Kapitel 1
Der Verbotene Wald war vom Mondlicht überflutet, was die Bäume im Januar aussehen ließ wie schaudernde Gerippe die vom Wind herumgestoßen wurden. Schnee wirbelte faul über das Gesicht der Gestalt, und wenn er bei klarem Verstand gewesen wäre, hätte er geschaudert und seinen Mantel enger um sich gezogen.
Er war nicht bei klarem Verstand.
Severus Snape war zu beschäftigt damit um seinen Tod zu laufen, als sich über solche Nebensächlichkeiten wie die kalte Winterluft Gedanken zu machen.
Er konnte nicht mehr um sein Leben laufen, das wusste er so genau wie seinen eigenen Namen. Er wusste auch, daß er gejagt wurde. Er konnte den Geruch seines eigenen Blutes riechen, der im Wald um ihn herum hing. Sein linkes Auge war zugeschwollen, mehr als eine Rippe war gebrochen und sein rechter Arm war aus dem Gelenk gerissen worden. Diese Verletzungen, wenn sie auch schmerzhaft waren, konnte er ertragen.
Es war das Gift das durch seine Adern lief, von dem er wusste, daß es ihn schließlich umbringen würde.
Irgendwie, irgendwann zwischen einem Treffen der Todesser und dem nächsten, hatte Voldemort es herausgefunden. Snape war das Leck; es war der intelligente Meister der Zaubertränke, der den Orden des Phönix von geheimen Raubzügen und diversen Anschlägen auf Harry Potters Leben unterrichtet hatte.
Voldemort war nicht erfreut gewesen.
Severus Snape war ziemlich spät zum Todessertreffen dieses Abends gekommen, das in Lucius Malfoys Herrenhaus stattfand. Das war nicht ungewöhnlich; aus Hogwarts zu disapparieren war unmöglich, und daher musste Snape in den Verbotenen Wald laufen um den Dunklen Lord zu besuchen. Der Auftrag heute abend aber war etwas ganz anderes als der durchschnittliche Todesserüberfall. Heute Abend war der Auftrag, einen der ihren zu töten.
Severus hatte natürlich verrucht, Voldemorts Anschuldigungen abzustreiten, aber er wusste daß solche Anstrengungen nutzlos waren. Die anderen hielten ihn noch immer mit angewiderten, spöttischen Blicken auf den Gesichtern fest, als ein Schlag nach dem anderen, sowohl magischer Art als auch reine körperliche Gewalt, auf seinen Körper herunter regneten. Am Ende aber hatte Voldemort mit seinen klauenhaften Fingern eine Bewegung gemacht, und Snapes Mittodesser hatten ihren Angriff angebrochen.
Voldemort kam langsam zu Snape herrüber. Sein Gesicht war zu einem beängstigenden Grinsen verzogen, das von dem gefallenen Spion zehnfach zurückgegeben wurde. Voldemort seufzte und verschränkte beiläufig die Arme. "Du hättest wissen sollen, daß ich es herausfinde. Wenn du das kleinste bisschen Verstand gehabt hättest, wärst du nicht zur Versammlung gekommen."
Snape starrte finster zum Dunklen Lord auf und spuckte ihm einen Mund voll Blut und abgebrochener Zähne auf die glänzend polierten Stiefel, die so spöttisch vor ihm standen. Er wischte sich den Mund mit einem zitternden Arm ab und antwortete: "Aber dann hätte ich die unglückliche Erfahrung gemacht, Eure edle Gesellschaft zu verpassen."
Überraschenderweise reagierte Voldemort nicht. Er lächelte Snape nur mit einem seltsam wohlwollenden Gesichtsausdruck an.
"Oh mein kleiner Spion. Es ist eine gefährliche Welt, oder? Du dachtest, du könntest in beiden Welten leben und den Konsequenzen beider entkommen." Er bückte sich und kam ihm so nahe, daß Snape die leichten Luftstöße seines kühlen Atems auf seinem Gesicht fühlen konnte als er sprach
"Aber ich fürchte ich muß dir sagen, daß du nie entkommen kannst. Nicht wirklich."
Über Snapes widerspenstigen Gesichtsausdruck lachte Voldemort. Das Geräusch war beunruhigend, und die Todesser, die um sie herum standen, zappelten herum und warfen sich nervöse Blicke zu. Snape versuchte ein Schaudern zu unterdrücken, als Voldemort mit einem Finger über Snapes Wangenknochen fuhr.
