Kapitel 3
Immer noch 1. September 1992
Als die beiden Frauen in der Großen Halle ankamen, saßen schon einige Leute am Lehrertisch. Poppy stellte sie den Anwesenden vor: Dem älteren zwergenhaften Professor Filius Flitwick, dem Halbriesen Rubeus Hagrid bis hin zu Dumbledore, mit dem Poppy dann eindringlich sprach und der ihr dabei freundlich zunickte.
Helen dachte bei sich: "Sie ist ziemlich aufgekratzt, sie hätte das Papier nicht so lange in den Händen halten sollen. Aber wahrscheinlich hat sie sich tief in ihrem Herzen wirklich eine Hilfe gewünscht."
Dumbledore fragte zwischen zwei Bissen in die Runde: "Ist unser Neuzugang, Gilderoy Lockhart, noch nicht eingetroffen?"
Allgemeines Schweigen!
Dann erschien mit einem `Plopp´ eine Hauselfe vor Dumbledore und schrie: "Ich kündige!"
Sie warf ein Geschirrtuch auf den Boden. Als sie sich umdrehte und Richtung Ausgang stampfte, rief der Schulleiter: "Du kannst nicht kündigen, das geht doch nicht!"
"Und ob! Sie sehn´ doch, dass ich das kann! Ich bleibe nicht eine Minute länger unter einem Dach mit diesem-...", ein paar unschöne Ausdrücke folgten, wobei wohl jeder der Anwesenden geschworen hätte, dass eine Hauselfe solche Ausdrücke niemals benutzen würde. Ganz zu schweigen von dem Rest des Ausbruchs.
Pomfrey nahm sich der Kleinen an, die nun zu heulen begonnen hatte.
Dumbledore stand auf: "Ich werde mich dann mal in die Küche begeben und sehen, was noch zu retten ist. Nicht auszudenken, heute kommen die Kinder an und die Hauselfen haben Stunden zuvor fluchtartig das Schloss verlassen."
Severus, der neben Helen saß, flüsterte ihr betroffen zu: "Ich hätte Filch sagen sollen, dass er mit Goldlöckchen im Schlepptau einen weiten Bogen um bewohnte Gebiete machen soll. Am Ende nimmt sogar Peeves, unser Poltergeist, Reißaus."
Nachdem Dumbledore gegangen war, kam zur gegenüberliegenden Tür Filch reingeschlurft. Als sein "Anhängsel" ebenfalls hinter ihm zur Tür rein kam, fing die Hauselfe, die Poppy gerade erfolgreich hatte beruhigen können, wieder lauthals an zu schreien und zu weinen.
Missbilligend schritt Lockhart an ihr vorbei zum Tisch. Sein Blick war auf die Elfe gerichtet: "So ein Aufstand wegen ein paar Verbesserungsvorschlägen."
Dann wandte er sich den Anwesenden zu: "Also hier sind alle! Ist Direktor Dumbledore auch hier?"
"Den haben Sie grade verpasst, Mister", antwortete Hagrid, der neben ihn getreten war, nachdem er vom Tisch aufgestanden war.
Gilderoy besah sich Hagrid abschätzig von unten nach ganz oben: "Und wer sind Sie?"
"Der Verwalter, Rubeus Hagrid."
"Ah ja. Schön für Sie." Lockhart schlängelte sich an dem Riesen vorbei, weiter zum Tisch zu den anderen. "Ich bin Professor Gilderoy Lockhart, fünffacher Sieger des `Strahlendes-Lächeln-Wettbewerbs´ der Hexenwoche, Träger des Merlinordens 3. Klasse und Autor von ..."
Weiter kam er nicht, da alle Anwesenden fluchtartig aufstanden und sagten: "Und wir sind mit dem Essen fertig!"
Dann versuchte jeder so schnell wie nur möglich den nächsten Ausgang zu erreichen. "So warten Sie doch! Wollen Sie mir nicht beim Essen Gesellschaft leisten?" Lockhart lächelte gewinnend in die Runde.
Die Anwesenden sahen sich verängstigt gegenseitig an und eine unausgesprochene Frage lag in der Luft: `Wie kommen wir hier bloß raus?´
Snape ergriff das Wort: "Das mit dem Essen wird wohl nichts werden, die Hauselfen haben heute schon ungewöhnlich früh Feierabend gemacht. Nun entschuldigen Sie uns bitte, wir haben alle dringende Arbeit zu erledigen."
