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Kapitel 14: Zeiten ändern sich

 

Harry bemerkte eine Bewegung zu seiner Rechten, fast schon außerhalb seines Gesichtsfeldes. Ginny gestikulierte in ihr Richtung und formte lautlose Worte. Offensichtlich wollte sie sich wieder zu ihnen gesellen, so gespannt darauf, was wohl als nächstes kommen würde, wie der Rest der im Raum Versammelten auch.
Als sie vorsichtig die Ansammlung Erwachsener unter ihnen beobachteten, um auf einen geeigneten Moment zu warten, an dem Rons Schwester sich wieder zu ihnen unter den Umhang stehlen konnte, fühlte Harry sich leicht beschämt.
Sie sollten das hier nicht sehen. Genaugenommen sollte das alles hier überhaupt nicht passieren. Snape hätte aus der Tür stürmen sollen, so arrogant wie eh und je, vielleicht mit einem geringschätzigen Blick über seine Schulter und Dumbledores Bitte einfach ausgeschlagen haben. Moody hätte langsamer sein und ihn nicht erwischen sollen. Oder jemand hätte sich für Snape einsetzen sollen. Und, ganz bestimmt, hätte Dumbledore nicht das machen sollen, was er hier gerade trieb. Es zerstörte ernsthaft das Bild, das Harry sich von ihm gebildet hatte und das einen freundlichen, nachsichtigen und fürsorglichen Schulleiter zeigte.
Er stellte fest, daß er sich davon hatte überzeugen lassen, das alles hier sei akzeptabel, weil kein einziger der Leute, die er für verantwortungsbewußte Erwachsene gehalten hatte, sich eingemischt hatte. Sicherlich, die Weasleys waren geschockt, aber sie hatten nichts unternommen um das zu verhindern, was passiert war. Moody war in seiner besten Aurorenstimmung, lechzte nach der Geschichte seines Opfers und war definitiv blind für den Schaden, den er damit anrichten konnte. Tonks war augenscheinlich zu sehr davon gefangen genommen, zu erfahren, welche Rolle ihre Familie dabei spielte, selbst wenn man bedachte, daß dies alles andere als eine Unterhaltungsshow am Samstagabend war. Und in Lupins Fall - irgendwie hatte Harry von diesem Mann nicht wirklich etwas erwartet, war er doch noch nie mutig genug gewesen, einfach aufzustehen und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Sollte Harry vielleicht... was machen? Unter de, Umhang hervorspringen und dramatisch ausrufen: "Hört auf damit!"? Versuchen Dumbledore abzulenken und zu hoffen, daß Snape eine Möglichkeit finden würde, den Fluch zu brechen? Ja, sicher, als ob er das können würde.
Vielleicht hatte Dumbledore ja Recht. Vielleicht war all das hier nötig und im Endeffekt nützlich und gut. Irgendwo in Snapes Kopf, mochten möglicherweise Informationen über Todesser verschüttet sein, Informationen, die er noch nicht an den Orden weiter gegeben hatte, Informationen, von denen er eventuell noch nicht einmal wußte, daß er sie besaß.
Oder vielleicht war das alles nur eine Entschuldigung für ihre perverse Neugierde, die zwar niemanden tötete, dafür aber den Willen eines Mannes brach.
Er sah die beiden Zauberer, die sich mit geschlossenen Augen gegenüberstanden, besorgt an und bemerkte, daß Snape nun etwas weniger verkrampft wirkte. Er lehnte an der Wand, noch immer von Moody und Bill Weasley flankiert, sein Atem tief und gleichmäßig. Die steile, mißbilligende Falte über seinen Augen, entspannte sich geringfügig, obwohl seine Hände immer noch zu Fäusten geballt waren. Der Schulleiter auf der anderen Seite jedoch wirkte gestreßt, Schweiß stand ihm auf der Stirn und tropfte ihm hin und wieder die Nasenspitze herunter. Der mißbilligende Ausdruck schien eine neue Heimat auf dem Gesicht des Direktors gefunden zu haben.
Harry entschloß sich, sowohl ein Auge auf den jetzigen Snape, wie auf den in der Vergangenheit zu haben und, wenn es nötig sein sollte, seinen Instinkten zu folgen. Das war zumindest das, was er am besten konnte.

