"Christian, kommst du bitte erst einmal zum Essen. Deine Bretter laufen dir nicht weg", rief Mrs Granger durch den Garten ihrem Mann zu, der seine Einkäufe aus dem Baumarkt sorgfältig geordnet und gestapelt hatte.
"Wer hat Paps eigentlich auf die Idee gebracht, eine Gartenhütte zu bauen? Ich meine, die kann man doch auch fertig kaufen oder als Satz. Oder?" Hermine stellte drei Gläser auf den Verandatisch.
"Ein Patient!", antwortete ihre Mutter. "Eine Schnapsidee. Aber lassen wir ihn machen. Er wird es schon noch merken." Sie ging noch einmal in die Küche.
Hermine ließ sich auf ihrem Platz nieder und blickte ihrem Vater entgegen, der nun auch zu Tisch kam.
"Na, Küken, haste Lust, mir nachher zu helfen?"
Hermine war sich nicht sicher, was sie antworten sollte. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, Harry und Ron den ersten Ferienbericht zu schreiben und sich später noch ein bisschen zu sonnen, doch sie wollte ihren Vater auch nicht vor den Kopf stoßen. "Mal sehen, ja? Wenn du meine Hilfe brauchst, eile ich zu dir. Ansonsten würde ich gerne mein Post erledigen und mir ein bisschen Ruhe gönnen."
"Na gut." Ihr Vater ließ sich auf seinem Stammplatz nieder. "Machen wir es doch einfach so: Heute genießt du den Tag und machst, was du willst und morgen hilfst du mir. Heute muss ich mich eh erst einmal genauer mit dem Plan auseinandersetzen, die Bretter nummerieren und so. Was hältst du davon?"
"Perfekt", stimmt seine Tochter zu.
"Was ist perfekt?" Mrs Granger kam mit einem Topf zurück, den sie mitten auf den Tisch stellte.
"Oh, Nudelsuppe! Mum, du bist die Beste!", rief Hermine und stürzte sich sofort auf die Kelle.
Ihre Eltern sahen ihr schmunzelnd zu, wie sie sich den Teller randvoll häufte.
"So was bekomm ich in Hogwarts nicht", erklärte das braunhaarige Mädchen.
"Ja, schon gut, iss ruhig", beruhigte sie ihre Mutter. Dann wandte sie sich an ihren Mann: "Also, was ist so perfekt?"
"Mine hilft mir morgen beim Bauen."
"Ehrlich?" Überrascht und ein wenig ungläubig blickte Mrs Granger zu Hermine.
"Ähm, ja", entgegnete diese und pustete einen Löffel Suppe auf angenehme Temperatur, bevor sie ihn sich in den Mund schob. "Himmlisch", murmelte sie. "Und so viele Nudeln."
"Schätzchen, es ist Nudelsuppe", meinte Mr Granger.
Hermine hörte nicht auf ihn und widmete sich nur noch ihrem Essen.
Erst nachdem der Topf zu dreiviertel leer war, legten sie wieder die Löffel weg.
"Puh, ich glaub, ich platze", seufzte Hermine.
"Kein Wunder, du hast ein Drittel des Topfes allein gegessen", lächelte Mrs Granger. "Man könnte ja glatt meinen, du bekämst in Hogwarts nichts."
"Doch, doch." Die Gryffindor dachte an die gedeckten Tische in der Großen Halle und an die Massen, die sie jeden Tag vorgesetzt bekamen. Hungern musste sie sicher nicht, aber es gab nie ihre Lieblingsspeise.
"Ach, ich muss euch noch was ganz Tolles erzählen", sagte Mr Granger nun. "Versteh gar nicht, wie ich das vergessen konnte."
"Jaah?", fragte seine Tochter neugierig.
"Ich hab Sense getroffen", strahlte er und sah seine Frau an.
Die schien sofort zu wissen, um was es ging, im Gegensatz zu Hermine, die nichts verstand.
"Das ist ja toll. Wo denn?", wollte Mrs Granger wissen.
"Im Baumarkt. Unglaublich, was? Jahrelang haben wir uns nicht mehr gesehen und plötzlich geht man ein paar Schrauben suchen und findet einen alten Freund wieder."
Hermine blickte ihre Eltern irritiert an.
"Sense ist ein alter Klassenkamerad deines Vaters", erklärte ihre Mutter. "Sie waren die besten Freunde, so wie er mir das immer geschildert hat."
