Kapitel 10: Eine Welt stürzt ein
Hermine erwachte dadurch, dass Snape sie vorsichtig schüttelte. Mit schreckenweiten Augen fuhr sie quietschend hoch, ihre Hände zogen schützend die Bettdecke bis ans Kinn. Snapes rechte Augenbraue hob sich. "Frühstück!" sagte er nur trocken und warf die Tür des Schlafzimmers hinter sich zu.
"Komm wieder runter Hermine." Hermine schalt sich selber wegen ihres hysterischen Gehabes.
Rasch kleidete sie sich nach einer kurzen Dusche an und ging zögernd ins Wohnzimmer.
Am gedeckten Frühstückstisch sass ein lesender Snape, in der einen Hand eine Tasse Kaffee, in der anderen den Tagespropheten.
"Guten Morgen!" Hermine grüßte vorsichtig. Snape sah kurz auf, nickte ihr kaum merklich zu und erwiderte: "Minerva meinte es wäre besser wenn du nicht alleine frühstücken musst, also…", er machte eine flüchtige Bewegung mit seiner rechten Hand die auf den üppig gedeckten Tisch deutete"...Guten Appetit!"
‚Kann er eigentlich mal was Nettes in einem netten Ton sagen?', fragte Hermine sich angesichts seiner säuerlichen Miene und goss sich vorsichtig eine Tasse Kaffee ein. Tatsächlich hatte sie großen Hunger doch in Snapes Gesellschaft traute sie sich nicht zu essen. Lieber nippte sie schweigend an ihrer Kaffeetasse. Es würde sie nicht umbringen eine Mahlzeit ausfallen zu lassen.
Sie nutzte die Gelegenheit sich den Raum anzusehen.
Draußen war es noch dunkel. Einige Kerzen und Leuchter erhellten den Raum, der überraschender Weise eher freundlich und wohnlich gewirkt hätte, wäre da nicht ihr gegenüber ein mürrischer Snape gewesen.
Nie hätte sie gedacht, dass seine Wohnung überirdisch liegen würde. Sie und ihre Freunde hatten immer geglaubt, er würde wie ein Vampir in einem fensterlosen Gewölbe wohnen.
"Es dämmert!" durchbrach Snape das eisige Schweigen.
"Dann hoffe ich, dass Sie Ihren Sarg noch rechtzeitig finden!" platze Hermine unbedacht heraus. Schon tat es ihr leid, dass sie ihre vorlaute Klappe nicht hatte halten können.
Snape ließ die Zeitung mit Nachdruck auf den Tisch klatschen, die Kaffeetasse fiel mehr, als dass sie auf die Untertasse gesetzt wurde. Mit hasserfülltem Gesicht fixierte Snape Hermine und seine Stimme fiel so eisig wie Schnee über sie her. "Miss Granger, dies hier ist MEIN Quartier und Sie werden sich hier an die grundlegenden, höflichen Umgangsformen erinnern, die Ihnen Ihre Eltern hoffentlich beigebracht haben. Ansonsten werde ich sie Ihnen beibringen und glauben Sie mir, dass wird ganz und gar nicht lustig für Sie!"
Damit zog er die Zeitung wieder vor sein Gesicht und Hermine schwieg eingeschüchtert.
Sie traute sich nicht mal mehr ihren Kaffee auszutrinken. Wenigstens konnte sie den Sonnenaufgang durch das Fenster sehen. Langsam aber unaufhaltsam kroch die tiefe Wintersonne über den Horizont.
‚Ich bin mit Snape verheiratet und die Sonne scheint trotzdem!', wunderte sich Hermine.
Ihr Blick glitt verstohlen über den Erker. Hinter den großen Fenstern wogten die blätterlosen Äste einer der großen Pappeln, die an der Südseite von Hogwarts standen.
Ein fuchsrotes Eichhörnchen sprang gerade zwischen den Ästen umher und spähte vorwitzig durchs Fenster. Hermine entfuhr spontan ein verzücktes "OOOOOCH" als sie das niedliche Tierchen sah. Snape hatte aufgesehen und war Hermines verzaubertem Blick gefolgt.
