Draco Malfoy saß in seinem Zimmer in Malfoy Manor und starrte wütend aus dem Fenster in einen völlig blauen Sommerhimmel. Er zog dunkle Regenwolken bei weitem vor. Sie hätten viel besser zu seinem momentanen Gefühlszustand gepasst.
Er war erst vor zwei Stunden von der Schule nach Hause gekommen. Ein Fahrer hatte ihn am Bahnhof abgeholt und heim nach Malfoy Manor gebracht - ohne ein Wort zu sagen. Draco nahm an, daß der Grund, aus dem der Diener ihn nicht einmal anständig begrüßt hatte gewesen war, daß er so hart darum gekämpft hatte, nicht beim Anblick von Draco in Gelächter auszubrechen, nachdem er von Potter und seinem Haufen im Zug verhext worden war.
Der Butler der Familie, der ihn in Empfang genommen hatte ,als er das Haus betreten hatte, zeigte weniger Zurückhaltung. Er hatte tatsächlich gegrinst und Draco in die Küche geführt, wo der Koch, der zufällig auch sehr gut in Zauberermedizin war, schnell alle Spuren des Spruches entfernt hatte. Draco machte das Grinsen des Butlers nicht wirklich etwas aus. Es war kein herablassendes Grinsen gewesen. Es war eher ein verschwörerisches Grinsen. Dasselbe Grinsen hatte er gehabt, als Draco jünger gewesen war und sich die Knie aufgeschlagen hatte, als er aus dem Fenster gestiegen war, nachdem ihm sein Vater einen Tag Hausarrest gegeben hatte. Er hatte ihn auch damals zum Koch gebracht. Und er hatte ihn nie bei seinem Vater gemeldet.
Draco mochte den Butler, und er nahm an, daß der Butler ihn auch mochte, auch wenn sie kaum miteinander redeten, es sei denn, es ging um Geschäfte. Lucius Malfoy mochte es nicht, wenn sein Sohn sich mit gemeinen Dienern unterhielt.
"Ihr Vater ist nach London gefahren, um sich um eine Angelegenheit mit dem Ministerium zu kümmern, glaube ich", hatte der Butler ihm erklärt, als er wieder präsentabel war. "Er wird nicht vor dem Abend zurückkehren und er hat gemeint, Sie sollten ohne ihn zu Abend essen, wenn er nicht rechtzeitig zurück ist."
Draco hatte genickt. Das bedeutete, daß er wahrscheinlich in einer Angelegenheit von Lord Voldemort unterwegs war, nicht für das Ministerium. Er war nicht sicher, ob die Diener etwas vom Kontakt seines Vaters zum Dunklen Lord wussten. Wahrscheinlich nicht.
"Und Mutter?", hatte er gefragt, um ihre Gedanken davon abzuhalten sich zu fragen, was so wichtig sein konnte, daß Lucius nicht bei der Ankunft seines Sohnes, den er seit den Osterferien nicht mehr gesehen hatte, anwesend war. Nicht daß Lucius üblicherweise anwesend war um ihn zu begrüßen, wenn er von der Schule heim kam.
"Auf einer Teeparty, glaube ich."
Natürlich. Wo sollte sie sonst schon sein? Narcissa Malfoy war immer auf irgendeiner Party. Außer natürlich, wenn sie gerade dabei, war sich für eine fertig zu machen. Draco sah sie kaum. Er wusste aber, daß sie ihn liebte, während er sich bei seinem Vater gar nicht so sicher war. Manchmal dachte er, daß er für seinen Vater nur ein Vorzeigestück war. Wie eine Trophäe, die man herumzeigte und mit der man bei seinen Freunden und Geschäftskollegen angab. Draco war nie sicher, in welche Kategorie die Leute, denen ihn sein Vater vorstellte, gehörten. Der Unterschied war schwer festzustellen. Vielleicht hatte Lucius Malfoy gar keine Freunde. Draco war nicht einmal sicher, ob er selbst Freunde hatte. Irgendwie passte diese Bezeichnung nicht zu Vincent Crabbe und Gregory Goyle.
Da keiner seiner Eltern daheim war um mit ihnen zu reden war Draco in sein Zimmer gegangen um zuzusehen, wie die Hauselfen seinen Koffer auspackten und darauf zu warten, daß seine Eltern heim kamen. Seine Mutter war vor einigen Minuten herein gerauscht. Sie hatte ihn umarmt und geküsst und war davon gelaufen, um sich von Ihrer Hauselfendienerin die Hände maniküren zu lassen. Sie hatte keine Zeit gehabt, mit Draco zu reden.
Und das war genau das, was Draco jetzt wollte. Jemandem von seinem Schuljahr erzählen. Davon, was Potter und seine Gang ihm auf der Zugfahrt nach Hause angetan hatten, davon wie sie ihn immer aufzogen, von diesem furchtbar guten Besen den Potter hatte, davon, daß er auch einen neuen Besen brauchte, um ihn im Quidditrch schlagen zu können, von dieser nervenden Schlammblüterin Granger, die wieder in allen Klassen die Beste gewesen war...
Draco hätte über diese Dinge lieber mit seiner Mutter geredet. Mutter warf ihm nie vor, er würde nichts taugen, wenn er ihr etwas erzählte. Die Haltung seines Vaters seinen Beschwerden gegenüber war üblicherweise: ‚Ich bin sicher, daß es alles dein Fehler ist. Du bist einfach eine kleine Ratte, die zu nichts zu gebrauchen ist, aber ich muß nach außen den Schein wahren.'
Den Schein zu wahren war das Wichtigste in der Familie Malfoy. Das war das eine, was seine beiden Eltern gemeinsam hatten. Im Fall seiner Mutter war es ihr Aussehen, und bei seinem Vater war es der Anschein, respektabel zu sein und eine gut funktionierende Familie zu haben. Letzteres schloß einen funktionierenden Sohn mit ein, der in jedem Fach der Klassenbeste war. Unglücklicherweise konnte Draco da nicht mithalten. Hermine Granger war einfach zu gut für ihn. Egal wie sehr er es versuchte, Hermine war immer besser.
