Des Giftmischers Herz

 

 

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Kapitel 19: Der Auftrag

 


Die Fassade aufrecht zu erhalten, war für beide in diesem Fall nicht gerade leicht. Lily mußte aufpassen, während des Unterrichts nicht ständig in seine Richtung zu starren und Severus fiel es zunehmend schwerer, sie auch weiterhin mit der gleichen Kälte und Härte zu behandeln, wenn andere dabei waren.
Der Zwischenfall bei der Peitschenden Weide hatte die Lage zwischen Severus und James' Clique eskalieren lassen. Severus warf Peter, James und Sirius vor, daß sie mit voller Absicht sein Leben in Gefahr gebracht hatten und daß er sein Leben nur dem Umstand verdankte, daß James kalte Füße bekommen hatte. James und die anderen stritten das natürlich ab, auch wenn zumindest Sirius, der von Severus die meiste Verachtung und den meisten Haß abbekam, sich sicher war, daß er recht hatte. Anders war einfach nicht zu erklären, daß James Severus plötzlich doch nicht in sein Verderben hatte laufen lassen.
Auch Dumbledore bekam von der Sache Wind. Vermutlich durch Madam Pomfrey, die zwar keine Fragen stellte, aber solch offensichtliche Verletzungen dem Direktor garantiert mitteilte. Und so fand sich Severus wenige Tage nach dem Vorfall zum ersten Mal seit langem in Dumbledores Büro wieder. Der ältere Zauberer saß an seinem Schreibtisch und blickte den Jungen vor sich mit freundlichen Augen an.
"Severus, wie sind deine Verletzungen zustande gekommen? Poppy konnte es mir nicht erzählen, obgleich sie eine Vermutung hatte." Severus erwiderte den Blick des Direktors unbewegt und es schien Minuten zu dauern, bis er endlich antwortete.
"Ich wurde von einem Werwolf angegriffen, Sir", antwortete er, nachdem er sich scheinbar entschieden hatte, keine Namen im Zusammenhang mit der Sache zu nennen - noch nicht. Dumbledore nickte.
"Und du weißt doch sicher auch, wer dieser Werwolf war, nicht wahr?" Severus nickte langsam.
"Ja, Sir, ich weiß, daß der Werwolf, der mich angriff, in Wahrheit Remus Lupin war. Warum fragen Sie mich das?" Dumbledore lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
"Weil ich dich bitten muß, dieses Wissen für dich zu behalten." Severus kniff die Augen ein wenig zusammen und sein Mund wurde schmal. Natürlich schützte der Direktor Remus. Vermutlich war es auch nur auf seinem Mist gewachsen, daß der Werwolf überhaupt an dieser Schule sein durfte.
"Ich verstehe", erwiderte er mit einem bitteren Unterton.
"Remus und du, ihr seid euch sehr ähnlich, Severus, auch wenn du das nicht hören willst. Ihr beide tragt ein Schicksal mit euch herum, das andere euch auferlegt haben und das ihr einfach nicht abstreifen könnt. Und dieses Schicksal macht euch beide zu einer Art Außenseiter. Scheinbar gibt es keine Möglichkeit für euch, euch in die Gemeinschaft zu integrieren.
Ich möchte so etwas entgegen arbeiten und möchte zeigen, daß es doch geht. Doch das funktioniert in der augenblicklichen Situation nur, wenn du es für dich behältst."
"Ich sage bereits, daß ich verstehe. Ich werde niemandem erzählen, daß Remus ein Werwolf ist. Aber Sir, Sie müssen dafür sorgen, daß er nie wieder jemanden in Gefahr bringt." Dumbledore runzelte die Stirn bei dieser... ja, man konnte es tatsächlich Bedingung für sein Schweigen nennen. Doch dann lächelte er wieder.
"Dafür ist gut gesorgt und solch einen Vorfall wird es sicher nicht noch einmal geben, sei unbesorgt, Severus." Severus stand auf und blickte dem Direktor kalt in die Augen.
"Dann kann ich jetzt wohl gehen oder?" Da Dumbledore erst nicht antwortete, wandte er sich der Tür zu und war schon fast aus dem Büro draußen, als Dumbledore ihn noch mal zurück rief.
"Severus, es gibt da noch etwas, was ich mit dir besprechen möchte." Severus hielt inne und drehte sich zu Dumbledore um, der freundlich lächelnd auf den Stuhl deutete, von dem Severus gerade aufgestanden war. Severus ging zögernd zurück und setzte sich.
"Sir?" Dumbledore blickte den jungen Mann vor sich ernst an.
"Severus, ich mische mich selten in das Privatleben meiner Schüler ein, wie dir sicher aufgefallen ist. Beziehungsstreß und Trennungsschmerz, ich hab es alles schon gesehen, aber das müssen die Schüler unter sich regeln, dafür bin ich nicht da. - Was ich aber bis jetzt noch nicht gesehen habe, war ein Schüler, den sein Schmerz auf die Seite der Dunklen Künste trieb." Severus wollte etwas erwidern, doch Dumbledore hob abweisend die Hand.
"Ich kann in so einem Fall leider nicht mehr tun, als mit dem Schüler zu sprechen, doch das halte ich dann für meine heilige Pflicht, wenn man es so ausdrücken will. Severus, ich habe in den letzten Jahren viele meiner ehemaligen Schüler an den Dunklen Lord verloren und die Sache ist sehr ernst. Viele von euch - wie nennt ihr euch noch? Ach ja, die Todesser... Viele von euch Todessern sind noch zu jung und unerfahren und stürzen sich in Dinge, von denen sie glauben, es sei ein Abenteuer, aber das ist es nicht. Todesser zu werden ist eine Entscheidung für das ganze Leben, denn wenn ihr erst wirklich in den Diensten von Voldemort steht, dann gibt es für euch kein Zurück mehr. Darum frage ich dich jetzt: Bist du wirklich gewillt, das auf dich zu nehmen?" Er sah Severus fest in die schwarzen Augen, um auch nur den kleinsten Funken von Hoffnung in ihnen zu erkennen, wenn er auftauchte. Severus blickte sich in Dumbledores Büro um, als wolle er sich vergewissern, daß ihnen niemand zuhörte. Dann senkte er ein wenig den Blick und sprach mehr zu sich selbst als zu Dumbledore.
