Kapitel 35: Wille!
Wer andere gut jagen will, muß selber gut laufen können.
Aus Schweden.
„Warum?“
Endlich wurde ausgesprochen was so viele dachten. Was in den Augen von Harry Potter stand. Ganz leise schwebte dieses Wort nun im Raum. Wie ein Gespenst, was sich noch nicht so recht für seine Existenz entschieden hatte.
Warum?
Er haßte ihn doch! Hatte er in all den Jahren ihm das Leben nicht zur Hölle gemacht? Versucht aus der Schule zu verstoßen.
„Wohl eher müßte es heißen wo ist er jetzt?“ Das war Pomfrey die eine Decke über Harry Potter legte.
Sie hatten Harry hoch in die Räume von Dumbledore gebracht. Der Junge lag zusammengerollt auf dem großen Sofa und starrte sie immer noch mit weitgeöffneten Augen an.
Sirius setzte sich neben dem Sofa auf den Boden und hatte eine Hand auf die von Harry gelegt. Sein Patenkind musste spüren, dass er jetzt in Sicherheit war, von Menschen umgeben die ihn liebten und für sein Leben kämpften. Ein unfreundlicher Gedankengang schob sich in Sirius' Kopf, während er so in die Runde sah: würden sie das gleiche machen wenn es nicht um sein Patenkind, Harry Potter, ging? Er würde es jetzt heraus finden, weil, jetzt ging es nur noch um Severus Snape. Von Hagrid wußte Black, dass es in den Dunklen Jahren nur der Halbriese gewesen war, der nach Snape gesucht hatte, der ihn beschützt hatte und ihm ein guter Freund war. Sein Blick wanderte von Harry zu Dumbledore, der Direktor der Schule konnte immer wenig machen, er war an die Schule gebunden und meist wenn er einige Tage weg war, kam das Chaos nach Hogwarts, und Angst. Ein Dumbledore konnte nicht einfach aufstehen und nach seinem Spion, sein Eigentum suchen. Das war immer die Aufgabe von anderen gewesen.
Im Hintergrund standen Moody und Mr Weasley zusammen und flüsterten leise. Nein, sie konnte Dumbledore nicht losschicken, und so wie sie jetzt wirkten waren sie entspannt, keineswegs großartig besorgt. Molly sah beruhigt aus und nicht mehr wie ein Säbelzahntiger auf der Jagd. Selbst McGonagall schien nicht mehr ganz so verkrampft vor Sorge. Nur Dumbledore wirkte irgendwie nicht ganz so beruhigt, wie Pomfrey, die immer wieder einen Blick auf die Tür warf, fast so als hoffte sie, Snape würde gleich kommen. Firenze stand am offenen Fenster, er war noch nicht ganz zufrieden. Der kleine Professor Flitwick schien zu schwanken. Was hatte dieser an Snape gefunden?
Kurz verschwand McGonagall und kehrte mit Ron und Hermine zurück. Die Freunde von Harry freuten sich so unterschiedlich ihn wieder zu sehen, wie es nur selten geschah. Ron lachte leicht hysterisch auf und schüttelte zitternd die Hand seines Freundes. Hermine weinte gotterbärmlich und schluchzte immer wieder wie froh sie sei, dass er wieder da war. Sirius ließ die drei allein, seine Gegenwart wurde nicht mehr benötigt.
Langsam ging die Sonne auf und wo vorher die Nacht lebendig wurde, zogen immer wieder Schatten über das Schloß. Einige Tiere, die meist nachtaktiv waren, suchten auf den Zinnen und Plattformen Ruheplätze, wiederum andere wurden nun aktiv und zogen nun weiter ihre Kreise um das Schloß. Das Flügelrauschen wurde zu einem allgegenwärtigen Geräusch an diesem Morgen.
Sirius stand am Fenster neben Firenze und beobachtete das Treiben der Wächter sehr interessiert, selbst im See und auf den Wiesen vor dem Verbotenen Wald schienen mehr Tiere zu grasen oder Ruhe zu suchen. Die Anspannung der Nacht verschwand und hinterließ nur einen bösen Schatten, der gerade von der Sonne vertrieben wurde. Professor Flitwick trat leise neben ihn und streckte sich um auch etwas aus dem Fenster sehen zu können.
„Heute wird wohl nicht mehr viel geschehen, oder?“ raunte Sirius und beobachtete, wie einen Gruppe Einhörner über die Wiese vor Hagrids Hütte jagte. Kurz blühte alles auf, wie am schönsten Sommermorgen.
