Tortur

 

 

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Kapitel 15: Annäherung



Catriona MacGillivray saß schon mit Remus Lupin in ein angeregtes Gespräch vertieft über duftendem Kaffee, als Severus Snape am nächsten Morgen den Nebenraum der Großen Halle betrat, in dem sie zu speisen pflegten, weil sich der Tränkemeister rundweg weigerte, sich den Schülern zu zeigen.

Sekundenlang kämpfte Snape mit dem Wunsch, sofort wieder zu gehen, aber MacGillivray hatte ihn schon gesehen und klopfte einladend auf den Platz zu ihrer Linken.

"Einen sonnigen Morgen wünsche ich", sagte sie und lächelte.

Tatsächlich fielen die Sonnenstrahlen einer unerwarteten herbstlichen Warmfront durch die bleiverglasten Fenster. Auf solche Feinheiten hatte Snape seit Ewigkeiten nicht mehr geachtet. Für ihn gab es nur seine Arbeit, die Treffen des Phönixordens, die Zusammenkünfte der Todesser und den ständigen Kampf gegen übermächtige, innere Dämonen.
Er nahm schweigend Platz und vergrub den Blick in seiner Kaffeetasse.

Was für eine Gesellschaft, in der er sich befand! Vor der Buschhexe, auf deren Hilfe er unglücklicherweise angewiesen war, hatte er sich durch sein Versagen erniedrigt und sich vor dem Werwolf beinahe ein zweites Mal unverzeihlich gedemütigt, als er fast in Tränen ausgebrochen war.

Beim besten Willen bekam er keinen Bissen hinunter. Lupins elendig mitfühlender Blick machte ihn rasend, und jetzt richtete diese Frau auch noch das Wort an ihn.

"Probieren Sie mal."

Sie streckte ihm eine Dose hin, aus der es verführerisch duftete. Als Snape keinen Finger rührte, förderte sie ein Bröckchen zutage, das im Entferntesten Gebäck ähnelte.

"Quittenlatwerge", stellte der Tränkemeister mit einer schwachen Spur von Interesse fest. "Ich denke, Sie mögen keine Süßigkeiten?"
Wie lange war es her, seit er die Muße gehabt hatte, selbst welche herzustellen? Seit Zeitengedenken gab es keinen Platz mehr für Ablenkungen in seinem Dasein, selbst wenn sie mit seiner Profession zusammenhingen. Er war froh, wenn er ohne Alpträume schlief - für neckische Kindereien gab es keinen Platz.

"Latwergen, Professor, sind keine Süßigkeiten", belehrte sie ihn würdevoll und bot Remus Lupin die Dose an, der sich schüchtern bediente.

"Woher haben Sie den Salep?" erkundigte er sich beiläufig, da er seine Vorräte nie mehr aufgefüllt hatte, und ein lauernder Zug erschien in seinen unergründlichen Augen.

MacGillivray hob spöttisch die bleistiftdünnen Augenbrauen.

"Nur keine Sorge", sagte sie kühl, "es liegt nicht in meiner Natur, anderer Leute Besitz zu stehlen.

Snapes schwarze Augen, um die noch immer dunkle Schatten lagen, verengten sich verärgert; er mochte es gar nicht, vorgeführt zu werden, aber er schob sich dennoch ein winziges Stückchen in den Mund.
Es schmeckte vorzüglich, und seine Anspannung legte sich ein wenig.

Auch Remus Lupin kaute begeistert auf MacGillivrays Latwergen herum; Snape durchzuckte der böse Gedanke, daß er sich Leckereien üblicherweise gar nicht leisten konnte. Fast schämte er sich dafür; Lupin hatte sich wirklich zivilisiert benommen in der letzten Zeit und verdiente solche Häme daher nicht.

xoxoxox

"Haben Sie einmal leichte Zauber versucht?" erkundigte sich die Schottin auf dem Weg in die Kerker möglichst unaufgeregt.
Es war so unglaublich anstrengend, ihn nicht zu beleidigen, daß ein Lauf auf rohen Eiern einem Kinderspiel dagegen gleichkam.
Mit übermäßiger Geduld ohnehin nicht gesegnet, vermißte sie bereits die Wortgefechte mit ihm.

