Des Giftmischers Herz

 

 

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Kapitel 21: London

 


Es vergingen noch zwei Monate bis Lilys Wunsch endlich erhört wurde. Als sie am Morgen beim Frühstück saß, flatterte Persephone durch das offene Fenster und landete mit freundlichen Schnabelklappern auf dem Tisch.
James war an diesem Morgen schon sehr früh aus dem Haus gegangen. Er hatte seit Anfang September eine Stelle im Zaubereiministerium und war seitdem nicht mehr viel zu Hause. Nicht daß es Lily störte.
Sie nahm den Brief und öffnete ihn mit zitternden Fingern. Wenn es nur endlich der eine Brief war, auf den sie schon so lange wartete. Sie faltete das Blatt auseinander und schrie leise auf. Ihre Hände zitternden noch stärker und ihre Augen leuchteten glücklich.

Geliebte Lily,

bitte verzeih, daß es so lange gedauert hat, bis ich dir diesen Brief schreiben konnte. In den letzten Monaten war ich praktisch nicht einen Tag unbeobachtet und das Risiko wäre einfach zu groß gewesen.

Lucius hat sein Versprechen wahr gemacht. Ich bin jetzt offiziell ein Todesser und wenn ich mich nicht irre, dann hält der Dunkle Lord große Stücke auf mich. Lucius hat ihm scheinbar viel von meinen Fertigkeiten erzählt und er ist besonders interessiert an meinem Wissen über Gifte. Ich habe schon den ersten Auftrag von ihm erhalten. Ich erzähle dir besser nicht, worum es geht. Es ist einfach nur schrecklich. - Aber es ist eine perfekte Gelegenheit das Vertrauen des Lords zu erwerben, denn das schenkt er natürlich auch mir nicht so einfach, wie du dir sicher vorstellen kannst.

Ich hoffe, du hast die Hochzeit und das alles gut überstanden und es geht dir gut. Ich mache mir große Vorwürfe, daß ich dich um so etwas bitten mußte, aber es ist besser so, das kannst du mir glauben. Vater hat uns diese kleine List hervorragend abgekauft. Erst vor wenigen Tagen hat er mich gefragt, was eigentlich aus dir geworden sei. Scheinheiligkeit sollte er noch einmal üben, wenn du mich fragst. Ich habe ihm erzählt, daß du jetzt die Frau von James Potter bist und das schien ihm äußerst gut zu gefallen.

Lily, ich möchte dich sehen. Es wird das letzte Mal für eine lange Zeit sein und darum muß es sein, sonst werde ich hier verrückt. Bitte komm nächste Woche Mittwoch an den Bahnhof King's Cross. Ich werde dich dort abholen. Ich begebe mich in große Gefahr und auch dich bringe ich in diese Gefahr, aber glaube mir einfach, daß es sein muß.

In ewiger Liebe
Severus


Sie verstand ihn nur zu gut. Auch sie wollte nichts lieber, als ihn so schnell wie möglich wiedersehen. Sie faltete den Brief zusammen und verstaute ihn dann im Schlafzimmer in der selben Schachtel, in der sie auch seine anderen Briefe alle aufbewahrte. Sie öffnete die Tür des kleine Nachtschränkchen neben dem Bett und warf einen liebevollen Blick auf die Rosen, die jetzt dort verborgen standen. Sie hatte einfach nicht gewußt, wie sie James erklären sollte, warum sie diese Blumen besaß, also hatte sie beschlossen, sie vor ihm zu verstecken, wie alles andere auch, was mit Severus zusammen hing.
Nachdem sie den Brief verstaut hatte, griff sie nach einem dicken Buch auf dem Bücherregal über dem Bett und ging damit zurück zum Frühstückstisch.
Sie brauchte nicht lange, um den Zauber zu finden, den sie suchte und wenig später begann sie damit, für ihr Treffen mit Severus zu üben. Zufrieden lächelte sie, als sie die Worte sprach und ihr wenige Sekunden später eine fremde Frau aus dem Spiegel entgegen blickte.

