Die Schwarze Rose 2

 

 

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Kapitel 10: Die Feindglas-Idee

 

Erzählt von Remus Lupin


"Severus Snape lebt noch. Er lebt. Er lebt noch. Er..." Im Kopf wiederholte ich immer und immer wieder, was Dumbledore uns eben mitgeteilt hatte. Ich spürte, wie die Kopfschmerzen, die mich seit heute früh plagten, stärker wurden. Dieser eine Satz raubte mir jegliche Energie. Kraftlos liess ich meinen Kopf auf die verschränkten Arme sinken. Es war, als wäre ich in einem Alptraum gefangen, der so verrückt war, dass ich mich zusammenreissen musste, um nicht laut loszulachen. Die ganzen Wochen und Monate, die ich mehr oder weniger damit zugebracht hatte, Severus loszulassen, nicht mehr unentwegt an ihn zu denken - an das was er für uns alle getan hatte - und ich nicht zuletzt versuchte Dumbledore zu trösten, Muriel zu trösten. Und nun stand Dumbledore auf einmal da und erzählte uns, dass das Ganze nichts als eine geschickte Täuschung unseres Spions war?

Ich fühlte eine tiefe Enttäuschung darüber, dass Dumbledore uns nicht eingeweiht hatte - mich nicht eingeweiht hatte und ich fühlte mich von Severus betrogen, doch gleichzeitig rang ich um Fassung, als ich mir langsam aber sicher klar darüber wurde, was es bedeutete, dass Severus noch lebte. Er hatte alles aufgegeben. Schlimmer. Er hatte restlos alle Menschen, die er je gekannt hatte, die ihn je gekannt hatten, aus seinem Leben ausgeschlossen. Alles was er war, was er erlebt hatte, war mit ihm in jener Nacht gestorben. Ein vollkommen neues Leben, in dem es niemanden gab, mit dem er reden konnte, reden über die Zeit bevor... aber nun hatte ihn die Vergangenheit eingeholt. Voldemort hatte herausgefunden, dass Severus nicht tot war. Klar war, dass wir etwas unternehmen mussten und das schnell...

"Ich habe eine Idee."

Ich hob den Kopf. Mad Eye schob kratzend seinen Stuhl nach hinten und erhob sich.

"Ein Feindglas."

Schweigen.

"Ein Feindglas!"

Stille. Ich blickte mich rasch um. Den meisten schien es so wie mir zu gehen. Keiner schien eine Ahnung zu haben, von was der alte Auror sprach.

"Ist das so schwer zu begreifen?" fragte Moody nun etwas ungehalten.

"Vielleicht erheiterst du uns mit einigen Details, damit auch Normalsterbliche deinen verworrenen Gedankengängen folgen können", giftete McGonagall.

Mad Eye holte gerade Luft, als Dumbledore beschwichtigend die Hände hob. "Kinder, Kinder, beruhigt euch bitte." Dann wandte er sich an Moody. "Dein Plan Alastor?"

Moody räusperte sich und während sein magisches Auge sich ausschliesslich auf McGonagall richtete, erläuterte er mit Blick auf Dumbledore seine Idee.

"Also, die experimentelle Forschung der Abteilung 'Innere Sicherheit' beschäftigt sich seit ein paar Monaten intensiv mit der Umwandlung von Grundenergie. Die Möglichkeiten, die sich in diesem Bereich auftun sind enorm, wenn nicht sogar unbegrenzt, wenn ich das mal sagen darf. So müsste es eigentlich möglich sein ein Feindglas umzuprogrammieren."

"Wie sollte das funktionieren, Mad Eye?" warf Kingsley Shacklebolt ein. "Schliesslich könnte Snape überall auf diesem verdammten Planeten sein. Glaubst du ernsthaft daran, dass ein Feindglas-"

"Ja! Das tue ich!" fiel ihm Moody scharf ins Wort. "Wenn man die Feinderkennung abschaltet und die dabei freigewordene Energie auf die Grundenergie einer bestimmten Person ausrichtet, sollte es theoretisch möglich sein die gesuchte Person ausfindig zu machen."

Shacklebolt verdrehte die Augen und murmelte etwas wie "Märchen". An Moody gewandt meinte er dann: "Du glaubst tatsächlich daran, dass das Feindglas eine solche Brennweite haben wird, dass wir Snape aufspüren können, auch wenn er Tausende von Kilometern weit weg ist?"