Der zwölf Jahre alte Snape marschierte langsam aus den Kerkern heraus in Richtung der Eingangshalle, seine Nase in ein Buch gesteckt, fanden seine Füße den Weg mühelos von allein, als ein Mädchen in ihn hinein rannte.
"Severus", keuchte sie, nahm ihn am Arm und zerrte ihn hinter sich her. "Ich habe nach deinem Freund gesucht... den blonden Typen... Malfoy, aber ich konnte ihn nirgendwo finden, also bist du der nächstbeste."
Er zog eine Augenbraue hoch ehe er mit einer vor Sarkasmus triefenden Stimme antwortete:
"Ich fühle mich wirklich tief geehrt, Alice. Wenn du vielleicht so freundlich sein würdest und meinen Arm losläßt, ich bin nämlich, ob du es glaubst oder nicht, sehr wohl fähig selbständig zu laufen."
Sie entschied sich dafür, seine Worte zu ignorieren - vielleicht hatte sie ihn auch wirklich nicht gehört, was nicht weiter verwunderlich gewesen wäre, denn ihr Atem kam schnell und ruckartig. Sie hörte sich ein bißchen so an, wie der Hogwartsexpress, wenn er aus dem Bahnhof fuhr und ihr rot angelaufenes Gesicht half auch nicht gerade, diesen Eindruck zu vermindern.
"Narzissa sitzt unten am See und weint sich die Augen aus", fuhr sie fort, bei jedem Schritt nach Luft schnappend, jetzt, wo sie nicht nur ihre massige Figur bewegen mußte, sondern auch noch einen Klassenkameraden mit sich schleifte.
"Wir wissen nicht was los ist und sie will es niemandem sagen."
Snape entschloß sich letztlich zu kooperieren und fing an gemächlich durch die Eingangshalle Richtung Tür zu rennen, sie dabei locker einholend.
"Danke, ich versuche mit ihr zu reden. Bleib einfach hier, Alice. Du kannst ihr vermutlich sowieso nicht helfen."
Er fand Narzissa auf einem Baumstumpf kauernd am See. Sie umschlang ihre Knie, ihr Gesicht in den verschränkten Armen vergraben und der Art nach zu schließen, wie ihr Körper zitterte, war es offensichtlich, daß sie heftig weinte. Der Junge verlangsamte seine Schritte und trat vorsichtig vor sie hin.
"Narzissa?" fragte er leise, es scheinbar nicht wagend, ihr ohne ihr Einverständnis näher zu kommen. Sie sah zu ihm auf und ihr schönes Gesicht war von Tränen verschmiert, ihre Augen rot und geschwollen und ihr schimmerndes, blondes Haar hing ihr in zerzausten Strähnen herunter. Sie öffnete ihren Mund, als ob sie etwas sagen wollte, aber neue Tränen überwältigten sie, ehe sie eine Möglichkeit hatte es auch auszusprechen. Mit einem herzzerreißenden Aufschluchzen verbarg sie erneut ihr Gesicht.
Nach einem Augenblick des Zögerns setzte sich Snape neben sie und begann ihr unbeholfen über den Rücken zu streichen. Der Ausdruck auf seinem jungen Gesicht war voll tiefer Sorge.
Nach ein paar weiteren Minuten des Weinens ihrerseits und des verständnisvollen Streichelns seinerseits, warf sie plötzlich den Kopf zurück, preßte sich ihre Handballen auf die Augen und begann, die Tränen weg zu blinzeln.
"Danke, Severus. Ehrlich, danke schön."
Er zog seine Hand wieder zurück und sah sie mit einem besorgten Stirnrunzeln von der Seite an, während sie ihr bestes tat, ihre übliche, atemberaubende Erscheinung wiederherzustellen.
"Möchtest du mir erzählen, was passiert ist, oder soll ich Lucius suchen gehen?" erkundigte sich der Junge nachdem er sie dabei beobachtet hatte, wie sie sich mit den Finger durch ihr Haar fuhr und sich noch eine weitere Minute über das Gesicht wischte.
"Lucius weiß Bescheid", antwortete sie ihm. Ihre Hände hatte sie nun ruhig in ihren Schoß gelegt. Ihre Augen wanderten herüber zum See, als sie mit erstaunlich gelassener Stimme anfing zu erzählen:
"Andromeda hat sich in einen Muggel verliebt und wird ihn heiraten. Sie hat es Vater und Mutter in der Hoffnung erzählt, sie würden es akzeptieren."