"Nein, das bin ich nicht." Dumbledore schien im ersten Moment überrascht. Seine Informationen besagten, daß Severus nicht nur ein Todesser, sondern auch der direkte Nachfolger von Lucius Malfoy in der Gruppe in Slytherin war, in der sich die Todesser zusammen fanden. Er hatte mit einer großen Grundsatzdiskussion gerechnet, aber sicher nicht mit einem Schüler, der ihm direkt ins Gesicht sagte, daß er von diesen Idealen, denen er seit zwei Jahren anhing, nichts wissen wollte.
"Severus, du siehst mich erstaunt. Sag mir, warum gehörst du dann trotzdem zu dieser Gruppe, wenn du gar kein Todesser sein willst?" Severus hob die Schultern.
"Weil ich einen Halt gesucht habe und Lucius hat ihn mir gegeben. Aber das heißt nicht, daß ich wirklich ein Todesser sein will, daß ich wirklich die Ideale dieser Menschen auch vor mir selbst vertrete. Das tue ich nämlich nicht.
Ich habe nie an diese Sache mit dem reinen Blut geglaubt und werde es auch nicht tun, so lange ich lebe." Das Lächeln kehrte auf Dumbledores Gesicht zurück und er nickte zufrieden.
"Ich bin sehr glücklich darüber, daß du so denkst, Severus. Ich hätte deinen brillanten Verstand nur allzu ungern an so einen verqueren Kopf wie den Voldemorts verloren." Severus hatte das Gefühl, daß Dumbledore noch nicht alles gesagt hatte, was er sagen wollte, also stand er diesmal nicht einfach auf, sondern wartete ab, was noch geschah. Dumbledore schien mit sich selbst darüber im Unreinen zu sein, ob er seine Gedanken Severus gegenüber äußern konnte oder nicht.
"Sir, Sie scheinen noch ein Anliegen zu haben", setzte Severus schließlich nach, nachdem Dumbledore einige Minuten geschwiegen hatte. Dumbledore sah auf und musterte Severus einen Moment eindringlich.
"Severus, hast du Interesse daran, die dunkle Seite, die unsere gesamte Welt und die der Muggel massiv bedroht, zu bekämpfen?" Severus' Augenbraue schnellte geradezu in Richtung seines Haaransatzes. Man mußte Dumbledore lassen, daß er manchmal für Überraschungen und plötzliche Wendungen wirklich gut war.
"Das kommt darauf an", erwiderte er.
"Wir - das heißt ich und die Gruppe meiner Mitstreiter - sind auf der Suche nach jemanden, den wir als Spion in die Gruppe Voldemorts einschleusen können, um ihn so von innen heraus anzugreifen. Wir haben gegen ihn nur eine Chance, wenn wir über alles bestens informiert sind. Ich weiß das bereits länger, aber ich konnte erst vor kurzem auch meine Kameraden davon überzeugen. Es ist manchmal schwierig gegen die dicken Bretter vor den Köpfen mancher Zauberer anzukommen." Er lächelte und seine Augen glitzerten verschmitzt. Und wieder hatte Dumbledore es geschafft, Severus zu überraschen. Beim besten Willen konnte er sich nicht vorstellen, wie Dumbledore eine Gruppe gegen den Dunklen Lord führte, sozusagen als Widerstandskämpfer.
"Du, Severus, wärst der ideale Kandidat dafür. Lucius kennt dich und glaubt, aus dir einen perfekten Todesser gemacht zu haben. Deine Fassade ist perfekt, es gibt keinen Schüler und keinen Lehrer an dieser Schule, der mittlerweile noch glaubt, daß du kein Todesser bist. - Daher frage ich dich. Wärest du bereit, diese Rolle zu übernehmen und für mich gegen Voldemort zu arbeiten? Ich kann mir vorstellen, daß deine Beziehungen zu Lucius und deine unglaubliche Begabung was die dunklen Künste und Zaubertränke angeht, dich schnell zu einem seiner engsten Vertrauten machen werden." Die Begeisterung in Dumbledores Stimme war deutlich hörbar und Severus wußte in dem Moment nicht so recht, was er darauf sagen sollte. Diese Bitte oder dieser Auftrag, wie man es auch immer sehen wollte, paßte so gar nicht in seine Pläne, die er für seine Zukunft hatte. Er hatte noch zweieinhalb Jahre in Hogwarts und danach sollte endlich seine gemeinsame Zukunft mit Lily beginnen.
Er wollte mit ihr fortgehen, eine Familie gründen, Kinder haben, glücklich sein. Was Dumbledore hier nun aber vorschlug, war sicherlich nicht in wenigen Monaten realisierbar, sondern verplante Jahre seines Lebens, die er nicht mit Lily teilen konnte, weil sie sonst in Gefahr war. Ein Todesser durfte sich niemals mit einem Schlammblut einlassen.
Aber Dumbledore wußte nichts davon, daß er und Lily alles geklärt hatten, denn genau das war ja auch der Sinn gewesen. Niemand sollte es wissen, es sollte alles ein großes Geheimnis bleiben, bis zu dem Tag, an dem sie gemeinsam verschwanden und nie wieder auftauchten.
"Sir...", setzte er zu einer unsicheren Antwort an. Was sollte er denn bloß sagen?
"Du mußt dich nicht sofort entscheiden, Severus. Ich sehe dir an, daß du andere Pläne hattest und ich möchte dich nicht zu etwas drängen, was du nicht wirklich machen willst. Denn ich will ganz offen sein, dieser Auftrag ist lebensgefährlich. - Denke darüber nach. Ein paar Tage oder Wochen oder Monate, so lange du brauchst." Severus nickte langsam, schon tief in seine Gedanken versunken. Er mußte mit Lily darüber reden. Sie mußte an dieser Entscheidung teilhaben und konnte ihm sicherlich helfen, den richtigen Weg zu gehen.
Dumbledore betrachtete den düsteren Jungen vor sich nachdenklich. Er war der richtige, der einzige, der diese Aufgabe überleben konnte. Dumbledore wußte nicht, warum er sich da so sicher war, aber er war es einfach, wußte einfach, daß es so war.
"Wenn Sie erlauben, werde ich mich jetzt zurückziehen." Dumbledore nicke und sah Severus nach, der sein Büro mit einem nicht so festen Schritt wie sonst verließ.