"Ich hatte… keinen Erfolg", stieß Snape hervor und krampfte die Hände um den Zauberstab in der Innentasche seiner Robe. Er wirkte trotz ihrer vermeintlichen Rücksicht äußerst zornig. Sie würde doch nicht die Unverfrorenheit besitzen, ihn aufzufordern, vor ihr zu beweisen, daß er nicht besser zauberte, als jeder Muggel?

Catriona MacGillivray öffnete mit einem versonnenen Ausdruck in den goldgrünen Augen die Tür zu Snapes Büro.
Sie setzte ihre Brille ab, aber anstatt diese in dem dafür vorgesehenen Etui verschwinden zu lassen, ließ sie ein Glas in rascher Konzentration springen.
Seit sie bei einer der ersten Expeditionen, auf die sie unbedarft und voller Staunen gegangen war, einmal eine Lanzenotter aufgeschreckt hatte, hatte sie sich geschworen, die hohe Kunst der Magie ohne Zauberstab zu erlernen, da man diesen ohnehin nie dabei hatte, wenn man ihn brauchte, und mittlerweile war sie über das Anfängerstadium gut hinaus.

"Wie ungeschickt", sagte sie frech, und ihre Augen glitzerten eigentümlich.
"Trauen Sie sich die Reparatur zu, oder möchten Sie lieber Feuer machen?"

Snape fixierte sie eine volle Minute, ohne zu blinzeln, bevor er herumwirbelte und ein deutliche verzweifeltes "Inflamare" auf die Holzscheite losschleuderte.

"Sind Sie nun zufrieden?" fragte er unendlich erbittert, als sie selbst Feuer machte.

"Ich wußte gar nicht, daß Sie so schnell aufgeben", stichelte die Schottin, eilte zu einem zweiten Kessel und warf eine Handvoll getrockneten Wasserschierlings hinein.

"Beachten Sie mein Experiment gar nicht. - Womit sollen wir weitermachen?"

Snapes sonst so kalte Augen schossen Blitze. Dies war sein Labor, sein Reich, und sie war seine Assistentin, die für ihre unnötigen Experimente garantiert doch seine Vorräte verwendet hatte.

Bevor er sich recht bewußt geworden war, was er tat, hatte der Zauberstab den Weg in seine Hand gefunden, und er ein haßerfülltes "Extingo!" auf ihren Kessel geworfen.

Die Flammen züngelten einen Moment, als wollten sie ausgehen, und sowohl Snape als auch MacGillivray hielten den Atem an, aber dann loderten sie erneut hell auf: Der Zauber war offenbar nicht stark genug gewesen.

Eine dicke Eisschicht legte sich über den Groll in Snapes Augen und verbarg den unauslöschlichen Schmerz, der in ihm aufwallte.
Seine Stimme klirrte vor Unnahbarkeit, als er befahl: "Löschen Sie die Flammen. Ich wünsche, daß Sie Ihre volle Aufmerksamkeit auf den Werwolftrank konzentrieren."

Sie hielt seinem arktischen Blick stand, konnte es sich aber nicht verkneifen, einen Augenblick länger als nötig zu zögern, um ihm klarzumachen, daß sie seinem Befehl nur gehorchte, weil sie selbst es wollte.

xoxoxox

Um die Mittagszeit, als die Herbstsonne so hoch stand, daß es selbst in Snapes feuchten Kerkern nach Laub und Heu duftete, legte Catriona MacGillivray ihren Utensiliengürtel ab und bedachte den Meister der Zaubertränke mit einem so freundlichen Lächeln, daß diesen ein unwillkürlicher Schauer überlief und er rasch den Blick senkte.

