Gefangen

 

 

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Kapitel 4: Einhornblut

 


Als er erwachte, blickte er direkt in die dunklen Augen einer Ratte, die ihn unverwandt anstarrte. Eine fette und fast haarlose Ratte. Wie passend für diesen Ort. Hier unten musste es Hunderte von Ratten geben. Dann würde er vielleicht als Rattenfutter enden. Sie fraßen Menschen, wenn diese zu schwach waren um sich zu wehren. Und ihm war gerade gar nicht nach Wehren zumute.

Die Ratte starrte ihn weiter an. Sie saß auf ihren Hinterbeinen und schien ihn gründlich zu studieren. Es war so bizarr, dass Severus anfing sich zu fragen, ob die Ratte tatsächlich real war. Er blinzelte. Aber die Ratte war immer noch da. Schließlich bemerkte er die fehlende Vorderpfote - Peter Pettigrew in seiner Animagus-Gestalt. War er hier, um nach ihm zu sehen? Sie hatten ihren Gefangenen also doch nicht vergessen. Aber war das etwas Gutes oder etwas Schlechtes? Wahrscheinlich eher das letztere. Die Anwesenheit von Wurmschwanz an sich bedeutete fast schon per Definition, dass etwas Schlimmes passieren würde.

Die Ratte grinste hämisch. Erstaunlich schnell für ihren Körperumfang durchquerte sie dann den Raum und verschwand durch ein Loch in der Wand. Severus nahm an, dass sie zu ihrem Meister lief. Und tatsächlich erschien kurz darauf der Dunkle Lord in der Tür.

"Wie bekommt dir meine Gastfreundschaft, lieber Ssseverusss? Alles soweit zu deiner Zufriedenheit?", spottete er. Severus blinzelte nur. Es war schwierig genug, sich auf die verschwommenen Bilder zu konzentrieren und die Bedeutung der Worte zu erfassen. Damit, sinnvolle Antworten zu formulieren, war er momentan völlig überfordert.

"Bist dir wohl zu gut dazu zu antworten? Ssseverusss, Ssseverusss, du solltest inzwischen wirklich gelernt haben, dass eine höfliche Frage auch eine höfliche Antwort verdient. Oder gibt es etwa etwas, worüber du dich beschweren möchtest? Sprich!" Er gab Pettigrew, der wieder seine menschliche Gestalt angenommen hatte, einen Wink. Der Zauberer betrat die enge Zelle und trat fest gegen Severus geschwollene Knie.

"Nein", stöhnte der verletzte Zauberer, als der Schmerz seine Beine hoch schoss.

Noch ein Tritt und Voldemorts Stimme, die bellte: "Nein, mein Herr und Meister, du Schwachkopf! Versuch's noch einmal!"

"Nein, mein ..." Ein heftiger Hustenanfall schüttelte ihn und machte es ihm unmöglich, den Satz zu beenden.

"Oh, bist du krank, armes Kind?" Die Stimme des Dunklen Lords triefte nur so vor falscher Besorgnis. "Dir ist kalt, hungrig und elend zumute, was? Das ist genau, was du verdienst, Verräter!"

"Ja ... mein ... Herr", gelang es Severus zu flüstern, während er versuchte, ein Minimum an Sauerstoff in seine schmerzenden Lungen zu bekommen. Vielleicht würde er an Lungenentzündung sterben, wenn der Durst ihn nicht vorher umbrachte, oder die Kälte ...

"Aber ich bin nicht unmenschlich", sprach Voldemort weiter. "Wir werden dich schon nicht verhungern lassen, Wurmschwanz und ich. Ich will ja mein liebstes Spielzeug nicht so schnell verlieren, verstehst du - jedenfalls nicht bevor ich seiner überdrüssig bin." Wieder gab er Pettigrew einen Wink, und dieser zog prompt ein Fläschchen mit einer silbrigblauen Flüssigkeit aus den Falten seines Umhangs. Gift?

