Die Schwarze Rose 2

 

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite


Kapitel 8: Der Spion

 




In genau dem Augenblick, als Severus in den Kreis der Todesser apparierte, traf ihn auch schon der Unverzeihliche Fluch mitten in die Brust. Ein verzehrender Schmerz schoß durch seinen Körper, ein Strom glühend heißer Lava, der jede einzelne Nervenzelle in Flammen setzte und ihn heftig zucken und zittern ließ, bis seine Knie schließlich nachgaben und er sich windend vor unerträglichen Schmerzen auf den harten Steinboden fiel.

‚Nur nicht schreien. Du darfst nicht schreien', war alles, was er denken konnte, während er sich krampfhaft auf die Lippe biß. Jede Faser seines Körpers schien zu brennen, sich danach zu sehnen, vor Schmerz aufzuschreien, aber den Gefallen wollte er dem Monster nicht tun. Severus hatte schon einige Male zuvor unter dem Cruciatus gestanden, da es eine der Lieblingsbeschäftigungen des Dunklen Lords war, den Fluch von Zeit zu Zeit und ohne ersichtlichen Grund auf alle seine Anhänger zu werfen, um seine absolute Macht zu demonstrieren. Aber es hatte niemals länger als ein paar Sekunden gedauert. Obwohl man sich nie wirklich daran gewöhnen konnte, war es doch halbwegs erträglich. Jetzt aber wollten die Schmerzen nicht aufhören, sondern potenzierten sich noch, als der Fluch zum zweiten und dritten Mal wiederholt wurde und immer neue Wellen von Schmerz durch seinen Körper schossen.

"Du bist spät, Severus. Ich warte schon seit vielen Tagen auf dich", zischte Voldemort. Dann wurde seine Stimme ein wahnsinniges Brüllen: "Niemand läßt den Dunklen Lord warten, niemals! Crucio!"

Als der Fluch endlich aufgehoben wurde, war Severus nahe daran, das Bewußtsein zu verlieren. Blut strömte von seiner zerbissenen Unterlippe, er keuchte und hustete schwer und zitterte am ganzen Leib in den Nachwirkungen des Unverzeihlichen.

"Ich hoffe, du hast deine Lektion gelernt, Severus. Und hüte dich, mich jemals wieder zu enttäuschen."

"Das werde ich, Meister", brachte Severus keuchend zwischen einem neuerlichen Hustenanfall hervor, während er versuchte, wieder auf die Füße zu kommen.

"Und was ist deine Entschuldigung, wenn ich fragen darf?" schnurrte der Dunkle Lord mit gefährlich leiser Stimme.

"Ich war krank." Nicht eine wirklich gute Entschuldigung, da Voldemort von seinen Anhängern erwartete, daß sie selbst halb tot vor ihm erschienen, Severus wußte das. Aber wenigstens war es keine Lüge. Die Lügen waren für später - falls es ein später gab.

"Oh, der arme, kleine Severus war krank?" höhnte Voldemort. "Du kannst auf Knien dafür dankbar sein, daß ich dir nicht zeige, was krank wirklich heißt - oder soll ich?"

Nein, er würde nicht um Gnade flehen. Es würde sowieso nichts nützen. Nur jämmerliche Waschlappen wie Karkarov und seinesgleichen würden das versuchen. Aber man gewann damit nichts als die Verachtung des Meisters und der anderen Todesser. Er würde nicht so tief sinken ...

"Was auch immer Ihr für angemessen haltet, mein Lord." In Erwartung eines weiteren Cruciatus biss Severus die Zähne zusammen. Aber es kam nicht.

"Wir haben wichtigeres zu besprechen und keine Zeit für Spielchen. Wo ist dein Vater?" Pechschwarze Augen bohrten sich in ebenso schwarze, versuchten in die Gedanken des jungen Zauberers einzudringen, während die unheimlichen, roten Ränder um die dunklen Pupillen gefährlich glühten und es Severus kalt den Rücken herunter laufen ließen.