Und Professor Snape schien es einfach nicht zu verstehen. Er erzählte ihm immer, daß er ein guter Schüler war und daß er aufhören sollte, so hart zu arbeiten und sich manchmal nur amüsieren sollte, daß es nicht gut war, wenn er die ganze Zeit über lernte. Draco erklärte ihm üblicherweise, daß er schließlich im Quidditchteam war und im Training genug körperliche Übung bekam. Aber Snape bestand darauf, daß das was er brauchte, nicht körperliche Übung war, sondern Entspannung und Spaß. "Und wenn du Quidditch spielst hast du keinen Spaß, Draco", sagte er. "Ich habe dir oft genug zugesehen. Bei dir ist das genauso ernsthafte Arbeit wie das Lernen. Manchmal denke ich, du könntest bessere Ergebnisse erzielen, wenn du es nicht so hart versuchen würdest."
Das konnte wirklich nervend werden. Nicht daß er Snape nicht üblicherweise mochte. Er war immer da für ihn, wenn er Hilfe oder Rat brauchte, aber er hasste es durch und durch, wenn Snape ihm das genaue Gegenteil von dem sagte, was sein Vater sagte. Er wusste, daß er seinem Vater gehorchen musste. Sein Vater hatte natürlich immer recht. Warum widersprach ihm Snape dann manchmal?
Nun, jetzt gerade waren weder Snape noch Narcissa da um mit ihm zu reden, also musste er auf seinen Vater warten. Lucius war sowieso die einzig richtige Adresse für Bitten um neue Besen. Narcissa hörte ihnen vielleicht zu und nickte mitfühlend, aber sie würde nicht gehen und ihm einen neuen Besen kaufen. Das war die Aufgabe seines Vaters.
Stunden vergingen bevor Draco endlich die Tür im unteren Stockwerk zuschlagen hörte. Sein Vater war angekommen. Niemand sonst wagte es in Malfoy Manor mit den Türen zu knallen. Es zeigte auch an, daß sein Vater wütend war und wahrscheinlich nicht in der Stimmung sein würde, um sich Dracos Beschwerden anzuhören, aber Draco hatte zu lange gewartet. Er würde es riskieren, schroff in sein Zimmer zurückgeschickt zu werden. Er sprang auf und rannte hinunter in die Eingangshalle.
"Vater! Du bist zu Hause!", schrie er glücklich und umarmte ihn.
Und dann roch er es. Sein Vater war betrunken. Das war die schlechteste Zeit, sich ihm zu nähern. Lucius Malfoy war gefährlich wenn er getrunken hatte, sehr gefährlich. Draco wusste, daß er unter diesen Umständen auf alle Fälle aus dem Weg seines Vaters bleiben sollte.
Aber es war zu spät. Er konnte sich nicht mehr zurückziehen. Lucius sah ihn mit vor Wut leuchtenden Augen an.
***
Es wurde spät. Severus Snape spazierte die Winkelgasse hinunter und wusste nicht genau, was er tun sollte. Die Schüler waren endlich gegangen und er hatte den ganzen Sommer, auf den er sich freuen und den er genießen konnte, aber seine Frau hatte unglücklicherweise beschlossen, daß es der perfekte Zeitpunkt war um ‚diesen Hund' loszuwerden, wie sie ihn nannte.
‚Dieser Hund' war eine niedliche kleine Mischung undefinierbarer Abstammung. Ein Ohr war ein perfekt aufrechtstehendes Dreieck, das anderen hing ihm fast bis ans Auge hinunter. Er hatte, in Severus' Meinung, die niedlichsten kleinen Hundeaugen und ein allerliebstes Lächeln, wenn er zu ihm aufsah, wie er es jetzt gerade tat. Sein langer buschiger Schwanz wedelte aufgeregt. Er war ein glücklicher kleiner Hund.
Severus hatte ihn vor ein paar Wochen genau hier in der Winkelgasse gefunden als er Trankzutaten für die Schule eingekauft hatte. Der kleine Hund hatte stark gehinkt und es war niemand in der Nähe gewesen, der sein Besitzer hätte sein können. So hatte Severus ihn aufgehoben und mit nach Hause genommen, um sein verletztes Bein zu versorgen.
Seine Frau aber war nicht allzu froh darüber gewesen, und so hatte Severus versprochen, das Tier seinem Besitzer zurückzubringen, sobald seine Pfote verheilt war. Und Sarah hatte beschlossen, daß heute der perfekte Tag dafür war.
Severus war fast den ganzen Tag durch die Winkelgasse und all ihre kleinen Seitengassen gelaufen. Er hatte jeden Ladenbesitzer und Anwohner mindestens zweimal gefragt und viele Einkäufer genervt, aber niemand wusste wem ‚dieser Hund' gehörte. Niemand außer ‚diesem Hund' hieß das, der ziemlich sicher war, daß er Severus gehörte und daß nichts zwischen ihm und seinem Herren stehen durfte, wie ein sehr wütender Tierhandlungsbesitzer herausgefunden hatte, als er versucht hatte, das Tier aus seinem Laden zu entfernen, nachdem es seinen wertvollen Rassekatzen einen furchtbaren Schrecken eingejagt hatte.
Der Ladenbesitzer hatte sich natürlich nicht als sonderlich hilfreich herausgestellt, und Severus hatte unwillig zustimmen müssen, die Rechnung des Medizauberers zu bezahlen. Sarah würde nicht froh sein, wenn sie von diesem Zwischenfall hörte. Sie hatten sowieso zu wenig Geld.
Severus und 'dieser Hund' kamen an diesem Tag zum 3. Mal um die letzte Ecke der Winkelgasse und Severus fragte sich leise, was er als nächstes tun sollte. Er konnte entweder heimgehen und an einem anderen Tag wiederkommen, oder er konnte versuchen, jetzt in der Nockturngasse herumzufragen, was ein schlechter Zeitpunkt war, weil es schon dunkel wurde und zu dieser Uhrzeit üblicherweise die Käufer anfingen dort aufzutauchen. Natürlich musste er so viele Leute wie möglich fragen, wenn er den Besitzer 'dieses Hundes' finden wollte, aber irgendwie wollte er nicht mit der besonderen Art von Leuten reden, die die Nockturngasse bevölkerten. Er würde ‚diesen Hund' lieber behalten. Sarah andererseits…
Plötzlich hörte er leises Schluchzen. ‚Dieser Hund' fing an, mitleidig zu wimmern. Severus folgte dem Geräusch und fand eine kleine, sehr vertraute Gestalt, die in der anderen Ecke kauerte und schluchzte.