"Oh, du wirst nie entkommen, nicht vor mir. Weil du bist wie ich. Du gibst vielleicht unter deinen vorsichtigen Augen vor, edle Absichten zu haben, aber unter all dem gefällt es dir zu töten, deswegen bist vor so vielen Jahren zu mir gekommen. nicht für Wissen. Nicht für Macht. Nicht für Ruhm. Nur um zu töten."
Snapes Augen waren deutlich größer geworden, und er rutschte rückwärts bis er an eine Steinmauer stieß. Er versuchte seinen Geist klar zu bekommen und aus diesem Todeslos zu disapparieren, aber er bemerkte, daß seine Gedanken viel zu verworren waren, um sich zu konzentiereren. "I…Ihr wisst nicht wovon Ihr redet."
Voldemort hob eine Augenbraue. "Ich nicht, wie? Ich bemerke, daß du angefangen hast zu stottern wie unser lieber dahingeschiedener Professor Quirrell, was ich bei dir bisher noch nicht gekannt habe. Hast du wirklich die Nerven verloren? Vielleicht bist du nicht so schwer zu lesen wie du vorgibst, Severus Snape."
Der Dunkle Lord wandte sich plötzlich ab und ließ den schaudernden Severus an der Wand kauern. "Aber egal. In einigen Augenblicken wird von dir nichts mehr als eine Leiche übrig sein." Jetzt legte er den Kopf zur Seite und zog eine winzige Flasche mit roter Flüssigkeit aus seinem Mantel. Er grinste raubtierhaft als er sah, daß Snapes Augen groß wuirden.
"Ja, es tut mir leid, aber es ist genau das was du denkst. Der Trank von Levattio. Eines der tödlichsten und schmerzhaftesten Gifte, die die Menschheit kennt." Voldemort hob die winzige Flasche ins Licht, und sie warf ein unheimliches rotes Licht auf Snape. "Ich glaube, du hast diesen Vorrat selbst hergestellt. Ich wusste, daß ich meinem Meister der Zaubertränke zutrauen konnte, die wirksamsten Produkte herzustellen." Sein Grinsen wurde spöttisch. "Obwohl ich dich wahrscheinlich warnen sollte, denn ich habe von einigen meiner Gefolgsleute einige… zusätzliche Zutaten hineinmischen lassen. Im Namen der Wissenschaft natürlich. Wie wird sich die Wirkung ändern, frage ich mich?"
Snapes Gesicht hatte alle Farbe verloren, und eine Sekunde lang sah es aus, als würde er anfangen zu betteln. Aber er streckte nur eine zitternde Hand aus und nahm die Flasche entgegen. Irgendwo bemerkte er, daß die Flüssigkeit, die er schluckte, scheußlich schmeckte und furchtbar kalt war, als sie seine Kehle hinunterlief, aber das war jetzt alles egal. Er hatte sein Bett geamcht, und jetzt würde er sich hineinlegen.
Er würde liegen...
"Nun", kam Voldemorts Stimme mit einem deutlich ungeduldigen Tonfall. "Hast du noch letzte Worte zu sagen, Severus Snape? Du hast ungefähr 5 Minuten um sie abzuliefern, bevor das Gift anfängt deine Lungen und Stimmbänder zu zersetzen."
Vereinzelt wurde unter den versammelten Todessern gelacht. Snape lehnte einen Teil seines Gewichts auf die Mauer und stand schwach auf, um die Menge anzusehen.
"Apparate!", schrie er, und die überraschten und wütenden Gesichter schmolzen davon und wurden von den skelettartigen Bäumen des Verbotenen Waldes ersetzt.
Und dann fing er an auf Hogwarts zuzurennen.
Er war nicht sicher warum er rannte. Schließlich wusste er, daß das Gift das er genommen hatte ihn umbringen würde. Es gab kein Gegengift für den trank von Levattio. Aber er wollte…
… er wollte Dumbledore ein letztes Mal sehen, um ihn zu warnen, mit Sicherheit, und um ihm zu danken. Ihm zu danken dafür, daß er Ehre gesehen hatte wo keine war, um Schönheit zu finden wo nichts als tote Blätter waren. Er wollte Harry immer sagen, daß er ihm die Schuld daran gegeben hatte, daß er das Gesicht seines Vaters hatte, und ihn dazu ermutigen, weiter zu kämpfen. Er wollte Minerva McGonagall damit ärgern, daß sie dieses Jahr den Quidditch Pokal verlor. Er wollte diesem inkompetenten Neville Longbottom so viel Angst einjagen daß er seinen 7. Kessel schmolz. Er wollte…
…er wollte leben, aber auf einmal bemerkte er ,daß er keinen Schritt mehr machen konnte.