"Ich möchte Ihnen etwas zeigen", sagte sie geheimnisvoll, ging zur Tür und hielt sie für ihn auf. "Bitte."

Er folgte ihr mißtrauisch und wachsam bis zu einer kleinen Pforte, die, wie er sehr wohl wußte, ins Freie führte.

"Was soll das werden?" fragte er schneidend und blieb wie angewurzelt stehen.
"Ich mache keinen Spaziergang mit Ihnen."

Er zerbiß förmlich jedes Wort, so daß die Schottin der Versuchung widerstehen mußte, die Hände aufzuhalten, um den imaginären Buchstabensalat aufzufangen.

"Wir machen keinen Spaziergang", sagte sie überdeutlich in einem redlichen Versuch, ruhig zu bleiben. "Ich sagte es doch bereits: Ich möchte Ihnen etwas zeigen."

Äußerst widerwillig ließ sich der Tränkemeister durch hohes Gras an dichten Hecken vorbeiführen, bis sich das Gebüsch plötzlich lichtete und den Blick auf die klaren Wasser des Sees freigab.
Die Aussicht war in ihrer Schlichtheit so atemberaubend schön, daß es selbst Snape, der sich gut und gerne rühmen konnte, ein Meister bitterbösen Spottes zu sein, zunächst die Sprache verschlug. In all den Jahren, die er nun schon hier weilte, war ihm dieser Platz stets verborgen geblieben. Zugegeben, er hatte nie einen Blick für Naturschönheiten gehabt; den See verband er unauslöschlich mit dem gräßlichen Streich, den ihm James Potter und Sirius Black vor einer größeren Gruppe von Zuschauern gespielt hatten; außerdem wurde seiner Meinung nach die Bedeutung einer ästhetischen Landschaft bei weitem überschätzt, aber dieser Ort strahlte eine fast überirdische Ruhe aus.
Die Zweige einer mächtigen Trauerweide berührten mit ihren Spitzen beinahe die Wasseroberfläche, und dort am Ufer wuchs Mentha aquatica.

"Dieser Ort ist… ansprechend", sagte er steif.

"Wie? Oh, ja", bestätigte MacGillivray zerstreut. "Schöne Aussicht. Kommen Sie, hier herüber. Kleine Testfrage: Was sehen Sie?"

Snape beugte sich mit gerunzelter Stirn zu ihr hinunter. Sie waren nicht wegen der Aussicht gekommen??
Beim hochverehrten, großen Merlin, etwas Unberechenbareres, Wortgewandteres hatte er noch nie getroffen.

Ein Fünkchen Sympathie ließ etwas Eis in seiner Stimme schmelzen, als er unfroh feststellte: "Sie haben ja tatsächlich noch Petasites gefunden."

Pestwurz - unverzichtbarer Bestandteil des 'Curatio Micraniae' war zwar keineswegs selten, aber zu dieser Jahreszeit durch das unberechenbare Klima längst nicht verläßlich verfügbar. Vermutlich war ihre Suche nicht ganz uneigennützig gewesen, überlegte er hämisch und dachte an den desaströsen Abend. Hoffentlich waren ihre Kopfschmerzen unvergeßlich gewesen.

Ein stolzes Lächeln huschte über MacGillivrays Gesicht.
"Schön, daß Sie meinen Spürsinn zu schätzen wissen."

Sie sammelte mit flinker Hand Blätter und Knolle einer Pflanze, ließ sie in einer altmodischen Botanisierbüchse verschwinden und setzte sich mit einem wohligen Seufzer ins Gras.

Severus Snape tat es ihr nach einiger Überlegung gleich. Die Herbstluft war angenehm; er fror nicht, und eine ungekannte Zufriedenheit durchströmte ihn, während er mit ernstem Gesicht seine Robe um sich drapierte, damit sie keine Knitterfalten bekam.