"Draco?", fragte Snape überrascht. "Was machst du hier um diese Uhrzeit? Du solltest daheim sein. Wie bist du überhaupt hierher gekommen?"
Draco sah mit Tränen in den Augen zu dem verschwommenen Bild seines Lehrers auf und schluchzte weiter. ‚Dieser Hund' wimmerte noch lauter, um den weinenden Jungen zu bemitleiden.
"Komm mit, Draco. Ich bringe dich heim", bot Snape an.
"N…nein", schluchzte Draco. "Er bringt mich um. Ich kann nicht heim gehen… nie mehr."
"Warum nicht?", fragte Snape verwirrt. Was sollte er mit dem Jungen anfangen? Er konnte ihn nicht einfach mitten in den Ferien in seinen Schlafsaal oder zu Madame Pomfrey bringen.
"Er hat sie umgebracht", schluchzte Draco.
'Er hat sie umgebracht?', dachte Severus. Hatte Draco nicht vorhin gesagt ‚er bringt mich um'? "Wer hat wen umgebracht?", fragte er den Jungen, wobei er jedes Wort langsam und deutlich aussprach. Er brauchte eine klare Antwort.
"Mein V .. Va ...Vater", schluchzte Draco noch lauter. "M…m…mutter."
'Was?' Nun wurde es sehr verwirrend. Snape versuchte sich daran zu erinnern, ob es einen Spruch gab, mit dem man jemanden dazu bringen konnte, mit dem Weinen aufzuhören. Vielleicht konnte Draco es erklären, wenn er nur aufhören konnte zu weinen?
"Was ist mit deinem Vater?", versuchte er es geduldig. Was konnte er sonst schon tun? Er kannte keinen Spruch dafür, und es war weder der Ort noch die Zeit, um einen Trank zu brauen, auch wenn er alle notwendigen Zutaten dabei gehabt hätte.
"Mein Vater…hat...meine Mutter umgebracht", brachte Draco endlich heraus.
"Was?!"
"Er war betrunken… und ich habe ihn wütend gemacht... er hat mich geschlagen... und dann... dann ist Mutter gekommen. Sie ist dazwischen gegangen...ich bin weggelaufen...Vater hat geschrien... ich habe gehört wie er sie geschlagen hat... und sie hat geschrien... und... dann habe ich gar nichts gehört und... ich bin zurück geschlichen. Und überall war Blut. Mutter lag auf dem Boden und sie hat sich nicht bewegt und Vater stand über ihr. Er hat mich angesehen und ich wusste, er würde mich umbringen wenn ich... wenn ich bleibe... Bitte bringen Sie mich nicht zurück!"
Snape starrte Draco während der ganzen stockenden Rede nur an. Lucius Malfoy schlug seinen Sohn und seine Frau? Nun, er wusste, daß Lucius ein strenger und manchmal grausamer Mann war, aber so die Kontrolle zu verlieren?
"Draco, beruhige dich jetzt. Ich bin sicher es hat furchtbar ausgesehen, aber du musst überreagiert haben. Dein Vater würde nie dich oder deine Mutter umbringen. Vielleicht ist sie nur gefallen und hat sich den Kopf angeschlagen. Kopfverletzungen bluten furchtbar, aber das heißt nicht, dass sie tot ist. Komm schon. Bringen wir dich heim und du wirst sehen, daß deine Mutter in Ordnung ist. Ich bin sicher, daß sie mittlerweile geheilt wurde." Er hielt Draco wieder seine Hand hin.
"Nein. Er hat sie umgebracht", bestand Draco mit wildem Kopfschütteln.
"Okay, ich gehe zuerst rein und schaue nach wie es ihr geht. Du wartest draußen und wenn alles in Ordnung ist komme ich zurück und hole dich", schlug Snape vor.
"Nein. Er bringt Sie auch um", weigerte sich Draco, er hatte offensichtlich schon bei dem bloßen Vorschlag Angst, Snape könnte Malfoy Manor betreten.
"Was? Willst du, daß ich die Auroren hole, damit sie sehen, ob deine Mutter noch lebt?"
Draco nickte. Er schien diesen Idee zu mögen.
"In Ordnung, ich sage es den Auroren, aber es muß bis morgen warten. Sie werden ziemlich grantig, wenn man sie so spät wegen nichts ruft." Aber was sollte er inzwischen mit dem Jungen machen? "ich bringe dich einfach über Nacht nach Hause."
"Nein. Vater bringt mich um!", kreischte Draco.
"Nicht dein zu Hause", seufzte Snape. "Meines."
Draco blinzelte, hörte auf zu schluchzen und fing an sich mit den Händen die Tränen vom Gesicht zu reiben. Snape gab ihm ein Taschentuch.
"Danke."
'Dieser Hund' hörte auf zu jaulen, und als Draco aufstand und vorsichtig seine Hand in die von Snape legte, fing er wieder an zu lächeln und rannte schwanzwedelnd um die beiden herum.
"Ist das Ihr Hund?" fragte Draco auf ihrem Rückweg zum Tropfenden Kessel-
"Er glaubt das", seufzte Snape.
Sie nahmen das Flohnetzwerk zur öffentlichen Flohstation von Hogsmeade, und auf einmal wurde Draco klar, daß er keine Ahnung hatte wo Snape lebte, wenn er nicht in Hogwarts war. Sie gingen nicht nach Hogwarts, so viel konnte er sagen. Man konnte vielleicht nicht in Hogwarts apparieren, aber man konnte hervorragend dorthin flohen. Wo Snape auch lebte, er hatte offensichtlich keine eigene Feuerstelle. Das war keine gute Aussicht. Selbst die Weasleys konnten sich eine eigene Feuerstelle leisten, das wusste Draco. Er fragte sich plötzlich, wieviel Geld seine Lehrer in Hogwarts verdienten.
