Amerikanischer Besuch

 

 

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Kapitel 2


Ein Wirbel der Farben, absolute Stille im Auge des sich immer schneller drehenden Orkans, der die Konturen verblassen ließ, vereinigte zur vollkommenen Dunkelheit des Apparierens. Schwarz, das alles Licht verschlang; nur ein Moment des Nichts, Friedens verblieb. Schließlich von dem sanften Rascheln der Blätter durchbrochen, von der Wucht der Sinneseindrücke ins Reich der Erinnerungen verbannt. Eigentlich zu kurz, um dort zu überdauern, aber von seltener, herbeigesehnter Ruhe geprägt, die es nicht verlöschen lassen würde. Den zaghaften Geräuschen folgten Bilder, die vor Sirius` Augen erschienen. Die Konturen eines erleuchteten Hauses, versteckt zwischen den hohen Bäumen des Waldes, der es umschloß, verschwommen sichtbar, unterlegt vom grauen Licht der Abenddämmerung, das ein vages, nie vergessenes Gefühl der Kälte in seiner Brust heraufbeschwor. Warum mußten sie gerade zu dieser Tageszeit hierher kommen? Obwohl es im Grunde egal war, an welchem Ort er sich befand, keiner vermochte es, den Hauch schmerzvoller Erinnerungen aus seinem Kopf zu verbannen. Stets zogen sie unerbittlich heran mit dem Sinken der Sonne, dem Aufsteigen der grauen Nebel. Doch er hatte nun keine Zeit, durfte sich diese Emotionen, durfte sich keine Emotionen außer der angespannten Achtsamkeit erlauben, die ihn dazu brachte, beinahe reflexartig hinter einem der dicken Stämme in Deckung zu gehen. Er spürte seine rauhe Lebendigkeit unter seinen Finger, die in merkwürdig makabren Widerspruch stand zu dem Grund, der ihn zu dieser ungeliebten Zeit an diesen Ort gebracht hatte. Er hörte das typische, unvermeidbare Geräusch, als in seinem Rücken zwei Zauberer apparierten, wußte ihre Zauberstäbe gezückt, als sie sich vorsichtig umblickten und dabei trockene Blätter und einen kleinen Ast unter ihren Füßen zertraten, nahm ihren leicht nervösen Atem nahe seines Nackens wahr, als sich seine Begleiter neben ihn stellten und ein Blick zur Seite sagte ihm, daß auch sie das in Grau gehüllte Bauernhaus vor ihnen beobachteten, dessen Fenster im Erdgeschoß von einigen Kerzen erhellt wurden, deren Schein unruhige Schatten nach draußen warf. Das Haus wirkte heruntergekommen, als hätte das Geld schon lange nicht mehr für nötige Renovierungsmaßnahmen gereicht, war umgeben von einem leicht überwucherten Gemüsegarten, der der Familie helfen sollte, sich selbst zu versorgen. Schon lange war es Halbblütern wie ihnen verboten zu arbeiten.

"Laßt uns gehen, wir haben nicht viel Zeit." Eine kühle weibliche Stimme durchdrang die Stille und Sirius nickte. Sie hatte Recht, die Todesser konnten jeden Augenblick auftauchen, sie mußten sich beeilen, wollten sie die Familie noch rechtzeitig in Sicherheit, außer Lande bringen. Schon schob er sich an dem Baum, der ihnen bis jetzt Schutz gewährt hatte, vorbei und ging, den Zauberstab bereit in der ausgestreckten Hand, voran, da ließ ein Schrei ihn ruckartig stoppen. Voller Verzweiflung, Angst durchdrang er eisig seinen Körper, ließ seinen Geist erstarren. Sirius spürte, wie die Frau an seiner Seite ebenfalls mitten in der Bewegung innehielt, als nun weitere Schreie aus dem Haus zu ihnen herüber schallten. Sie waren zu spät gekommen.

"Sirius." Resignation sprach aus der rauhen Stimme Lilys. "Sie sind schon da." Sirius nahm seinen Blick von dem Gebäude, aus dessen Fenster das angstvolle Rufen einer Frau und das grausame, bunte Zucken von Flüchen zu ihm hinüber drangen, und ließ ihn zu ihr weiter wandern. Ihr dichtes Haar leuchtete dunkelrot in der grauen, konturlosen Umgebung, umgaben ihr kühles Gesicht, dessen verbitterter Ausdruck nun noch deutlicher in ihm zu lesen war als gewöhnlich. Schon öffnete sie ihre zuvor frustriert zusammengekniffenen Lippen und fuhr fort: "Warum sind wir erst jetzt hier hergekommen, verdammt. Warum haben wir nicht eher herausgefunden, was sie vorhaben? Wir sind zu spät." Ihre grünen Augen ruhten glitzernd auf dem nur einige Jahre jüngeren Mann neben ihnen und verrieten als einzige, wie aufgebracht, aufgewühlt sie trotz der erstarrten Gesichtszüge war.

"Weißt du, Lily, darum sind die Todesser ein geheimes Tötungskommando unseres geschätzten Voldemorts. Weil sie ihre Überfalldaten eben nicht öffentlich aushängen.", antwortete Barty Crouch Junior mit spöttisch sarkastischem Tonfall auf den unausgesprochenen Vorwurf Lilys und warf mit einer energischen Bewegung sein kurzes, strohblondes Haar kampflustig nach hinten. Als hätten sie nichts wichtigeres zu tun, als darüber zu diskutieren, wer die Schuld für ihr Versagen trug, während eine Explosion das alte Gemäuer vor ihnen erschütterte, zwei Fensterscheiben aus ihrem Rahmen gerissen und in kleine Splitter zerbrochen nach draußen ins feuchte Gras geschleudert wurden, gerade als ein Fluch den Raum dahinter in unnatürlich rotes Licht tauchte, das sich auch in den noch durch die Luft fliegenden Scherben widerspiegelte, sie wie die herab regnenden Funken eines Feuers zum Glühen brachten. Die Schreie der Mutter, ihr Bitten und Flehen wurden lauter.

"Ach, wirklich Barty? Vielleicht hättest du-...", erwiderte Lily, wurde jedoch von Sirius scharf unterbrochen: "Könntet ihr zwei eure kleine Unterhaltung vielleicht auf später verschieben? Es mag euch entfallen sein, aber in dem Haus da vorne wird gerade eine Familie gefoltert. Die Familie, der wir versprochen haben, sie zu beschützen, falls ich eurem Gedächtnis noch etwas weiter auf die Sprünge helfen soll." Lilys Augen rissen sich ruckartig von Bartys sommersprossig milchigem Gesicht los und richteten sich auf Sirius. Grüne, mandelförmige Augen, gewohnt ernst, wie üblich scheinbar nach einer Schwäche ihres Gegenübers suchend.