Leere deinen Geist. Denke an gar nichts. Laß ihn um Merlins Willen nicht deine Gedanken lesen, oder du bist geliefert. Du schaffst das schon, versuchte Severus sich zu beruhigen, aber jetzt zitterte er mehr aus Angst als wegen des Cruciatus. Glücklicherweise schien das niemand zu bemerken.

"Ist er - ist er nicht hier?" Severus versuchte überrascht zu klingen und schaute sich zum ersten Mal zitternd um, so als ob er nach seinem Vater suchte. Scelestus' Platz war leer, wie er es erwartet hatte, aber Caligulas war schon durch einen Nachfolger gefüllt. Lucius?

"Nein, er ist nicht hier, und ich nahm an, du könntest mir erzählen, was passiert ist." In der Stimme des Dunklen Lords lagen Mißtrauen und eine tödliche Drohung. "Du bist sein Sohn!"

Verdammter Lügner. Ich bin gewiß nicht sein Sohn, wie du genau weißt. Der Haß, der in Severus' Brust aufstieg, hatte einen beruhigenden Effekt. Er würde nicht aufgeben, würde nicht gestehen und auf allen Vieren zu seinem Meister kriechen, den Saum seiner Roben küssen und um Gnade und Vergebung winseln. Er würde Dumbledore nicht enttäuschen, und wenn er dafür sterben mußte.

"Ich bin seit Wochen nicht Zuhause gewesen. Aber es würde mich nicht überraschen, wenn er zu betrunken zum Apparieren wäre, mein Lord", log er geschmeidig. Er schaffte es sogar, etwas von seinem üblichen Sarkasmus in die Worte zu legen, der ihm unter seinen Altersgenossen in der Schule und auch unter seinen Todesserkollegen, die seine schnelle und beißende Zunge nicht weniger fürchteten, eine Menge Feinde eingebracht hatte. Der Dunkle Lord war bisher immer eher angetan davon, obwohl Severus nicht sicher war, ob es wirklich eine gute Idee war, den verstorbenen Scelestus vor seinem Meister zu verspotten. Vermutlich eher nicht. Scelestus war trotz allem einer seiner ersten und treusten Gefolgsleute gewesen.

"Dein Vater hat mich nie warten lassen, so wie du es getan hast, Junge!" donnerte Voldemort mit in kalter Wut verzerrtem Gesicht. "Crucio!"

‚Definitiv keine gute Idee', war der letzte Gedanke, der Severus durch den Kopf schoß, bevor sein Bewußtsein erneut von einer Welle des Schmerzes ergriffen wurde, schlimmer denn je zuvor. Alles um ihn herum ertrank in einem Nebel aus brennendem Feuer. Weit entfernt hörte er jemanden vor Schmerz laut schreien. Die Stimme kam ihm irgendwie bekannt vor, aber er konnte sie nicht zuordnen. Oder war er es, der schrie? Dann wurde alles um ihn dunkel, als er in tiefe Bewußtlosigkeit versank.

***



Stunden später kam Severus langsam wieder zu sich. Als er die Augen öffnete, sah er die bleiche Wintersonne schwach durch das staubbedeckte Fenster scheinen. Die Todesser schienen verschwunden zu sein, aber er sah alles noch so verschwommen, daß er sich nicht sicher sein konnte. Sein gesamter Körper tat entsetzlich weh, jede auch noch so kleinste Bewegung verursachte neue Wellen von Schmerz. Auf dem Boden waren Blutlachen, und seine Kleider waren zerrissen und an einigen Stellen durchweicht. Aber er war am Leben. Und bei Verstand. Das war wenigstens etwas. Daran, um wieviel schlimmer alles gewesen wäre, wenn er nicht das Stückchen Murtlap geschluckt hätte, bevor er am Rand des Verbotenen Waldes appariert war, wollte er lieber nicht denken.