„Harry Potter ist wieder da.“ Der kleine Professor sah zu ihm auf.
„Ja, er ist wieder da.“ In Gedanken fügte Sirius hinzu: 'Aber jemand fehlt noch.'
„Er wird schon zu uns kommen,“ meinte Flitwick, als ob er Sirius Gedanken lesen konnte.
„Ihr Wort in Merlins Gehörgang“, murmelte Black.
Im Hintergrund berichtete Harry Potter noch einmal alles was er gesehen hatte. Sirius wandte sich um und hörte zu.
„Die kamen mitten in der Nacht. Plötzlich standen sie an meinem Bett und bevor ich reagieren konnte. ZACK!“, eine zupackende Handbewegung, „hatten sie mich geknebelt und mir die Augen verbunden. Einer wollte noch etwas Spaß haben...“
Harry spie das Wort förmlich aus, könnte er es jemals wieder normal aussprechen?
„Der wollte DICH umbringen, Ron!“
Mrs Weasley gab einen erstickten Laut von sich und umarmte ihren Sohn kurz. Dieser wiederum wirkte plötzlich noch blasser, was ein scharfer Kontrast zu seinen knallroten Haaren war.
„Aber Snape hat es verhindert. Hat gesagt es wäre schon so genug wenn sie mich hätten.“
Ungläubiges Raunen erfüllte den Raum. Snape war also kein Verräter und die kleine Pro-Snape-Liga fühlte sich gestärkt.
„Dann nur noch Rauschen, ein Schwindelgefühl, Unsicherheit, als ob plötzlich alles durcheinandergeraten war und als man mir die Augenbinde abnahm fand ich mich in einem Raum ohne Fenster wieder. Nur eine Tür mit einem Gitterfenster. Immer wieder sagten sie, bald würde ich ihren Lord sehen. Dass niemand mich suchen würde. Dass ich allen egal wäre. Dass hier nur Getreue Voldemorts wären.“
Moody zuckte bei dem Namen des Dunklen Lords zusammen, Mr Weasleys Teetasse fiel auf den Boden und Mrs Weasley zog ihren Sohn wieder in die Arme.
„Und es kam auch keiner. Ich hatte keinen Zauberstab, keine Hilfe, keinen Phönix...“
Das magische Wesen trällerte im Hintergrund traurig und flog von seiner Stange zu Harry. Dieser begann das Tier zu streicheln, als ob er ihm die Absolution erteilen wollte. Der Phönix schien blass und auch gealtert zu sein.
„Dann holten sie mich, brachten mich zu Voldemort. Da war eine große Halle, aber ganz in schwarz gehalten und da war er. Er wartete auf mich und seine Getreuen. Es waren so viele. So viele!“
Staunen und Schrecken erfüllten seine Augen, seine Stimme wurde ein Flüstern. „So viele. Sie brachten mich vor seinen Thron, doch da war er nicht allein, einige Todesser standen oder knieten auf der Plattform. Er wollte mich mit einem Dolch umbringen. Voldemort sagte, hier wären nur seine Getreuen, seine Sklaven. Kein Ausweg für mich. Da war auch kein Ausweg, wie auch? Damals, auf dem Friedhof, hatte ich den Portschlüssel und meinen Zauberstab. Aber da hatte ich nichts! NICHTS! Dann, als Voldemort vor mir stand und den Dolch hob, stand eine der knienden Gestalten auf der Plattform auf und zog sich die Maske und Kapuze vom Gesicht. Voldemort wirbelte herum und wollte sehen wer es da wagte ihn zu stören. Es war Snape und und...“
Harry richtete sich auf und die Decke rutschte herunter. Er saß nun auf dem Sofa und sah die Anwesenden an, nagelte sie förmlich fest aus Angst, sie würden ihn nun verlassen, nach dem was er sagte.
„Und er lächelte! Er lächelte mich an! Das erst Mal, dass ich ihn so offen und traurig lächeln gesehen habe. Er wirkte auf mich so voll Trauer, so voll Schmerz und gleichzeitig so stark, so sicher. Snape sagte nur: 'Fang Potter!', und warf mir seinen Zauberstab zu.“ Harry holte den Zauberstab aus seiner Jacke.
Schwarz und glänzend lag er da in Potters Hand.
