Kapitel 59: Türen
Ich kann dir nur die Tür zeigen, hindurchgehen musst du jedoch selbst.
(Unbekannt)
Tornbee kam mit den anderen und was Moody ihnen eröffnete war so unwirklich wie auch unwahrscheinlich.
"Das ist unmöglich!" sagte der leitende Auror und man sah ihm an, dass er sichtlich Mühe hatte Moody nicht sofort für verrückt zu erklären.
Alle anderen merkten die genervte Stimmung und duckten sich leicht. Tornbee war kein leichter Mann, Moody wußte das, er hatte viele seiner Leute sicher durch die stürmischen Zeiten geführt. Mit welchen Methoden, das war Alastor nicht klar, aber er war sich so ziemlich sicher, dass es keine von Morays Leuten waren.
"Unsere Geräte im Hauptquartier....", doch Moody schnitt Tornbee das Wort ab. "...wurden getäuscht! Selbst mein Auge wurde getäuscht!" Der alte Mann wies auf sein großes, unnatürliches, magisches Auge. "Aber mein gesundes hier...",
jetzt wies er auf das normale Auge, "sah die Abnutzungen. Keiner kann eine geheime Tür einbauen und benutzen, ohne dass man es sieht. WENN man genau hinsieht!"
Alle sahen den Boden zu ihren Füßen an. Eine unangenehme Stille machte sich breit. Man konnte es ihnen förmlich in den Gesichtern ansehen, niemand glaubte ihm. Dabei war es doch so deutlich zu sehen.
Einer der Jüngeren raunte: "Muggelmethoden."
Moody fauchte zurück: "Nicht alles was von Muggeln kommt ist schlecht!"
Der Angesprochene wich zurück und zog den Kopf ein, mit Tornbee sollte sich niemand einfach so anlegen, aber mit Mad Eye erst recht nicht!
Moody warf in stummer Verzweiflung die Hände in die Höhe und begann den Raum weiter abzusuchen. Verblüfft sahen die Anwesenden ihm zu.
"Moody", versuchte es Tornbee diesmal ruhiger, "da ist nichts! Unsere Geräte hätten es uns gezeigt und wir haben die besten magischen Detektoren in England!"
"Klar, und sie halfen uns als Hogwarts abgeschnitten war. Sie halfen beim finalen Kampf gegen Voldemort!" Allgemeines Zusammenzucken. "Sie halfen uns als es darum ging, das Flohnetzwerk und die Portschlüssel zu aktivieren."
Voller Zorn stampfte Moody mit seinem Holzbein auf und machte eine weitreichende Geste. "WO WAREN DA UNSERE ACH SO UNFEHLBAHREN MAGISCHEN GERÄTE!! WO?!"
Bei seiner letzten Geste hatte Moody einen Kerzenleuchter umgestoßen, der auf einer alten Kommode stand und es gab ein leises "Klick".
Der Boden rumpelte und die Schar Auroren sprengte auseinander wie eine Schafherde, die von einem Wolf angegriffen wurde. Sie quetschen sich an die Wände oder suchten in den nahen Räumen Schutz, nur Mad Eye stand ruhig da und beobachtete wie das komplizierte Bodenmuster sich verschob.
"Was bei Merlin?" hauchte Tornbee und starrte den sich veränderten Boden an.
Das Muster gab nun eine Art von Abgang frei und kalte aber frische Luft schlug ihnen entgegen.
Moody hob nur die Überreste einer seiner Augenbrauen und meinte: "Verrückte Muggelmethoden wie?"