***



"Soll ich dir etwas aus der Winkelgasse mitbringen, James?" James schüttelte den Kopf und drückte ihr lächelnd einen Kuß auf die Wange.
"Nein, danke, ich hab alles im Haus. - Ich wünsche dir viel Spaß und grüß Linda von mir." Lily wußte, daß es eine faule Ausrede war, die sie da gewählt hatte. Ausgerechnet Linda Parker hatte sie als Grund vorgeschoben, um alleine nach London fahren zu können. Ein Weibertreffen sozusagen, nur Einkaufen und über alte Zeiten reden, nichts für Männer.
Aber James war zu vertrauensselig, um auch nur eine Sekunde daran zu denken, daß es absolut lächerlich war, daß sie das ausgerechnet mit Linda tun wollte. Andererseits, James hatte auch nie bemerkt, wie verhaßt sie Linda gewesen war, nachdem sie sich von Severus getrennt und ihr James weggenommen hatte.
Männer waren eben doch manchmal mehr als blind. Zumindest die meisten.
"Werde ich machen", sagte sie lächelnd und stieg in den Zug nach London. Er hatte noch nicht einmal Verdacht geschöpft, als sie ihm gesagt hatte, daß sie den Zug nach London nehmen wollte, obwohl sie genauso gut mit Flohpulver hätte reisen können.
Als der Zug aus dem kleinen Bahnhof des Örtchen fuhr, in dem sie jetzt mit James wohnte, wandte sie den Illusionszauber an, den sie sich für diese Reise ausgesucht hatte. Für Severus würde sie vollkommen normal aussehen, aber alle anderen würden in ihr eine junge blasse Hexe mit schwarzem Haar und sehr kaltem Gesicht sehen. Eine Hexe passend für einen Todesser.
Die kurze Fahrt nach London zog sich grausam lange hin und gerade als Lily glaubte, sie würde nie ein Ende nehmen, fuhr der Zug in den ersten Vorort von London ein und kam Minuten später mit einem quietschenden Geräusch im Bahnhof von King's Cross zum Stehen.
Lily hatte Severus schon entdeckt, bevor der Zug angehalten hatte. Ihre Blicke trafen sich einen kurzen Moment, dann war der Zug an ihm vorbeigefahren.
Lilys Herz machte einen Sprung. Er war so nah.
Als sie aus dem Zug stieg, blickte sie in die Richtung, in der sie ihn gesehen hatte und schon wenig später hatte sie ihn zwischen den ganzen Menschen auf dem Bahnsteig entdeckt. Er wirkte zwischen all den Muggeln für sie beinahe strahlend anders. Hexen und Zauberer erkannten sich untereinander, als ginge ein Leuchten von ihnen aus und bei ihm war dieses Leuchten für sie unheimlich stark. Ein breites Lächeln zog über ihr Gesicht, als sie langsam auf ihn zulief. Sie durfte nicht zu überschwänglich sein, denn sie wollten kein Aufsehen erregen.
Severus' Miene blieb unbewegt, doch unter seiner ruhigen Oberfläche tobte ein wahrer Sturm der Gefühle. Obwohl es erst vier Monate her war, daß er Lily gesehen hatte, kam es ihm so vor, als käme da eine ganz andere Frau auf ihn zu. Sein Herz schmerzte einen Moment. Aber das war ja auch so. Lily war nicht mehr die selbe.
Sie war jetzt Lily Potter, das mußte sie verändern, ob sie das nun wollte oder nicht, machte keinen Unterschied.
Der Abstand zwischen ihnen beiden wurde immer kleiner, doch Severus war einfach nicht in der Lage, sich von der Stelle zu rühren und die Distanz zwischen ihnen schneller zu überbrücken. Er hing einfach mit seinem Blick an der lächelnden Lily, die da so wunderschön auf ihn zukam, das lange rote Haar mit einem grünen Stirnband aus dem Gesicht gehalten. Es war das erste Mal, daß er sie in ihren ganz normalen Muggelkleidern sah und es raubte ihm fast den Atem. Sie trug einen kurzen schwarzen Rock, er ging ihr nicht einmal bis an die Knie, eine weiße Bluse und weiße Strümpfe, die bis über ihre Knie und knapp bis unter den Rand ihres Rockes reichten. Über dem Arm hing ihre Jacke und ihre Füße steckten in schwarzen, geschlossenen Riemchenschuhen. Er hatte in den letzten Minuten viele Frauen gesehen, die ganz ähnlich gekleidet waren, aber nur an Lily sah es wirklich so aus, wie es aussehen sollte. Unschuldig und rein. - Zumindest sah er das so.
Jetzt stand sie vor ihm und einen Moment sahen sie sich nur an. Dann schloß Severus sie ganz unvermittelt in seine Arme und hielt sie fest, spürte ihren Herzschlag an seiner Brust und ihren Atem an seinem Hals. Das war der Moment für den er lebte. Der Moment, den er immer wieder erleben wollte und der ihn aufrecht hielt.
"Ich hab dich so vermißt!" flüsterte er.
"Und ich erst!" antwortete sie glücklich.