Severus zog Helen an der Hand hinter sich her: "Kommt er uns nach?"
Helen schaute über ihre Schulter. "Nein. Er hat wohl beschlossen Mr. Filch weiter zu folgen. Mr. Filch muss besser zu Fuß sein als er aussieht?"
"Eins seiner Hobbys ist das Wandern. Aber seitdem der alte Flitwick seine Schuhe verzaubert hat, wandert er noch mal so gern."
"Äh... Severus? Dieser Lockhart war wohl auch kein Schüler dieser Schule?"
Seltsamerweise wurde in keinem Buch etwas über Gilderoy Lockharts "Ausbildungsstätte" erwähnt, sie konnte sich jedenfalls nicht erinnern, jemals darüber gelesen zu haben.
"Laut seinen Zeugnissen war er auf einer Zauberschule in Timbuktu. Dummerweise gibt es dort überhaupt keine Zauberschule, aber jede Menge Fälscher für Zauberer-Urkunden", bemerkte Snape.
***
Nach endlosem Laufen durch die Schule gab Lockhart gegenüber Filch zu: "Ich müsste mal für kleine Jungen."
Ohne hinzuschauen ging Filch, als wenn er nichts gehört hätte, weiter, doch deutete er nach einigen Schritten mit seiner Hand auf eine Tür: "Zu unserer Linken befindet sich eine Mädchenschülertoilette."
"Dann halt für kleine Mädchen!", damit war Gilderoy Lockhart, ohne einen Kommentar abzuwarten, auch schon hinter der Tür verschwunden. Gut, dass noch keine Schüler da sind, dachte er. Er öffnete seine Hose noch bevor er eine der Türen der Toilettenkabinen geöffnet hatte. Dann riss er die nächste Kabinentür auf. Mit entblößtem Schritt starrte er in die grauen durchscheinenden Augen eines Geistermädchens.
Sie starrte ihn empört funkelnd an: "Sie perverses Schwein! Sie! Verschwinden Sie aus meinem Klo! Sagt Ihnen der Name Mädchenklo etwas?! RAUS!!!"
Wenige Augenblicke später stand er wieder bei Filch auf dem Gang: "Ich verkneif´s mir!"
Mit einem fiesen Grinsen schlurfte der Hausmeister weiter.
***
Später am Nachmittag hatten es sich die meisten im Lehrerzimmer gemütlich gemacht. Madam Hooch, die gerade in Hogwarts angekommen war, trat ein.
"Was ist denn mit euch los? Die Gören sind noch nicht da, es ist ein herrlicher Tag draußen und ihr habt euch allesamt hier verkrochen? Was ist los? Läuft ein grässliches Monster frei in der Gegend rum?" Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und starrte in die Runde.
"Hast du ‚ES' gesehen?", fragte Flitwick.
"Au Mann! Beinahe hättet ihr mich drangekriegt. Also was ist mit euch los? Ach, mal was Anderes: Haben wir einen neuen Geist? Ich hab aus den Tiefen des Schlosses so ein Stöhnen und Heulen gehört: ‚Meine Füße, meine armen Füße!'"
"Du hast ‚ES' also gehört?" Diesmal fragte Sprout.
Weiter ging das Gespräch nicht, da in diesem Moment die Tür hinter Hooch aufflog und Dumbledore eintrat.
"Es hat mich viel Überredungskraft gekostet, aber ich konnte die Hauselfen überzeugen zu bleiben."
Durch die noch offenstehende Tür kam Lockhart hindurch. Sein weißer Umhang war inzwischen reichlich grau. Er rief in die Richtung, aus der er gekommen war: "Ich hab doch gesagt, dass ich hier jemanden reingehen gesehen habe, alter Knabe. Und das sieht mir hier drin wirklich nicht wie die Folterkammer aus. Sie haben mich angeflunkert!"
Lockhart bahnte sich einen Weg zum nächsten Sessel. "Meine Füße bringen mich um! Ich habe wahrscheinlich mehr Blasen als man sich überhaupt nur vorstellen kann. Will jemand mal sehen?"
Er erntete ein Kopfschütteln von allen Seiten. Mit einem Blick auf seinen Umhang, murmelte er: "Ich muss mich dringend umziehen."
