Kapitel 30: Die Nacht
Nicht den Tode sollte man fürchten, sondern dass man niemals beginnen wird, zu leben.
Marc Aurel
Snape schlief, aber er schlief den leichten Schlaf eines wachsamen Todessers. Seit Voldemort begonnen hatte sie mit seiner trügerischen Ruhe weich zu bekommen, schlief er sehr leicht und schreckte bei jedem Geräusch auf. So hörte er die leisen Schritte schon lange und bevor sich der Angreifer seinem Bett völlig genähert hatte, lag sein Zauberstab schon in der Hand. Gewand und schnell wie eine Schlange rollte er vom Bett, bevor der Unbekannte ihn erreicht hatte, und blendete ihn mit einem leisen: „Lumos.“
„Ach verdammt Giftmischer mach das Licht aus!“ fluchte eine wohlbekannte Stimme.
„Lucius schon mal davon gehört anzuklopfen?“ Severus ließ das Licht verschwinden.
Im kurzen Lichtschein erkannte Snape noch weitere Gestalten, und alle in ihm sehr bekannten Roben und Umhängen. Es war kein ein-Elternteil-besucht-Lehrer-Termin, eher ein Todesser-überfallen-die-Schule. Ein kleiner Teil ganz tief in ihm zollte Sirius Black Tribut, es war so weit und Snape konnte keinen warnen.
„Giftmischer es ist so weit! Die Zeit der Rache und des endgültigen Krieges ist da! Unser aller Meister hat es satt im Stillen zu agieren oder Geisteskranke in Krankenhäusern zu attackieren, es ist Zeit, dass er das bekommt was ihm zusteht!“ Lucius Malfoy klang tatsächlich so als ob er es glaubte und im Hintergrund nickte die anderen Todesser.
Snape ließ den Zauberstab sinken und nickte.
Es war Zeit.
Lucius schloß die Tür und ließ Severus so etwas Privatsphäre, um sich umzuziehen. Ein Zugeständnis das Snape überraschte, Lucius hatte selbst in den stillen Jahren in ihm nicht mehr als ein unterwürfiges Anhängsel von Voldemort gesehen. Das hatte sich nie geändert. Snape angelte nach seiner Todesserkleidung. Vielleicht war es auch nur das Besondere des Abends was Malfoy zu dieser für ihn großzügigen Tat bewog. Angezogen und innerlich bereit den letzten Schritt zu gehen, betrat er sein kleines Wohnzimmer. Diesmal hörte er keine abfälligen Bemerkungen über seine Behausung. Nein, eher wirkten die Todesser verwirrt und unsicher. Der grelle Wandteppich schien selbst in der Düsternis zu leuchten und der große weiche Teppich vor dem Kamin dämpfte ihre Schritte. Es war sein Zuhause und etwas wie Zorn regte sich in Snape, es war nicht recht, dass sie hier waren. Es war sein Heim, seine Zuflucht und diese Zauberer hatten es mit ihrem Besuch unsicher gemacht und irgendwie auch verseucht. Doch daran ließ sich nichts ändern, und der Zorn verging so schnell wie er gekommen war. Es war sein Schicksal und er hatte es schon vor langer Zeit angenommen.
Malfoy legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Es ist Zeit, dass wir IHM den Jungen bringen und es wird eine Schmach für den alten Narren sein, wenn wir ihn direkt unter seiner übergroßen Nase wegschnappen.“
Snape nickte, er verstand und es schmerzte ihn so etwas über seinen gütigen Herrn zu hören. Aber er musste jetzt mitspielen so weit es ging und retten was zu retten war.
Leise schlichen die Todesser durch die Gänge von Hogwarts. Wie sie es in das Schloß geschafft hatten ohne dass Dumbledore davon wußte, Snape würde es nie erfahren. Snape flüsterte einer etwas verdatterten Fetten Dame das Passwort zu, sie sah jedoch trotz der Kleidung keine Gefahr, er war doch Lehrer! Er konnte doch nichts Schlechtes machen. Bereitwillig öffnete sie die Tür zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Die anderen Todesser, die sich versteckt hatten, schlichen nun leise herein.