Narzissa schnaubte auf undamenhafte Weise.
"Logisch, als ob irgend jemand in unserer Familie so etwas dulden würde. Ein Black, der eine freundschaftliche Beziehung zu einem Muggel pflegt, ganz zu schweigen davon, ihn zu heiraten! Natürlich hat Vater sie enterbt. Er hätte sie vermutlich sogar umgebracht, hätte sie nicht genug Verstand besessen sofort weg zu apparieren. Bellatrix hat geschworen, sie in tausend kleine Stücke zu zerhexen, sollte sie je die Möglichkeit dazu bekommen."
Die Sorge auf dem Gesicht des Jungen war nun einer unermeßlichen Verwirrung gewichen.
"Was ist so schlimm daran, daß sie einen Muggel heiratet?"
Sie sah ihn ungläubig an.
"Du verstehst es immer noch nicht, oder? Die ganze Zeit, die du mit Lucius und uns verbracht hast, die ganzen Geschichten, die wir dir erzählt haben, alles was wir dir beigebracht haben und du hast immer noch keine Ahnung davon, was hier abläuft."
Sie nahm ihn bei den Armen, schüttelte ihn wild und schrie ihm ins Gesicht:
"Zauberer und Muggel vermischen sich nicht! Wir können mit ihnen spielen und unseren Spaß haben, aber sie sind uns nicht ebenbürtig, sie stehen weit unter uns. Andromeda zusammen mit diesem Muggel-Kerl, das ist wie... wie... wie wenn du eine Liebesbeziehung zu deiner Katze hättest. Sie wird die reine Blutlinie kaputt machen. Sie wird unser Erbe in Gefahr bringen!"
Sie stieß ihn zurück, fort von ihr und er fiel vom Baumstumpf, seinen Kopf schmerzhaft am Boden aufschlagend. Als er es geschafft hatte, wieder auf die Füße zu kommen, sah sie auf den See hinaus. Ihr Gesicht war wieder wie immer und nicht eine Spur einer Träne konnte man darauf sehen.
"Sag so was bloß nie zu Lucius, er wird das nicht so gut aufnehmen wie ich das getan habe."
Er sah sie mißtrauisch an, sich abwechselnd Hinterkopf und die Arme, wo sie ihn grob angefaßt hatte, massieren. Als sie sich umdrehte um ihn anzusehen, schenkte sie ihm ein schwaches Lächeln.
"Wenn du mir wirklich helfen willst, dann lern mit mir zusammen. Die Abschlußprüfungen sind schwer genug, auch ohne eine verloren Schwester, um die ich mir Sorgen machen muß. Tust du das für mich?"
Sie hielt ihm eine ihrer langgliedrigen Hände hin und ohne zu Zögern nahm er sie.
"Natürlich werde ich das."


Mrs. Weasley war herüber gegangen und hatte sich hinter Tonks gestellt, die buchstäblich vor Zorn bebte. Die ältere Frau legte ihre Hände auf die Schultern der Jüngeren und fing an leise, beruhigende Geräusche zu machen, wie sie es auch bei einem kleinen Kind getan hätte.
"Pst, pst. Ist schon gut, meine Liebe. Rege dich nicht so auf. Das ist nun alles vorbei. Deine Eltern sind glücklich zusammen und sicher. Sie haben all das hier überlebt."
Nur, daß noch nicht alles vorbei war, dachte Harry bitter. Bellatrix Lestrange, geborene Bellatrix Black war noch immer da draußen. Erst letzten Sommer hatte sie bewiesen, daß sie dazu fähig war, einen Verwandten umzubringen. Keine Gnade für ihren Cousin. Warum sollte sie ihre Schwester verschonen? Oder eine unwillkommene Nichte?
Harry erinnerte sich an das Gesicht der jungen Bellatrix aus Snapes Erinnerungen, Tränen des Lachens kullerten ihr über die Wangen und er erinnerte sich an die Bellatrix, die er kennen gelernt hatte, rief sich ihre grausame, schrille Stimme ins Gedächtnis, wie sie den einzigen Menschen umgebracht hatte, der ihm außer Ron und Hermine nahe gestanden hatte. Nein, nichts war vorbei. Er hoffte nur, daß er beim nächsten Mal besser vorbereitet war.