"Auch wenn er noch in Europa wäre, wäre schon rein die Distanz zum Festland ein Problem", mischte sich nun Muriel ein. "Die Brennweite ist ja nicht das einzige Problem. Korrigiert mich wenn ich falsch liege, aber hierzu bräuchte es auch eine enorme Menge an magischer Spannung, welche sicher von unserer Gegenseite nicht unbemerkt bleiben würde, vom Ministerium ganz zu schweigen. Falls es tatsächlich funktionieren würde, könnte das bedeuten, dass wir damit Severus dem dunklen Lord wie auch dem Ministerium sozusagen auf dem Silbertablett servieren würden."

"Das ist allerdings ein Problem", warf nun Dumbledore ein. "Wir brauchen etwas, was die erforderliche magische Spannung ersetzt oder zumindest erheblich senkt."

"Einen Leiter?" Arabella Figg setzte sich in ihrem Stuhl wieder gerade hin.

McGonagalls Augen blitzten auf. "Etwas, was sich rasch und zielsicher vorwärts bewegen kann und nicht auffällt. Eine Eule vielleicht?"

Ein wissendes Lächeln von Dumbledore. "Ein Rabe."

Moody schnaubte verächtlich. "Snapes penetrantes Federvieh?" Minerva schoss ihm einen weiteren vernichtenden Blick zu. Er zuckte nur knapp mit den Schultern. "Ein Versuch ist es wert", fügte er etwas versöhnlicher hinzu und liess sich zurück in seinen Stuhl fallen.

Dumbledore erhob sich. "Ist es aller Wille, dass wir diese Möglichkeit versuchen? Wer damit einverstanden ist, hebe bitte seine rechte Hand."

Er blickte über seine Halbmondbrille hinweg einen nach dem anderen an. "Einstimmig? Dann ist es so beschlossen."

"Ich hab ein Feindglas von der Grösse 42C, das müsste dafür eigentlich geeignet sein", bot Moody an.

"Und ich kümmere mich im Ministerium um die nötigen Arbeiten an demselben."

Moody nickte. "Dann bringe ich dir das Feindglas heute Nachmittag gleich im Büro vorbei, Arthur."

"Ich kümmere mich um die nötigen Zauber, die die Spannung begrenzen," warf Muriel ein, an mich gewandt fragte sie: "Hilfst du mir dabei?"

Ich nickte ihr zu. "Natürlich!"

"Danke euch allen. Alastor, Arthur, Remus und Muriel, wir treffen uns heute Abend kurz nach halb Neun in meinem Büro in Hogwarts." Dumbledore strich sich langsam über den langen weissen Bart. "Seid vorsichtig, meine Kinder."


Erzählt von Severus Snape


Meine Arme wurden immer schwerer. Ich konnte sie kaum noch über meinem Kopf halten und der Schweiss rann mir brennend in die Augen. "Wer.....", keuchte ich.

"Wer?" Jemand hinter mir lachte heiser. "Du wirst doch deinen alten Freund nicht vergessen haben?"

Die kleinen Härchen in meinem Nacken stellten sich auf. Die Stimme hinter mir gehörte....

"Lucius!"

"Ganz recht, mein Freund. Hast wohl nicht gedacht, mich so bald wieder zu sehen, was?"

Plötzlich machte alles Sinn.... die ganze verdammte Pechsträhne, die mich seit nun fast 48 Stunden verfolgte. Warum war ich nicht sofort darauf gekommen. Doch wie hatten sie mich gefunden? Meine Täuschung war perfekt gewesen.

"Zerbrich dir nicht unnötig den Kopf darüber, wie wir es herausgefunden und dich aufgespürt haben, Severus. Zudem solltest du als langjähriges Mitglied wissen, dass uns nichts verborgen bleibt."

Shit! Das war nicht gut! Ganz und gar nicht gut! "Worauf wartest du dann noch, Lucius?" fragte ich nun. Was hatte ich noch zu verlieren? Ich liess die Hände sinken. "Das ist die Gelegenheit, auf die du schon seit Jahren wartest. Jetzt hast du die Chance... Erledige mich, hier und jetzt."