"Ah, du hast dich endlich dazu entschlossen aufzuwachen." Die gedehnt sprechende Stimme echote durch den hallenartigen Raum. "Ich dachte schon, ich müßte nach der Nacht auch noch den ganzen Tag lang über dein jämmerliches Gerippe wachen."

Severus hatte die Stimme sofort erkannt, die gedehnte Sprechweise war unverkennbar. Lucius Malfoy, Caligula Malfoys Sohn. Sie waren während all der Jahre in Hogwarts Zimmergenossen gewesen, und trotz Lucius' Arroganz und Überheblichkeit waren sie so etwas wie Freunde geworden. Nicht wie Potter und Black, das unzertrennliche und unerträgliche Duo, aber in einer Slytherin Art und Weise. Und auch wenn es niemand offen zugeben würde, schloß dies Loyalität mit ein.

"Luc?" fragte Severus schwach. Er versuchte sich aufzusetzen, aber sank stöhnend wieder zurück.

"Schöne Bescherung, in die du dich da letzte Nacht hineinmanövriert hast. Und natürlich bin ich derjenige, der die Scherben aufsammeln muß", beklagte sich Malfoy. "Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, Sev? Den Dunklen Lord so dummdreist auf die Palme zu bringen, obwohl doch jeder wußte, daß er seit dem Tag, an dem unsere glorreichen Väter es geschafft haben, sich in die Luft zu jagen oder was auch immer passiert ist, in der übelsten Laune war." Lucius schien nicht besonders beeindruckt vom frühzeitigen Verscheiden seines Vaters zu sein. "Oder willst du wirklich behaupten, du hättest nichts von ihrem Tod gewußt? Sev? Hörst du mir überhaupt zu?" Keine Reaktion. Severus hatte seine Augen wieder geschlossen, Schweißperlen waren auf seine Stirn getreten, und seine blasse Haut hatte einen grünlichen Schimmer angenommen. Echte Besorgnis ins Gesicht geschrieben - ein äußerst seltenes Phänomen bei einem Malfoy - schritt Lucius durch den Raum und kniete neben seinem Freund nieder.

"Sev, was ist los? Antworte!"

"Schlecht." Severus krümmte sich zusammen, seine Hände hielten seinen Bauch und sein Atem kam in stoßweisem Keuchen. Lucius zögerte nicht. Er richtete seinen stöhnenden Freund in eine sitzende Position auf und hielt ihn fest, während er Blut und Galle erbrach. Er zog sogar ein seidenes Taschentuch hervor und wischte Severus über das schweißbedeckte Gesicht, nachdem er sich fertig übergeben hatte.

"Danke, Luc", brachte Severus nach einer Weile hervor. Er lehnte noch immer schwer gegen den blonden Zauberer, der vergeblich versuchte, seine maßgeschneiderte Kleidung nicht mit Blut zu beflecken.

"Nun, wir bringen dich besser bald hier raus. Diese Schnitte müssen verarztet werden. Wir wollen ja nicht, daß die Snape-Linie ausstirbt, oder? Es sind wenig genug reinblütige Zaubererfamilien übrig."

‚Wenn du wüßtest ...'

"Kannst du aufstehen? Oder soll ich Mobilcorpus auf dich anwenden?" Malfoy grinste spöttisch. Er wußte genau, daß Severus lieber auf allen Vieren kriechen würde, als je wieder diesem Zauber ausgesetzt zu werden. Seine Aversion dagegen hatte natürlich wieder einmal etwas mit Potter und Black und einem ihrer fiesen Streiche zu tun. Während ihres vierten Schuljahres hatte Severus versucht, als Jäger in das Slytherin Quidditch Team zu kommen und hatte an den Abenden vor den Auswahlspielen heimlich trainiert. Er war ein ziemlich guter Flieger, der nicht einfach so vom Besen fiel, aber dennoch hatte niemand ihm geglaubt, daß Potter und Black seinen Besen verhext hatten, als er mit einem gebrochenen Bein im Krankenflügel aufwachte. Statt dessen hatten die beiden je zwanzig Hauspunkte dafür bekommen, daß sie ihn gerettet hatten! Und natürlich hatten sie dafür gesorgt, daß möglichst die halbe Schule zusehen konnte, wie sie ihn bewußtlos mit ihren Zauberstäben zum Krankenflügel hatten schweben lassen. In Windeseile kannte die ganze Schule ihre Version der Geschichte, und wieder einmal hatten sich alle auf seine Kosten königlich amüsiert. Das hatte seinen Quidditch-Ambitionen ein für allemal ein Ende bereitet.