Seinen Blick wieder auf die Blase werfend, war er sich nicht ganz sicher, ob er etwas verpaßt hatte, wie er so in seinen unangenehmen Gedanken geschwelgt hatte, oder ob sie gerade in ein neues unbekanntes Umfeld gewechselt waren, denn die Szene sah weder nach Hogwarts, noch nach Malfoy Manor aus.


Der finstere Raum hatte eine hohe Decke, aber keine Fenster. Kerzen reihten sich an den Wänden entlang, auf kleinen Tischen stehend oder manchmal nur, mit Hilfe von etwas Magie, in der Luft schwebend. Sie erhellten die Gesichter von mindestens sechzig erwachsenen Hexen und Zauberern, alle in elegante Roben gekleidet und aus exquisiten Kelchen trinkend. Die meisten von ihnen schienen Anfang vierzig zu sein, manche möglicherweise auch schon in den Fünfzigern. Lord und Lady Malfoy plauderten angeregt mit einem gutaussehenden jungen Mann, dessen Alter nur schwer einzuschätzen war. Er besaß ein reizvolles Lächeln und eine Locke seines hellbraunen Haares fiel ihm immer wieder in die Augen.
In einer Ecke nahe der Ausgangstür, drückte sich, in respektvollem Abstand zu den Erwachsenen, eine Gruppe Jugendlicher herum. Crabbe und Goyle waren darunter, Avery, McNair, Bellatrix Black und der Junge namens Rastaban und jemand, der aussah wie der junge Bartemius Crouch junior. Snape war, wie üblich, an der Seite von Lucius, der, ebenso wie üblich, von Narzissa begleitet wurde. Das blonde Mädchen war darauf bedacht, nicht in die Richtung ihrer Schwester zu sehen, die drohende Blicke in ihre Richtung warf.
Snape war bei weitem der jüngste im Raum und er schien neu in dieser gut funktionierenden Gruppe zu sein. Ständig zupfte er Lucius am Ärmel, auf jemanden deutend und sich nach dem Namen erkundigend. Der ältere Junge beantwortete alles geduldig, aber er schien gleichzeitig nervös auf etwas zu warten. Als der junge Mann, der sich mit seinen Eltern unterhalten hatte, auf die gegenüberliegende Seite des Raumes zu schritt und hinter einem kleinen Tisch Aufstellung nahm, packte der blonde Jugendliche seinen jüngeren Freund beim Kragen und schob ihn etwas weiter nach vorne, seine Hände auf dessen Schultern ruhen lassend. Da lag ein erwartungsvolles Lächeln auf seinem Gesicht und ein seltsames Funkeln blitzte in seinen Augen.
Der junge Mann erhob seinen Kelch in Richtung der versammelten Menge.
"Willkommen."
Seine Stimme war überraschend tief, sanft und voll. Sie schien den ganzen Raum auszufüllen, weit bis in den hintersten Winkel. Snape richtete sich kerzengerade auf und versuchte sich auf die Zehenspitzen zu stellen, um das Gesicht, das zu dieser überraschenden Stimme gehörte besser in Augenschein nehmen zu können.
"Es erfüllt mich mit großer Freude, daß sich unsere Zahl wieder vergrößert hat. Die Wahrheit leuchtet immer heller und es wird immer schwerer, die Augen davor zu verschließen."
Die Stille, die dieser geheimnisvollen Botschaft folgte, war beinahe ohrenbetäubend und die erwartungsvolle Spannung lag so schwer in der Luft, daß man sie schier mit einem Messer schneiden konnte.

Harry kannte diese Stimme. Nicht den Klang, nicht die tiefe Resonanz, die von den Wänden widerhallte, er entsann sich dieser besonderen Melodie, die Art, wie ein Wort mühelos ins nächste herüber glitt. Sie ließ jeden Satz logisch und zusammenhängend erscheinen, gab ihm eine tiefere innere Bedeutung, die nicht immer da gewesen war.
Voldemort.
Er sah aus wie Tom Riddle, nur wenig gealtert. Aber es war offensichtlich, daß der Zauberer, der vor all diesen Leuten stand, schon längst den Namen seines Vaters hinter sich gelassen hatte, denn er sprach bereits mit der gleichen Autorität und Überzeugungskraft, die Harry auf dem Friedhof, wo er Cedric Diggorys Leiche gehalten hatte, beinah zum Erlahmen gebracht hätte. Nicht einmal seine Augen waren die gleichen. Wären all diese Leute ihm auch gefolgt, wenn er schon damals sein heutiges Aussehen gehabt hätte, fragte sich Harry. Hätten sie den Mut gefunden, aufmerksam in diese roten, glühenden Augen zu sehen, die Harry in seinen Träumen heimsuchten?