***



An diesem Abend beim Abendessen brachte Persephone Lily einen Brief. Das war an sich schon ungewöhnlich, da die Post normalerweise nur morgens kam. Aber als sie den Umschlag betrachtete, fielen ihr ein paar sehr klein geschriebene Worte am Rand des Umschlages auf.
"Bitte nicht in der Großen Halle lesen." Obwohl er seine Schrift verstellt hatte, erkannte sie, daß der Brief von Severus war. Sie steckte ihn in ihren Umhang und beendete ihr Abendessen als wäre nichts passiert.

Liebste Lily,

ich muß dringend etwas Wichtiges mit dir besprechen. Komm bitte heute nacht in den Westturm. Ich habe eine
Entscheidung zu treffen, die uns beide sehr stark beeinflussen wird.
Bitte erzähl niemandem von unserem Treffen, das ist sehr wichtig!

In Liebe
Severus


Lily war verwirrt. Was konnte denn so wichtiges passiert sein? Sie wußte, er war heute bei Dumbledore gewesen, aber... Lily faltete den Brief zusammen und legte ihn zu den anderen Briefen von Severus, die sie allesamt noch immer bei sich trug und versiegelte die Holzkiste danach wieder magisch.
Sie würde es nachher sehen. - Sofern sie heil in den Westturm kam.

