Als sie erwachte war sie sicher, daß ihr ganzer Körper einbetoniert worden war. Etwas sehr Schweres lag auf ihr und hinderte sie daran auch nur den kleinen Finger zu bewegen.
Sie öffnete die Augen und sah die weiße Decke des Krankenflügels über sich, ihr fiel wieder ein was passiert war. Die Explosion und der brennende Schmerz am ganzen Körper und dann wurde alles schummerig. Sie erinnerte nur noch, in etwas Kaltes gewickelt und durch das Schloß getragen zu werden, alles danach war weg.
Kolleen hörte Schritte und sah dann Madame Pomfreys Gesicht über ihr, welches nun warm lächelte.
„Ah, Sie sind wach, schön. Wie geht es Ihnen?“
„Abgesehen davon, daß ich mich nicht bewegen kann ganz gut.“
„Ja damit müssen Sie jetzt erst mal leben Miss. Es ist eine Creme, die die Verbrennungen heilt, aber keine Sorge pünktlich zum Weihnachtsball sind Sie wieder ganz gesund.“ Sie lächelte aufmunternd.
„Super, gerade an dem Tag, wo ich krank sein möchte, bin ich es nicht mehr.“
Die zwei Tage bis zum Weihnachtsball waren lang und absolut ohne Ereignisse, denn natürlich besuchte sie niemand. Warum auch? Wahrscheinlich dachten die meisten, sie hätte sich selbst den Kessel um die Ohren gejagt.
So war Kolleens einzige Beschäftigung dem fallenden Schnee zuzusehen, der seit dem Morgen das Schloß einhüllte und alles stiller werden ließ.
Am Nachmittag vor dem Ball kam Madame Pomfrey und löste die inzwischen wirklich wie Beton gewordene Creme von Kolleens Körper und schickte sie anschließend in ein Kamillenbad.
Als sie am frühen Abend endlich den Krankenflügel verlassen durfte, war es im Schloß unheimlich still. Sie traf keine Schüler auf ihrem Weg und der Schnee, der vor den Fenstern lag, schien selbst das Geräusch ihrer Schritte zu verschlucken.
Gryffindors Gemeinschaftsraum war voller aufgeregter Schüler, die schon fertig für den Ball waren. Als Kolleen ihn betrat war sie nicht undankbar dafür, denn so bemerkte sie niemand.
In ihrem Schlafsaal waren nur noch zwei Mädchen, die sie in ihrer Eile nur flüchtig begrüßten.
Es war schon halb acht und auch wenn sie wußte, daß sie dadurch zu spät zum Ball kommen würde, betrat sie das Badezimmer um zu duschen.
Als sie dann vor dem Spiegel stand, betrachtete sie Arme und das Gesicht noch mal genau und war erstaunt, daß wirklich nichts mehr von den Verbrennungen zu sehen war.
In ein Handtuch gewickelt betrat sie den Schlafsaal, der nun leer war und den Geräuschen nach zu urteilen waren auch die meisten Schüler nicht mehr im Gemeinschaftsraum.
Seufzend setzte sie sich auf ihr Bett und überlegte, ob sie nicht vielleicht doch einfach ihre Schulroben anziehen sollte, entschied sich aber doch dagegen.
Nachdem sie mit einem Zauber ihre Haare getrocknet hatte, sah sie noch einmal in den Spiegel, wandte sich aber schnell wieder ab. Es war nicht richtig, wenn sie jetzt feiern ging. Ihre Schwester war noch nicht beerdigt und sie ging auf einen Ball!
Doch erinnerte sie sich an die Schulbälle zuvor und wußte, daß auch dieser eine Qual wie alle seine Vorgänger sein würde. Nochmals seufzte sie, schloß die Tür hinter sich und machte sich auf den Weg zur Großen Halle.
Je näher sie kam, desto unwohler wurde ihr und als sie in der großen Tür stand, war ihr beinahe schlecht.
Mit allem Selbstbewusstsein was sie hatte betrat sie die Halle und ging zu dem einzigen Tisch, an dem noch ein Platz frei war. Noch waren die Schüler damit beschäftigt wild durcheinander zureden, denn das Fest hatte noch nicht offiziell begonnen.
An dem Tisch angelangt, begrüßte sie ihre Tischnachbarn mit einem höflichen Lächeln und setzte sich. Sie war die Älteste und aus Gryffindor saßen sonst nur noch ein Erstklässler und ein Mädchen aus der Dritten mit am Tisch.
Als Professor Dumbledore aufstand und seine übliche kleine Rede hielt um ein Fest zu eröffnen, drehte Kolleen sich weg und tat so, als würde sie interessiert zu hören.
Snape saß am Lehrertisch und fühlte sich noch miserabler als er wahrscheinlich aussah. Seine Gesichtszüge waren starr, im Gegensatz zu sämtlichen anderen Lehrern, die entspannt da saßen und sich fröhlich über den bevorstehenden Abend und die Weihnachtstage unterhielten.