Snape trat aus der Feuerstelle und setzte 'diesen Hund' ab, den er durch die Flohreise getragen hatte. Hunde konnten einfach mit ihren Besitzern durch die Feuerstellen laufen, aber Severus wollte es nicht riskieren, 'diesem Hund' Angst einzujagen, weil er so klein war. Deswegen hatte er beschlossen ihn durchzutragen wie eine Katze.
‚Dieser Hund' lachte die beiden Menschen an und lief voraus zu dem kleinen Fluß hinunter, der durch die Stadt floß. Er wusste offensichtlich, in welche Richtung es nach Hause ging. Draco hoffte, daß das bedeutete, daß sie nicht weit gehen mussten. Hogsmeade war eine große Stadt, obwohl die Schüler von Hogwarts an ihren Hogsmeade-Wochenenden nur das Zentrum besuchten.
Bald erreichten sie den Fluß und gingen eine Weile neben ihm her. Draco was noch nie zuvor in diesem Teil der Stadt gewesen. Hier waren keine Läden, die für Kinder interessant waren. 'Dieser Hund' führte sie auf die Brücke zu, die den Fluß überquerte.
"Wir gehen nicht da rüber, oder?", fragte Draco Snape vorsichtig.
Sein Vater hatte ihn davor gewarnt, diese Brücke zu überqueren.
"Ich weiß, daß es nicht der beste Stadtteil ist, aber dir passiert nichts, solange du nahe bei mir bleibst. Sie sind keine schlechten Leute, weißt du."
Draco sah Snape schief an. Nicht der beste Stadtteil war eine Untertreibung. Laut Dracos Vater war es das genaue Gegenteil. Ein Ort, an dem nur der Abschaum der Zaubererwelt lebte. Squibs, Schlammblüter, Werwölfe und Arbeitslose. Draco fragte sich, wie ein echter Professor von Hogwarts da hinein passte, aber er traute sich nicht zu fragen. Vielleicht war Snape dort geboren worden und hatte sich nie die Mühe gemacht wegzuziehen? Das schien aber nicht sehr wahrscheinlich.
Sie überquerten die Brücke und Draco sah bald, was sein Vater gemeint hatte. Die Häuser waren hier klein, und als sie weiter gingen, kamen sie an immer schäbigeren Hütten vorbei, die in schlechtem Zustand waren und repariert werden mussten. Sie folgten dem Fluß weiter vom Stadtzentrum weg. Und plötzlich wurden die Häuser wieder größer. Es waren Miethäuser, wurde Draco mit einem Mal klar. Er hatte nicht einmal gewusst, daß so etwas in Hogsmeade existierte. Selbst die ärmsten Zauberer, die er kannte, hatten ihre eigenen Häuser. Nun, offensichtlich hatte er sich da getäuscht.
Snape führte ihn jetzt weg vom Fluß. Dieser Teil der Stadt war sehr dunkel, aber Draco konnte die Formen von Büschen und Bäumen um ihn herum ausmachen, und er trat, ohne es zu wollen, näher an Snape. Es musste der berüchtigte Merlin-Park sein, der ärmste Teil von Hogsmeade, in dem die meisten Verbrechen begangen wurden. Selbst Auroren, so hatte Lucius Draco erzählt, wagten es nicht, den Merlin-Park nach Einbruch der Dunkelheit alleine zu durchqueren. Snape aber schien sich nichts dabei zu denken. Wenigstens war das der schlimmste Teil der Stadt. Es würde besser werden, sobald sie die unmittelbare Umgebung des Parks verlassen hatten.
Aber so lief es nicht. ‚Dieser Hund' bellte aufgeregt und rannte zu einem der Mietshäuser hin, die den Park umgaben. Er blieb vor der Tür stehen und wedelte fröhlich mit dem Schwanz.
"Hier?", fragte Draco Snape zweifelnd.
"Ich weiß, daß es nicht das ist, an das du gewöhnt bist, aber du brauchst einen Platz für die Nacht und das ist alles was ich anbieten kann."
Draco betrachtete den schmutzigen Eingang. Es war besser, als auf dem Boden in einer Straßenecke in der Winkelgasse zu schlafen, nahm er an. Und wenigstens würde er nicht lange hier bleiben.
Draco sah zu, wie Snape die Tür mit einem einfachen Muggelschlüssel aufsperrte. Sie traten ein, noch immer angeführt von ‚diesem Hund'. Die Treppe war eng und dunkel. Und was roch da so? Draco verzog die Nase, aber er beschloß, nichts davon zu sagen. Er fühlte sich mehr als nur ein bißchen verlegen, als er all dies sah. Vor allem wenn er an Malfoy Manor dachte. Er war sicher, daß Snape alles lieber gewesen wäre, als einem seiner Schüler zu zeigen, wo er lebte. Vor allem einem reichen Kind wie Draco.
Ein kleiner rot glimmender Fleck hing an der Wand neben der Tür. Was war das? Draco trat davon zurück und betrachtete es vorsichtig. Es bewegte sich nicht.
"Was ist das?", fragte er Snape, der die Tür wieder zusperrte.
Snape sah ihn fragend an. Draco nickte in die Richtung des roten Flecks…. Und Snape lachte. "Draco, das ist nur der Lichtschalter. Er leuchtet, damit wir ihn im Dunkeln leichter finden können."
"Lichtschalter?" Es schien so als würde der Gegenstand hierher gehören und auch nicht gefährlich sein, aber abgesehen davon war Draco nicht schlauer als vorher.
"Du hast noch nie elektrisches Licht gesehen, oder?" Snape klang leicht belustigt. "Es ist Muggeltechnik. Sie benutzten es, um ihre Häuser zu beleuchten."
"Nicht sehr nützlich", entschied Draco. "Ich kann kaum was sehen."
