Jenseits von Hogwarts

 

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Kapitel 20

Okklumentik


"Und hiermit möchte ich Ihnen unsere beiden neuen Lehrer vorstellen: Professor Jessica Bolder wird in Zukunft das Fach Zaubertränke unterrichten."
Die Schüler warfen einen neugierigen Blick auf Miss Bolder, nunmehr in schwarzen Roben und mitternachtsblauem Umhang, die kurz aufstand, knapp nickte und wortlos wieder Platz nahm. Harry seufzte leise. Keine wesentliche Verbesserung gegenüber Snape.
"Unser neuer Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste dürfte vielen von Ihnen bereits bekannt sein: Professor Remus Lupin."
Zahlreiche Gryffindors und auch viele andere Schüler sprangen auf und klatschten stürmisch Beifall. Lupin wirkte blass und nervös. Er grüßte etwas unsicher zu Harry, Ron, Hermine und Ginny hinüber, dann flüchtig und noch unsicherer zu Draco, ehe er sich rasch wieder setzte.
Direktor McGonagall hielt einen Moment inne und wartete, bis wieder Ruhe im großen Saal eingekehrt war.
"Mit Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass wir uns von zwei guten alten Bekannten verabschieden müssen, die für viele von uns zu einem festen Bestandteil von Hogwarts geworden waren. Sir Nicholas de Mimsey-Porpington und der Blutige Baron, die Hausgeister von Gryffindor und Slytherin, haben beschlossen, uns zu verlassen." Aufgeregtes Gemurmel entstand an den vier Haustischen, als die beiden Geister sich erhoben und sich würdevoll verneigten. "So traurig ihr Weggang auch ist, kann ich Ihnen dennoch mit Freude verkünden, dass wir bereits Ersatz gefunden haben. Darf ich Ihnen zunächst den neuen Hausgeist von Gryffindor vorstellen..."
Professor McGonagall drehte sich halb um und machte eine einladende Handbewegung. Gespannt starrten alle auf die Wand hinter ihr, aus der nun ein dunkler Nebel hervorzusprudeln begann. Es wirbelte und brodelte heftig, dann tauchte ein mächtiger Hundekopf aus dem grauen Dunst auf, die Zähne gebleckt, die Augen gefährlich funkelnd. Ein dumpf drohendes Knurren erfüllte die Halle, während der Rest des Körpers sich aus dem Nebel schälte. Die Erstklässler duckten sich verängstigt auf ihren Plätzen und auch viele der älteren Schüler sahen sich unbehaglich an. Da, plötzlich, machte der Hund einen riesigen Satz und landete direkt neben Harry, Ron, Hermine und Ginny. Erschrocken wichen die anderen Gryffindors zurück.
Der Geisterhund begann heftig mit dem Schwanz zu wedeln und stieß ein zwar unheimlich hohles, aber unverkennbar fröhliches Bellen aus, als er an Harry hochzuspringen versuchte. Doch seine silbrigen Pfoten glitten durch dessen Beine hindurch, und Harry schauderte unwillkürlich unter der schneidenden Kälte, die von der Berührung ausging. Ein erneutes Wogen und Wirbeln erfasste die graue Gestalt, eine andere Form stieg aus dem Nebel hervor... Und dann stand da an Stelle des Tieres auf einmal ein großer, ausgemergelter Mann mit langem dunklen Haar, tiefliegenden Augen und einem hohlwangigen Gesicht. Die Gryffindors wichen noch ein Stück weiter zurück, aber die Stimme der Direktorin hallte ungerührt über die Menge. "Herzlich willkommen, Sirius Black. Schön, Sie wieder in Hogwarts zu haben."
Einen Moment brauchten die Schüler, um sich von ihrem Schock zu erholen, doch dann brandete das Gemurmel hoch auf. Zwar war Sirius im letzten Jahr posthum von allen Anklagepunkten freigesprochen worden, aber die Legende vom durchgedrehten Massenmörder hielt sich hartnäckig. Mit einem fröhlichen Grinsen ließ sich der Animagus-Geist zwischen Harry und Hermine nieder.
"Hallo, Leute! Wie war mein Auftritt?"
"Klasse, Mann", grinste Ron begeistert, ohne auf Hermines missbilligendes Stirnrunzeln zu achten.
"Also wirklich, Sirius, meinst du nicht, dass du ein bisschen übertrieben hast? Die armen Erstklässler..."
Doch da erklang erneut die Stimme Minerva McGonagalls und rasch wandte Hermine ihre Aufmerksamkeit wieder dem Lehrertisch zu.
"Auch Slytherin soll selbstverständlich nicht ohne Hausgeist bleiben und ich bin froh, dass wir einen in jeder Hinsicht vollwertigen Ersatz für den Blutigen Baron gefunden haben."