"Verdammtes lästiges Vieh!" hatte er durch die Zähne gestoßen und war aufgestanden um das Fenster aufzureißen. Er hatte seinen Zauberstab gezückt und zielte grimmig mit ausgestrecktem Arm auf das Eichhörnchen, das ihm mit seinen schwarzen Knopfaugen entgegenblickte.
Hermine sprang entsetzt auf. "Professor Snape, bitte..." Sie stürzte in den Erker. "Bitte Professor Snape, lassen Sie doch das Tier!"
Hermine war schon immer sehr tierlieb gewesen. Dass der Professor anscheinend dem harmlosen Eichhörnchen einen tödlichen Fluch zukommen lassen wollte, das konnte sie trotz ihrer Angst vor Snape nicht zulassen.
An Snapes Haltung änderte sich nichts, außer dass er seinen Kopf kurz zu Hermine wandte und sie seinen spöttisch gehässigen Gesichtsausdruck sah. Dann fixierte er wieder das Eichhörnchen und streckte den Arm mit dem Zauberstab weiter aus. Hermine stürzte, allen Mut zusammennehmend, auf ihn zu und zerrte an seinem Arm. "Professor Snape, bitte, Sir, lassen Sie es leben!" Tränen waren in ihre Augen getreten.
"Weg vom Fenster du törichtes Geschöpf", fauchte Snape sie an und mit seinem freien Arm drückte er sie fest an die Wand. Hämisch grinste er Hermine an und zielte ein drittes Mal auf das Eichhörnchen. Hermine erwartete nun einen Fluch von seinen Lippen zu hören doch stattdessen vernahm sie ein leises Schnalzen und verfolgte ungläubig mit ihren Augen, wie das Eichhörnchen mit einem beherzten Sprung auf Snapes Zauberstab sprang um dann zutraulich bis hinauf auf seine Schulter zu klettern.
Snape fixierte Hermine mit kaltem Blick.
"Ist es das was Sie von mir denken, Miss Granger? Dass ich meine sadistischen Neigungen an harmlosen Eichhörnchen auslebe? Ich kann Ihnen versichern, das ist nicht der Fall!"
Er war dicht an Hermine herangetreten. Das Eichhörnchen war von seiner Schulter auf seine Brust geklettert und hing nun dort kopfüber wie eine rote Brosche an seiner Robe.
"Ich quäle ab heute keine Tiere mehr, Miss Granger. Ich habe ja jetzt Sie!" Snape fuhr sich fast genießerisch mit seiner Zunge über die Lippen und grinste böse.
Hermine stand regungslos an die Wand gelehnt, an die Snape sie gedrückt hatte, und traute sich nicht sich zu rühren. Snape wandte sich brüsk ab, ging hinüber zum Kaminsims und setzte das Eichhörnchen dort ab, welches sich sofort an eine Schale mit Nüssen heranmachte.
Er betrachtete das Tierchen noch einen Moment und schnappte sich dann einen Stapel mit Schulheften. Kurz wandte er sich noch zu Hermine um und schnarrte: "Lasse das Fenster offen bis Verdammtes Lästiges Vieh gefressen hat!" Damit schlug er die Tür hinter sich zu und Hermine war mit dem Eichhörnchen alleine.
Sie musste für einen Moment die Augen schließen um sich wieder zu fangen. Wie überaus töricht hatte sie sich benommen. Verdammtes Lästiges Vieh! Wie hätte sie darauf kommen können, dass dies der Name des Eichhörnchens sein könnte. Snape fütterte ein Eichhörnchen, unfassbar dass ein Lebewesen auf dieser Welt freiwillig zu ihm kam!
Verdammtes Lästiges Vieh trug inzwischen eine große Nuss in seinem Mäulchen nach draußen, verhielt einen Moment auf der Fensterbank, machte dann einen gewagten Satz in die Äste der Pappel und war im nächsten Augenblick verschwunden. Seufzend schloß Hermine das Fenster und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Der Appetit war ihr vergangen.
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