"Hmmm... Der Gedanke ist verlockend, das gebe ich zu. Aber was wäre das für ein Timing, jetzt wo ich dich wiedergefunden habe, wo ich dich doch bereits von den Würmern gefressen glaubte. Toller Trick übrigens. Chapeau, wie die Franzosen sagen würden und da wir ja schon beim Thema sind: Du schuldest mir einen neuen Anzug. Dieser widerliche Gestank aus deinem Sarg ging nicht wieder raus. Ich hoffe doch sehr, dass du noch etwas Geld zur Seite gelegt hast. Es wäre jammerschade, wenn das Ministerium alles in die Hände bekommen hat, als sie deine Besitztümer beschlagnahmt haben."

Ruckartig hob ich den Kopf.

"Oh! Hast du das etwa nicht gewusst?"

Dieser zuckersüsse unschuldige Tonfall liess die Zornesader auf meiner Stirn anschwellen. Verdammter Mistkerl!

"Du hattest alles so schön geplant, nicht wahr? Aber in der Eile hast du nicht daran gedacht, dass dies geschehen könnte... Traurig... Nicht einmal dein 'alter Freund' Dumbledore hat sie daran gehindert, als sie deine Sachen in Hogwarts abgeholt haben. Auf so einen Freund würde ich pfeifen!" Er spuckte voller Verachtung auf den Boden.

Obschon ich nie viel besessen und alles hinter mir gelassen hatte, spürte ich doch den Verlust der alten Bücher, die seit langer Zeit immer im Besitz eines Snape gewesen waren. Bücher meines Vaters, meines Grossvaters und weiter zurück... Sie waren teilweise verboten gewesen und seit langer Zeit aus allen Bibliotheken und Läden verschwunden. Mein Geld war mir nicht so wichtig, wie diese unwiederbringlich verlorenen Schriften. Mir war klar, dass kein geringerer als Lucius diese Aktion angeordnet haben konnte, doch meine Enttäuschung und meine Wut richteten sich auf Dumbledore... er hatte gewusst, dass ich nicht tot war. Ich hatte ihm geschrieben... warum hatte er zugelassen, dass sie all meine Dinge mitgenommen hatten.

Ich bemühte mich meine wahren Gefühle zu verbergen und gleichmütig zu klingen als ich antwortete: "Dies war in einem anderen Leben, Lucius. Wie sagte mal ein berühmter Schriftsteller? 'Wüsst ich mein Herz an irdisch Gut gefesselt, die Fackel würf ich eigenhändig frei hinein.'"

"Muggelliteratur, und wie mir scheint sehr frei interpretiert. Aber lenken wir nicht ab. Die Frage ist: Was machen wir mit den Neunhunderteinundfünfzig Galleonen für meinen neuen Anzug?"

Lucius hatte seinen Zauberstab locker in der Hand und ging gelassen um mich herum. An seine Stelle traten zwei in schwarze Umhänge gekleidete Männer, die mich mit festem Druck auf meine Schultern auf den Knien hielten. Ich versuchte mich aus ihrem festen Griff zu winden, jedoch ohne Erfolg.

"Du kennst, glaube ich, meine beiden Freunde hier noch nicht. Das sind Igor und Andrej. Die Nachnamen sind uninteressant. Aber du erinnerst dich doch sicher an Karkaroff."

Ich schnaubte verächtlich.

"Wie ich sehe, tust du das. Andrej hier", er wies auf den Hünen zu meiner Linken, "ist sein Cousin. Igor", Lucius wies mit dem Kopf zur Rechten, "ist sein bester Freund gewesen. Sie waren beide ganz wild darauf, dich kennenzulernen, Severus. Vor allem wenn man bedenkt, dass Karkaroff dir vertraut hat und du ihn ganz schön hast sitzen lassen."

Heftig versuchte ich mich aus ihrem Griff zu befreien, aber der Druck wurde stärker, so dass ich aufgeben musste.

"Ein Verräter lässt den anderen sitzen. Eigentlich unglaublich, oder? Dabei dachte ich immer, dass Gleichgesinnte zusammenhalten würden. Wie bei uns Todessern. Einer für alle, alle für einen."

"Wer ist es jetzt, Lucius, der sich in Muggelliteratur verirrt!"

"Oh Schande! Das muss dein schlechter Einfluss sein, Severus." Lucius schüttelte sich und schnippte ein imaginäres Staubkorn von seinem Kaschmirmantel. "Ein Vorschlag zur Güte... Du könntest das Geld, das du mir schuldest, bei mir abarbeiten. Ich bräuchten noch diesen oder jenen Trank. Du weißt ja, Narzissa und ihre Migräne." Er verdrehte seine Augen. "Oder... nein, ich will dich nicht in Versuchung führen."