Lily atmete erleichtert auf, als sie die Tür hinter sich schloß und ihren geheimen Treffpunkt auf dem Westturm sicher erreicht hatte. Einmal war es sehr knapp gewesen. Seit Narcissa Vertrauensschülerin in Slytherin war, mußte man noch mehr auf der Hut sein als vorher schon und das war so manches Mal mehr als nervig.
Severus war noch nicht da. Wahrscheinlich kämpfte er gerade mit Narcissa, denn wenn sie nicht bei den Gryffindors herumschlich, war sie meist unten in den Kerkern. Hoffentlich hatte sie ihn nicht erwischt.
Sie setzte sich auf die Treppe und blickte hinauf in den sternenklaren Himmel. In den letzten Tagen war es deutlich kälter geworden und der Herbst zog endlich so richtig über das Land.
Die Tür ging auf und Lily blickte erschrocken auf. Severus schlich herein und schloß die Tür so leise wie möglich wieder hinter sich.
"Ich bin froh, daß du es geschafft hast", flüsterte er ihr zu. "Ich mußte mich erst an Narcissa vorbei schleichen. Sie scheint wieder einen ihrer Sehnsuchtsanfälle zu haben." Er nahm Lily in den Arm und gab ihr einen langen Kuß, bevor er ihr beide Hände auf die Wangen legte und sie lange ansah.
"Was ist mit dir?" fragte Lily, seine Augen zogen sie irgendwie in seinen Bann. Er schüttelte langsam den Kopf und lächelte, bevor er sie wieder an sich drückte.
"Irgendwas stimmt hier nicht, also rück schon raus damit", sagte sie sanft.
"Dumbledore hat einen Auftrag für mich", fing er an und schon bei diesen ersten Worten bemerkte Lily, wie hin- und hergerissen Severus war. Was auch immer das für ein Auftrag sein mochte.
"Er hat mich darauf angesprochen, daß ich mich in den letzten beiden Jahren sehr in der dunklen Szene eingegliedert habe und wollte mich wohl eigentlich davon abbringen. Doch als ich ihm gesagt habe, daß ich gar nicht zu den Todessern gehen will..." Severus brach ab. Lily sah ihn fragend an, doch als er immer noch nicht weiter sprach, hakte sie noch einmal nach.
"Ja? Was hat er dann gesagt?" Severus blickte sich hilfesuchend um. Er wollte Lily das nicht einfach so an den Kopf knallen, aber es gab wohl auch keine andere Möglichkeit als es einfach frei heraus zu sagen...
"Er möchte, daß ich doch gehe und zwar als sein Spion." Lily riß die Augen auf und das Entsetzen in ihnen war nicht zu übersehen.
"Das... das ist lebensgefährlich für dich", brachte sie stotternd hervor und Severus nickte schlicht.
"Und es ist vermutlich ein Auftrag, der mich mehrere Jahre von dir fernhalten wird." Die Tränen stiegen Lily in die Augen, doch sie kämpfte dagegen an, denn sie wollte nicht weinen, wollte nicht zeigen, was für ein riesiges Loch diese Nachricht ihr schon wieder ins Herz riß, gerade jetzt, wo sie Severus endlich wieder hatte nach all den unglaublich langen, einsamen Monaten.
"Klar, ich verstehe. Ich - das gewöhnliche Schlammblut - und du als Todesser, das geht natürlich nicht. - Was bedeutet das dann konkret? Werden wir uns gar nicht sehen und nichts voneinander hören in der Zeit?" Severus hob die Schultern.
"Es kommt ganz darauf an, wie weit ich bei Voldemort aufsteige. Dumbledore ist sich sicher, daß ich aufgrund meiner Begabungen und Veranlagungen genau den Ansprüchen des Dunklen Lords entspreche und darum bald einer seiner engsten Vertrauten sein werde. Wenn das stimmt, dann wird es natürlich sehr schwierig für mich sein, mich mit dir zu treffen und auch mit Eulen muß man in seiner Nähe vorsichtig sein. Er hat seine Augen und Ohren überall."
Lily nickte und die Traurigkeit in ihrem Blick - auch wenn sie versuchte, sie zu verstecken - brach ihm fast das Herz.
"Ich werde dann wohl in der Zeit bei James bleiben, nehme ich an?" Severus erstarrte. Er hatte nicht darüber nachgedacht, wenn er ehrlich war, aber auch er wußte, daß Lily eine der gefährdetsten Hexen dieses Jahrganges war. Wenn sie nach der Schule die Beziehung zu James beendete und zu ihren Eltern zurückging... er brauchte gar nicht lange darüber nachzudenken, wie lange es dann dauern würde, bis Lucius dem Dunklen Lord einreden würde, daß Severus seine ehemalige Freundin, die ein dreckiges Schlammblut war, als Beweis seiner Loyalität töten mußte. Lucius war mit hundertprozentiger Sicherheit krank genug für so einen Plan.