Er brach am Rande des Waldes vor Hogwarts auf einem Haufen Äste und Steine zusammen. Er konnte fühlen, daß seine Muskeln dem Gift nachgaben, aber er hatte noch etwas Kraft übrig. "Illuminatos!"
Er hatte keinen Zauberstab (dafür hatte Voldemort gesorgt), aber der Spruch flog dennoch von seinen Fingern und segelte über die Bäume, um in leuchtenden roten, grünen, gelben und blauen Farben zu explodieren. Das Leuchten würde die Gänge von Hogwarts erhellen, und dann würden die Schüler und die Lehrer gewarnt sein.
Nachdem das erledigt war, sank Snape mit seinem Gesicht auf den Boden. Der Schmerz war jetzt so scharf, daß er alle anderen Empfindungen unterdrückte. Er nahm an, daß es nicht so schlimm war, wie der Cruciatusfluch. Vielleicht war er abgestumpft, weil der Spruch so oft an ihm verwendet worden war.
Vielleicht lösten sich seine Nerven auf.
Snape bemerkte, daß es, nachdem er sich einmal an den Gedanken zu sterben gewöhnt hatte, gar keine so schlechte Idee war. Er würde gewisse Dinge vermissen, aber vielleicht würde er sich endlich ausruhen können.
Er hatte schon lange nicht mehr richtig geschlafen.
Das Rascheln der Blätter kam von seiner linken Seite und er drehte den Kopf um zu sehen wer da kam. Der Direktor von Hogwarts, Albus Dumbledore kam voraus, zwei Auroren und ein Heiler waren als Schutz an seiner Seite. Minerva McGonagall trabte schnell hinter ihm her, mit einem verängstigten aber entschlossenen Blick in den Augen. Und ihr folgte…
…das MUSSTE einfach Potter sein.
Ja, das war ganz bestimmt der Schüler aus der 6. Klasse. Er sah durcheinander aus und es schien, als sei ihm kalt in seinem rotgestreiften Schlafanzug, trug keine Brille und hatte eine Hand auf die Narbe an seiner Stirn gepresst, die im Mondlicht in einem dumpfen rot glühte.
Als die Truppe die zusammengebrochene Gestalt auf dem Boden sah, hielt sie erschrocken an.
Snape hob kurz den Kopf und deklamierte mit trockener Stimme: "40 Minuspunkte für Gryffindor, weil Sie so spät noch auf sind, Potter."
Es war Dumbledore der sich zuerst bewegte und verzweifelt "Severus!" rief.
Plötzlich war Snape von 6 aufgeregten Gesichtern umgeben, von denen jedes einen anderen Grad von Sorge zeigte. Der Heiler versuchte seine Verletzungen zu überblicken, während McGonagall anfing, ihm das Blut vom Gesicht zu wischen. Dumbledore legte beruhigend einen Arm über Snapes Rücken und kniete sich dabei trotz des Drecks auf den Boden. Harry stand unruhig im Hintergrund. Seine grünen Augen waren groß vor Angst.
Dumbledore stellte ihm mit panischer Stimme Fragen, und als er keine Antwort erhielt wandte er sich an den Heiler. Der Heiler schüttelte niedergeschlagen den Kopf, und Snape hörte die Worte "Trank von Levattio… hoffnungslos."
McGonagall schluchzte auf, und Snape war leicht überrascht zu sehen, daß echte Tränen aus ihren Augen liefen. Sie beugte sich vor und fing an ihm etwas zuzumurmeln und die Seite seines Gesichts zu streicheln.
Er konnte sie alle nicht besonders gut hören, und es wurde immer schwerer etwas zu sehen. Es war, als würde er die Welt durch vier schwarze Schleier ansehen. Er seufzte und lehnte sich wieder auf den Boden zurück.
"Ich schätze der Zeitpunkt ist ebensogut wie jeder andere, um mich zu entschuldigen, daß ich euch mitten in der Nacht in den Verbotenen Wald habe kommen lassen, aber es war unvermeidlich. Ich wollte nicht...," er schloß die Augen und setzte wieder an, "ich wollte nicht, daß Voldemort das Letzte ist, das ich sehe."
