daß sie es dennoch versuchen würde, brauchte er ja nicht zu erfahren.
"Gestattest du im Umkehrschluß, daß auch ich mich um dich sorge?" fuhr sie fort. "Wer sichert dich, wenn etwas fehlschlägt?"
"Niemand", sagte Snape wahrheitsgemäß. "Wenn etwas schiefgeht, hat der Orden leider seinen 'kostbaren' Spion eingebüßt."
Die kalte Selbstverständlichkeit, mit der er dies mitteilte, schmerzte Catriona unendlich.
Laut sagte sie jedoch: "Ich weiß, du gefällst dir irgendwie in der Rolle des Märtyrers, aber ich wiederhole, sie steht dir nicht, und ich sage dir auch gern noch einmal, wie sehr ich es bedauern würde, wenn dir etwas geschähe."
Ein sprödes Lächeln kroch über Snapes bleiche Lippen. Er verwand seine Finger mit ihren und drückte sie fest.
"Fahr du mit dem Trank fort", wies er sie schließlich an, "ich muß mit Lupin sprechen."
"Severus - sei nett zu ihm", rief ihm MacGillivray nach, doch Snape sandte ihr einen vernichtenden Blick und versicherte: "Ich bin gewiß nicht 'nett', Catriona."
Die Tür krachte melodisch ins Schloß und MacGillivray lachte, bis ihr Tränen in den Augen standen.
xoxoxox
Der Tränkemeister umklammerte seinen Zauberstab zur Sicherheit, bevor er die andere knochige Hand hob und an Lupins Tür klopfte.
Der Werwolf ließ sich mit dem Öffnen Zeit, und als er endlich den Kopf aus der Tür streckte, schien er Snape gar nicht zu erkennen.
Mit seltsam verfärbten, blutschattigen Augen stierte er den schwarzgekleideten, blassen Besucher an, leckte sich trockene Lippen und kratzte sich hingebungsvoll im Nacken.
Snape hielt dem Blick voller Unbehagen stand, wartete aber nicht auf ein Zeichen des Erkennens, sondern sagte schroff: "Lupin, ich muß mit dir reden."
Jetzt kam Leben in sein abgerissenes Gegenüber. "Du hast Nerven! Siehst du nicht, wie ich aussehe?" fragte er gereizt, ohne einen Zentimeter zur Seite zu weichen.
Snapes Lippen kräuselten sich in bitterem Spott. Wie sehr er Wehleidigkeit verabscheute!
"Ich würde dich bestimmt nicht zu diesem Zeitpunkt aufsuchen, wenn es nicht wichtig wäre", sagte er leise und höhnisch. "Sollen wir das Thema auf dem Gang erörtern, oder ziehst du einen etwas diskreteren Ort vor?"
Lupin schnaubte unwillig. "Sag, was du zu sagen hast, und dann scher dich davon", sagte er laut. "Mir ist egal, wer mithört."
Snape zuckte gleichmütig die Achseln. Wenn ihn Lupins Widerworte überraschten, ließ er sich zumindest nichts davon anmerken.
"Ich wünsche nicht, daß du den Trank heute abend noch einmal einnimmst", informierte er den Werwolf gebieterisch. "Und sollte Miß MacGillivray ihn dir anbieten und vorschlagen, dich zu überwachen, lehnst du kategorisch ab. Habe ich mich klar ausgedrückt?"
In Lupins goldgefleckte Augen trat ein lüsterner Zug.
"Du magst sie ja", kicherte er unvermittelt. "Hast vielleicht sogar Angst um sie?"
Snapes Lippen wurden noch weißer, während in seine eingefallenen Wangen ein bleiches Rot stieg.
"Du bist nicht Herr deiner Sinne, wenn du dich verwandelst", erwiderte er gepreßt. " Eine reine Vorsichtsmaßnahme also. - Ich wollte dich allerdings noch etwas anderes fragen."
"Frage." Lupin lächelte listig. Er genoß es sichtlich, den sonst so beherrschten Tränkemeister in Verlegenheit gebracht zu haben.
Daß er unter normalen Umständen nie und nimmer schadenfroh reagiert hätte, bemerkte er so kurz vor der Transformation nicht mehr.
"Ich werde Greyback und seinen 'Freunden' unmittelbar vor der Verwandlung gegenüberstehen", begann Snape, inzwischen wieder leichenblaß. "Irgendwelche Verhaltensregeln, die ich beherzigen sollte?"
Remus Lupin rieb sich die Hände und gab sich alle Mühe, konzentriert dreinzuschauen.
"Ich kenne die Leute kaum", stellte er klar, "aber von mir weiß ich, je weniger Gewese, desto besser. Sei kurz angebunden und nicht zu freundlich, also einfach du selbst!"
Mit einem kehligen Lachen schlug er Snape die Tür vor der Nase zu, und der Zaubertrankmeister fragte sich ernsthaft, ob diese ungehobelte Kreatur wirklich der Remus Lupin war, den er kannte.
xoxoxox
"Severus, nicht schon wieder!" rügte MacGillivray in einem Ton gutmütig-verzweifelter Entrüstung, als sie ihn ein Fläschchen Galgantbräu leeren sah.
Seit dem Frühstück hatte er nichts mehr gegessen; absurd, ihn dazu bewegen zu wollen und absolut verständlich, daß er sich wenigstens mit Stärkungstränken wappnen wollte für das, was ihn in weniger als einer Stunde erwartete, aber sie befürchtete mit Recht, daß die wiederholte Einnahme sich nicht in erhöhte Wirksamkeit umsetzten würde.
Gemeinsam hatten sie den Trank in seiner erweiterten Form vollendet; Snape hatte das Gebräu mit Bilsenkrautbier aufgegossen und in einen gewaltigen irdenen Krug gefüllt, und dann begann das Warten.
Beide gaben zunächst vor, mit überaus wichtigen Dingen beschäftigt zu sein, deren Erledigung keinen Aufschub duldete, bis MacGillivray aufstand und sich wortlos an ihn schmiegte.
Er erwiderte die Umarmung innig, aber seine Augen blieben ernst und unlesbar.
Eine ganze Weile saßen sie so, bis ein sengender Schmerz in seinem linken Arm, den Catriona beinahe selbst körperlich spürte, den Ruf ankündigte.
Snape erhob sich mit schlangenartiger Geschmeidigkeit, ergriff den bereitgestellten Krug und wandte sich noch einmal zu Catriona um, die sich tapfer bemühte, sich die eigene Besorgnis nicht zu deutlich anmerken zu lassen.
"Deine Hilfe war sehr willkommen", sagte er leise und sah sie lange schweigend an.
"Wirst du hier sein, wenn ich zurückkehre?"
Sie nickte stumm, eine sentimentale Glückseligkeit im Herzen, daß er ihr auf diese subtile Art zu verstehen gab, wieviel sie ihm bedeutete.
"Ich muß gehen."
Snape neigte sich zu ihr, strich ihr zärtlich durchs Haar und verließ den Raum.
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