Schon wenige Minuten später gingen sie Hand in Hand hinaus in das von Muggeln bevölkerte London. Um die Winkelgasse machten sie einen großen Bogen. Man hätte Lily dort zwar nicht erkennen können, aber dennoch wollten sie nicht riskieren, daß Severus von zu vielen Zauberern und Hexen mit einer Frau gesehen wurde. So war die Chance viel größer, daß Voldemort davon erfuhr und Severus wollte sich irgendwelche Fragen zur Person der fremden Frau gerne ersparen, selbst nachdem er merkte, daß Lily sich viele Gedanken um dieses Treffen gemacht hatte und sogar einen ganzen Lebenslauf für ihre Fassade zusammen gestellt hatte.
Sie war eben doch die weitsichtigste Hexe, die er kannte.
Lily zeigte ihm alles, was er sehen wollte. Er war vorher noch nie im wirklichen London gewesen, mal abgesehen von dem Teil, in dem die Universität für Hexerei und Zauberei unsichtbar für die Augen eines Muggels stand.
"Ich hätte niemals gedacht, daß es hier genauso zugeht, wie in der Winkelgasse. Diese Massen von Menschen!" Er blickte sich immer noch erstaunt um und Lily lächelte.
"Hier geht es noch schlimmer zu. Und die Leute sind nicht ganz so freundlich, wie in der Winkelgasse." Das hatte Severus auch schon gemerkt. Ständig rempelte ihn jemand an und eine Entschuldigung hörte er nur selten. Aber dennoch, es gefiel ihm. Diese ganze Sache war schrecklich spannend.
"Ich hab für uns heute Nacht ein Hotelzimmer gebucht. James erwartet mich erst morgen zurück." Severus blickte sie überrascht an. Sie blickte zu Boden und lächelte schüchtern. Als sie merkte, daß er sie ansah, erwiderte sie seinen Blick und hob die Schultern. "Ich dachte, du wolltest vielleicht auch jede Minute ausnutzen, die wir zusammen sein können."
Severus strahlte für einen Moment über das ganze Gesicht. "Natürlich will ich das. - Ich kann mir gar nichts Schöneres vorstellen, als jede wundervolle Minute mit dir zusammen zu sein, die ich kriegen kann." Er hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt und zog sie für einen kurzen Moment näher an sich heran, ohne sie dabei aus dem Gleichgewicht zu bringen.