"Kommt." Entschlossen wandte sie sich um und eilte auf das Gebäude zu. Sirius tauschte einen kurzen Blick mit Barty, dann liefen sie ihr bereits nach, folgten sie der Frau, um deren schlanke Gestalt ihr dunkel blauer Umhang wehte, deren rote Haare ihnen in wildem Durcheinander den Weg vorgaben. Ohne noch länger nach Deckung zu suchen näherten sie sich der hell gestrichenen Tür, die gewaltsam geöffnet worden war und nun zerbrochen in ihren Angeln hing, davon ausgehend, daß ihre Feinde zu beschäftigt waren, um nach Angreifern Ausschau zu halten, überhaupt mit dieser Möglichkeit zu rechnen. Sirius` Herz stockte, als er plötzlich eine kleine Gestalt mit langen blonden Haaren sah, die versuchte aus dem zerstörten Fenster ins Freie zu gelangen, die kindlichen Finger krampfhaft um den Rahmen in die herausragenden Splitter gekrallt, versuchte sie gegen die große dunkle Figur zu kämpfen, die ihre Mitte umfaßt hielt. Vergeblich. Schon wurde sie zurück in den Raum geschleudert, verschwand ihr zierliches Gesicht, die weit aufgerissenen, blauen Augen. Ein erneuter Schrei kommentierte auf furchtbare Weise den gescheiterten Fluchtversuch. Sie kamen zu spät. Sirius ballte seine ausgestreckte Hand um seinen Zauberstab. Diese Monster. Wie konnten Menschen derart grausam, derart unmenschlich sein, handeln? Warum nur waren sie nicht eher gekommen? Sirius stoppte wie Lily und Barty ebenfalls, als sie das Haus erreicht hatten, achtlos über die sorgsam angelegten Beete gelaufen waren, und drängte sich an die aus dunklen Ziegelsteinen zusammengesetzte Wand.

"Bitte, töten Sie uns nicht!", keuchte im Inneren in diesem Moment die Frau mit schriller Stimme. "Wir haben nichts unrechtes getan. Wir halten uns doch an alle Gesetze für Halbblüter. Bitte..." Die Furcht trat nur zu deutlich zu Tage. Die Furcht vor Folter, vor Tod, dem Auslöschen ihrer kleinen Familie. Sirius wußte, daß sie keine Chance hatten, sich zu verteidigen. Voldemort hatte es den Halbblütern vor einigen Jahren verboten, Zauberstäbe zu tragen. Doch dies schien die Todesser nicht zu rühren, schien ihnen im Gegenteil zu gefallen, die Macht, die sie in den Händen hielten, die Macht über Leben und Tod. Von heißer Wut erfüllt hörte Sirius einen von ihnen lachen: "Scheint, als hättest du es noch nicht ganz erfaßt. Das Problem ist nicht, was du tust, sondern, was du bist, du halbblütige Hure - Und nun hör endlich auf zu heulen. Du solltest dich glücklich schätzen, bevor du abkratzt, werd ich dir nochmal geben, wozu dein Mann vermutlich seit Jahren nicht mehr in der Lage ist."

"Nein!" Die heisere Stimme Florean Fortescues erklang, dann folgte ein lauter Knall und eine in zerrissene Lumpen gekleidete Gestalt wurde durch eines der zerbrochenen Fenster nach draußen geschleudert. Sie landete hart, nur wenige Meter von Sirius entfernt, lag leblos am Boden, wie eine von den Fäden abgetrennte Marionette, verrenkt und mit blutüberströmtem Gesicht.

"Kümmer dich um ihn.", zischte er zu Lily hinüber, die sich sofort zu dem Verletzten hinunter beugte, der soeben mit einem Stöhnen zu sich kam und versuchte, sich aufzurichten, jedoch sogleich mit einem Ausruf des Schmerzes wieder in sich zusammensackte. Kurz schloß er seine hell blauen Augen, die Sirius unangenehm deutlich an die der kleinen Gestalt im Fenster erinnerten, und Sirius dachte schon, der Mann würde erneut ohnmächtig werden, da öffnete er sie quälend langsam wieder und richtete sie flehend auf Lily: "Endlich... ich hab schon gedacht... Aber... Truvianna... Melissa... sie... bitte..." Er stockte, wandte seine Augen voller Schmerz auf das Haus, als aus diesem erneut die brutal mitleidslose, tiefe Stimme eines Todessers erklang: "Nun da dieses Hindernis aus dem Weg ist, ist es doch gleich viel gemütlicher hier, nicht wahr? Vielleicht möchtest du ja jetzt mit uns reden, du dreckige, kleine Schlampe? Also, noch einmal: Wo hält sich dieser Feigling Dumbledore versteckt?"

"Ich weiß es nicht, bitte glauben Sie mir doch, ich weiß es nicht." Panik klang aus der Stimme der Frau, Panik, die sich auf Sirius zu übertragen drohte, Panik, die er gewaltsam unterdrückte. Er konnte sich jetzt keinen Fehler erlauben. Statt dessen fühlte er Abscheu in sich aufsteigen, eiskalt und heiß zugleich. Diese Schweine. Ihnen mußte klar sein, daß diese Menschen nichts wußten, ihnen nichts sagen konnten, selbst wenn sie wollten - und es war offensichtlich daß die Frau ihnen gesagt hätte, was sie wußte. In der Hoffnung sich, oder zumindest das Kind zu retten. Aber sie konnte nicht, denn sie wußte nichts. Auch der Todesser hatte scheinbar mit keiner anderen Antwort gerechnet. Doch er klang nicht wütend, nicht enttäuscht. Klang statt dessen zutiefst zufrieden, amüsiert, als er fortfuhr: "Nein? Wie außerordentlich bedauerlich. Crucio." Schreie erfüllten die Abenddämmerung.

"Komm!" Die Wut in Sirius bahnte sich einen Weg ins Freie, als er, gefolgt von Barty, auf die Tür zu rannte. Schon viel zu lange, so schien es ihm, hatten sie dort untätig gestanden, gewartet. Doch auf was, auf wen sollten sie noch warten? Niemand würde der Frau, ihnen zu Hilfe kommen. Sie allein waren ihre letzte Chance. Und sie hatten keine Zeit mehr zu verlieren. Zu lange schon lag nun der offiziell verbotene Fluch auf ihr, drohte er ihr Gehirn zu schädigen, sie in den Wahnsinn zu treiben.