Voll unguter Ahnungen blickten die Schüler auf die Stelle, an der eben Sirius erschienen war. Der Blutige Baron war nicht eben ihr Lieblingsgeist. Aus der Mauer löste sich eine graue Gestalt, gehüllt in einen dunklen Umhang, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und das Gesicht hinter einer Maske verborgen. Selbst auf die relativ große Entfernung spürte Harry die eisige Kälte, die von ihr ausging. Der neue Hausgeist von Slytherin schien kaum weniger furchteinflößend als sein Vorgänger. Einen Moment herrschte gespanntes Schweigen. Selbst Direktor McGonagalls Stimme klang eine Spur unsicher, als sie merklich leiser sagte: "Severus Snape. Auch Ihnen ein Willkommen."
Alles hielt den Atem an. Es war totenstill in der Halle, als Snape kommentarlos zum Tisch der Slytherins schwebte. Alle Augen waren auf den ehemaligen Meister der Zaubertränke geheftet, auch Harry starrte ihn voll Verblüffung an, als Snape sich neben dem ebenfalls schockiert wirkenden Draco auf einen Stuhl sinken ließ.
"Hiermit ist der offizielle Teil der Veranstaltung beendet und es wird Zeit für das Festessen. Lasst es euch schmecken!"
Langsam erwachten die Schüler aus ihrer Erstarrung. Heftige Diskussionen brachen an allen Tischen los, nur die Slytherins wagten offenbar nicht, die Stimmen zu erheben und blickten scheu und verkrampft auf ihren ehemaligen Hauslehrer in seiner neuen Erscheinungsform.
"Snape", stieß Ron ungläubig hervor. "Snape als Hausgeist von Slytherin! Ist euch klar, was das bedeutet? Er wird einfach überall sein! Stell dir vor, du sitzt gerade auf dem Klo, und plötzlich kommt er durch die Tür geglitten..."
"Wusstest du, dass er tot ist, Harry?", unterbrach ihn Hermine ernst.
"Nein." Harry schüttelte langsam den Kopf. "Ich konnte ihn nicht mehr wahrnehmen, schon seit Lucius' Tod nicht mehr. Aber ich hab gedacht, dass er einfach seinen Geist gegen mich verschlossen hat. Ehrlich gesagt, war ich ganz froh drüber, ihn nicht in meinem Kopf zu haben", setze er leicht schuldbewusst hinzu.
"Aber wer hat ihn getötet?", fragte Ginny. "Auroren?"
"Nein."
Alle vier sahen Sirius erwartungsvoll an.
"Minerva hat es zwar nicht ausdrücklich gesagt... Aber ich bin ziemlich sicher, dass... Nun ja, dass er es selbst getan hat."
" Selbstmord? Snape? Nie im Leben!", rief Ron heftig. "Warum sollte er?"
"Ich weiß nicht..." Harry schwieg einen Augenblick. "Aber letztlich hat sein Leben mit Voldemorts Vernichtung seinen Sinn verloren, oder? Wo hätte er hingehen sollen? Auf keiner Seite hätte man ihm mehr vertraut, ohne Dumbledore."
Eine Minute herrschte betretenes Schweigen. Dann wandte Ron sich mit einem wegwerfenden Achselzucken dem Abendessen zu, was Hermine mit einem ärgerlichen Schnauben quittierte. Auch Harry wollte sich nach einem letzten nachdenklichen Blick auf den Geist Severus' gerade über eine mächtige Portion Bratkartoffeln hermachen, als...
‚Hallo, Potter.'
Die kalte, hohle Stimme war direkt in seinem Kopf erklungen. Hastig sah er hinüber zu Severus und stellte überrascht fest, dass dieser seinen Blick starr erwiderte.
‚Ich habe mich getäuscht, Potter.'
Harry verschluckte sich an einer Bratkartoffel und musste heftig husten.
"Was ist los, Harry?, fragte Hermine besorgt. "Du siehst irgendwie blass aus."
"Alles okay", versicherte er würgend. Zornig dachte er: ‚Ach ja, und wobei?'
‚In Bezug auf geistige Verbindungen. Ganz offensichtlich reichen sie über den Tod hinaus.'
Harry brauchte nur eine Sekunde, um zu begreifen. ‚Heißt das etwa, ich habe dich für den Rest meines Lebens in meinem Kopf?!'
‚Tja, sieht fast so aus, Potter. Es sei denn...'
‚WAS?', dachte Harry erregt.
‚Zeit, endlich Okklumentik zu lernen, Harry. Kontrolle. Selbstbeherrschung.'
Als Harry wieder zu Snape hinüberblickte, war er sich selbst auf diese Entfernung hin sicher, ein breites und untypisch fröhliches Grinsen unter der Maske zu erkennen.


Ende.







Kapitel 19

 

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