"Hier ist es." Es dämmerte schon, als sie das Hotel erreichten. Ein wenig unschlüssig standen sie vor dem alten Gebäude mitten in der Innenstadt von London herum und schienen nicht so recht zu wissen, was der nächste Schritt war, den es zu gehen galt.
"Wir können uns auch immer noch um entscheiden", sagte Severus, der wußte, daß Lily scheinbar noch nicht so wirklich überzeugt von dem war, was sie selbst begonnen hatte. Er wollte nichts mehr, als auch noch eine ganze wunderbar lange Nacht mit ihr zusammen sein zu können, bevor sie sich wieder für eine Ewigkeit trennen mußten, aber er wollte sie nicht drängen, wenn sie jetzt vielleicht doch Skrupel bekam.
Er lächelte bitter. Skrupel... vor was? Doch er wußte, er war nicht fair. Er hatte keine Skrupel, niemanden, den er verletzte, wenn er log und Lily verheimlichte. Aber sie war da anders. Ihr tat es weh, wenn sie James immer und immer wieder belog.
Und nicht nur Severus war klar, was in den nächsten Stunden vermutlich passieren würde, wenn sie sich jetzt wirklich dazu entschieden, hineinzugehen. Der letzte, bisher noch nicht gegangene Schritt, stand unmittelbar bevor.
Lily drückte sein Hand ein wenig fester und als er sie ansah, lächelte sie.
"Zur Hölle mit meinem Gewissen!" grinste sie und Severus erwiderte es. Ihm war klar, daß sie nicht meinte, was sie sagte, aber warum sollte er sie umstimmen, sie war alt genug, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und sollte nur das tun, was sie selbst wollte.
Er erschrak vor sich selbst. Der pure Egoismus, aber es tat einfach so gut, mal wieder an sich selbst und das eigene Glück zu denken, egal wie sehr er Lily auch liebte und sonst immer in den Vordergrund stellte. Er brauchte ihre Nähe einfach und selbst wenn sein Verstand es ihm gesagt hätte, er hätte es nicht fertig gebracht, sie umzustimmen.
Der Portier lächelte dem scheinbar sehr verliebten Pärchen nach, nachdem er ihnen ihre Schlüssel gegeben hatte und sie in Richtung des Lifts verschwanden.
Lily wußte nicht, ob es gut oder fair war, was sie tat, aber sie wußte, daß es nur richtig war. Denn ihr Herz sagte es ihr und wenn sie es recht bedachte, konnte es nicht falsch sein, denn Severus war der Mann, den sie liebte.
Falsch war ihre Ehe. Niemals hätte sie einwilligen sollen, James zu heiraten. Sie hätte sich vielmehr einen plausiblen Grund suchen sollen, um sich von James zu trennen... Und nicht einmal den hätte sie suchen müssen. Sie und James waren so verschieden, es gab genug Dinge, die sie eigentlich an ihm so störten, daß sie gar nicht mit ihm zusammen sein wollte.
Allem voran dieses verfluchte Quidditch!
Nein, das hier war richtig und vollkommen okay. Für diese Nacht, die sie mit Severus gemeinsam verbringen würde, würde sie kein schlechtes Gewissen haben müssen, nichts wofür man sich schämen mußte. Das hier war einfach nur Liebe.
Severus hatte das Gefühl, als könne er ihre Gedanken wie von einem Buch ablesen, als er ihr Gesicht beobachtete. Sie schien endlich die richtige Einstellung für die ganze Sache gefunden zu haben und vielleicht war es für sie jetzt endlich möglich, ohne Selbstvorwürfe und leichten Herzens diese ganze Angelegenheit zu betrachten.

***



Lily hatte noch nie zuvor das Dunkle Mal gesehen. Sie hatte gewußt, wie es aussah, denn sie hatte bereits Bilder davon gesehen, aber in der Realität, auf echter realer Haut, war es noch ganz was anderes.
Niemals hätte sie den Mut aufbringen können, Severus zu bitten, es ihr zu zeigen. Doch er versteckte es nicht vor ihr und als sie jetzt in seinem Armen lag, streichelte sie sanft über seinen Unterarm.
"Es fühlt sich ganz rau an", flüsterte sie und Severus lächelte.
"Es wird in die Haut gebrannt", antwortete er und strich ihr sacht mit seiner anderen Hand durch das leicht verwirrte rote Haar. Er war glücklich und wünschte sich, diesen Augenblick für immer festhalten zu können. Diese Nacht, in der alles richtig war, sollte niemals enden. Hier in seinem Arm war Lilys Platz und nirgendwo sonst. Er fühlte mal wieder eine heiße Eifersuchtswelle in sich aufsteigen und hätte Lily am liebsten fest an sich gepreßt, aber er wollte sie nicht erschrecken. Wie sollte sie das verstehen, wo er ihr doch nie sagte, wie er sich bei der ganzen Sache fühlte?
"Tut es weh?"
Severus schüttelte lächelnd den Kopf. "Das Einbrennen natürlich schon, aber danach ist der Schmerz sofort vorbei." Sein Blick verdunkelte sich. "Außer natürlich, Voldemort ruft uns zu einer Zusammenkunft. Dann brennt dieses Mal wie Feuer und manchmal ist es so schlimm, daß man sich den Arm am liebsten selbst abschlagen würde." Lily schloß die Augen. Sie wollte es sich nicht vorstellen, doch sofort drangen Bilder in ihren Kopf und sie spürte den Schmerz fast körperlich, obwohl sie ihn noch nie erfahren hatte.
Severus schob ihr sanft die Hand unter das Kinn und hob ihren Kopf leicht an. Sie sah ihm in die Augen und er lächelte.
"Wir sollten nicht über so etwas reden. Diese Momente hier gehören uns und der ganze andere Kram sollte in der Zeit einfach draußen bleiben." Er küßte sie zärtlich und sie kuschelte sich enger an ihn.