"Auf mein Zeichen.", zischte Sirius leise, als er an der zerstörten Tür vorbei huschte und sich hektisch an die Wand drückte, zu Barty hinüber, der es ihm auf der anderen Seite des Eingangs gleichtat. Beide hatten ihren Zauberstab vor sich erhoben, waren aufs Äußerste angespannt. Schließlich gab Sirius seinem Gefährten mit einem kleinen Wink des Zauberstabs das erwartete Signal und die beiden betraten mit einer schnellen Bewegung den Raum, wohl wissend, daß sie auf die Überraschung der Todesser angewiesen waren, da sie nun ohne jegliche Deckung vor ihnen standen. Sirius brauchte nur einen kurzen Moment, um sich in dem einst wohnlichen Zimmer zu orientieren, dessen Möbel zum großen Teil umgestoßen waren. Kissen, zerrissen, so daß die Federn aus ihnen hervorquollen. Zerbrochene Stühle. Eine zu Boden gefallene und zersprungene Vase, deren Wasser sich langsam über die herausgefallenen Mohnblumen hinaus auf dem alten Holzparkett ausbreitete. Und in mitten dieses Chaos` die Frau, noch immer schreiend, sich auf dem Boden windend vor Schmerzen. Für einen knappen Moment ließ der furchtbare Anblick Sirius erstarren. Nie würde er sich daran gewöhnen können. Dann endlich faßte er sich soweit, daß er mit einer angedeuteten Bewegung die Kerzen erlöschen und das Haus in das unangenehm trübe Licht, das ihn bereits vor der Tür umgeben hatte, tauchen konnte. Überrascht wirbelte der Todesser, der bis zu diesem Zeitpunkt sichtlich amüsiert sein wimmerndes Opfer beobachtet hatte, herum, doch noch bevor er einen Fluch sprechen, mit seinem Stab auch nur ein neues Ziel anvisieren konnte, traf ihn bereits ein roter Blitz in die Brust, abgefeuert von dem Mann an Sirius` Seite, und warf ihn rückwärts zu Boden. Nun endlich wandte sich auch der zweite zu ihnen um. Zögernd, langsam, als fürchte er sich vor dem, was er sehen, spüren würde. Ein dunkler Zauberstab zielte auf Sirius, kaum wahrnehmbar zitternd. Und doch auf sein Herz gerichtet. Befreite sich schließlich aus den Fingern des Todesser, fiel mit einem leisen Geräusch zu Boden, als dieser von dem, von Sirius abgegebenen, grünen Lichtstrahl getroffen wurde. Graue Augen, im Tod erstarrte Angst in ihnen. Hektisch ließ Sirius seinen Blick durch das Wohnzimmer der Fortecues schweifen, auf der Suche nach weiteren Angreifern. Doch scheinbar hatte Voldemort nur diese beiden geschickt, wohl wissend, daß sie keine Probleme mit dieser kleinen, unbewaffneten Familie haben würden. Und er hätte Recht behalten, wenn sie nicht gerade noch rechtzeitig zu Hilfe gekommen wären. Eine Bewegung in seinem Rücken ließ Sirius herum wirbeln, dann jedoch stellte er erleichtert fest, daß es Lily war, die nun ebenfalls den Ort des Schreckens betrat, ihn kurz mißtrauisch musterte, um dann zu der keuchend am Boden liegenden Frau zu eilen.

"Truvianna?", fragte sie vorsichtig. "Es ist alles in Ordnung, Truvianna. Sie sind tot. Können Sie aufstehen?" Die Angesprochene hob erschöpft den Blick. Das anschließende Nicken schien sie zu schmerzen, denn sie zuckte gequält zusammen. "Gut. Hilf mir, Barty.", befahl Lily, und gemeinsam richteten sie die Frau behutsam auf, bis sie schließlich noch immer gekrümmt und auf Barty gestützt stehen konnte. Plötzlich fiel die Müdigkeit von ihr ab, weiteten sich ihre braunen Augen in Entsetzen.

"Florean.", brachte sie mühsam hervor und Barty mußte sie halten, sonst hätte sie ein heftiger Hustenanfall erneut zu Boden gezwungen. Blut rann ihr von einer Platzwunde an der Augenbraue über das ausgezerrte Gesicht.

"Ihr Mann wartet draußen auf Sie.", versuchte Lily zu beruhigen. "Barty, bring sie zu ihm.", wandte sie sich anschließend an den Mann mit dem sommersprossigen Gesicht. Er nickte und wollte die verletzte Frau schon aus dem Haus führen, da blieb sie plötzlich ruckartig stehen und sah sich panisch in dem Zimmer um: "Melli! Wo ist sie? Meine Tochter! Melli! Ich weiß nicht, wo sie ist!"

"Wir werden Melissa finden, Truvianna. Aber gehen Sie nun bitte raus."

"Aber-...", erwiderte die Mutter mit hysterisch schriller Stimme und versuchte, sich aus dem Griff Bartys zu lösen. Doch kaum war sie nur einen Schritt auf Lily zugegangen, da gaben ihre Beine bereits unter ihr nach. Barty find sie mit einer raschen Bewegung auf und half ihr vorsichtig sich wieder aufzurichten. Gleichzeitig unterband Lily mit festem, keinen Widerspruch duldendem Tonfall jeden weiteren Versuch der Frau, in ihrem Zustand selbst nach ihrer Tochter zu sehen: "Wir suchen nach ihr. Und dann bringen wir sie zu Ihnen raus. Aber gehen Sie nun zu Ihrem Mann, damit er weiß, daß es Ihnen gut geht." Truvianna Fortescue starrte einen Moment regungslos auf Lily und Sirius fürchtete schon, sie werde erneut nicht folgen, doch dann endlich wandte sie sich um und Sirius beobachtete erleichtert, wie Barty ihr vorsichtig durch die zerborstene Tür ins Freie half, als ein leises, schleifendes Geräusch ihn herumwirbeln ließ. Hatten sie etwa einen Todesser übersehen? Doch es war kein weiterer, angreifender Gefolgsmann Voldemorts. Es war der von Bartys Fluch getroffene Todesser, der, die Augen geschlossen, stöhnend mit dem Arm über den hölzernen Untergrund, auf dem er lag, fuhr, vermutlich auf der Suche nach seinem Zauberstab, der ihm im Fallen aus der Hand geglitten war. Sirius kannte den Mann, sein plumpes Gesicht mit den wulstigen Lippen. Es war Macnair, der früher einmal beim Ministerium als Henker für zum Tode verurteilte magische Wesen beschäftigt gewesen war.

"Verdammter Stümper.", erregte sich Lily über die mangelnde Achtsamkeit Bartys und machte einige schnelle Schritte auf den ganz in schwarz gehüllten Mann zu. "Avada Kedavra." Kalt, ohne Zögern, ohne Gnade. Das Zucken des Todesser erfror inmitten der Bewegung. Er war tot, getroffen von jenem Unverzeihlichen Fluch, den noch nie ein Mensch überlebt hatte. Erlebte nicht mehr, wie Sirius sich von seinem Anblick löste und zu dem zweiten Gegner hinüber ging. Ein prüfender Griff an den schmalen Hals bestätigte ihm, was er bereits vermutet hatte. Auch dieser Todesser war tot, von ihm getötet worden. Schweigend ließ er seinen Blick für einige Sekunden auf dem blassen, schmalen Gesicht ruhen, das von hellblondem Haar umrahmt erschreckend jung wirkte. Viel zu jung, um jetzt bereits im Tode erstarrt zu sein. Und doch war es dies, hatte dieser junge Mann Voldemort bis in den Tod gedient, hatte, vielleicht zweifelnd, vielleicht eher gezwungen, denn überzeugt, sein Leben für einen Zaubereiminister gegeben, den dieser Tod ungerührt lassen würde. Warum nur mußten so junge Menschen dieses Schicksal erleiden, was war dies für eine Welt, in der er sie töten mußte?

