Die Schwarze Rose

 

 

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Kapitel 30 - Die Gefangene

 



Erzählt von Muriel Stern


Ich hätte mich ohrfeigen können. Der Trick, auf welchen ich hereingefallen war, war älter als die Zeit. Jeder Anfänger hätte erkannt, dass es sich hierbei nur um eine Falle handeln konnte. Zumal ich von Severus auch schon wusste, dass Malfoy Senior mit Voldemort im Bunde war. Doch das war wieder einmal so typisch für mich. Ignorant wie ich war, nahm ich alles was mir andere Menschen sagten, einfach auf die leichte Schulter, dachte nicht groß drüber nach. Sogar nachdem ich Lucius Malfoy mit eigenen Augen hatte den einen Trank stehlen sehen und nachdem ich die Schwarze Rose bekommen hatte, war ich noch so dämlich gewesen, mit Draco Malfoy mitzugehen. Ich war zu sehr mit mir beschäftigt, hatte mich wohl unbesiegbar gefühlt. Und was hatte es mir eingebracht?

In einem dunklen, kühlen Kerker, mitten im Nirgendwo saß ich nun fest. Gefangengehalten vom wohl grausamsten Schwarzmagier, der je gelebt hatte. Und um dem allem noch ein Sahnehäubchen aufzusetzen, war mein Geliebter oder wohl eher Ex-Geliebter ebenfalls an seiner Seite.

Ich drehte mich auf der Pritsche zur Seite. Die Ketten an meinen Handgelenken rasselten, als ich mich bewegte. Nichts war hier unten zu hören, außer dem gelegentlichen Quietschen der Ratten und einem stetigen Tropfen von Wasser. Doch auf der Pritsche hatte ich ein trockenes Plätzchen. ‚Zumindest das', dachte ich, auch wenn mir der Gedanken an die verlauste Strohmatratze, auf der ich lag, nicht gerade gefiel.

So lag ich da, starrte in die Dunkelheit und versuchte meine Gedanken zu ordnen.

In all den Jahren, in denen ich nun schon Aurorin war, war ich niemals in eine solche Lage geraten. Klar, wir hatten schon einige heikle Einsätze, doch gefangengenommen wurde ich nie. Und auch jetzt legte ich keinen großen Wert auf diese Erfahrung. Obwohl ich viele Protokolle gelesen und etliche Verhöre geführt hatte, so war Voldemort für mich immer nur eine Kreatur gewesen, die auf dem Papier existierte, die in den wirren Erzählungen einiger Todesser vorkam, die zuviel Veritaserum erwischt hatten. Die Empfindungen veränderten sich, wenn man mit eigenen Augen sah und nicht nur ‚wusste'. Zum allerersten Mal hatte ich Lord Voldemort gegenüber gestanden. Ich hatte mich gefragt, ob ich mich wohl vor dem dunklen Lord fürchten würde, doch das hatte ich nicht, nicht wirklich. Denn ein weitaus größerer Schrecken war mir begegnet. Severus! Ich hatte gewusst, dass ich ihn wohl sehen würde, doch ich war nicht vorbereitet gewesen auf die Welle von Hass und Verachtung, die mir aus seiner Richtung entgegen geschlagen war. ‚Was hast du denn erwartet, du dumme Kuh!', schalt ich mich. ‚Dass er dich in die Arme schließt und sagt: ‚Komm meine Liebe, ich verzeihe dir?' Nach allem was du ihm angetan hast? Wohl eher kaum.' Ich schloss fest die Augen und versuchte diese hässlichen Gedanken aus meinem Geist zu verbannen.

Der Severus Snape, den ich heute Abend gesehen hatte, glich in keinster Weise dem Mann, den ich unter diesem Namen kennen und lieben gelernt hatte. Nein. Dieser Severus Snape war ein Todesser. Ein eiskalter Killer. Ich hatte es in seinen Augen gesehen. Die Art und Weise wie er mich angesehen hatte. Wie ein Insekt, welches er am liebsten zerquetscht hätte.