Erst kurz vor Morgengrauen schliefen sie ein und fielen in einen kurzen traumlosen Schlaf.
Der Abschied am Bahnhof war der schlimmste, den die beiden jemals hatten hinter sich bringen müssen, in der ganzen Zeit, die sie sich jetzt schon kannten. Denn diesmal war es ein Abschied für eine lange Zeit. Vielleicht für Jahre, vielleicht für immer. Keiner wußte es so genau und das machte es beiden so unglaublich schwer.
Severus hielt Lily im Arm. Sie hatte ihr Gesicht in seinem Hemd vergraben und er spürte, wie seine Brust langsam feucht wurde. Sie weinte bittere Tränen. Nur zu gerne hätte er es ihr gleich getan, denn auch er fühlte Trauer und Tränen in sich aufwallen. Aber wenn er jetzt auch noch die Fassung verlor, würde das die ganze Sache für Lily nur noch schwieriger machen. Sanft streichelte er ihr über den Hinterkopf und drückte sie ganz vorsichtig von sich weg.
Ihr Gesicht war tränennass und sie hatte einen leichten Schluckauf vom Weinen. Mit einem sanften Lächeln wischte er die Tränen fort und sah ihr fest in die Augen.
"Wein nicht, Lily. Ich bin bald wieder mit dir zusammen." Lily wußte, daß es kein Versprechen war. Nur ein Hoffen auf bessere Zeiten und daß diese bald kommen würden. Trotzdem nickte sie. Hoffnung war das einzige, an das man sich in diesen Zeiten klammern konnte.
"Ich werde dir nicht schreiben können."
Sie schluckte und nickte langsam. "Ich weiß. - Und ich werde dir auch nicht schreiben." Wieder wischte er die Tränen fort, die sich erneut den Weg über ihr Gesicht bahnten. "Es sei denn, es ist etwas wirklich Wichtiges. Dann mußt du es mir schreiben."
Er lächelte sie an und sie versuchte, es zu erwidern, doch das schiefe Lächeln auf ihrem Gesicht zitterte heftig unter der Gewalt der Trauer, die sich ihren Weg immer wieder auf die Oberfläche kämpfen wollte. Wieder schloß er sie in seine Arme und sie schlang ihre Arme so fest um ihn, wie sie nur konnte, auch wenn sie wußte, daß sie ihn auch so nicht halten konnte.
"Du darfst nie vergessen, daß ich dich über alles liebe, Lily. Mehr als mein Leben." Lilys Griff wurde noch ein wenig fester und er hörte, wie sie die Worte, die er mehr als alles andere hören wollte, ihn sein Hemd flüsterte.
"Ich liebe dich so sehr, Severus! Ich wünschte, du müßtest nicht fort." Eine angenehme Wärme breitete sich in ihm aus und er fühlte, daß etwas Kraft durch ihn hindurchfuhr. Es stimmte also doch, daß die Liebe wie eine Kraftquelle war, aus der man stetig schöpfen konnte.
"Irgendwann kommt der Tag, an dem ich das nicht mehr muß. Aber bis dahin mußt du auf mich warten. Und jetzt solltest du gehen. Der Zug wartet nicht auf dich." Lily blickte auf und sah ihm in die Augen. Dann spürte er für den Hauch eines Augenblicks ihre Lippen auf seinen und Lily war fort. Ohne sich noch einmal umzudrehen, lief sie schnellen Schrittes auf die Tür des Zuges zu und stieg ein.
Nur wenige Sekunden später ertönte ein Pfiff und die Türen des Zuges wurden geschlossen. Der Zug ruckte und fuhr an. Severus blickte ihm nach, wie er immer schneller wurde und schließlich aus dem Bahnhof hinaus fuhr. Der leichte Fahrtwind des anfahrenden Zuges zog an seinem Haar und auf einen Unbeteiligten wirkte er in diesem Moment wohl wie ein einsamer, mysteriöser Reisender, wie er da so einsam und irgendwie anders auf dem Bahnsteig stand und traurig dem Zug hinterher blickte.


Obwohl sie immer noch heftig weinte, lächelte Lily, als der Zug losfuhr und sie Severus schon wenige Augenblicke später aus den Augen verlor. Sie würden sich eine ganze Zeit nicht sehen, aber er war nicht vollständig weg. Er hatte einen Teil von sich bei ihr zurück gelassen und an diesen Teil würde sie sich klammern, bis er wieder da war. Wann auch immer das sein mochte.


 

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