"Draco Malfoy." Mit leiser Stimme wandte er sich, noch immer neben dem leblosen Körper des zu früh gestorbenen Menschen kniend, an Lily, die inzwischen neben ihn getreten war und ebenfalls auf den Sohn Lucius Malfoys hinab sah. Ihr Gesicht hatte einen ungewöhnlich weichen, sanft traurigen Ausdruck angenommen, der die bitteren Züge schmälerte, und Sirius vermutete, daß ihr ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen, wie ihm gerade eben. Es war ein Gesichtsausdruck, den er sonst eigentlich nur dann bei ihr beobachten konnte, wenn sie mit ihrem eigenen Sohn zusammen war, der etwa genauso alt sein mußte, wie Draco Malfoy. Doch plötzlich verhärteten sich ihre Züge schlagartig, ohne, daß Sirius zunächst den Grund dafür ausmachen. Dann, endlich, folgte er ihrem Blick und seine Augen fielen auf einen weiteren Todesser, der in einer Tür stand, die vermutlich zum Keller hinab führte. Kälte bemächtigte sich Sirius`. Wie hatten sie übersehen können, daß es noch einen weiteren Todesser in diesem Haus gab? Wie hatte er sich derart unbemerkt an sie heranschleichen können? Verdammt, wenn er nun schneller reagierte, als sie selbst... Mit einer hektischen, reflexartigen Bewegung hob Sirius seine rechte Hand und richtete seinen Zauberstab auf den so plötzlich, unerwartet aufgetauchten Feind. Unendlich langsam, wie ihm schien, löste sich der hell glühende Blitz aus seinem eigenen Stab, flog dem Todesser in seinem schwarzen, weiten Umhang entgegen, dessen große Kapuze sein Gesicht verdeckt hielt, und zugleich, während der Fluch sich auf seine unendlich lange Reise machte, mischte sich die Furcht, die ihm den kalten Schweiß auf die Stirn getrieben hatte, mit einem Gefühl der Verwirrung, das dieses so irreale Bild vor seinen Augen in ihm hervorrief. Das Bild des Todesser, der vollkommen bewegungslos in dem Türrahmen stand, als stände er da bereits seit ewigen Zeiten, und ihm, dem Fluch unter der schweren Kapuze entgegen sah, ohne auch nur nach seinem eigenen Zauberstab zu langen. Wie er schließlich von dem Blitz in die Brust getroffen wurde, ohne auch nur eine ausweichende Bewegung gemacht zu haben, als würde es ihn nicht interessieren, als würde er ihn, seine Bedeutung nicht begreifen. Wie er schließlich lautlos zu Boden ging, dort regungslos liegen blieb.

"Melissa!" Lilys laute Stimme riß Sirius aus seinen Gedanken, lenkte sie auf die Tochter der Fortecues. Wo - sie mußte im Keller sein, was sonst sollte der Todesser dort gesucht haben? Von plötzlicher Furcht ergriffen hastete Sirius durch den Raum, stieß dabei gegen die Scherben der Vase und verteilte das Wasser weiter auf dem Boden, sprang mit einem Satz über die in wallendes Schwarz gehüllte Gestalt des gestürzten Todessers. Rannte die steinernen Stufen der Kellertreppe hinab, mehrere auf einmal nehmend, geriet ins Stolpern, fing sich gerade noch rechtzeitig wieder und eilte weiter hinab, bis er schließlich am Fuße der Treppe angekommen war. Dunkelheit empfing ihn.

"Lumos." Trotz des hastig hervorgestoßenen Zaubers, der den Raum schwach erleuchtete, benötigten die Augen Sirius` einige Sekunden, um sich an die graue Umgebung zu gewöhnen, bis sie ihm endlich Orientierung gewährten. Es war ein kleiner, karger Raum, nur ein hölzernes Regal mit verschiedenen Gläsern ruhte an der einen, grauen Wand. Ansonsten war er leer. Erleichtert wandte sich Sirius zum Gehen. Sie war nicht hier unten. Doch dann zögerte er, nahm etwas wahr, das er bis jetzt nicht bemerkt hatte, vielleicht nicht bemerken hatte wollen: Eine Strähne blonden Haares, die hinter dem Regal hervor lugte.

"Melissa?", fragte Sirius, und seine Stimme war nicht viel mehr als ein scheues Flüstern, so sehr fürchtete er sich vor dem, was ihn in der Ecke erwarten würde. "Melissa? Ich bin`s, Sirius. Ich tu dir nichts. Wir sind gekommen, um euch hier rauszuholen, wie wir es versprochen haben. Erinnerst du dich?" Vorsichtig näherte er sich der kleinen Nische, überwand sich und sah schließlich hinein. Zwischen der Wand und dem Seitenbrett des Regals hockte die erst sechsjährige Tochter der Familie. Die Beine angewinkelt und in die Ecke hineingezwängt lehnte sie mit geschlossenen Augen an dem Holz hinter ihr. "Oh, nein. Melissa." Sanft strich Sirius, sich hinhockend, dem Mädchen das Haar, das so sehr dem der Mutter ähnelte, aus dem kindlichem Gesicht, fuhr ihr sachte mit den Fingerspitzen über die Wange. Warum nur hatten sie nicht eher kommen, es verhindern können? Nur einige Minuten, dann hätten sie es schaffen können. Verzweifelt legte Sirius seine Hand vor den Mund, betrachtete stumm das Kind vor ihm. Außer den blutigen Händen trug es keine weiteren Wunden. Dann endlich schob er vorsichtig seine Arme unter ihren zierlichen Körper und hob sie hoch, trug sie die behutsam die Treppen hinauf, fort aus diesem kleinen, grauen Raum, der solche Schrecken für sie bereitgehalten hatte.

"Was-..." Lily stand auf der obersten Stufe und brach abrupt ab, als sie Sirius mit Melissa erblickte. Ihr Gesicht wurde bleich, hart, als sie schließlich fortfuhr: "Sie ist tot?" In Sirius` Ohren klang es eher wie eine Feststellung, denn eine Frage, und vermutlich war es auch genau das gewesen. Er blickte in die traurigen Augen Lily und nickte knapp. Es gab nichts mehr zu sagen.

"Gib sie mir, Sirius." Sanft gab er den kleinen Körper an sie weiter, legte ihn ihr in die ausgebreiteten, ruhigen Arme, die das Mädchen an ihre Brust drückten, den Kopf umsichtig stützend. Beobachtete, wie sie sich mit dem Kind in den Armen umdrehte, die langen blonden Haare ungeordnet gen Boden hingen. Sie waren zu spät gekommen. Sie hatten versagt. Hatten sich zulange mit den beiden Todessern im Wohnzimmer aufgehalten, während ihr Komplize im Keller die Tochter der Familie ermordete.

"Du verfluchter Scheißkerl!" Von heißer Wut, Traurigkeit überwältigt packte er die reglose, und doch noch lebende Gestalt des Mörders, drehte ihn gewaltsam um, wollte ihm ins abscheuliche Gesicht sehen, auf es einprügeln, für das, was er getan hatte, was sie nicht hatten verhindern können. Doch plötzlich zuckte er zurück, als sei er von einer Tarantel gestochen worden. Fuhr hoch, den Blick starr auf das Gesicht des Todesser gerichtet, während seine Gedanken sich überschlugen und zugleich wie gelähmt schienen.

"Das kann nicht sein." Seine Stimme versagte ihren Dienst, nur ein stoßartiges Keuchen entfuhr seinen Lippen. Das konnte nicht wahr sein. Das war nicht möglich. Bilder durchzuckten sein Gehirn. Ein magerer, bleicher Junge mit langen, schwarzen Haaren, der sich lachend im strömenden Regen um sich selbst dreht. Melissa, ihr langes, blondes Haar, ihr unschuldiges und doch totes Gesicht. Schwarze, sich durch Gewalt schließende Augen, erfüllt von eisigem Grauen.

"Sev." Seine Gefühle wirbelten durcheinander, lähmendes Entsetzten traf auf nie mehr zu spüren gehoffte Freude, löschten sich gegenseitig aus und hinterließen nichts als eine schwarze Leere, die sich nur zu deutlich in seinem Tonfall widerspiegelte. Das konnte nicht sein.