"Das liegt daran daß es nicht eingeschaltet ist." Mittlerweile schien Snape gegen Gelächter anzukämpfen. "Dafür ist der Lichtschalter da, damit man es anschalten kann. Du mußt auf den leuchtenden Knopf drücken. So, schau her." Er berührte den leuchtenden Fleck mit dem Daumen, und auf einmal fing ein runder Gegenstand über der Tür leicht an zu glühen, flackerte einige Male und gab dann ein gleichmäßiges, helles weißes Licht ab. Es sah aus wie eine kleine Sonne. Draco starrte es an, aber das tat ihm in den Augen weh, und so wandte er sich wieder dem Lichtschalter zu. ‚Dieser Hund' bellte ungeduldig, und seine Stimme hallte durch das ganze Haus, aber Snape ignorierte ihn. Er genoß Dracos Reaktion auf das kleine Stück Muggelkultur zu sehr. Zu schade, daß er keinen eigenen Fernseher hatte. Das hätte den Jungen mindestens einige Stunden lang fasziniert.
Draco entdeckte, daß das leuchtende rote Licht weg war, aber an der Stelle ein kleiner dunkler, fast schwarzer Schalter an der Wand war. Was war das?
"Die Lampen leuchten noch ein paar Minuten, dann gehen sie wieder aus, um Energie zu sparen. Dann fangen die roten Punkte wieder an zu leuchten. Ein schlauer Trick, den Muggel statt einem Lumosspruch benutzen."
"Was macht das hier? In Hogsmeade gibt es keine Muggel. Wir hätten einfach Lumos benutzen können", fragte Draco als er seine Aufmerksamkeit von dem Schalter losreißen konnte.
Snape fing an die enge Treppe hinaufzusteigen, und Draco folgte ihm, wobei er versuchte, den Dreck und die Graffiti an den Wänden zu ignorieren.
"Es sind vielleicht keine Muggel hier, aber viele Squibs leben in diesem Teil der Stadt, und es ist auch recht angenehm für die Kinder. Was würdest du machen, wenn ich nicht hier wäre? Du darfst in den Ferien keine Magie benutzen."
"Oh, Vater hat immer einen Weg um dieses blöde Gesetz herum gefunden. Können Sie das nicht?"
"Ich denke ich weiß, wie er das getan hat, aber ich habe nicht das Geld, das man braucht, um sich aus den Schwierigkeiten frei zu kaufen, wenn wir erwischt würden. Ich wäre dir dankbar, wenn du dem Gesetz gehorchen würdest, solange du bei mir bleibst."
Draco starrte auf die schmutzigen Stufen unter seinen Füßen hinunter. Er sollte versuchen über nichts mehr zu reden, das eine entfernte Verbindung zum Geld seines Vaters haben könnte, beschloß er. Es war seltsam. Normalerweise genoss es Draco, mit dem Reichtum seines Vaters anzugeben und Leute in Verlegenheit zu bringen, weil sie arm waren, aber dieses mal fühlte er sich beschämt und schuldig, weil er davon angefangen hatte. Als wäre etwas falsch daran, wenn man reich und nicht arm war. Was war das für ein Gefühl? Wo war es so plötzlich hergekommen?
"Ja, Sir", sagte er gehorsam. "Keine Angst. Ich werde keine Probleme machen:"
Snape lächelte und bückte sich um 'diesen Hund' aufzuheben, der erschöpft war, weil er den ganzen Tag herumgehüpft war und es auf einmal schwer fand, die ganzen Stufen hinauf zu springen.
Und dann standen sie ohne Vorwarnung im Finstern.
"Was ist passiert?", fragte Draco verwirrt.
"Das Licht ist ausgegangen., ich habe dir gesagt, daß es nur ein paar Minuten an bleibt. Keine Angst. Auf jedem Stockwerk ist ein Lichtschalter. Such einfach nach einem rot leuchtenden Punkt."
Sie gingen im Dunkeln weiter, und tatsächlich entdeckte Draco bald einen weiteren rot glühenden Punkt. "Da drüben", flüsterte er aufgeregt.
Snape lächelte im Dunkeln. Der Junge klang, als würde er erwarten, daß der Schalter weg lief, wenn er zu laut redete. Er drückte den Schalter und die Lichter gingen auf den Stockwerken über und unter ihnen wieder an. Draco starrte die Lampe über ihren Köpfen an und wartete darauf, daß sie auch anging, aber sie blieb dunkel.
"Was ist los? Warum braucht die so lang?"
"Weil sie kaputt ist", erklärte Snape seufzend. Er hatte keine Ahnung gehabt, wie lange ein 15jähriger Junge von etwas so einfachem wie einem einfachen elektrischen Licht fasziniert sein konnte. "Sie funktioniert seit Jahren nicht mehr.
"Warum reparieren Sie sie nicht?"
"Weil ich kein Elektriker bin. Ich weiß wie Elektrizität theoretisch funktioniert, aber ich kann keine elektrischen Geräte bauen oder reparieren."
"Sie wissen wie es funktioniert? Wow! Aber warum können Sie es nicht einfach mit einem Spruch reparieren?"
"Weil ich wissen müsste was genau kaputt ist damit der Spruch funktioniert. Diese Dinger sind recht kompliziert und das meiste davon ist in der Wand versteckt. Man bräuchte einen Elektriker um das zu reparieren."
"Was ist ein Elektriker?"
"Jemand, dessen Aufgabe es ist, elektrische Sachen zu reparieren."
"Es gibt Leute, die nichts anderes machen?!"
"Nun, ich schätze sie machen andere Sachen in ihrer Freizeit." Snape lächelte. Der Junge war irgendwie süß wenn er durcheinander war.
"Also warum holen sie nicht einfach so einen Elektriker um die Kerze zu reparieren?"
Jetzt lachte Snape wirklich. "Das ist keine Kerze. Es heißt Lampe. Und ich kann sie nicht reparieren lassen, weil sie mir nicht gehört."
"Oh, nun wem gehört sie dann?"
"Dem Eigentümer des Hauses, schätze ich." Snape zuckte die Schultern.
"Und warum holt er den Elektriker nicht um die Lampe zu reparieren?"
"Drei Gründe, schätze ich. Er lebt nicht hier, also ist es ihm egal und wahrscheinlich weiß er nicht einmal, daß sie kaputt ist. Er will das Geld nicht aufbringen und es ist wirklich schwer die Erlaubnis zu bekommen, einen Muggel nach Hogsmeade zu lassen." Snape ging wieder die Treppen hinauf, und Draco folgte ihm zögernd.
"Ein Elektriker ist ein Muggel?", fragte er nach der ersten paar Stufen.