Am liebsten würde Snape seinen Kopf gegen die nächstbeste Wand schmettern, wie sehr er sie alle verriet. Er verdiente es nicht mehr hier zu sein. Alles in ihm schrie auf, wollte sie warnen, doch da war auch etwas was ihn zurück hielt. Zielsicher führte er sie in den Schlafraum, ein Schlafzauber war schnell über die anderen Schüler gesprochen, sie würden von all dem nichts mitbekommen.
Nur Harry Potter ließen sie aus, er schreckte hoch als sie sich um ihn scharrten und bevor er begriff, verstand, war er überwältigt. Geknebelt und gefesselt saß er wenig später mit sich und den Stricken kämpfend am Boden. Malfoy überprüfte mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen die Fesseln, zu guter Letzt nahm er dem Jungen die Brille ab und verband ihm die Augen.
Snape stand still und stumm daneben.
„Was sollen wir mit denen machen“, lachte ein Todesser leise und zielte spielerisch auf Ron Weasley, Harry Potters besten Freund.
Malfoy dachte kurz nach. „Dafür gab es keine Order mach was du willst.“
Der angesprochene Todesser gluckste und zielte direkt auf Weasleys Brust. Harry Potter wand sich und gedämpfte Schreie klangen durch den Knebel. Severus sah wie der Junge in Panik geriet aus Sorge um seinen Freund. Snape erwachte aus seiner Starre. „Sei kein Narr. Es genügt wenn wir Dumbledore wegen Potter auf dem Hals haben. Wenn wir hier ein Massaker anrichten haben wir auch die einzelnen Väter und Mütter auf dem Hals. Molly Weasley mag eine Verräterin an Blut und Magierehre sein, sie ist aber bereit über Leichen zu gehen wenn es um ihre Kinder geht. Das gleiche gilt für den Vater. Ganz zu schweigen von den anderen.“
Er machte eine weitläufige Geste, sah aber bewußt nicht auf Neville. Für den Jungen würde keiner kämpfen und innerlich betete er, dass keiner auf den gleichen Gedanken kam.
Der Todesser ließ zögernd den Zauberstab sinken, es gefiel im sichtlich NICHT, um seinen Spaß betrogen zu werden. Jedoch machten für alle Snapes Worte Sinn. Es genügte, Dumbledore auf den Hals zu haben.
Malfoy nickte und so verließen sie leise den Raum, ohne Schaden angerichtet zu haben. Für Snape war das alles nur ein Alptraum, aus dem er nicht erwachen konnte. Er folgte den Todessern zu einem Kamin, der wohl manipuliert worden war. Das Feuer flackerte nicht grün, wie es normalerweise war wenn man das Flohnetzwerk benutzte, es hatte die Farbe von krankem Blau. Einer nach dem anderen verschwand ohne ein Wort zu sagen, so konnte er nicht einmal hinterlassen WOHIN sie verschwanden. Er ging vor Potter und Malfoy, der es sich nicht nehmen lassen wollte, den Jungen persönlich bei Voldemort abzuliefern. Die blauen Flammen schlugen über seinem Kopf zusammen und es war als ob er in eiskaltes Wasser getaucht wurde.
Wenig später waren die blauen Flammen verschwunden und keiner bemerkte das Fehlen eines Schülers und eines Lehrers.
Bis zum Morgen - und Sirius fiel aus dem Bett, als alle Schulglocken Alarm läuteten. In jeden erdenklichen Tönen schepperten sie durch die Gänge, Geister schwebten durch sein Zimmer, um Abkürzungen nehmen zu können. Normalerweise achteten sie die Privatsphäre der Lebenden, diesmal nahmen sie keine Rücksicht. Sirius rappelte sich vom Boden auf und zog schnell Hose und Hemd an. Schuhe und Socken ließ er einfach aus. Gerade wollte er die Gästewohnung verlassen als der Fast Kopflose Nick direkt auf ihn zu steuerte. Sirius duckte sich, er wollte bestimmt nicht jetzt von einem Geist voll gestreift werden.