„Er hatte ihn in einen Portschlüssel verwandelt. Ich spürte nur noch dieses Ziehen und fand mich dann in einem der Innenhöfe in Hogwarts wieder.“
Dumbledore seufzte und fragte vorsichtig: „Was kannst du uns über den Ort sagen, wo du gefangen gehalten worden bist?“
Sirius sah interessiert von Harry zu Albus.
Harrys Hand umschloss den Zauberstab von Snape fester und er sah den Direktor von Hogwarts an. „Es war ein altes Gemäuer, eine Burg oder ein Schloss. Aber ich konnte keinen Blick nach außen werfen. Es ist nur alt, mehr kann ich nicht dazu sagen.“
Dumbledore nickte ernst. „Ja, das war nicht anders zu erwarten Tom hatte schon eine Schwäche für alte Gemäuer, seltsamerweise galt dies nie für Hogwarts. Das Waisenhaus, in dem er groß wurde, war ein damals modernes Heim. Als er nach langen Jahren wieder in England war ließ er es niederbrennen bis auf die Grundmauern.“
Der alte Mann schüttelte nun bedauernd den Kopf. „Aber dies gehört nicht hierher.“
Alle schwiegen und sahen den Direktor an.
„Was machen wir jetzt?“ fragte Sirius und löste sich von der Fensternische.
„Voldemort wird nicht begeistert sein von Snapes Verrat und wir wissen was passiert wenn der alte Schrecken nicht amüsiert war.“
Pomfrey und Firenze warfen sich besorgte Blicke zu. Die Augen von Dumbledore ruhten auf Sirius.
„Es war seine Entscheidung“, raunte Mrs Weasley und zuckte mit den Schultern.
Sirius warf einen ungläubigen Blick auf die Frau. War das die gleiche Frau, die vor einigen Stunden noch bereit war über Leichen zu gehen, um Harry zu finden? Seine Blicke wanderten weiter und überall fand er diese Zurückhaltung. Sie hatte sich dort ausgebreitet, wo bis vor ein Paar Minuten noch Unsicherheit geherrscht hatte, ein zweites Übel das sich in einige festgesetzt hatte. Pomfrey wirkte zwar verzweifelt, doch sah er auch, was konnte eine Heilerin groß ausrichten, allein? Firenze war kein Magier und konnte nicht zaubern, man sah ihm diesen Frust förmlich an. Dumbledore wirkte verbittert und Sirius konnte die innere Zerrissenheit förmlich sehen. Aber am meisten erschreckten ihn die Blicke der anderen; in einigen Gesichtern konnte er sogar Gleichgültigkeit lesen. Sein Blick blieb bei seinem Patenkind hängen.
Harry saß immer noch da und starrte nun den Zauberstab in seiner Hand an.
„Er hat mir das Leben gerettet. Er ist doch ein Slytherin“, flüsterte er geistesabwesend und drehte den Stab nun, betrachtete ihn fasziniert von allen Seiten. Seine Augen wirkten plötzlich so alt und genau so traurig wie Black es manchmal bei Dumbledore gesehen hatte.
Sirius machte sich Sorgen, sein Patenkind wirkte auf ihn plötzlich so entrückt, weit weg in Sphären, in die er nicht folgten konnte. Der Phönix auf dem Boden vor ihm spreizte die Flügel weit auseinander und trällerte ein Lied. Die Sonne tauchte sein Gefieder in feurige Farben. Rot in Rot. Gold in Gold.
***
Das Gefühl den Boden unter den Füßen zu verlieren. Verwirrung. Er wollte sehen wo er war. Doch man hatte ihm die Augen verbunden. Das Gefühl hielt kurz an, dann fiel er auf harten Wiesenboden. Es roch nach frischer Luft und einige Vögel sangen sogar. Irgendwo in ihm sagte eine kleine schwache Stimme, das wohl Tag seinen musste. Ein Fuß, der seine Magengrube traf, er krümmte sich und hustete schwach. Übelkeit kroch in ihm hoch.
„Verräter“, fauchte eine Frauenstimme über ihm, ein Flüstern und seine Welt explodierte in Schmerz und Agonie.
Während sein Gefühl langsam abschaltete und wieder die sicheren Gründe der Bewußtlosigkeit aufsuchte, verließ ihn die Gewissheit nicht, dass er etwas richtig gemacht hatte.
Severus Snape spürte nicht mehr wie er über den Rasen auf ein altes Haus zugeschleift wurde.
Review
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