"Ja, Elektriker ist ein Muggelberuf."
"Warum? Wäre es nicht besser, wenn es ein paar Zaubererelektriker gäbe? Dann wäre es kein Problem, daß sie hierher kommen."
"Es ist kein Zaubererberuf. Muggel brauchen Elektriker um elektrische Geräte zu reparieren. Zauberer brauchen keine elektrischen Geräte, also brauchen sie keine Elektriker und haben keinen Grund, Elektriker zu werden", erklärte Snape geduldig.
"Aber Sie sind ein Zauberer und sie haben eine kaputte Lampe in ihrem Treppenhaus", protestierte Draco.
Snape bog auf dem nächsten Stockwerk rechts ab und führte Draco einen Gang hinunter. Er war genauso schmutzig wie die Treppe gewesen war, und er schien Draco etwas dunkler zu sein. Es hätten hier ganz bestimmt mehr Lampen sein sollen, beschloß er.
"Draco, es ist nicht meine Lampe und nicht mein Treppenhaus. Sie gehören dem Hauseigentümer."
"Aber Sie leben hier und sie sagten, der Eigentümer tut das nicht."
Snape wollte gerade darauf antworten, aber in dem Augenblick gingen die Lichter wieder aus. Draco sah sich um und entdeckte ein rotes Glühen neben ihm an der Wand. Er hob langsam die Hand und berührte den Schalter vorsichtig mit einer Fingerspitze. Nichts passierte.
"Du mußt ihn hinein drücken", bemerkte Snape, der Dracos vorsichtige Annäherung mit einem sehr erheiterten Blick auf dem Gesicht beobachtete, welchen Draco in der Dunkelheit zum Glück nicht sehen konnte. "Er läßt sich in die Wand drücken. So macht man die Lichter an. Nur daran kitzeln bringt nichts. Er kann deine Anwesenheit oder die deines Fingers nicht spüren."
Draco berührte die Taste wieder. Er versuchte, ein ganz kleines bißchen zu drücken. Nichts. Draco drückte etwas fester, und auf einmal fühlte er, daß der Knopf nachgab, und Sekunden später flackerten die Lichter in ihrer schon bekannten Art an. Draco grinste stolz. "Ich habe es geschafft!"
"Oh, toll." Snape verdrehte die Augen. "Du hast etwas getan ,das jeder 4jährige Muggel mehrmals am Tag tut, ohne darüber auch nur nachzudenken."
Draco errötete leicht, aber er hörte nicht auf zu grinsen. Sie waren nur wenige Meter von Snapes Türe entfernt, und Draco hatte keine Zeit mehr, weitere Fragen zu stellen, bevor sie sie erreichten.
Snape setzte 'diesen Hund' ab, zog wieder einen sehr nach Muggel aussehenden Schlüssel heraus und öffnete die Tür. 'Dieser Hund' schlüpfte hinein sobald die Öffnung groß genug war und verschwand in der Wohnung. Snape trat ein und winkte Draco hinter sich her, und Sekunden später ging eine weitere Lampe in dem winzigen Raum an, in den die Türe führte. Draco hatte keine rot leuchtenden Punkte gesehen, aber er nahm an, daß Snape das Licht angeschaltet hatte, als er nicht hingesehen hatte.
Snape zog schnell die Schuhe aus und seine Hausschuhe an, dann sah er Draco an, der noch immer draußen stand und ihn durch die offene Türe ansah.
"Komm rein. Hier ist nichts das dich beißen könnte... nun, wenigstens denke ich nicht, daß der Hund dich beißt. Er scheint dich zu mögen."
Draco trat zögernd ein. Der Raum sah ihm auch für eine einzelne Person zu klein aus, aber er konnte nicht die ganze Nacht draußen stehen bleiben. Er schloß die Tür hinter sich, zog ebenfalls die Schuhe aus und sah sich um. Es gab zwei weitere Türen, so daß nur eine Wand es Zimmers frei war. Die wurde dazu benutzt, Mäntel aufzuhängen. Weder Draco noch Severus hatten ihre Mäntel getragen, da es ein sehr heißer Sommertag war. Eine der Türen stand halb offen, und Draco konnte sehen, daß sie in ein sehr kleines Badezimmer führte.
'Dieser Hund' hatte sich durch diese Tür zurückgezogen, um ihnen etwas Platz zu lassen, und sah erwartungsvoll die andere Tür an, die Snape jetzt öffnete.
Wieder war der Hund der erste, der durch die Tür ging, und Sekunden später erschreckte die Stimme einer Frau Draco. Er hatte nicht erwartet, daß noch jemand hier war. Draco musste über sich grinsen. Warum hatte er einfach automatisch angenommen, daß sein Lehrer alleinstehend war?
"Severus, hast du nicht versprochen diesen Hund zu seinen Besitzern zurück zu bringen? Was macht er wieder hier?"
"Sorry, Sarah. Ich habe sie nicht gefunden."
"Ich wusste es. Er ist wieder ein Streuner. Ist dir klar wie teuer Hundefutter ist? Was machen wir mit dem Tier?"
Severus seufzte und verdrehte wieder die Augen in Dracos Richtung. "Er ist kein Streuner, Sarah, ich habe nur noch nicht die richtigen Leute gefragt. Ich finde seine Besitzer nächstes mal. Etwas anderes ist heute dazwischengekommen", sagte Snape, als er in das Zimmer trat.
Draco folgte ihm sofort barfuß, da er keine Hausschuhe dabei hatte. Der Boden unter seinen Füßen war recht kalt.
Das Zimmer, das sie jetzt betraten, schien als Wohnzimmer und Küche gleichzeitig zu dienen. Draco sah sich um und dachte sich, daß diese Kombination recht unbequem sein musste. Die Frau die ‚diesen Hund' mit einer Hand hinter den Ohren gekrault hatte, während sie mit der anderen Hand versuchte eine Dose Hundefutter zu öffnen, sah erschrocken auf.
"Wer ist das denn?", fragte sie, wobei sie ihn vorsichtig ansah.
"Das ist Draco, einer meiner Schüler. Seine Eltern hatten einen Streit und ich habe ihm versprochen, daß er die Nacht über hierbleiben kann."