Noch immer konnte ich es nicht fassen, was ich ihm mit Askaban angetan hatte. Ich hatte ihn zerstört, das war mir heute Abend erst richtig klar geworden, als ich ihm eins zu eins gegenüber gestanden hatte. Das Schlimmste war nicht mal das, was er in Askaban erlebt hatte, da war ich mir sicher. Auch wenn das schrecklich und unvorstellbar gewesen sein musste. Das eindeutig Schlimmste war, dass ich ihn auf die Seite des Bösen verbannt hatte. Ich hatte ihm alles genommen, was ihm lieb und teuer gewesen war. Seine Arbeit, sein Zuhause, sein Leben.... Ich hatte ihn zu dem gemacht, was er nicht mehr sein wollte, von was er um jeden Preis wegkommen wollte. Würde er nun diese Mauern verlassen, würde ihn das Ministerium jagen und er hätte keinen Ort auf der Welt, an dem er lange genug Zuflucht finden würde, um ein wenig zu verschnaufen, denn Hogwarts hatte ich ihm verwehrt. Und wenn er hier drin bleiben würde, dann war es ganz sicher, dass ihn die Finsternis langsam aber sicher umbringen würde.... Ich hatte Severus fertig gemacht und das gründlich.

Das Klicken des Schlosses riss mich aus meinen Gedanken. Ich hatte keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war, seit ich in diese Düsternis gebracht worden war. Waren es nur Minuten, oder Stunden?

Quietschend wurde die Tür aufgestoßen und wieder geschlossen. Jemand war hereingekommen, doch in dieser verdammten Dunkelheit konnte ich nichts sehen. Furcht kroch mir in die Glieder und ließ mich frösteln. "Wer ist da?", rief ich unsicher.

Keine Antwort. Nur leise war das Rascheln eines Umhangs zu hören. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. "Ich weiß, dass jemand da ist."

"Auf einmal so ängstlich?"

Unwillkürlich erkannte ich seine Stimme; so samtig und weich, dass mir ein kalter Schauer über den Rücken lief. Die Furcht vor diesem Mann ließ mich in die hinterste Ecke meiner Pritsche zurück weichen, bis ich mit dem Rücken an die Wand stieß. Ein leises Keuchen kam über meine Lippen und panisch blickte ich mich um.

"Du hast wohl nicht damit gerechnet, dass ich dir heute Abend noch einen Besuch abstatten werde, nicht wahr, meine Liebe?" Ein leises dunkles Lachen war zu hören und wieder dieses unheilvolle Rascheln von Stoff.

"Zeig dich schon, verdammt!", keifte ich in lauter Panik.

"Oh... bist du des Versteckspiels schon müde? Schade, schade, schade. Gerade fing es an spannend zu werden."

"Mistkerl!"

"Aber, aber, wer wird denn gleich beleidigend werden."

"Du verdienst es nicht anders", gab ich heftig zurück, doch bereute sogleich die Worte, die ich unüberlegt gesprochen hatte. Ich hörte wie er scharf Luft einzog. "Es tut mir leid, Severus. Das... das...."

"Aber sicher doch. Dir tut alles immer leid, nicht wahr?"

"Was willst du von mir?", kreischte ich vor Angst.

"Was ich von dir will?" Severus schnaubte verächtlich. "Gar nichts! Oder warte... wie wäre es mit Vergeltung? Ja, genau Vergeltung klingt nicht schlecht." Mit einem kurzen Zauber ließ er die Fackeln entflammen.

Der Lichtschein fiel auf sein Gesicht. Und was ich sah erschreckte mich mehr, als seine Stimme oder seine Wut. Sein Gesicht war blass wie immer, doch es wirkte eingefallen und das schrecklichste waren seine Augen.

Er trat näher und strich sich die strähnigen Haare zurück. "Ich könnte dir die Pritsche wegnehmen, dich wie ein wildes Tier an die Wand ketten, so dass es dir nicht möglich ist, dich zu setzen oder gar hinzulegen... doch vorher... vorher würde ich dir ein paar Knochen brechen, so dass dir unsägliche Schmerzen bereitet werden, wenn deine Knie vor Erschöpfung nachzugeben drohen. Zudem könnte ich dich mit kaltem Wasser überschütten, so dass du bald nicht mehr unterscheiden kannst, ob du frierst oder verbrennst. Nicht zu reden davon, was ein Dementor vor deiner Tür ausrichten könnte, wenn er nur lange genug davor stehen bleibt. Und selbst dann, meine Liebe, selbst dann würdest du nicht einmal ansatzweise nachvollziehen können, was ich dank dir in Askaban ertragen mußte."