Völlig fertig ließ er sich in einen vermeindlich leeren Sessel gleiten, als ihn ein allgemeines Aufschreien: "Nein! Nicht dort hinein!" innehalten ließ.
"Warum denn nicht? Ist doch leer? Oder ist der etwa schmutzig oder kaputt?" Im Moment wäre ihm sogar das egal gewesen, er wollte sich nur noch setzen und seine Füße auskurieren.
Durch den Aufschrei der Anderen erwachte der alte, heute schon etwas zu sehr mitgenommene Professor Binns aus seinem Nickerchen und starrte genau auf Lockharts Rückfront.
"Weichen Sie mir vom Schoss!", kreischte der Geisterlehrer.
Lockhart, der nun auf die nebelhafte Erscheinung im Sessel aufmerksam wurde, machte einen gewaltigen Sprung zurück und landete regelrecht in Dumbledores Armen.
"Sie müssen der neue Lehrer sein, den ich eingestellt habe. Ich bin Professor Dumbledore." Als er ihm die Hand gab, legte Dumbledore seinen Arm um Lockharts Schulter und zog ihn mit sich raus. "Ich werde Ihnen dann jetzt mal alles zeigen."
Severus grinste zu Helen rüber: "Auch Dumbledore hat eine Leidenschaft fürs Wandern."
***
Als der Abend kam, machten sich die Meisten auf den Weg zur Großen Halle. Da Poppy nun Helen hatte, konnte auch sie in die Große Halle zum Fest. Da der Krankenflügel immer besetzt sein musste, solange die Schüler im Schloss waren, machte Helen sich auf den Weg dorthin. Severus begleitete sie noch ein Stück des Weges. Eigentlich direkt bis dorthin.
Nachdem er sich von Helen verabschiedet hatte mit einem: "Ich muss dann auch mal runter, die Schüler kommen gerade an. Wir sehn´ uns dann morgen", blieb plötzlich eine Katze mit einer Ausgabe des Abendpropheten in der Schnauze vor ihm stehen.
"Also, dass Katzen Zeitungen austragen ist mir neu! Na zeig mal her, Mrs. Norris, was steht da so Wichtiges, dass dein Herrchen dich schickt?"
Er ging in die Hocke. Nachdem er die eingerollte Zeitung aus der Katzenschnauze genommen hatte, las er diese noch in gleicher Position und kraulte dabei das Haustier des Hausmeisters. Dann senkte er die Zeitung: "Da werd ich wohl schauen müssen, welche Schüler nicht mit dem Zug ankommen und diesen Mist angestellt haben. Konntest du die Zeitung nicht McGonagall bringen? Oder Flitwick oder Sprout? Das sind bestimmt keine Schüler aus Slytherin. Glaub mir, Mrs. Norris, wenn die so was machen würden, wüssten die was ihnen bei ihrer Ankunft bei mir blüht. Die würden sich hier erst gar nicht mehr blicken lassen."
Die Katze schaute den Mann, der ihr gerade das Fell am Kopf kraulte, mit großen Augen an. Dann sagte Severus zu dem Tier: "Du hast wahrscheinlich nicht das Geringste verstanden von dem, was ich dir gerade erzählt habe."
Er stand auf und fügte hinzu: "Na dann lauf wieder zu deinem Herrchen. Und ich werde mir inzwischen eine Strafpredigt ausdenken."
***
Das Fest neigte sich langsam dem Ende zu. Severus nahm sich gerade einen Löffel Schokopudding, als Professor McGonagall sich neben ihn setzte.
"Na Minerva, hast du den beiden den Kopf getätschelt und ihnen einen Gute- Nachtkuss gegeben?"
"Es sind doch noch Kinder! Und du hast wahrlich genug mit ihnen geschimpft."
"Verantwortung kann man nie früh genug lernen! Ich hoffe du hast sie wenigstens ohne Abendbrot ins Bett geschickt?"
"Nein, ein paar Brote hab ich ihnen schon gegönnt. Die durften sie in deinem Büro zwischen deinen ekligen Einmachgläsern essen."
"Na, wenn ihnen da mal nicht der Appetit vergangen ist? Da würde nicht mal ich selbst essen."
"Kein Wunder, dass du so verhungert aussiehst."
Review
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