"Nicht noch ein Streuner!", protestierte Sarah wütend. "Wir haben schon eine Katze und einen Hund." Sie warf einen Blick auf ‚diesen Hund', der glücklich zu ihr hoch lächelte. "Ganz zu schweigen von dem Raben. Und wir haben Billy. Wir brauchen keinen Teenager, der uns Probleme macht."
Draco trat näher an Snape. "Ich mache keine Schwierigkeiten", versprach er. "Ich schlafe die ganze Nacht und ich verspreche, daß ich morgen einen anderen Platz finde, an dem ich bleiben kann."
"Oh sicher. Das hab ich schon öfter gehört, Junge", knurrte Sarah. Sie hatte es endlich geschafft die Dose zu öffnen und fütterte jetzt ‚diesen Hund', der fast überglücklich über ihre Freundlichkeit war.
"Du findest keinen anderen Platz,. Draco. Ich bringe dich morgen heim", erklärte Snape, als er Draco mit einer Hand auf den Tisch zusteuerte.
Draco setzte sich zögernd. Er fühlte sich unwohl. Er gehörte nicht hierher. Mrs. Snape wollte ihn nicht... nun, Mrs. Snape schien den Hund auch nicht zu mögen, und sie fütterte ihn trotzdem.
"Sie haben versprochen, die Auroren würden erst nachsehen, ob meine Mutter noch lebt."
"Und ich schicke ihnen morgen früh als erstes eine Eule. Sie werden aber recht sauer sein, wenn sie hinkommen und alles das sie herausfinden ist, daß alle verzweifelt nach dir suchen."
"Sie werden sehen, daß Mutter tot ist", beteuerte Draco. "Ich habe es gesehen. Er hat sie umgebracht."
Sarah, die etwas in der Küche gemacht hatte, hielt inne und sah fragend und etwas besorgt zu Severus herüber.
"Draco ist überzeugt, daß sein Vater seine Mutter erschlagen hat, aber ich kenne den Mann, Sarah. Er ist ein grausamer Mistkerl, aber er ist zu schlau um so etwas zu tun. Er würde nie Akzkaban aufgrund eines einfachen Familienstreites riskieren", erklärte Severus ruhig. "Ich bin sicher, sie ist nur gefallen und hat sich den Kopf angeschlagen. Sie war wahrscheinlich ein paar Minuten lang weg."
Draco schüttelte den Kopf. Er wusste, daß seine Mutter tot war. Warum glaubte ihm, Snape nicht?
Sarah seufzte tief und servierte ihnen ein einfaches kaltes Abendessen, also fütterte sie nicht nur den Hund, obwohl sie ihn nicht wollte, sie fütterte auch Draco. Draco war normalerweise an luxuriösere Mahlzeiten gewöhnt die von fähigen Hauselfen gekocht und serviert wurden, aber er war auf einmal sehr hungrig und irgendwie beeindruckt, weil Sarah überhaupt wusste, wie man Essen machte. Seine Mutter wäre völlig durcheinander gewesen, wenn sie gebeten worden wäre, eine solche Aufgabe zu übernehmen. Er sah sich noch einmal im Zimmer um und beschloß, daß Sarah höchstwahrscheinlich sogar kochen konnte. Wenigstes dachte er nicht, daß hier Hauselfen oder Diener waren, die für sie kochten.
Sarah selbst war eine einfache Frau. Klein, ziemlich kräftig aussehend, mit mausbraunem Haar und Augen in einer undefinierbaren Mischung aus grün und braun. Er fragte sich ein bisschen, was Professor Snape in ihr sah. Andererseits konnte sie kochen, und vielleicht konnte sie noch andere eindrucksvolle Dinge, wenn sie auch nicht aussah wie seine Mutter. Snape würde wahrscheinlich keine Frau gewollt haben, die nicht kochen konnte, egal wie hübsch sie war.
Nach dem Abendessen brachte Snape Draco in ein Zimmer, das nicht viel größer als das Eingangszimmer war, in dem er seine Schuhe gelassen hatte. Es erinnerte ihn stark an Snapes Büro in Hogwarts, auch wenn das etwa doppelt so groß war. Es war ebenso vollgestellt mit Tränkezutaten, Phiolen und Flaschen. In ihm war ein kleiner Arbeitstisch mit einem Kessel und viele fertige Tränke, die herumstanden.
"Verkaufen sie das Zeug?", fragte Draco überrascht.
"Manchmal. Meistens helfen wir den Nachbarn, aber umsonst, sie könnten sich sowieso nicht leisten, Tränke zu kaufen." Als er Dracos verwirrten Blich sah fügte Snape hinzu: "Sie helfen uns auch, Draco. Es ist, als würde man Waren für Waren eintauschen statt für Geld. Niemand hier hat Geld, aber jeder kann etwas geben, und wenn es nur Hilfe bei Reparaturen ist."
Draco starrte auf den Boden hinunter. Kein Geld. Warum fühlte er sich auf einmal so schlecht, weil er reich war? Es war etwas, auf das man stolz sein konnte, oder?
Eine kleine Couch war in eine Ecke des Zimmers gequetscht, und Snape machte Draco schnell ein Bett darauf.
"Ich weiß, daß du an besseres gewöhnt bist, aber es ist nur für heute Nacht."
Draco fragte sich, ob er überhaupt in einem so kleinen Bett schlafen konnte, aber es war wahrscheinlich alles, was ihm die Snapes anbieten konnten, und er erinnerte sich daran, daß er an einer Straßenecke in der Winkelgasse hätte schlafen müssen, wenn Snape nicht vorbei gekommen wäre um ihn zu diesem seltsamen Haus mit den seltsamen Lichtern zu bringen. Wobei ihm einfiel…
"Professor? Warum gehen die Lichter in den Zimmern nicht aus wie die draußen im Gang?"
"Weil sie dazu gedacht sind, daß man sie ausmacht, damit man sie nicht immer wieder anmachen muß, wenn man sich länger in einem Raum aufhält."
"Wie macht man sie aus? Ich habe hier drinnen keine roten Knöpfe gesehen."
"Damit." Snape deutete auf ein seltsames weißes Etwas an der Wand. "Versuch es. Drück es einfach wie den Knopf."