"Jaah, ganz genau. Sense und ich haben die Klasse ganz schön auf Trapp gehalten", berichtete Mr Granger stolz.
Das braunhaarige Mädchen schmunzelte bei dem Gedanken an ihren Vater mit nicht mal zehn Jahren und wie er seinen Lehrern Streiche spielte.
"Wir haben ja eine Menge Mist gebaut, aber irgendwie haben wir nie richtig Ärger bekommen. Das war auch gut so, meine Eltern hätten mir den Hintern versohlt, hätte ich einen Tadel bekommen!", erzählte Mr Granger nun. "Ich glaub, Senses Charme hat uns damals davor gerettet. Unsere Klassenlehrerin war ihm von der ersten Minute an verfallen und er wusste das, denke ich. Immer, wenn er sie um Verzeihung gebeten hat, hat sie komisch geseufzt, es erinnerte mich immer an die alten Schnulzen, die meine Mutter sich im Fernsehen ansah. Und als er dann eines Tages wegging, hat sie versucht, mir `beizustehen´, dabei hat sie selbst fast geheult. Jaah, das waren Zeiten. Einfach herrlich. Obwohl ich doch sehr traurig war damals, als Sense so plötzlich weg war." Nun seufzte Mr Granger.
Seine Familie musste lachen.
"Christian, du bist schon unglaublich", meinte seine Frau.
Hermine schmunzelte nur. Irgendwie brannte sie darauf, `Sense´ kennen zu lernen.
"Tja, und wisst ihr, was das Beste ist? Er hat gesagt, er versucht Zeit zu finden, um uns mal zu besuchen. Er ist noch bis Mittwoch oder Donnerstag in der Stadt." Mr Granger strahlte wieder über das ganze Gesicht.
"Na, wie schön. Dann lern auch ich endlich mal diesen berühmt berüchtigten Sense kennen." Mrs Granger war offensichtlich erfreut.
Dann stand das Familienoberhaupt auf. "So, dann will ich mal weiter machen."
Die zwei Frauen erhoben sich ebenfalls und räumten gemeinsam den Tisch ab.
"Wie viel weißt du über Paps' Freund?", wollte Hermine von ihrer Mutter wissen.
"Nicht viel. Dein Vater hat mir früher viel von ihm erzählt, aber meistens waren das nur Dinge aus der Jugend und das sagt ja nicht viel über eine Person aus. Ich bin ziemlich gespannt, wer dieser Mann ist, ich meine *dieser* Name und dein Vater ist so verliebt in diesen Mann, das ist schon zum eifersüchtig werden. Aber eigentlich wissen wir kaum was über ihn, nicht mal, was er beruflich macht", berichtete Mrs Granger.
Ihre Tochter nickte stirnrunzelnd. "Und wieso ist er damals verschwunden?"
"Frag mich was Leichteres. Ich glaube, das weiß nicht mal dein Vater. Er hat mir nur immer gesagt, dass er im fünften Schuljahr nicht mehr in seine Klasse ging. Er war wie vom Erdboden verschluckt, glaub ich, und Christians Klassenlehrerin hat ihm auch nie was verraten, falls sie etwas wusste. Ziemlich seltsam eigentlich, wenn es sich nur um eine Umzug handelte", entgegnete die braunhaarige Frau.
"Vielleicht war's aber doch was Schlimmeres. Vielleicht hat der arme Mann ein Drama in seiner Jugend erlebt", spekulierte Hermine.
"Kann auch sein." Mrs Granger zuckte mit den Schultern. "Warten wir es ab, vielleicht erfahren wir es in den nächsten Tagen."
Hermine beschloss, es erst einmal dabei zu belassen. Ihr Vater konnte ihr sicher auch nicht mehr sagen, denn ihre Eltern waren sehr offen zueinander. Doch in Gedanken überlegte sie sich die seltsamsten Dinge.
Nachdem sie ihrer Mutter geholfen hatte, schnappte sich das braunhaarige Mädchen eine Liege, ihren Kater, Pergament und Feder und begann ihre Briefe zu schreiben. In Windeseile hatte sie ihren beiden Freunden von ihren ersten Ferientagen und dem mysteriösen Sense erzählt, auf den sie immer neugieriger wurde.
Noch wusste sie ja nicht, wer Sense wirklich war...