Gift wäre für dich zu schade! Mistkerl!

Er trat näher, liess seinen Blick aufreizend über meinen Körper wandern. Die Art wie er mich ansah, weckte in mir ein mulmiges Gefühl und erinnerte mich unangenehm daran, dass mein Hemd klitschnass an meinem Oberkörper klebte und mehr von mir preisgab, als ich es mir in einer solchen Situation wünschte.

"Ich wüsste da vielleicht jemanden, der gutes Geld für so was wie dich bezahlen würde. Eigentlich steht er mehr auf Jungen, aber wer weiss... schlank bist du ja und vielleicht würde ihm dein Kampfgeist gefallen. Er liebt Herausforderungen." Lucius führte seinen Zauberstab aufreizend über meine Brust und leckte sich die Lippen. "Macht dir der Gedanke Angst?"

Peinlich wurde mir bewusst, dass ich vor Kälte zitterte.

"Warum reichst du deine Spesenrechnung nicht bei unserem allseits beliebten Lord ein, Lucius? Ich hörte, du würdest dich gut als sein Schosshündchen machen?"

Blitzschnell schlug Lucius zu. Sein Handrücken hinterliess einen brennenden Abdruck auf meiner rechten Wange.

"Ich warne dich, treib es nicht zu weit, mein Freund!"

Mit der Zunge befühlte ich die Innenseite meiner Wange, sie fühlte sich seltsam taub an - dann spuckte ich aus um den ekelhaft kupfrigen Geschmack loszuwerden.

Lucius nickte seinen beiden Begleitern zu, sie packten mich fester, drückten mich zu Boden, verdrehten mir die Arme auf den Rücken. Mein Gesicht wurde auf den rissigen Asphalt gepresst, doch mit einem Auge konnte ich Lucius erspähen, der ein Tuch aus seiner Manteltasche zog. Als er den darin eingeschlagenen Gegenstand vorsichtig auswickelte, erkannte ich ihn als Spritze. Er hielt sie prüfend hoch. Die rote Flüssigkeit im Kolben schien in Bewegung zu sein. Bildeten sich darin Blasen? Ich versuchte mich abermals zu wehren.

"Angst vor Spritzen, Severus?" Lucius lachte leise. "Ich kann dir versichern, der Braumeister hat nur die besten Zutaten verwendet."

"Verdammter...", presste ich keuchend hervor.

"Na, na. Du wirst doch deinen eigenen Gebräuen vertrauen, Severus."

Lucius zog die Schutzkappe von der Nadel und liess ein wenig von der Flüssigkeit herausspritzen. Wieder nickte er seinen Kumpanen zu, die ihren Griff abermals verstärkten. Ich spürte wie sie den linken Ärmel meines Hemds zurückrissen.

"Uh! Was ist das denn? Bereits ein Einstich?" Ich spürte wie Lucius meine Armbeuge vorsichtig betastete. "Drogen sind eine üble Sache, Severus. Du solltest die Hände davon lassen."

"Du verdammter-" Der brennende Einstich verschlug mir den Atem. In Sekundenschnelle versuchte ich im Kopf alle in Frage kommenden Gifte und Gebräue durch zu gehen, welche ich für den dunklen Lord gebraut hatte. Fest stand, dass ich diesen Cocktail niemals so gemischt hatte. Doch meine eben noch klaren Gedanken wurden zunehmend schwerer. Andere Gedankenfetzen mischten sich ein. Das Gesicht von Tom Riddle, bei seiner ersten Rede, Gesprächsfetzen zwischen dem Lord und mir... Dumbledore der... der ...

"Bis bald mein Freund und viel Spass!" Die Stimme klang seltsam verzerrt. Ich spürte wie der Druck auf Arme und Rücken wich, versuchte, mich zu bewegen, doch ich konnte kaum mehr unterscheiden, was ich tat, tun wollte oder nur dachte. Alles verschwamm zu einer grauen, teigigen Masse, die noch wildere Gedankenfetzen mit sich brachte. Alles wurde immer wirrer und mittendrin ein Gesicht. Ich konnte es nicht zuordnen. Es war nicht unbekannt, doch..... Jemand packte mich bei den Armen, drehte mich um. Alles wirbelte durcheinander. "Severus!" Eine Stimme, ein Ton, ein Wort, unbedeutend... verschwommen, unwichtig…




 

 

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