Draco streckte die Hand aus und berührte das weiße Etwas. Es fühlte sich nicht viel anders an, als der leuchtende Lichtpunkt im Korridor. Draco drückte testend, und sofort wurde es dunkel im Zimmer.
"Siehst du, das ist alles, was es braucht. Jetzt mach es wieder an." Snape klang als würde er wieder lächeln.
Draco mochte diesen Klang. Ihm gefiel auch der Gedanke, daß Snape seine Erforschung eines Muggelartefakts genoss. Seinem Vater hätte das gar nicht gefallen.
"Wie? Ich sehe immer noch keinen roten Knopf."
"Genauso, wie du es ausgemacht hast. Die Schalter die flach sind leuchten nicht, weil wir wissen, wo sie sind. Sie werden benutzt um das Licht an und aus zu machen."
"Oh." Draco drückte den Schalter wieder und tatsächlich ging das Licht wieder an. "Also wenn ich einen der roten Knöpfe im Korridor drücke, wenn das Licht schon an ist, geht es wieder aus?"
"Nein, das sind nur ‚An-Schalter'. Das hier ist ein 'An-Aus-Schalter'. Die Lichter in den Gängen würden gar nicht reagieren. Die Knöpfe funktionieren nur wenn das Licht aus ist.
"Warum? Wie? Wie unterscheiden sich die Lampen von dieser?", fragte Draco interessiert.
"Ich weiß es nicht. Sie tun es einfach." Snape zuckte die Schultern.
"Aber Sie sagten, Sie wüssten wie es funktioniert."
"Ich weiß wie Elektrizität funktioniert. Ich weiß nicht genau wie sie von all den kleinen elektrischen Geräten benutzt wird. Es gibt viele, und die meisten sind viel komplizierter als ein Lichtschalter und eine Lampe. Ich schätze, die roten Knöpfe sind mit einer Art Uhr verbunden, aber ich weiß es wirklich nicht."
"Wer würde es wissen?"
"Ein Elektriker, schätze ich", sagte Snape. "Hier, darin kannst du schlafen. Du hast gesehen wo das Badezimmer ist, aber verbrauch nicht zu viel Wasser. Sauberes Wasser ist in dieser Gegend teuer. Elektrizität kostet auch Geld, also mach die Lichter bitte aus, wenn du sie nicht brauchst. Du weißt jetzt wie es geht."
Draco nahm das große alte Muggel-T-Shirt, das ihm Snape gab und fragte sich einen Augenblick lang, wem es gehörte. Wahrscheinlich Snape selbst, beschloß er. Sarah würde ihre Kleider nicht mit ihm teilen wollen, oder?
"Danke, Sir", sagte er leise. Er war nicht daran gewöhnt, Leuten zu danken, aber dieses Mal hatte er das Gefühl, daß er es tun sollte.
"Gute Nacht, Draco."
"Gute Nacht, Sir."
Snape drehte sich um, um zu gehen als Draco plötzlich etwas einfiel. "Professor?"
"Ja?"
"Wie wird man Elektriker?"
Snape war überrascht. Dracos Faszination für Elektrizität war erstaunlich und völlig unerwartet. Was ging im Kopf des Jungen vor, daß er solche Fragen stellte?
"Ich schätze, sie lernen es auf einer Muggelschule", sagte er. Wo sonst sollten Muggel ihre Berufe denn lernen? "Oder vielleicht von einem älteren Elektriker? Nein, ich denke, wahrscheinlich eine Schule."
"Welche Fächer, denken Sie, haben sie in der Schule?"
"Ich weiß es nicht, Draco. Viel Physik, schätze ich."
"Was ist Physik?"
"Eine Muggelwissenschaft. Es ist eigentlich recht interessant, aber nichts, das ein Zauberer wissen muß."
"Geht es dort um Elektrizität?"
"Ja, unter anderem erklärt es, wie Elektrizität funktioniert. Es erklärt auch warum Sachen hinunter fallen wenn man sie los lässt, und wie Magneten Dinge aus Metall anziehen."
"Was ist ein Magnet?", fragte Draco sofort.
"Ein Muggelspielzeug. Du musst wirklich nichts darüber wissen. Du bist ein Zauberer. Du stehst über diesen Dingen."
"Sorry, ich wollte Sie nicht nerven."
"Ich bin nur müde, Draco. Ich werde versuchen dir ein anderes Mal mehr zu erklären, aber ich bin wirklich kein Elektriker."
"Das ist in Ordnung, Sir. Ich bin nur neugierig,. Das ist alles. Gute Nacht."
"Gute Nacht, Dravo." Severus lächelte. "Oh, und Draco..."
"Ja?"
"Du hättest Muggelkunde belegen sollen."
Später, als Draco sich bequem in seinem seltsamen Bett auf der kleinen Couch in dem seltsamen Zimmer zusammengerollt hatte und versuchte einzuschlafen, dachte er über die Bemerkung über Muggelkunde nach. Ja, es klang wirklich interessant. Er würde gerne mehr über die seltsamen Dinge wissen, die die Muggel benutzten. Aber sein Vater würde ihn wahrscheinlich umbringen, wenn er Muggelkunde nahm. Nun, sein Vater würde ihn sowieso umbringen.
Wenn sie ihn morgen in ein Waisenhaus bringen würden, oder vielleicht zu seinem Großonkel in Schottland, konnte er dann dort vielleicht Muggelkunde nehmen? Würde Dumbledore zulassen, daß er im 5. Jahr ein neues Fach belegte? Die Klasse würde ihm 2 Jahre voraus sein. Oder würden sie ihn eine 3. Klasse belegen lassen? Würden sie ihn überhaupt noch nach Hogwarts gehen lassen, nach dem was passiert war? Vielleicht würde er auf eine andere Schule gehen. Es würde vielleicht einfacher sein ein neues Fach anzufangen, wenn er auf einer neuen Schule anfing. Aber dann würde er Professor Snape nie wieder sehen. Würde es Snape etwas ausmachen, wenn ihm Draco hin und wieder eine Eule schickte? Würde er zurückschreiben?
Draco schlief schließlich ein und träumte von Lichtschaltern und einem Muggelelektiker, der einfach alles reparieren konnte.