Die Bitterkeit in seiner Stimme ließ mich schaudern und der Ausdruck in seinen Augen brachte mich beinahe um den Verstand. Er ließ mich gekonnt all das grässliche sehen, was ich ihm angetan hatte und was ich verzweifelt versuchte zu verdrängen. Und ohne dass ich mich dagegen wehren konnte, liefen mir die Tränen über die Wangen.

Sanft strich er mir eine Träne weg. "Oh, habe ich dich zum Weinen gebracht? Das wollte ich nicht. Es tut mir leid." Er beugte sich nun weiter zu mir runter, seine Haare streiften sanft meine Haut und sein herber Duft nach Kräutern und Rauch erinnerte mich schmerzlich an glücklichere Zeiten. Nur mit Mühe konnte ich ein lautes Aufschluchzen unterdrücken, doch der Kloß in meinem Hals nahm mir beinahe den Atem.

Leise flüsterte Severus in mein Ohr: "Gratuliere, meine Liebe. Was niemandem sonst gelungen ist, hast du mit links geschafft. Ganz egal was ich in meinem Leben bis jetzt alles verloren habe, meine Würde und mein Zuhause waren mir immer geblieben. Doch du hast mir restlos alles genommen." Seine kalten, bitteren Worte brannten sich unauslöschlich in meine Seele. Ich wußte in dem Moment, dass auch ich alles verloren hatte. Ich hatte diesen Menschen, den ich über alles geliebt hatte, zerstört. Niemals würde ich dies vergessen können.

"Und jetzt", fuhr er gelassen fort, "gib mir nur einen Grund, warum ich dich nicht hassen sollte."

"Das kann ich nicht...", brachte ich heiser hervor und wandte meinen Blick ab. Ich konnte die Bitterkeit und den Schmerz in seinen Augen nicht mehr ertragen.

"Soweit ist es also gekommen?", fragte er mit zitternder Stimme. "Nicht einmal jetzt kannst du mir in die Augen sehen... Warum, Muriel? Warum?"

"Ich... ich..." Meine Kehle war wie zugeschnürt. Schluchzend vergrub ich das Gesicht in den Händen und schämte mich, dass ich so rücksichtslos und selbstgerecht gewesen war. Ich hasste mich dafür, was ich getan hatte.

Ich hörte wie er scharf den Atem einzog. "Ich verstehe...." Severus erhob sich und trat ein paar Schritte zurück.

"Nein! Nichts verstehst du!!!", schrie ich verzweifelt.

"Oh doch, meine Liebe... Ich verstehe nur zu gut. In den Augen der großen Aurorin ist es der kleine dreckige Todesser nicht wert, angesehen zu werden."

"Das ist nicht wahr!!" Ich hob den Kopf und blickte Severus an. Die Tränen strömten unaufhaltsam über meine Wangen und verschleierten meinen Blick.

"Wie dem auch sei. Es spielt keine Rolle mehr. Es interessiert mich nicht mehr, Muriel. Dafür hast du gesorgt." Leise fügte er hinzu: "Als ich vorhin die Zelle betrat, war ich mir nicht ganz sicher gewesen, was ich von der ganzen Sache halten sollte, doch du hast mir gerade eben meinen Wert aufgezeigt."

Severus ließ die Schultern sinken und wandte sich zur Tür.

"Halt! Warte!", schrie ich nun panisch. "Bitte geh nicht!"

Genervt blickte er sich zu mir um. "Was denn noch?"

Betreten sah ich auf meine Hände, wusste nicht, was ich eigentlich sagen wollte. "Lass.... lass mich bitte nicht allein. Nicht in dieser Dunkelheit..."

Einen Moment sah er mich unbeweglich an, bevor er leise antwortete: "Was weißt du schon von Dunkelheit und allein sein...." Ohne ein weiteres Wort verließ er die Zelle und schwer fiel die Tür ins Schloss.

Zitternd rollte ich mich auf der Pritsche zusammen und weinte hemmungslos. Weinte um den Menschen, den ich zerstört hatte und um mich, welche so töricht gewesen war zu glauben, immer das Richtige zu tun.