Eine Hand legte sich fest auf seine Schulter, zwang ihn, seinen Blick mühsam von der vor ihm liegenden Person, dem Todesser, dem Monster, seinem besten Freund, zu nehmen. In Lilys Gesicht sah er, daß auch sie ihn erkannt hatte, als sie entschlossen, bestimmend die Lippen öffnete: "Er ist nichts, Sirius. Nur ein verfluchter Todesser. Töte ihn."

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"Hast du den anderen gesagt, daß sie nicht herkommen sollen?" Kühle Mißbilligung sprach sowohl aus Lilys Stimme, wie auch aus ihren grün funkelnden Augen, die sie mit diesen Worten auf den ihr gegenüberstehenden Sirius richtete. Er nickte abwesend: "Ja, natürlich." Er war mit seinen Gedanken an einem gänzlich anderen Ort, bei einer gänzlich anderen Person. Mit seinen Gedanken, die noch immer in heillosem Chaos durcheinander wirbelten, nicht zur Ruhe kamen und doch alle auf einen einzigen Menschen ausgerichtet waren. Wenn sie ihn doch nur zu ihm lassen würde. "Was ist mit ihm, Lily? Wie geht es ihm? Was sagt er?" So viele Fragen, zu viele, die in ihm brannten, ihm die Möglichkeit nahmen, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen.

"Du solltest nicht hier sein, Sirius. Geh wieder zu den anderen. Ich werd schon mit ihm fertig." Was redete sie da? Wieso mit ihm fertig werden? Alles, was er wollte, war doch, mit ihm zu sprechen, Antworten zu bekommen, ihn zu sehen, bei ihm zu sein, endlich, nach einer so langen Zeit der Trennung, der einsamen Ewigkeit. Er spürte das heiße Flehen in seinen eigenen Augen, als er sie auf die Frau mit dem roten, dichten Haar richtete, das sie nun zu einem strengen Knoten hochgesteckt trug: "Aber- was ist mit ihm? Nun red schon, verdammt."

"Was soll schon mit ihm sein, Sirius?", fragte Lily aufgebracht und lauter, als es sonst ihre Art war. Ihre Augen glitzerten, ihr Gesicht wirkte hart und abweisend. "Seine Wunde wird wohl schon bald verheilt sein. Und er selbst sitzt da und schweigt. Egal, was ich sage, er weigert sich auch nur ein Wort zu erwidern. Sitzt da, als wäre ich Luft."

"Laß es mich versuchen, Lily. Mit mir wird er reden.", warf Sirius hitzig ein und ließ seinen Blick sehnsüchtig auf die Tür wandern, die Lily vor ihrem Gespräch hinter sich zugezogen, ihn ausgesperrt hatte.

"Hör zu, Sirius. Ich versteh dich ja. Aber dieser Mann da drin, das ist nicht der Severus Snape, der einmal dein Freund gewesen ist, den du kanntest. Dieser Mann da in diesem Raum", sie wies mit einer knappen Geste auf die hölzerne Tür, "das ist ein Fremder. Er scheint mich nicht einmal zu erkennen. Ein Todesser. Ein Mörder. Der Mörder von Melissa und von unendlich vielen anderen." Sie brauchte einen Moment, um ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen, die ihre Stimme hatten in die Höhe schnellen lassen, bevor sie Sirius ernst, aber nun mit einem sanfteren, besorgten Ausdruck ansah: "Überlaß ihn mir. Bitte, Sirius, geh dort nicht hinein."

"Doch, genau das werde ich. Ich will es, Lily. Und ich muß." Er glaubte nicht, was sie gesagt hatte. Natürlich kannte er ihn. Natürlich war er es. Und nun endlich wollte er ihn sehen, hören. Das konnte sie ihm nicht verbieten. Niemand konnte das. Nur eine Tür trennte ihn noch von ihm. "Bitte, laß es mich probieren." Seine Stimme klang leise, bittend, Lily vernahm es schweigend, doch in ihre Augen trat ein trauriger, nachgebender Ausdruck. Sie wußte nur zu gut um die Bedeutung des gefangenen Mannes für Sirius, zu oft hatte er in der Vergangenheit von und zu ihm gesprochen, still am Fenster gestanden und an ihn gedacht, als daß es ihr, die die Freunde noch aus ihrer eigenen Schulzeit kannte, hätte verborgen bleiben können.

"Okay. Wenn du meinst, daß du dir das wirklich antun willst, dann komm mit rein." Bedrückte Resignation bestimmte ihren Tonfall, zeigte sich an ihren unwillig zusammengekniffenen Mundwinkeln, den schmalen Lippen, doch Sirius hatte keine Zeit, sich um sie zu kümmern, gar zu sorgen, auf ihre Bedenken zu hören. Endlich würde er ihn wiedersehen. "Aber du läßt mich mit ihm reden und hältst dich im Hintergrund, ist das klar?" Es war offensichtlich, daß sie keinerlei Einwände gelten lassen würde, doch Sirius dachte auch gar nicht daran, ihr zu widersprechen. Ein heißes Glühen trat in seine Augen, als er sich zwang, sie ruhig auf die energische Frau vor ihm zu richten und zu nicken. Doch schon als sie sich umwandte flog sein Blick zurück auf die Tür, von plötzlich nervöser Aufregung erfüllt. Was, wenn er auch ihn nicht wiedererkannte, schwieg? Sirius versuchte, diesen allzu grausamen Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Das konnte, durfte, würde nicht geschehen. Er war es, und er würde mit ihm sprechen. Vergeblich bemühte er sich, sich zu beruhigen, während Lily endlich die Tür öffnete, er ihr in den kleinen, kargen Raum folgte, der ihn, nur von einer Kerze auf dem Tisch erhellt, unangenehm an den Keller erinnerte, in dem er vor nur wenigen Stunden das tote Mädchen hatte finden müssen. Das Mädchen, ermordet von dem Menschen, der nun schweigend in einem Zimmer mit ihm saß. Sirius schob auch diesen Gedanken weit von sich.

"Du bleibst hier.", zischte Lily befehlend zu ihm herüber und folgsam blieb er vor der Tür, die er vorsichtig hinter sich geschlossen hatte, als könne ein zu lautes Geräusch diesen Moment zerstören, verfliegen lassen, wie einen nicht zu haltenden Traum, den Blick unverwandt auf die in Schwarz gehüllte Gestalt gerichtet, die mit dem Rücken zu ihm auf einem hölzernen Stuhl an dem kleinen Tisch saß. Ein Bild, das Sirius auf eine irreale Art und Weise an die erinnerte, die er vor langen Jahren einmal bei einem verbotenen Besuch eines Muggel-Kinos in London gesehen hatte, als ein Muggel, den sie als Polizist bezeichneten, einen Anderen verhörte. Doch dies hier vor seinen Augen war kein Verhör - oder doch? In einem sogenannten Film, den er gemeinsam mit der Person angesehen hatte, die nun dort vor ihm saß. Sirius betrachtete weiterhin bewegungslos seine Gestalt, verschlang mit hungrigen Augen den Anblick seines Umhangs, des schmalen Rückens, die langen, schwarzen Haare, die in fettigen Strähnen über spitze Schulter fielen. So vertraut waren ihm diese Äußerlichkeiten.