Wurmschwanz kniete neben dem Gefangenen nieder und zwang die seltsame Substanz seine Kehle hinunter. Severus musste heftig würgen. Er hatte nie zuvor etwas geschluckt, das auch nur halb so gräulich geschmeckt hätte wie dieser Trank. Es war unmöglich, den Geschmack mit Worten zu beschreiben, sogar für einen Meister der Zaubertränke. Eine Mischung aus Angst, Schmerz, Verzweiflung und Tod traf es vielleicht am besten, obwohl er nicht sagen konnte, wie diese Dinge tatsächlich schmeckten. Seltsamerweise, und obgleich das Gebräu nach Tod schmeckte, fühlte Severus sich dem Tod nicht mehr so nah wie noch Augenblicke zuvor. Nicht, dass der Trank die bohrenden Schmerzen in seinen Knien oder das Brennen in seinem Arm gelindert hätte, auch nicht den Schüttelfrost, der ihn ständig zittern und mit den Zähnen klappern ließ, aber instinktiv wusste er, dass er so bald nicht sterben würde. Keine erfreulichen Aussichten, wenn man das boshafte Grinsen auf dem Gesicht der Ratte und den wahnsinnigen Schimmer in Voldemorts Augen in Betracht zog.

Die nächsten Worte des Dunklen Lords bestätigten Severus schlimmste Befürchtungen.

"Ich muss zugeben", säuselte er, "dass der Geschmack eher abstoßend ist. Aber die Wirkung ist umso großartiger, das kann ich dir versichern. Vor einigen Jahren habe ich diese erstaunliche Flüssigkeit selbst in großen Mengen zu mir genommen, habe geradezu davon gelebt. Bedauerlicherweise ist es heutzutage recht schwierig, an sie heranzukommen. Zu dumm. Sonst könnte ich dich jahrelang am Leben erhalten. Aber da Einhornblut so eine Seltenheit und wirklich teuer geworden ist, fürchte ich, dass wir unseren Spaß auf ein paar Wochen begrenzen müssen."

Merlin. Wochen. Er musste noch wochenlang auf den Tod warten. Wochen voller Folter, Schmerzen und Erniedrigung, dessen war er sicher, da dies genau Voldemorts Vorstellungen von Spaß entsprach. Bei dem Gedanken wurde ihm speiübel. Nur nicht vor den Augen des Monsters anfangen zu kotzen. Nein, lieber würde er an der aufsteigenden Magenflüssigkeit ersticken.

"Ach, übrigens", fuhr Voldemort gedehnt fort und grinste dabei höhnisch, "ich habe Dumbledore von deinem Schicksal wissen lassen. Es wäre doch zu grausam gewesen, ihn im Ungewissen zu lassen, oder? Eigentlich war es Wurmschwanzs Idee. Ab und an hat sogar er seine lichten Momente. Auf die Idee zu kommen, dem alten Narren ein vielsagendes Geschenk statt eines Kondolenzbriefes zu schicken ... ziemlich genial. Nur schade, dass wir nicht den Ausdruck auf dem Gesicht des großen Albus Dumbledore sehen konnten, während er die Schachtel aufgemacht hat. Stell dir nur vor, wie er da sitzt, vielleicht erwartete er gerade eine neue Lieferung Zitronendrops, und dann packt er stattdessen den blutigen Arm seines Zaubertränkelehrers aus. Ich bin mir fast sicher, dass er seine lächerlich bunten Kleider von oben bis unten vollgekotzt hat. Meinst du nicht auch, Ssseverusss, mein lieber Junge?"

Severus schloss die Augen. Er weigerte sich zu denken. An den Direktor zu denken, wie er die Schachtel öffnete. An den Schock und den Ekel in seinem Gesicht. Wie das Blitzen in seinen Augen gefror und sich in Schmerz und Verzweiflung verwandelte. Und alles das war alleine seine, Severus Snapes, Schuld, der so dumm gewesen war, dem Dunklen Lord wegen eines lächerlichen Schuljungengrolls in die Falle zu gehen.

Als der Cruciatus ihn in die Brust traf, empfand er die Schmerzen fast als willkommene Ablenkung von seinen dunklen Gedanken, und schnell ließ er seinen erschöpften Körper und Geist in allumfassender Dunkelheit versinken.

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Fortsetzung folgt bestimmt ...

 

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