Mit einem Schlenker seines Zauberstabes erschien das helle "Lumos"-Licht an dessen Spitze und Moody stieg in die Eingeweide von Morays Haus. Anfangs zögerlich folgten ihm die anderen Auroren. Die Treppen waren sauber in den Fels gehauen und nach zwei Windungen gaben sie den Blick auf einen langen Gang frei. Die Fackeln in den Wänden entzündeten sich magisch und beleuchteten die Szene. Mad Eye ließ seinen Zauberstab sinken und das Lumos-Licht verschwinden. Mit seinem magischen und dem natürlichen Auge suchte Moody die Wände nach verstecken Fallen ab, doch da gab es keine, nur sauber vermauerte Steine, die eine ungewöhnlich glatte und helle Oberfläche hatten. Der Boden war genau so glatt und für ein unterirdisches Gewölbe ungewöhnlich sauber, ja beinahe klinisch rein. Hinter ihm fand Tornbee seine Stimme wieder. Er befahl den Auroren sich in Gruppen aufzuteilen und nach und nach die Räume hinter den einzelnen Türen, die man sah, zu untersuchen. Mad Eye entschloss sich einfach, die erste Tür rechts von ihm zu nehmen und mit einem Stubser seines Zauberstabs schwang sie leise auf. Überall geschah das Gleiche, kleine Gruppen von Auroren öffneten die Türen magisch und begannen mit den Untersuchungen. Alastors Tür führte in einen großen mit schwarzem Stein ausgekleideten Raum, in dessen Mitte ein großer gemauerter Brunnen stand. Wie im Gang entzündeten sich plötzlich Fackeln und beleuchteten alles. Verblüfft sah Mad Eye sich um, der Raum war wirklich groß und auch hier waren die Steine perfekt abgeschliffen und verarbeitet worden. Eine glatte homogene Oberfläche, er konnte es kaum glauben und fuhr mit der Hand über die Steine. Glatt und ohne Schutz. Moray war ein Sauberkeitsfanatiker gewesen. Seine Begleitung warf ein magisches Feuer in den Brunnen und beugte sich neugierig über den Rand, um zu sehen wie tief dieser wohl reichte. Ein hörbares Schlucken und unfassbares Aufkeuchen war anschließend zu hören. Der Auror rannte an Moody vorbei, die Hand vor dem Mund und sehr grün im Gesicht. Kaum war er aus dem Raum verschwunden hörte Moody wie sich der Junge geräuschvoll übergab. Neugierig von dieser Reaktion ging Moody auf den Brunnen zu, das magische Feuer lag ruhig auf den Brunnengrund und beschien die Knochen und halbmumifizierten Leichen mehrerer Personen. Die zersplitterten Knochen und die tiefen Risse in der lederartigen Haut der Mumien zeugten davon, dass diese hier nicht auf natürliche Art und Weise gestorben waren und die Verletzungen konnten unmöglich von dem Sturz in den Brunnen gekommen sein. Moody kniff die Augen zusammen, ein Skelett sah sogar so aus als ob die damals noch lebende Person versucht hätte im Todeskampf aus dem Brunnen zu kommen. Doch die Brunnenwände waren glatt wie Glas. Sie hatten Morays Ablagerungsplatz für seine Gefangenen gefunden.
"Was gefunden?" fragte Tornbee von der Tür aus.
"Ja, Moray Leichenabladeplatz und sie?" Moody zeigte in den Brunnen.
Tornbee nickte, jegliches Gefühl war aus seinem Gesicht gewichen und es glich mehr einer steinernen Maske "Tja, ich hatte mehr Glück, ich habe Moray selbst gefunden!"
Humpelnd folgte der alte Mann dem Auroren. Hinter den anderen Türen konnte Moody Gefängniszellen, weitere Brunnen oder Schächte erkennen, aber die übrigen Auroren hatten sich um eine Tür gescharrt und starrten in den Raum. Tornbee schob sie aus dem Weg und grummelte: "Macht Platz. Laßt mich durch!"
Moody folgte in seinem Schatten und stolperte schließlich in den Raum. Ein einziger Blick genügte um zu sagen, dass sie hier die Folterkammer gefunden hatten. In einem Kohlebecken lag sogar noch eine Zange, mit der man den Gefangenen schmerzen zufügen konnte. Jetzt wußte er woher Snapes Verbrennungen gekommen waren. Einige Flüche hatten die Wände schwarz verfärbt und an einer Säule war ein Seil zu erkennen. Doch seine Aufmerksamkeit galt Moray, der aufgespießt an einer Wand hing.
"Ein Kampf muss hier stattgefunden haben", mutmaßte Tornbee und trat nun vorsichtig auf Moray zu.
Der Tote war schon wieder aus der Totenstarre gefallen und seine Finger zeigten schon die ersten Verfärbungen der Zersetzung. Das Blut am Boden war schon lange geronnen und dunkel geworden.
"Aufgespießt von seinen eigenen Folterwerkzeugen", grummelte Mad Eye und griff schließlich beherzt nach der Schulter des Toten und zog ihn von der Wand. Mit einem unangenehmen Geräusch fiel der Tote auf den Rücken und eine Reihe weiterer Auroren suchten schlagartig die frische Luft auf. Auf Morays Gesicht konnte man immer noch das pure Erstaunen erkennen, als ob Moray im Augenblick seines Todes etwas Unfassbares gesehen hatte. Etwas, was es hier unten nicht hätte gegeben dürfen, und Moody verwettete sein magisches Auge UND sein Holzbein darauf, dass es das Einhorn gewesen war, das ihn von Sirius abgelenkt hatte. Für wen sonst war das Seil um die Säule gedacht gewesen? Der Zentaur wäre zu groß und zu schwerfällig gewesen um hier herunter zu kommen, so konnten es nur Sirius und das Einhorn gewesen sein. Wer von beiden hatte dem Auroren wohl den Todesstoß verpasst? Sirius oder das Einhorn? Konnten Einhörner überhaupt töten? Die Gedanken ließ er wohlweislich bei sich.
Moody ließ ein großes Stück Tuch von einem der wenigen Auroren, die noch in der Tür standen, holen und bedeckte damit den Körper.
"Wir sollten ihn in eine seiner Gruben werfen!" grummelte Tornbee und sah dann noch einmal die Folterkammer an.