"Ich frage dich noch einmal, zum letzten Mal: Wen - welche Familie wird Voldemort als nächstes überfallen? Was plant er?", fragte Lily mit eisiger Stimme, die Augen kühl auf den Todesser gerichtet, als sie um den Tisch herum gegangen war und sich, die Hände in die schlanke Hüfte gestemmt, vor ihm gerade aufgerichtet hatte. Sirius horchte angespannt, wollte endlich die so lange vermißte Stimme hören, doch er wartete vergeblich. Der Todesser schwieg, zeigte mit keiner zu erkennenden Regung, daß er die Fragen Lilys überhaupt wahrgenommen hatte. Bitte sag etwas. Sirius biß sich nervös auf die Unterlippe, doch nichts geschah. Die schwarze Gestalt blieb stumm, auch als Lily fortfuhr: "Verkauf mich doch nicht für blöd, du hörst mich sehr wohl, Severus. Denn dein Name ist doch Severus Snape, oder etwa nicht?" Ja, das war er. Wie betäubt spürte Sirius, wie er selbst, seine Füße sich in Bewegung setzten. Wie er, die vernichtenden Blicke Lilys nicht beachtend, langsam, wie in Trance zu ihr hinüber ging, sich neben sie stellte. Schließlich zögernd den bis dahin beinahe ängstlich gesenkten Kopf hob und den Mann ansah, den er auch nach über zwanzig Jahren der Trennung noch seinen besten Freund nannte.

"Was-...", ein leises Keuchen entfuhr seinen Lippen und seine Finger krallten sich unwillkürlich um die Stuhllehne des leeren Stuhls vor ihm. Überrascht, verwirrt huschte sein Blick zu der rothaarigen Frau an seiner Seite hinüber, die ihn scharf musterte. Einen Moment verharrte er so, dann zwang er sich, seinen Blick erneut dem Todesser zuzuwenden, in sein Gesicht zu sehen. Sie hatte Recht gehabt. Dieser Mann war nicht Severus Snape. Nicht der Severus, den er gekannt, wie einen Bruder geliebt hatte, der Severus, der lachend durch den Regen getanzt war, und dessen Bild Sirius so lange für sich bewahrt hatte. Unsicher ließ Sirius seine Augen über das Antlitz des Todessers, den er weder Freund noch Fremder zu nennen wagte, vermochte, fahren. Über die schwarzen, glatten Haare, die bis weit über seine verschränkten Arme fielen, deren Ende ausgedünnt war. Den schmalen, blassen Mund, die steilen Augenbrauen, die markante Hakennase. Dies alles war ihm vertraut, aus den sechs gemeinsamen Jahren in Hogwarts, den Erinnerungen. Es war auch nicht die Haut, obgleich um einiges bleicher, nun fast kalkweiß, oder die mageren Konturen, die nicht mehr nur dünn, sondern beinahe skelettartig ausgezerrt waren, die es Sirius unmöglich machten, den vor ihm sitzenden Mann so zu nennen, wie er es jahrzehntelang in Gedanken getan hatte, ihn statt dessen merkwürdig fremd wirken ließ. Auch die Narben im Gesicht, allen voran die weiße, offenbar schon lange verheilte Wunde, die quer über die linke Wange des Todessers bis zum Kinn führte, waren nicht der Grund für Sirius` Zurückschrecken. Es waren die Augen, die tief in ihren umschatteten Höhlen lagen, rabenschwarz, wie eh und je. Der Ausdruck in ihnen, das fehlen gerade dieses. Verschwunden war das spöttisch amüsierte Lächeln in ihnen, das ironische Zwinkern, das empörte Funkeln, all dies, was Sirius in den langen Jahren so vermißt, sich immer wieder vorgestellt hatte. Verschwunden selbst die grausige Angst, das stumme Entsetzen, das sie erfüllt hatte, als er zum letzten Mal in sie gesehen hatte. Gewichen einem Nichts, einer schwarzen Leere. Tod, wo einst das Leben wohnte. Eisige Kälte, Verzweiflung angesichts des nicht Verleugbaren, des Verlustes der Hoffnung bemächtigte sich Sirius` Körpers, seines Geistes. Wie erstarrt, in Entsetzen gefangen sah er in diese so furchtbar leblosen Augen, die wie endlos dunkle Tunnel starr an ihm vorbei blickten, ihn nicht einmal wahrzunehmen schienen. Sirius konnte es nicht länger ertragen, zu sehr schmerzte ihn dieser Anblick, und endlich ließ er seine Augen weiter wandern, den dünnen, vernarbten Hals hinab zu den gekreuzten Armen, den mageren, weißen Fingern, die schon lange nicht mehr jungenhaft, statt dessen die eines beinahe vierzig Jahre alten Mannes waren, bis sie an der Stelle hängenblieben, an der der Fluch den Todesser in die Brust getroffen hatte und sich der Stoff, so meinte Sirius zu erkennen, leicht verfärbt hatte. Die Stelle, an der er selbst ihn, den er nicht zu benennen wußte, verwundet hatte. Den Todesser, den Mörder, seinen Freund.

"Ich... ich hab dich nicht erkannt... ich... es war zu dunkel... und die Kapuze... ich wollte dich nicht verletzten... doch nicht dich...", begann Sirius leise, stockend zu sprechen, hatte plötzlich das Gefühl, er müsse sich erklären, entschuldigen, für das, was er getan hatte, und doch nicht wissend, ob und was er sagen sollte. Aber noch bevor er sich fangen, seine Unsicherheit überwinden konnte, wurde er von Lily energisch und mit atypisch sarkastischem Tonfall unterbrochen: "Nein, natürlich nicht, nur den Todesser, den wolltest du verletzten, den, der gerade ein unschuldiges Mädchen ermordet hatte. Oh, entschuldige, Sirius aber wie dir vielleicht auch schon aufgefallen ist, das ist ja das selbe, genau das ist er." Sirius spürte, wie sich ihre Hand hart um seinen Arm legte, wie sie ihn, dessen Blick noch immer verunsichert auf dem namenslosen Mann ruhte, mit sich zog, fort von ihm, der in keiner Weise auf ihre Unterhaltung reagiert hatte, und erst zum Halten kam, als sie die Tür erreicht hatten. Sofort begann sie erneut zu sprechen, nun leise, doch nicht minder entschlossen: "Du willst dich doch wohl nicht bei diesem Monster entschuldigen?" Doch sie gab Sirius keine Zeit, auf ihre Frage zu antworten: "Wir hätten ihn niemals hierher, in den Grimmauldplatz bringen dürfen, Sirius. Wir hätten ihn schon vor Stunden töten sollen. Wir sollten ihn jetzt auf der Stelle töten."

"Nein!" Sirius hob seinen Kopf, den er bis jetzt unruhig zu Boden gerichtet hatte. Doch plötzlich schienen seine Gedanken klar, als hätte eine Hand all den Nebel beiseite geschoben und die Sicht freigegeben auf die richtige Entscheidung, auf den richtigen Weg. "Das werden wir nicht. Ich werde nicht zulassen, daß du Sev tötest."

"Dieser Mann ist nicht dein Freund.", erwiderte Lily laut. Ihre grünen Augen funkelten. "Versteh doch. Er hat uns beide gesehen. Er wird uns verraten. Willst du für einen Menschen sterben, den du nicht kennst? Für einen Mörder?" Die Frau ihm gegenüber hob wütend den Kopf und bewegte ihn dabei derart energisch, daß sich einige ihrer roten Haarsträhnen aus dem Knoten befreiten und ihr ins harte Gesicht fielen.