"Wage es ja nicht", knurrte Severus und kämpfte sich zitternd auf seine Füße. Mit Lucius' Hilfe, der ihn halb zog, halb trug, schafften sie es schließlich bis zum Ausgang des heruntergekommenen Hauses und überschritten die Anti-Apparier-Grenze.

"Da dein Haus in Schutt und Asche liegt, schlage ich vor, daß ich dich mit nach Malfoy Manor nehme. Wir haben mehr als genug Gästezimmer, und einer unserer Hauselfen kann dich wieder zusammenflicken. Du willst bestimmt für den Überfall am Samstag in Topform sein. Alastor Moody feiert sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum, und wir sollten auf alle Fälle vorbeischauen und gratulieren, meinst du nicht auch?"

Doch bevor Severus antworten konnte, hatte der blonde Zauberer sie schon zum Familiensitz der Malfoys appariert.

***



Dobby, Lucius' Hauself, hatte ganze Arbeit geleistet. Severus fühlte sich schon viel besser, als er bequem zwischen kühlen und unglaublich leichten seidenen Decken lag. Seine Verletzungen waren gesäubert und verbunden worden, und ein starkes Schmerzmittel kreiste in seinen Adern und machte ihn angenehm benommen und schläfrig. Alles zusammen genommen, hätte es schlimmer kommen können. Zum Beispiel hätte er tot sein können, oder wahnsinnig. Wenn er es genau bedachte, hatte die großzügige Anwendung des Cruciatus ihm vielleicht sogar das Leben gerettet. Wenn der Dunkle Lord statt dessen ein gründliches Verhör durchgeführt hätte, hätte er wahrscheinlich keine Chance gehabt, Okklumantik hin oder her. Und wenn er ihm Veritaserum verabreicht hätte, schon gar nicht. Sogar der Unverzeihliche hatte eine positive Seite, wer hätte das gedacht?

Er war am Leben und hatte sogar etwas wichtiges, das er Dumbledore berichten konnte. Ihn vor dem bevorstehenden Überfall auf Moody warnen, so daß der Orden endlich einmal die Pläne des Dunklen Lords durchkreuzen konnte. Das einzige, was ihm Kopfschmerzen bereitete, war, wie er sich, ohne Verdacht zu erregen, aus der Feuerlinie halten sollte, wenn es zu einem Kampf kam. Und Lucius konnte er auch nicht im Stich lassen, immerhin waren sie Freunde. Aber sicherlich hatte der Direktor eine Idee. Ja, ganz bestimmt. Man konnte dem alten Zauberer vertrauen. Er hätte das von Anfang an wissen müssen. Aber besser jetzt als nie. Und Dumbledore vertraute ihm, war stolz auf ihn. Er hatte ihn ‚Sohn' genannt - und es auch gemeint. Vielleicht würde er dieses Spion-Spielchen sogar überleben - mit der Hilfe von Albus Dumbledore, dem größten Zauberer in ganz Britannien, vielleicht sogar der ganzen Welt. Dumbledore würde sich etwas einfallen lassen ...

Und mit diesen beruhigenden Gedanken schlief Severus ein.



Ende


 

 

 Kapitel 7

 



 

Zum Review Forum

 

Zurück