Nick kam vor ihm zum Stehen. „Sie sollen so schnell es geht in die Große Halle kommen. Es ist großer Zählappell“, und verschwand wieder.
Sirius ahnte was geschehen war und rannte los. Vorbei an verängstigten Schülern von Ravenclaw, die gerade aus ihren palastähnlichen Räumen getrieben wurden, an Geistern, die wie übergroße Schutzvögel über ihnen schwebten. Im Vorbeigehen sah er, dass einige immer noch ihre Schlafanzüge trugen, sie waren in Decken und Morgenmäntel gewickelt und sahen ängstlich drein. Eine kleine Erstklässlerin brach beinahe in hysterisches Gekreische aus als sie Black sah. Zu gern wäre er einige Momente verweilt und hätte sie beruhigt, doch dazu war einfach keine Zeit. Verdammt, Voldemort hatte ihnen einfach zu viel davon gegeben. Zuerst das ruhige Neujahrsfest, dann ließ er fast den Winter verstreichen und jetzt hatte er wohl zugeschlagen. Sirius Black war sich sicher, dass Voldemort hinter diesem Großappell steckte. In der Großen Halle herrschte schlichtweg Chaos. Lehrer versuchten ihre Schüler zu ordnen, zu zählen, Dumbledore stand in purpurnem Morgenmantel am Lehrertisch mit Alastor Moody und weiteren Auroren. Diese zuckten zusammen als sie Sirius sahen. Black steuerte direkt auf sie zu, ihm war egal was er für sie darstellte. Während er sich durch die schluchzenden und nervösen Schülermassen kämpfte, suchte er hektisch nach Harry. Wo war sein Patenkind?
Neben Dumbledore angekommen stellte er sich auf die Zehnspitzen und spähte in die Halle. Er betete innerlich, hoffte auf das Beste doch....
„Er ist nicht da Sirius“, raunte der alte Mann an seiner Seite.
Black zuckte zusammen, als ob Albus ihn geschlagen hätte.
„Er ist nicht mehr da“, wiederholte der Direktor.
Fast automatisch wanderte Sirius' Blick zu den Slytherinschülern, die zwar auch verschreckt aber relativ ruhig wirkten.
„Snape ist auch nicht mehr da“, flüsterte Albus nun und Black starrte ihn an. „Es ist so gekommen wie sie es gesagt haben.“
Sirius befürchtete den Boden unter den Füßen zu verlieren, er stolperte rückwärts und rempelte gegen eine aufgelöste Sinistra.
Voldemort hatte Harry! Und Snape war auch verschwunden.
'Ich hasse es Recht zu haben', dachte Sirius und weiter kam er nicht als sich auch noch Sprout an seiner Schulter festhielt. Die rundliche Lehrerin für Kräuterkunde schien einem Ohnmachtsanfall nahe zu sein. Sirius hielt sie mit sicherem Griff fest und manövrierte sie zum nächstbesten Stuhl. Schülernamen wurden laut vorgelesen und ein leises „hier“ oder „ja“ war zu hören. Auroren stritten sich darüber wie es die Todesser geschafft hatten in das Schloß zu kommen, dazu noch während Dumbledore da gewesen war! Sirius tröstete die arme Sprout und lauschte dieser surrealen Geräuschkulisse. Sein Kopf war wie leergefegt, Harry weg, Snape weg. Nur am Rande bekam er mit wie Minerva zu Albus sagte: „Es fehlen wirklich nur Professor Snape und Harry Potter, Albus. Kein anderer Schüler wurde verletzt oder anderweitig verhext.“
Black beobachte wie sich die Gryffindorlehrerin kurz umsah und dann etwas leiser sagte: „Warum Albus? Es wäre ein leichtes gewesen auch die anderen im Raum zu entführen oder gar zu töten. Ich konnte Spuren eines Schlafzaubers ausfindig machen.“
„Ich glaube das haben wir Snape zu verdanken. Minerva.“ Und Sirius glaubte etwas wie Erleichterung in seiner Stimme zu hören.
Er konnte sich jedoch auch täuschen.
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