"Dann wären wir nicht besser als er. Keinen Millimeter besser!" flüsterte Moody
Eine Peitsche lag nicht unweit von Eisenfesseln, die von der Decke hingen, auf den Boden. Auch wirkten noch so manch andere Gerät, als wäre sie bis vor kurzem noch in Gebrauch gewesen, überall auf dem Boden, unter den Eisenfesseln und an den nahestehenden Säulen erkannte man Blutspritzer. Sie sprangen einem regelrecht ins Auge, denn sie stachen von der klinischen Reinheit der Wände förmlich ab. Moody ging die Foltergeräte ab, und sah auch das Buch, das auf einem nahen Tisch lag. Es war ein verbotenes Buch voll dunkler Sprüche und auch Folteranweisungen. Langsam begann er darin herum zu blättern und er sah, dads Moray einige Notizen gemacht hatte.
Geht zu schnell.
Der Tod tritt wie erwartet erst langsam ein
Nur für den Anfang zu gebrauchen.
Zu starke Geruchsentwicklung.
Nachwirkungen stärker als erwartet, eignet sich auch weiterhin!
Langsam wurde sich Mad Eye bewusst, dass sich Moray zu einzelnen Folterflüchen oder Torturen Notizen gemacht hatte, Moray wollte seine Foltermethoden verfeinern.
Tornbee schickte alle anderen Auroren hinaus, sie sollten das Ministerium verständigen. Als sie allein waren flüsterte er das, was Moody die ganze Zeit, seit er in dieser Folterkammer war, dachte: "Der Mann war krank. Das alles hier ist doch nur krank!"
In den Augen des Auroren stand eine solche Hoffnung auf Bestätigung, fast so als fürchte er um seinen eigenen Verstand, wenn Moody seine Behauptungen jetzt nicht sofort bestätigte. Moody tat ihm gern den Gefallen. "Ja Tornbee, dieser Mann hier war wirklich krank, aber das alles begann schon vor etlichen Jahren."
Zögernd hob der Auror die Peitsche auf und blickte auf die Eisenfesseln. "Kann ein Mensch so etwas überleben? Wer war sein letzter Gefangener? Wo mag er jetzt sein? Oder finden wir ihn in den Gruben?"
Moody wußte nicht, sollte er es sagen, sollte er sagen, dass der letzte Gefangene von Moray um sein Leben kämpfte? Gerade als er den Mund öffnen wollte um etwas zu sagen rannte einer der wenigen noch auf den Beinen stehenden Auroren zu ihnen und keuchte: "Nachricht vom Ministerium. Sie glauben es könnten Todesser gewesen sein. Sie schicken alle noch nicht tätigen Auroren auf die Jagd und hoffen, den Mörder von Moray zu finden. Sie schicken auch jemanden der Morays Leiche holt."
Wie es der Junge gesagt hatte ließ Moody zusammen zucken, er war von seiner Rede überzeug und wenn er gleich die anderen sah, wäre ihr Hass auf Todesser noch fanatischer. Einige Zweifel standen jedoch weiterhin in dem Gesicht von Tornbee geschrieben. Und Moody wußte wie sich damals Albus gefühlt haben mußte, er hatte auch einen Todesser am Rande des Todes gehabt und versucht für ihn zu sprechen. Tornbee sah ihn an und Moody konnte die Unsicherheit erkennen. Tornbee hatte den Glauben an sich und seine Kollegen verloren. Vielleicht konnte er ihn ja mit einweihen. Nein entschied er, das war zu heikel. Auch wenn er ein Auror war, das Risiko war zu hoch. Todesser, egal ob unschuldig oder schuldig, waren im Moment ganz oben auf der Abschußliste der Auroren, und das Wort eines ehemaligen Gefangen von Askaban und eines als verrückt geltenden Auroren würden Snape im Moment nicht viel helfen. Auch wenn man Moray krankes Geheimnis aufgedeckt hatte. Zeit, es mußte einfach noch etwas Zeit vergehen. Vielleicht bis das Geheimnis um die Toten in den Brunnen geklärt war, vielleicht, ja vielleicht dann konnte er es wagen andere mit einzuweihen. Oder reagierte das Ministerium doch auf das hier entdeckte?
"Wir sollten die Toten in den Brunnen untersuchen lassen", flüsterte Moody vorsichtig.
"Hm. Sollten wir", bestätigte Tornbee und folgte dem Jungen aus dem Verlies.
Moody warf einen letzten Blick in die Kammer und ging ihnen nach. Die Auroren redeten in kurzen und schnellen Sätzen miteinander. Das Jagdfieber war wieder ausgebrochen und jeder noch so kleine Schwarzmagier hatte in den nächsten Stunden nichts zu lachen.
‚Alter Freund wie sehr ich dich nun verstehe', richtete Mad Eye seine Gedanken an Albus Dumbledore als er aus Morays Kerkern stieg, ‚wie sehr ich dich und dein Schweigen mir gegenüber nun verstehe!'
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