Catriona MacGillivray beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, ein belustigtes Lächeln auf den Lippen.
Obwohl Severus Snape beim besten Willen kein umgänglicher Zeitgenosse war, fühlte sie sich seltsam zu ihm hingezogen.
Er konnte furchtbar höhnisch, gehässig und arrogant sein und gleichzeitig so verletzlich und besessen davon, anerkannt zu werden - zutiefst rührende Charakterzüge, die er ängstlich hinter einer undurchdringlichen Maske aus verschlossener Unnahbarkeit verbarg und sorgsam danach trachtete, daß niemand hinter die Barriere sah und ihn aus der unendlichen Einsamkeit befreite.

"Erzählen Sie mir von Brasilien", sagte Snape unvermittelt.

Er saß gegen den Stamm einer Erle gelehnt, und seine dunklen Augen ruhten unverwandt auf der spiegelglatten Wasseroberfläche, auf die die Sonnenstrahlen glitzernde Phantasiegebilde malten.

"Mir ist nie ein vielseitigeres, widersprüchlicheres Land begegnet", begann MacGillivray nachdenklich. "Die Menschen sind warmherzig, aber auch sehr stolz. In den Städten wird man erdrückt von brodelndem Leben, aber dort am Amazonas, wo ich arbeite, ist es herrlich ruhig."

Ein träumerischer Ausdruck trat in ihre jetzt stahlblauen Augen.

"Mich überwältigt immer wieder diese pralle Natur, die Üppigkeit der Farben, die feuchte Hitze, der schwere Duft, der über dem Wald hängt.
Wenn man dagegen die karge Landschaft betrachtet, die meine Heimat ist…"

Sie lächelte schwärmerisch.

In Snapes Augen blitzte es eigenartig.

"Sie sind gern dort", stellte er sachlich fest.
"Die Flamelstiftung hätte schlechtere Mitarbeiter entsenden können", fügte er plötzlich ernsthaft hinzu, und MacGillivray wurde erschüttert klar, daß sie soeben ein Kompliment von Severus Snape bekommen hatte.

Eine Weile saßen sie friedlich nebeneinander, zufrieden mit der Stille und dem zwanglosen Schweigen.

Als Snape abrupt aufstand, taumelte er und wäre gestürzt, hätte ihn MacGillivray nicht geistesgegenwärtig am Arm gepackt.

"Schwindlig?" fragte sie besorgt.

"Mir fehlt nichts", behauptete Snape abweisend, obwohl sich alles um ihn drehte. Unselige Kreislaufstörungen!

"Wie Sie meinen." Achselzuckend ließ sie ihn los und beobachtete mit einer Mischung aus Schadenfreude und Bedauern, wie er unsicher Halt an der Erle suchte, an der er gesessen hatte, bis er wieder klar sehen konnte und sich mit einem bitterbösen Blick rächte.

"Kennen Sie Ololiuqui?" fragte sie unschuldig, während sie sich bemühte, seinen ausladenden Schritten zu folgen.

"Wofür halten Sie mich?" giftete er, ohne sich umzuwenden und hoffte im selben Moment, sie würde die Frage nicht zu wörtlich nehmen.

'Das sage ich Ihnen besser nicht, Sie sturer Kerl', dachte MacGillivray verdrossen; laut sagte sie, mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen: "War das ein Ja oder ein Nein?"

Der Meister der Zaubertränke gestattete sich ein erzürntes Schnauben.

"Was möchten Sie mir sagen?" fragte er mit erzwungener Ruhe, als sei es unter seiner Würde, überhaupt mit ihr zu reden, glitt in sein Büro und versuchte vergeblich, die Tür des Vorratsschrankes mit einem Zauber zu öffnen.

MacGillivray tat, als hätte sie nichts gesehen.