Genervt ließ er seinen Blick über die Schülertische schweifen. Es waren nicht die üblichen vier langen Haustische, sondern viele Runde, die im Raum verteilt waren. Die meisten Schüler waren damit beschäftigt ihrer Begleitung schöne Augen zu machen.
Ein leerer Stuhl fiel ihm auf und er fragte sich wer fehlte.
Sein Blick fiel sehnsüchtig auf die Tür, in der plötzlich eine junge Frau stand. Sie schien zu zögern, doch als sie ins Licht der Halle trat schritt sie zielstrebig auf den leeren Platz zu. Ihr Tisch war nicht weit von dem der Lehrer entfernt und er fragte sich wer diese Frau war, eine Schülerin konnte sie kaum sein. Ihr dunkelrotes Haar schimmerte im Kerzenlicht und paßte gut zu ihrer Robe aus schwarzem Samt.
Seine Gedanken wurden von Dumbledore unterbrochen, der aufgestanden war und zu sprechen begann.
Ihr Kopf drehte sich zum Lehrertisch und als Snape ihr Gesicht nun deutlich sah, erkannte er sie sofort, es war Kolleen Anderson. Er war wirklich verwirrt darüber, daß er sie nicht gleich erkannt hatte und sie für jemand völlig anderes gehalten hatte. Weihnachten schien auch ihm schon den Kopf zu verdrehen.
Kolleen war froh, als das Essen begann und sie sich auf ihren Teller konzentrieren konnte. Zwar hatte sie keinen Appetit, aß aber dennoch ein wenig, nur um nicht aufzufallen. Es kam ihr vor als würde es ewig dauern, bis Dumbledore sich ein weiteres Mal erhob und ihnen den weiteren Ablauf den Abends erklärte.
„So, nachdem wir nun alle ausreichend gestärkt sind, können wir ja mit dem besonderen Teil des Abends beginnen. Auch wenn viele von euch mit einer festen Begleitung hier sind habe ich mir die Freiheit genommen mir etwas spezielles auszudenken, und zwar werde ich die ersten zehn Paare für den ersten Tanz auslosen. Bunt gemischt unter Schülern aller Klassen und auch den Lehrern.“ Er strahlte über das ganze Gesicht und auch viele Schüler schien die Idee zu gefallen.
„Hier“, Dumbledore machte eine Bewegung mit seinem Zauberstab und vor ihm erschienen zwei große Tonkrüge, „befinden sich jeweils alle weiblichen Namen“, er deutete auf das rechte Gefäß, „und hier alle männlichen, die sich in diesem Raum befinden. Ich werde zu erst aus dem rechten Krug, dann aus dem linken ziehen. Die Kandidaten bitte ich aufzustehen und hierher zu kommen.“
Dumbledore zog den ersten Namen, ein Mädchen aus Ravenclaw ging unter leichtem Applaus nach vorne.
Kolleens Gedanken wanderten aus der Halle nach Hause zu ihren Eltern, sie freute sich nach Hause zu fahren, doch genauso hatte sie große Angst davor. Die Beerdigung ihrer Schwester stand noch bevor.
„....Kolleen Anderson!“ Sie schreckte hoch, wer hatte nach ihr gerufen? Alle an ihrem Tisch sahen sie an und Kolleen realisierte, daß gerade ihr Name gezogen worden war. 'Oh nein, warum ich?', waren ihre einzigen Gedanken als sie mit gesenktem Kopf nach vorne ging.
„Und Miss Andersons Tanzpartner ist.....“, Dumbledore griff in den Krug, las das Pergament und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
„Professor Snape“, sagte er ganz simpel, doch in der Großen Halle wurde es totenstill und Kolleens schlimmste Erwartungen wurden übertroffen.
Mit einem deutlich unerfreuten Gesicht stand Snape auf und stellte sich neben Kolleen, die gerade beschloß aus allem das Beste zu machen, nicht ahnend wo dies einmal enden würde.
Nein, Dumbledore hatte nicht gerade seinen Namen gesagt oder? Das durfte doch nicht wahr sein! Als wäre der Abend nicht schon schlimm genug gewesen. Aber es war wahr und so stand er mißmutig auf und ging zu Miss Anderson hinüber. Das letzte Paar wurde ausgelost und als alle vor dem Lehrertisch warteten ergriff der Schulleiter wieder das Wort.
„Schön schön, nun, da wir zehn Paare gefunden haben bitte ich alle anderen aufzustehen und etwas Platz zum Tanzen zu machen.“
Die Schüler standen auf und die Tische schwebten an die Wände der Halle, so daß in der Mitte ein großer freier Platz entstand.
„Wenn ich Sie nun bitten dürfte.“ Dumbledore sah auf die Paare herunter und machte eine einladende Handbewegung. Snape verdrehte die Augen und hoffte, daß dies schnell vorbei war.