Ich wusste nicht, wie lange ich dagelegen und geweint hatte, bevor meine Tränen zu versiegen begannen. Erst da, als ich meine brennenden Augen rieb bemerkte ich, dass die Fackeln noch immer brannten. Severus hatte sie beim Hinausgehen nicht gelöscht. Hatte er sie absichtlich brennen lassen? Für mich?

Ein wenig Hoffnung keimte in mir auf. Nur um gleich wieder vernichtet zu werden. 'Nein', meldete sich mein Verstand, 'er hat sie nicht für dich brennen lassen.... er hat nur nicht daran gedacht, sie zu löschen...'

Erzählt von Severus Snape


Es war kurz nach halb Vier in der Nacht, als ich das Feuer unter meinem Kessel löschte und einen Kühlzauber über den Trank sprach. Die Bernsteinfarbe war verschwunden und mit ihr der Duft nach Honig. Als ich die Flüssigkeit in die bereitstehende Phiole abfüllte, erkannte ich erst die wirkliche Färbung. Ein klares tiefes Blau, wie der Himmel an einem strahlenden Sommertag. "Wie ihre Augen...." Hart rief ich meinen Geist zur Ordnung. Wie konnte ich jetzt noch an dieses berechnende Biest denken... Die Frau, die mir alles genommen hatte. Doch es war nur noch eine Frage von Stunden, bis das Schicksal vollends seinen Lauf nahm.

Ein bitteres Lächeln trat auf mein Gesicht, als ich die kleine Glasflasche gegen den Schein der Kerze hielt und die ungewöhnliche Färbung betrachtete. Der Trank war eine Meisterleistung geworden, geboren aus den schwersten Stunden meines Lebens. Zu was für Leistungen man durch solch extreme Situationen doch fähig war... Schade nur, dass niemals jemand die Leistung, die ich in dieser Nacht vollbracht hatte, würdigen geschweige denn zur Kenntnis nehmen würde...

Das Licht der Kerze brach sich in der Phiole und warf einen blauen Lichtfleck auf die rohe Arbeitsfläche. "Die Königin der Nacht....", flüsterte ich fasziniert, "mit einem Hauch Severus Snape..."

Ein heiseres Krächzen riss ich aus meinen Gedanken. "Black Moon!" Mit ein paar Schritten hatte ich den Kessel erreicht, auf dessen Rand sich mein Rabe niedergelassen hatte. Sanft strich ich über sein blau-schwarz glänzendes Gefieder. "Du bleibst mir noch allein, mein treuer Freund. Auf dich habe ich mich immer verlassen können. Und deshalb bist auch du es, der diese Nachricht überbringen wird." Ich ließ die Phiole in eine verborgene Umhangtasche gleiten und griff nach dem Umschlag, der auf meinem Schreibtisch lag. Zärtlich pickte mich der Rabe in die Hand, als ich den Brief an seinem Bein befestigte. Ein letztes Mal strich ich über seine Federn und murmelte: "Viel Glück..."

Der Rabe erhob sich und flog durch das geöffnete Fenster hinaus in die Nacht. Lange sah ich ihm hinter her und hoffte, keinen Fehler begangen zu haben...


Ein wenig später...


Ich beschloss noch kurz nach Thomas zu sehen. Sein Ausbruch vor ein paar Stunden hatte mich sehr beunruhigt. Die einzige Chance für ihn, hier irgendwie lebend rauszukommen war, einen kühlen Kopf zu behalten. Falls es überhaupt zu schaffen war, ihn zu retten. Ich spielte mit dem Feuer - das war mir bewusst, doch es war auch meine einzige Chance.

Leise betrat ich Thomas' Zimmer. Der Mond warf sein blasses Licht durch den Raum, so dass ich sehen konnte, wie sich seine Brust in regelmäßigen Atemzügen hob und senkte. Vorsichtig zog ich mich in mein Zimmer zurück und ließ mich schwer auf mein Bett fallen.

Auch wenn ich zu aufgewühlt war, um schlafen zu können, konnte mir ein wenig Entspannung nicht schaden. Ich schloss die Augen und versuchte die wild durch meinen Kopf wirbelnden Gedanken zu ordnen und in den Hintergrund zu drängen.

Irgendwann im Morgengrauen übermannte mich die Müdigkeit und ließ mich in einen unruhigen Schlaf fallen.


 

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