"Ich kenne ihn, Lily. Besser als jeden anderen Menschen. Und weißt du was? Wenn dieser eine Mensch - wenn Sev mich verrät, dann sterbe ich eben. Es ist mir egal. Denn wenn er mich verrät, dann hat mein Tun keinen Sinn mehr. Er ist der Grund, Lily, warum ich all dies hier tue, warum ich heute einen Jungen ermordet habe, der gerade erst begonnen hatte zu leben." Was wirst du machen? Ich kämpfe gegen Voldemort. Sirius brennende Augen waren nun völlig auf die Lilys fixiert, als könnten sie sie auf die Weise überzeugen, sie zwingen, ihm zu glauben, zu folgen. Doch mit einer unwirschen Handbewegung machte sie deutlich, daß ihm dies nicht gelungen war: "Das ist doch Unsinn. Und vielleicht solltest du mal daran denken, daß es hier nicht nur um dich geht. Du aber kannst nur für dich allein sprechen. Die anderen werden mir zustimmen: Er ist nichts als ein erbärmlicher Todesser. Wir müssen ihn töten. Sirius-..." Lily versuchte, den Angesprochenen mit ihrer Hand festzuhalten, doch vergeblich. Schon hatte er sich umgewandt und ging, ohne weiter auf sie zu achten, auf den Todesser zu. Stellte sich neben ihn, hockte sich nieder und betrachtete ihn, der noch immer regungslos auf dem Stuhl saß und ins Nichts blickte. Sie hatte Recht, er war nicht mehr der Severus, mit dem er von Glück erfüllt auf den Wiesen Hogwarts gelegen, ihm beim Zeichnen zugesehen hatte. Nie hätte dieser Severus derart starr dort gesessen, während potenzielle Angreifer in seinem Rücken lauerten, als sei es ihm egal, was immer sie auch tun mochten, zu sehr war er stets auf der Hut gewesen. Und doch war er es. Mußte er es sein, mußte er noch irgendwo hinter diesen leeren Augen zu finden, konnte doch nicht alles von ihm restlos vernichtet sein.

"Sev?" Leise und mit wieder gewonnener Ruhe stellte er diese Frage in den Raum, ließ sich nicht beirren als keine Antwort kam, weder gesprochen, noch durch auch nur die kleinste Regung in dem bleichen, eingefallenen Gesicht seines in den vergangenen zwanzig Jahren so schmerzlich vermißten Freundes. "Hey, Sev." Sirius bemerkte, wie Lily hinter ihm eine wütende Geste in seine Richtung machte, doch er kümmerte sich nicht darum, nicht jetzt, da er ihn endlich wieder gesehen, wenn auch noch nicht gefunden hatte. "Sev. Ich bin`s, Sirius." Sich mit der rechten Hand am Tisch abstützend kniete er neben der schwarz gewandeten Person und wollte schon weiter sprechen, da sah er, wie sich bei der Nennung seines Namens eine kleine, scharfe Falte zwischen den Augenbrauen Severus` bildete. Der Atem stockte ihm, als dieser schließlich unendlich langsam sein Gesicht zu ihm drehte und seine so furchtbar ausdruckslosen Augen auf die seinen richtete. Auch Lily schien die beiden zu beobachten, denn mit einem Schlag wurde es absolut still in dem kleinen Raum des alten Familienhauses der Blacks.

"Sirius Black ist tot." Sirius zuckte leicht zusammen, als Severus plötzlich die schmalen, spröden Lippen öffnete und begann zu sprechen, weniger erschreckt durch die Worte, die keinen Sinn zu machen schienen, als die Stimme seines Freundes, die heiser geklungen hatte, als wäre sie schon lange nicht mehr wirklich benutzt worden, ansonsten jedoch völlig tonlos gewesen war und Sirius durch das Fehlen jeglicher Emotionen sofort an den Ausdruck der schwarzen Augen denken ließ. "Der Muggelfreund Dumbledore hat ihn umgebracht." Verwirrt huschte Sirius` Blick zu Lily hinüber, als könnte sie ihm sagen, wie er auf diese irrealen Aussagen reagieren sollte. Doch sie schien ebenso überrascht, wie er es war, musterte den Todesser skeptisch, als überlege sie, ob er möglicherweise durch den Fluch, der ihn getroffen hatte, einen geistigen Schaden erlitten hätte. Sirius hingegen wandte sich unsicher wieder seinem Freund zu, der noch immer mit seinen unheimlichen, erschreckenden Augen zu ihm hinunter blickte, weniger, als würde er Sirius wirklich wahrnehmen, denn geradewegs durch ihn hindurch sehen.

"Ich bin nicht tot, Sev. Wer immer dir das erzählt hat, hat gelogen. Sieh doch, ich lebe, ich bin hier.", erwiderte er vorsichtig und versuchte, seiner Stimme einen möglichst ruhigen, überzeugenden Klang zu geben. Vergeblich; seine Unsicherheit schwang nur zu deutlich in ihr mit. "Sieh mich an, Sev." Erneut trat für einen Moment Stille ein, während der Sirius` Augen angespannt über das gespenstische Gesicht fuhren, auf der Suche nach einem Zeichen, das im zeigte, daß Severus verstanden hatte, was er gerade gesagt hatte. Es schien ihm eine ewige Zeit vergangen, als er endlich eine Veränderung wahrnahm, eher erahnte, so schwach, beinahe unsichtbar war sie. Und doch war er sich ihrer bewußt, stieg ein warmes Gefühl der Freude in ihm auf, als er sah, wie die Augen Severus` sich leicht verengten, sie nicht länger auf einen unbekannten Blick hinter Sirius zu blicken schienen, sich statt dessen auf ihn selbst richteten, ihn direkt ansahen, zu durchbohren drohten. "Siehst du, Sev. Ich bin nicht tot, ich lebe." Die absolute Leere, plötzlich auf ihn gezielt, ließ Sirius frösteln, jedoch vermochte sie es nicht, die Wärme aus seinem Körper, seinem Verstand zu verdrängen. Vorsichtig hob er seine Hand, näherte sich mit ihr dem dunklen Stoff der Todesserrobe, wollte sie, wollte ihn berühren, ihm zeigen, spüren lassen, daß er lebte, daß er real war. Zu spät merkte er, daß dies ein Fehler gewesen war.

"Faß mich nicht an." Die kalte Spur einer Drohung schlich sich in die Stimme Severus`, als er in einer plötzlichen, harten Bewegung seinen rechten Arm abwehrend dem Sirius` entgegen hob. Überrumpelt von der Heftigkeit der unerwarteten, ersten wirklichen Regung seines Freundes, ließ dieser seine Hand wieder sinken, weniger eingeschüchtert durch die in den Worten enthaltene Warnung, als viel mehr erschrocken über das, was er noch in ihnen vernommen zu haben glaubte. Furcht. Doch noch bevor er sich Gedanken über dieses, nur unterdrückt mitgeschwungene Gefühl machen konnte, wurden sie in eine andere Richtung gelenkt, als sein Blick auf den knöcherigen, bleichen Arm Severus` fiel, dessen Ärmel durch das Heben hinuntergefallen war. Auf die ungezählten Narben, die, zum Teil kaum noch sichtbar, vom Handgelenk an der Unterseite den Arm entlang verliefen. Sirius starrte noch immer fassungslos auf die verheilten Wunden, da schien Severus seinem Blick gefolgt. Mit einer raschen Bewegung griff seine zweite, klauenartige Hand nach dem Stoff und zog ihn wieder über die weiße Haut, verdeckte die Spuren der Verletzungen. Erneut verschränkte er seine Arme fest vor seiner Brust und Sirius mußte erschrocken und ohne es verhindern, eingreifen zu können, mit ansehen wie der Todesser anschließend seinen Kopf, seine Augen von ihm hob und nun wieder geradeaus ins Nichts starrte, als hätte es ihre vorige, kaum so zu nennende Unterhaltung nie gegeben, als kenne er ihn nicht.