Ein Siebtklässler aus Ravenclaw bot seiner Partnerin den Arm an und sie gingen als erstes Richtung Tanzfläche. Langsam folgten auch die anderen. Und da auch Snape nicht alle Höflichkeit verloren hatte bot er Kolleen seinen Arm an, die ihn zwar etwas zögernd ansah, sich dann aber doch unterhakte.
Als er sie die paar Schritte zur Tanzfläche führte, fragte er sich wie lange es her war, daß er getanzt hatte. Vielleicht während der Studienzeit oder war es noch länger her? Er wußte es nicht mehr.
Langsame Musik begann und er wußte, daß es ein langsamer Walzer war. Vorsichtig griff er nach Kolleens rechter Hand, legte seine andere auf ihren Rücken, doch achtete er genau darauf, daß es nicht zu tief war. Er war sich unsicher wie er sie halten sollte, schließlich war sie eine Schülerin.
Sie begannen zu tanzen und Snape achtete auf jeden Schritt, aus Angst, ihr auf die Füße zu treten, was ihm sehr peinlich gewesen wäre.
Er schaute auf sie herunter und bemerkte, daß ihre Robe keineswegs nur schwarz war, sondern an den Säumen und um die Hüfte tiefroter Samt das Schwarz unterbrach, er mußte zugeben, daß es wirklich sehr gut aussah. 'Severus, sie ist deine Schülerin!'
Als er noch einmal kurz hinunter sah, blickte sie im selben Moment auf und lächelte ihn an, einfach ein freundliches Lächeln und er konnte nichts dagegen machen, daß auch seine Mundwinkel sich etwas verzogen. 'Bist du verrückt? Wolltest du sie grad anlächeln?'
Die Musik wurde langsam leiser und endete schließlich, er löste sich von Kolleen und wollte zum Lehrertisch, als er leise Stimme direkt hinter sich hörte.
„Vielen Dank Professor.“
Ruckartig drehte er sich um und sah Miss Anderson noch immer da stehen mit einem leichten Lächeln im Gesicht. „Bitte“, sagte er etwas schroffer als er es vorgehabt hatte und sah sofort ihr Gesicht zu Eis erstarren. 'Wunderbar Severus! Nicht mal freundlich wenn man es zu dir ist!'
Er drehte sich um und ging zurück zu seinem Platz.
Später, als die meisten Schüler tanzten, sah er sie allein an einem Tisch sitzen, ihr Blick schien traurig und starrte ins Leere. Plötzlich stand sie auf und verließ schnell die Große Halle. Snape wurde neugierig und misstrauisch. Was hatte sie nur vor?
Es schien ewig zu dauern, bis Dumbledore auch die letzten verbliebenen Schüler in ihre Häuser schickte und somit das Fest beendete.
So schnell wie es ging machte sich Snape auf den Weg in die Kerker und hörte schon die Musik aus dem Slytherins Gemeinschaftsraum. Für sie war die Party noch nicht vorbei, doch sollten sie es nicht übertreiben, sonst würden sie es mit ihm zu tun bekommen.
Er betrat sein Büro und dann sein Wohnzimmer. Sofort zündete er die Kerzen und den Kamin an, er hasste zuviel Dunkelheit. Mit einem Buch setzte er sich in einen Sessel vor den Kamin und las lange.
Mit einem Knall schloss Snape das Buch und legte es auf den kleinen Tisch zwischen den beiden Sesseln. Er seufzte. Schlafen würde er noch nicht können, also beschloss er noch einen kleinen Spaziergang durch das Schloss zu machen.
Die Slytherins waren ruhiger geworden und so ging er die Treppen hinauf in die Eingangshalle. Niemand war hier, nur wenige Fackeln erhellten die Halle und die vielen Rüstungen warfen bizarre Schatten.
Die Gänge in den oberen Etagen waren auch ruhig. Als er im vierten Stock angekommen war, meinte er Schritte gehört zu haben und dann fiel eine Tür leise ins Schloss. Sein eigener Gang beschleunigte sich, wobei er darauf achtete, trotzdem leise zu sein. In den folgenden beiden Klassenräumen war niemand und da blieb nur eine Tür, die zum Astronomieturm, doch wer sollte dort oben sein?
Trotz seiner Zweifel öffnete er die Tür und begann erst die Treppen und dann die kleine Leiter hoch zu klettern. Die Luke zum Turm war offen und leise kletterte er ins Freie. An einer Zinne, mit dem Rücken zu ihm stand ein Mädchen, dessen langer schwarzer Umhang im Wind flatterte. Sie schien ihn nicht bemerkt zu haben.
Als er zwei Schritte weiter auf sie zu ging, erkannte er sie.
„Miss Anderson, können Sie mir erklären was Sie hier oben machen?“ Er sah sie zusammenzucken.