"In Mexiko verwendet man Ololiuqui gequollen in Pulque als Giftorakel", dozierte sie in der Hoffnung, ihn soweit abzulenken, daß er vergaß, sich wegen des mißglückten Zaubers zu schämen. "In meinen Forschungen habe ich allerdings eine weitere, sehr interessante Anwendung entdeckt, die in Mexiko unbekannt zu sein scheint."

"Faszinierend", sagte Snape und hätte nicht desinteressierter klingen können.
"Was hat dieser für Sie zweifellos recht bedeutsame Fakt mit meinem Werwolftrank zu tun?"

"Gar nichts", bestätigte die Schottin freimütig, nahm einen Schluck ihres Trankes für gute Sicht und sehnte sich nach einer Runde Alraunenwein (gern auch mit Remus Lupin, obwohl seine Harmoniesucht ihr doch schnell zuviel wurde), um sich von dem schwierigen Tränkemeister zu erholen.

Snape, dem der kurze Aufenthalt im Freien einen Hauch Farbe verliehen hatte, wirkte plötzlich wieder bleicher.
Eine sehr unwillkommene Erinnerung an die Dementoren von Azkaban hatte sich in sein Gedächtnis geschoben, und es bereitete ihm körperliche Schmerzen, sich aus dem Kokon seiner sich verspinnenden Gedanken zu befreien.

"Diese andere Anwendung schließt Konzentrationsstörungen mit ein", sagte Catriona MacGillivray gerade sanft.

"Ich habe keine" -

- "Konzentrationsstörungen", fiel sie ihm schon wieder spöttelnd ins Wort. "Schon recht."

Sie erkannte sich in seinem Eigensinn so sehr selbst wieder, daß es fast unheimlich war. Auch sie reagierte ungehalten, wenn man ihr helfen wollte.

"Nur mal theoretisch angenommen, jemand, der einmal ein sehr guter Zauberer war, würde mich um Rat fragen", sagte sie spitz, "in diesem unwahrscheinlichen Fall könnte mir einfallen, auf den 'Trank der Gegenwärtigkeit' hinzuweisen."

Snape erstarrte. "Sind Sie des Wahnsinns, Weib?" entfuhr es ihm heftig.
Er strich sich fahrig durch die langen Haare und zerbrach beinahe eine Phiole mit grüner Flüssigkeit, die er in den schmalen Fingern hielt.

Er hatte also ihre Publikation in der Ars Potionis gelesen und stellte sich unwissend. Arroganter, hinterhältiger, dickköpfiger -

Und natürlich wußte er auch, daß die zauberkundigen indianischen Schamanen diesen Trank erfolgreich gegen schwere psychische Traumata einsetzten. Sie hatte immerhin in aller Ausführlichkeit darüber berichtet.

"Es ist nur ein Vorschlag, Professor", winkte sie unbeeindruckt ab. "Vielleicht schaffen Sie es ja auch ohne Hilfe, irgendwann wieder zu zaubern. Der Versuch, mir die Flammen zu löschen, war ja ganz nett heute morgen."

"Vielen Dank!" spie er gekränkt und ahnte nicht, daß es ihr beinahe ebenso naheging, ihm solche Bosheiten entgegenzuschleudern.

"Es ist mir ein Vergnügen!"

Hatte sie wirklich gerade noch eins draufgesetzt? Catriona MacGillivray biß sich reuig auf die Lippen. Das war nicht ihre Absicht gewesen, aber ihre scharfe Zunge verselbständigte sich ob solcher Herausforderungen und war in ständiger Alarmbereitschaft. Und manchmal etwas zu übereifrig.

Unglücklicherweise kam eine Entschuldigung nicht in Frage; wenn sie schon Gehässigkeiten austeilte, mußte sie anschließend auch das Rückgrat besitzen, zu ihnen zu stehen.
Jammerschade. Sie mochte ihn, stellte sie erschrocken fest. An die Stelle des besessenen Wunsches, sich mit ihm zu messen, war ein völlig neues, unerwartetes Gefühl getreten: Zuneigung.