McGonagall weinte weiter und Harry beugte sich plötzlich vor und legte eine Hand auf Snapes Schulter. Snape verzog seine tauben Lippen zu etwas das als Lächeln durchgehen konnte. "Also bin ich bis ans Ende selbstsüchtig, schätze ich."
Dumbledore erschrak, und auf einmal rollten Wellen aus Panik und Wut durch die Luft. "Sie sind nicht selbstsüchtig, Severus. Sie sind einer der..."
Er konnte nicht fortfahren, weil ihn Snape schnell unterbrach. "Was auch immer Sie sich einbilden von mir zu glauben ist nicht wichtig. Ich habe vielleicht noch 30 Sekunden, bevor ich nicht mehr sprechen kann, und ich habe vor sie zu benutzen."
Dumbledore nickte beunruhigt, und wich zurück. Snape nahm das als Zeichen, anzufangen.
"Voldemort hat herausgefunden, daß ich ein Spion bin. Er ließ mich den Trank als eine Art Strafe nehmen. Ich… ich habe ihn selbst vor knappen drei Monaten gebraut." Jetzt lachte er halb. "Ich habe nie gedacht, daß Voldemort Ironie so zu schätzen weiß. Er sagte er hätte einige zusätzliche Zutaten hinein gegeben, aber ich weiß nicht wofür. Der Trank scheint genauso zu wirken, wie er es tun soll." Plötzlich bekam Snape nicht mehr genug Luft und Dumbledore hielt seine Schultern. Snape erholte sich und sah mit entschlossenem Blick auf.
"Albus, ich…", aber mit einem Husten und einem plötzlichen Keuchen wurde ihm, klar daß er nur noch gutturale jammernde Geräusche machen konnte. Das Gift hatte schneller gewirkt, als er gedacht hatte… und er war verloren.
Die anderen erkannten offensichtlich diese armselige Entschuldigung für eine Stimme als ein Zeichen seines bevorstehenden Todes. Dumbledore nahm Snapes lange weiße Hände in die seinen und drückte sie fest. McGonagall schluchzte jetzt offen, und Harry packte auf einmal ihre dünne Taille und umarmte sie. Sie akzeptierte seine Umarmung überraschenderweise und streichelte sein Haar. Harry sah mit einem Ausdruck von Respekt und, seltsamerweise, Trauer, auf Snape hinunter.
Das war jetzt kaum noch wichtig. Snapes konnte kaum mehr sehen. Die Welt schien auf einmal entfernt und unscharf zu werden. Er fühlte dumpf, daß sein Kopf auf seine Brust sank, und irgendwie wurde es unnötig zu atmen. Die aufkommende Dunkelheit war warm und einladend, und mit einem plötzlichen Gefühl hinterhältiger Aufregung wurde ihm klar, daß er endlich ohne Alpträume schlafen konnte.
Mit einem letzten Seufzer ergab sich Severus Snape dem Tod.
Und irgendwo, Meilen entfernt in Lucius Malfoys Herrenhaus, hielt ein beängstigender Mann eine äußerst große Schlange auf dem Schoß. Er lächelte und rieb mit seinen knochigen Fingern über den Kopf der Schlange. Zur Antwort zuckte ihre Zunge faul durch die Luft.
"Ja, Nagini, ich werde noch etwas länger warten. Er ist gerade erst gegangen, weißt du."
Die Schlange zuckte wie eine schwarze Peitsche in Voldemorts Armen und schien zu lächeln.
Voldemort untersuchte die leere Flasche des Trankes von Levattio, und sah dann hinunter auf seine rechte Hand, wo ein kaum verheilter Schnitt den Zeigefinger schmückte. "Ich frage mich aber, wie Severus sich mit meinem Blut anfreunden wird, wenn er in ein paar Monaten aufgeweckt wird."
Nagini fauchte ihre Freude über die Pläne des dunklen Lords.
Voldemort schob die Schlange vorsichtig von seinem Schoß, stand auf und ging zur Feuerstelle. Er sah zu wie die Flammen prasselten und ineinander verschmolzen, in einer Symphonie aus rot und orange, während die Schlange sich über die Länge seiner Beine rieb.
Voldemort lächelte wieder, und dieses Mal lag kein Lachen in seinen Augen. "Nein, Severus wird mir nicht entkommen. Nicht in diesem verkürzten Leben…"
Voldemort hob diei Schlange wieder auf und flüsterte "…noch in seinem Nächsten."
Der Mond schien sich auf einmal zu verdunkeln, und das Warten auf den nächsten Morgen war wirklich lang.
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