"Da bist du auf jeden Fall sicher." Lily hörte aus seiner Stimme heraus, wie er kämpfte, diese Worte hervor zu bringen.
"Die Potters sind eine sehr alte Zaubererfamilie, sehr mächtig. Sie werden dich sicherlich beschützen können, wenn es ganz schlimm kommt." Lily versuchte zu lächeln, doch es gelang ihr längst nicht mehr.
"Das klingt gerade so, als wäre ich in Gefahr von diesem Voldemort..." Sie brach ab, denn Severus' Gesicht reichte schon aus, um die Antwort zu wissen. Plötzlich schüttelte Severus den Kopf und drehte sich mit einer verzweifelten Geste von Lily weg. Er konnte nicht sehen, wenn sie so traurig war. Sie hatte auch keinen Grund, so traurig zu sein. Er würde es einfach nicht machen. Er setzte doch sein Leben nicht aufs Spiel, nur weil Dumbledore ihm sagte, daß er ein guter Mann für den Job war.
"Ich werde nicht gehen", sagte er schließlich leise und nur für einen kurzen flüchtigen Moment hellten sich Lilys Züge auf, doch das konnte er nicht sehen, da er sich immer noch von ihr abgewandt hatte.
"Das wirst du wohl!" antwortete sie entgegen all den Zurufen ihrer inneren Stimme. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen und dazu stand sie, egal was ihr Herz, ihr Gefühl, ihr Gewissen dazu sagte.
"Aber warum?" fragte Severus überrascht und sah sie an.
"Weil du es kannst. Dumbledore hätte dich nicht darum gebeten, wenn du nicht der absolut richtige Mann für diesen Job wärst. Und welche Alternative bleibt uns? Wir können weglaufen und uns verstecken, aber wenn du diese Sache durchziehst und Dumbledore erfolgreich ist, dann können wir hier mit unseren Freunden leben. Unsere Kinder könnten in Frieden aufwachsen, nicht auf der Flucht und in Angst vor einem düsteren Schreckgespenst.
Sie können die Hogwarts-Schule besuchen und hier die wundervollsten Dinge lernen und das Böse wird sie in Ruhe lassen, denn ihr Vater hat seine Chance genutzt, als er sie hatte und hat es vernichtet.
Du weißt, daß du diese Herausforderung annehmen mußt. Du weißt es ebenso gut wie ich, also wehr dich nicht dagegen." Severus ließ den Kopf hängen. Lily war immer so selbstlos, so aufopferungsvoll.
"Wir werden vielleicht ein paar Jahre getrennt sein, aber wenn alles vorbei ist, dann haben wir eine echte Chance. Dann kann alles von vorne beginnen. Nicht nur mit uns beiden, sondern in der ganzen Gemeinschaft der Zauberer und Hexen bricht dann eine neue Zeit an." Zärtlich strich sie ihm durchs Haar und lächelte.
"Ich opfere gerne ein paar Jahre, wenn ich dich dann dafür nie wieder hergeben muß. - Es kann nicht immer nur alles schiefgehen, Severus. Einmal scheint auch wieder die Sonne auf uns herab und dann ist unsere Zeit gekommen, um glücklich zu sein." Er schloß sie in seine Arme und hielt sie mit einer noch nie gekannten Verzweiflung einfach nur fest. Sie hatten noch viel Zeit vor sich und trotzdem hatte er das Gefühl, daß er sie schon morgen losließ und sie vielleicht nie mehr wiedersah.
Er wußte, sobald er morgen bei Dumbledore gewesen war und ihm gesagt hatte, daß er den Auftrag annahm, würde nichts mehr so sein, wie es einmal war und es würde auch nie wieder so werden. Und die letzten zweieinhalb Jahre gemeinsam mit Lily würden ihm vorkommen wie ein einziger Tag.
Ob die Sonne irgendwann einmal für sie scheinen würde, er wußte es nicht. Aber er wünschte es sich mehr als alles andere. Wünschte sich das Leben gemeinsam mit ihr, die Kinder, den Frieden, alles von dem sie eben gesprochen hatte. Wünschte es sich hier und jetzt.
Und er wünschte James Potter zum Teufel, der Lily zuerst bekommen würde, wenn er auch wußte, daß es nur für eine Zeit war. Die Eifersucht in Severus war kaum zu bremsen. James und Lily hier in Hogwarts, das war eine andere Sache, aber sobald die Schulzeit einmal vorbei war, würde Lily vielleicht weiter gehen müssen als bisher, um ihn weiter in dem Glauben der Liebe zu lassen.
Lily ahnte, was ihm durch den Kopf ging, als sie fühlte, daß sein Griff noch fester wurde.