"Was haben diese Schweine dir angetan?", stieß Sirius hervor und musterte entsetzt das nun wieder regungslose Antlitz seines Freundes, die schwarze Haarsträhne, die ihm über den spitzen Wangenknochen fiel.

"Vielleicht solltest du eher fragen, was er getan hat.", meldete sich Lily, die Sirius für eine kurze Zeit vergessen, ihre Anwesenheit ausgeblendet hatte, empört aus dem Hintergrund und trat mit energischen Schritten neben ihn, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen gepreßt, die grünen Augen vor Wut sprühend. "Da du dich ja nun endlich entschlossen hast, uns die Ehre zu erweisen, und mit uns zu sprechen, Severus, bin ich sicher, wird es dir ein Vergnügen sein, mir nun einige Fragen zu beantworten." Sirius wollte protestieren, doch schon fuhr sie mit schneidender Stimme fort: "Also. Welche Namen kennt Voldemort? Was wissen sie über uns." Schweigen.

"Sie wissen, daß Sirius Black tot ist. Ermordet von Albus Dumbledore und seinen Muggeln." Wieder war es diese ausdruckslose Stimme, die es durchbrach und Sirius den Hauch eines kalten Schauers über den Rücken laufen ließ. Aber Lily gab ihm keine Zeit, erneut zu versuchen, Severus zu überzeugen, ihn wiederzufinden. Mit einem unwilligen Schnauben packte sie Sirius grob am Arm, zog ihn auf die Füße, hinaus aus dem kleinen, grauen Raum, schloß die Tür mit dem silbernen, schlangenkopfförmigen Knauf zwischen ihm und seinem Freund.

"Das hat doch keinen Sinn, Sirius. Wir müssen ihn töten. Sofort." Mit einer entschlossenen Geste strich sie sich die roten Haare aus dem Gesicht, die sich inzwischen beinahe gänzlich aus dem Zopf gelöst hatten und ihr weich über die scharf geschnittenen Wangen fielen.

"Das kann nicht dein Ernst sein." Nur ein Flüstern entkam Sirius` Lippen. Wie konnte sie so etwas sagen? Er spürte, wie sich sein Unglauben, sein Flehen sowohl in seinen Worten, wie auch seinen Augen nur zu deutlich widerspiegelte. Sie konnten doch Sev nicht töten. Nicht ihn. Nur nicht ihn.

"Verdammt." Lily wandte sich frustriert von ihm ab und machte einige wütende Schritte in die düstere Eingangshalle der Blacks hinein, bis sie schließlich am Fuß der Treppe stehen blieb und für einen Moment schweigend, mit dem Rücken zu Sirius dort verharrte. Dann endlich wandte sie sich wieder zu ihm um, als hätte sie sich schließlich zu einer Entscheidung durchgerungen. Ihre Wut offenbar nur schwer zügeln könnend, fuhr sie sich mit einer schnellen Bewegung durch ihr Haar und öffnete bereits die Lippen, als ihr Blick zu den zerschlissenen Samtvorhängen an der Wand empor wanderte, hinter denen das Gemälde der Mutter Sirius` nur darauf wartete, bei einem zu lauten Geräusch loszuschreien und die Unwürdigen, den Abschaum in ihrer Halle, allen voran ihren verräterischen Sohn, zu beschimpfen. Genervt ergeben schloß Lily ihren schmalen Mund und kam über den abgelaufenen Teppich auf Sirius zu, stoppte schließlich ihm gegenüber. "In Ordnung. Wenn du wirklich meinst, er stehe auf unserer Seite - ich weiß nicht woher du diesen Glauben nimmst, aber bitte - wenn du der Meinung bist, daß er uns nicht verraten wird, dann laß es ihn beweisen. Schick ihn zurück. Sag ihm, er soll für uns spionieren." Sirius brauchte einen Moment, um zu begreifen, was die Frau ihm gegenüber gerade so voller Entschlossenheit zu ihm gesagt hatte. Sie wollte Severus fortschicken, fort von ihm.

"Das - das kannst du nicht von mir verlangen, Lily. Ich hab ihn doch gerade erst wieder. Ich kann ihn doch nicht dahin zurückschicken, du siehst doch, er ist am Ende. Er wollte meinen Fluch abkriegen, er wollte sich umbringen." Entsetzen sprach aus seiner Stimme, doch Lily fuhr bereits fort und es war offensichtlich, daß sie keinerlei Widerspruch würde dulden: "Du glaubst doch nicht, daß ich Mitleid mit ihm habe, oder? Er hat vermutlich jahrzehntelang Unschuldige überfallen, gefoltert, ermordet. Er ist ein Monster. Sag ihm, er soll es tun. Wenn er ablehnt, töte ich ihn." Ungläubig starrte Sirius sie an, wollte schon empört etwas erwidern, als er von einer Bewegung hinter sich abgelenkt wurde. Gemeinsam mit Lily wirbelte er herum, sah, wie sich die Tür, aus der er vor nur wenigen Minuten den kleinen Raum verlassen hatte, langsam öffnete. Erstaunt beobachtete er, wie Severus die modrige Eingangshalle betrat.

"Ist schon in Ordnung, Sirius. Ich werde gehen." Seine Stimme war heiser, tonlos, seine schwarzen Augen auf Sirius gerichtet, der ihm überrascht entgegensah. Er konnte doch unmöglich gehört haben, was sie besprochen hatten, die Wände des Hauses waren zu massiv. Starrte Severus an, nicht wissend, was er denken, was er empfinden sollte. Er hatte ihn erkannt. Die Freude über diese Tatsache begann sich erst langsam in ihm auszubreiten, ihn zu erfüllen, zu wärmen, als er die Bedeutung der Worte seines Freundes erfaßte. Er würde gehen. Er würde ihn verlassen, erneut allein zurücklassen. Allein, wie er die vergangenen zwei Jahrzehnte gewesen war. Fassungslos ließ er seinen Blick über seinen Freund wandern, die große, dünne Gestalt, in weites Schwarz gehüllt, die langen, schwarzen Haare, das bleiche Gesicht mit den zu ausdruckslosen Augen. Er wollte, konnte ihn doch nicht ziehen lassen, jetzt da er ihn nach zu vielen Jahren der Kälte gerade erst zurückbekommen hatte. Wollte ihn bei sich behalten, seinen Sev hinter der starren Maske der Fremdheit wiederfinden. Ihn, nach dem er sich so lange gesehnt hatte, noch immer sehnte. Doch schon hatte Severus seinen Blick von ihm genommen, wandte er sich an Lily, die noch immer drohend mit ihrem Zauberstab auf seinen Freund, auf dessen Herz wies. Öffnete seine farblosen, trocken aufgesprungenen Lippen, verzog sie zu einem angedeuteten Lächeln, als er schließlich fortfuhr: "Und ich werde wiederkommen."

 

 Kapitel 1


 

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