Es gelang ihm, sie mit wenigen Worten bis zur Weißglut zu reizen, und ebenso wie er selbst pflegte sie dann so zu tun, als sei ihr das alles gar nicht wichtig.
Sein einsames, gefährliches Leben dauerte sie; immerhin hatte sie im Gegensatz zu Severus Snape stets über einen engen Kreis guter Freunde verfügt, der sie um ihrer selbst willen mochte - mitsamt der messerscharfen, sarkastischen Zunge und einer von Außenstehenden schnell als Arroganz verkannten Reserviertheit.

Aber hinter all seinen Barrieren und Mauern glaubte sie die Sehnsucht nach ein wenig Nähe zu erkennen und - einen staubtrockenen Humor.

"Sie starren, Miß MacGillivray", sagte der hagere Tränkemeister und zog die dunklen Brauen provozierend in die Höhe.
Eigentlich war er des ständigen Streites müde, aber es schien, als führe sein Großhirn ein Eigenleben und reagierte, bevor ihm das limbische System Einhalt gebieten konnte.
"Ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Art, sein Gegenüber zu betrachten, in Brasilien als höflich gilt."

Touché. Mit ungewollten Siegen hatte Snape keine Erfahrung, und wenn er die Worte auch nicht bereute, so bereitete ihm doch der Gedanke an das, was gewesen wäre, hätte er sie nicht ausgesprochen, ein leichtes Unbehagen.

Catriona MacGillivrays feines, scharfgeschnittenes Gesicht überzog ein Hauch von Rot, aber sie parierte gekonnt und scheinbar unbefangen: "Der Anblick könnte weniger ansprechend sein."

Snape wandte sich rasch ab, damit sie seine Verwirrung nicht sehen sollte.

"Muß ich mich jetzt bedanken?" stichelte er, den Blick fest auf ein besonders mißgestaltetes Wesen in blauer Lösung gerichtet.
So lange er keinen Blickkontakt mit ihr halten mußte, war es so viel einfacher, sein zynisches, kaltes Selbst zu ihr sprechen zu lassen.

"Nur, wenn Sie wirklich so viel Wert auf Höflichkeit legen, wie Sie mich eben glauben machen wollten", erwiderte sie schlagfertig und nahm erfreut zur Kenntnis, daß sie dieses Schlachtfeld als Siegerin verlassen hatte.

Snape zog sich dorthin zurück, wo er sich sicher fühlte.

"So erbaulich ich die Gespräche mit Ihnen finde", sagte er glatt, "so denke ich dennoch, es bleibt noch viel zu tun."
Er schritt würdevoll zu dem Kessel, in dem der verbesserte Werwolftrank schimmrig ruhte und bereitete ihrem Geplänkel damit ein jähes Ende.

***
Kleine Pflanzen- und Drogenkunde: Latwergen sind alte Arzneiformen, die man aus Knabenkrautmehl (Salep) mit entsprechenden Zutaten herstellte. Neben der arzneilichen Zweckbestimmung gab es natürlich auch die rein hedonistische Anwendung, beispielsweise als köstliche Quittenlatwergen.
Petasites ssp. (Pestwurz) wird bei den Muggel u.a. in der Migräneprophylaxe eingesetzt.
Mentha aquatica (Wasserminze) ist ein Kreuzungspartner, der schließlich zur bekannten, aus Kreuzungen entstandenen Pfefferminze (Mentha x piperita) führt.
Ololiuqui sind die psychoaktiven Samen der Turbina corymbosa, einer tropischen Ranke, die besonders in Mexiko, Kuba und Amazonien vorkommt, wo sie für schamanische Rituale genutzt wird.
***

Bin wie immer sehr gespannt auf Eure Meinungen oder auch: Reviews sind sehr willkommen!



 

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