***



Dumbledore blickte auf, als Severus plötzlich in seinem Büro stand.
"Verzeihen Sie, Sir, aber ich habe gestern das Paßwort gehört und dachte, ich komme gleich zu Ihnen herauf." Dumbledore nickte und deutete ihm an, sich zu setzen. Doch Severus schüttelte den Kopf und blieb stehen.
"Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen, daß ich es machen werde. Ich hab keine Ahnung, warum ich so dumm bin, aber ich werde es tun und ich werde erfolgreich sein. - Das war es auch schon." Ohne Dumbledores Antwort abzuwarten, drehte er sich auf dem Absatz um ging die Treppe hinunter und an dem Wasserspeier vorbei zurück in das Gemurmel, das Lachen und die Fröhlichkeit von Hogwarts. Doch all das drang nicht zu ihm durch. Zu sehr beschäftigten ihn seine Gedanken und die Endgültigkeit der Entscheidung, die er hatte treffen müssen und so auch getroffen hatte. Wann würde er erfahren, ob es die richtige Entscheidung war? Würde er es jemals erfahren? Er hatte das Gefühl, daß er das Richtige tat und es gleichzeitig irgendwann bereuen würde. Er schob den Gedanken von sich fort. Dafür war jetzt absolut keine Zeit.
Lily würde zu ihm halten, das war erst einmal das wichtigste überhaupt. Alles andere würde sich schon klären.


 

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