Er bemerkte letztendlich, dass Hermine ihn unverwandt anstarrte, als würde sie auf eine Reaktion von ihm warten. Scheinbar hatte sie die richtigen Schlüsse gezogen und selbst wenn sie den Redner weder am Aussehen, noch an der Stimme erkennen konnte, wußte sie doch, wer er war. Harry nickte düster um auf ihr Starren einzugehen, das er für fragend hielt. Dann, plötzlich, fiel es ihm auf. Seine Narbe schmerzte nicht. Er sah Voldemort an und seine Narbe tat nicht weh. Daran hatte er gar nicht gedacht, aber er war äußerst erleichtert darüber. Es wäre mehr als nur unangenehm geworden, wenn er jedes Mal, wenn Voldemort in Snapes Gedanken auftauchte wäre, - was von nun an ziemlich häufig sein mußte, wie er annahm - ihn ein stechender Schmerz durchzuckt hätte. Er drückte Hermine die Hand und bedachte sie mit einem halbherzigen Lächeln.


"Zu meinem tiefsten Bedauern, habe ich von den Maßnahmen gehört, die das Ministerium auf ein paar Leute unserer Gruppe angewandt hat. Edle Zauberer, die aus einer Linie ebenso edler Zauberer stammen, die nichts weiter getan haben, als ihren Grund und Boden gegen das Eindringen von Muggeln geschützt zu haben."
Er nickte in Richtung der Malfoys, die leicht ihre Köpfe senkten.
"Wie kann es als ungerecht angesehen werden, wenn man sein Haus und seine Familie beschützt?" machte er weiter, seine Hände flach auf den Tisch vor ihm gepreßt, seine feurigen Augen von einem Gesicht zum anderen huschend.
"Wie kann es falsch sein, die Grenze zu bewahren, die die Natur selbst geschaffen hat? Niemand von uns wünscht einem Muggel etwas schlechtes. Niemand bestreitet, daß sie ein Recht haben zu leben. Wir respektieren ihre Rechte und ihren Lebensraum. Wir dringen nicht in ihre Häuser ein oder betreten ihre Grundstücke. Tatsache ist, das wir uns jahrelang immer mehr und mehr zurückgezogen haben, um ihrer wachsenden Population mehr und mehr Platz abzutreten. Aus welchen Gründen, frage ich euch?!"
Er brüllte nicht, dennoch hatte seine Stimme die Grenze einer schmerzhaften Intensität erreicht. Snape versuchte, sich die Ohren zuzuhalten, doch Malfoy schnappte sich seine Arme und drückte sie ihm hinunter.
"Es hilft dir nicht, wenn du die Ohren vor der Wahrheit verschließt", flüsterte er dem jüngeren Knaben ins Ohr, seine Augen noch immer auf den Mann vor ihnen gerichtet, ein raubtierhafter Ausdruck auf seinem Gesicht. Er war nicht der einzige. Überall im Raum lauschten die Leute aufmerksam, die Augen weit geöffnet, manche zustimmend nickend. Der Mann, der sich in den dunklen Zauberer namens Voldemort verwandeln würde, holte mehrmals tief Luft.
"Respekt sollte man immer mit Respekt belohnen. Schutz sollte Dankbarkeit ernten. Die Zauberergemeinschaft hat nun schon seit Jahrhunderten die Rolle des Beschützers gespielt. Wir sind die stärkeren, also ist es unsere Aufgabe, sich um die Schwachen zu kümmern. Die Muggel."
Er spie das letzte Wort voller Abscheu aus.
"Das ist es, was sie uns nicht müde werden zu sagen. Das ist es, was das Ministerium immer und immer wiederholt, wenn man mal anfragt, ob man sie nicht mal ein wenig reduzieren könnte. Das ist es, was der große und weise Albus Dumbledore einem antwortet, wenn man ihn nach dem 'Warum' fragt. Aber das ist keine Antwort. Es ist eine Ausrede."
Er machte eine gut abgestimmte Pause und nahm sich Zeit, sich erneut im Raum umzusehen.
"Die Gesellschaft heutzutage funktioniert hauptsächlich aus einem Grund: Der Stärkere schützt den Schwächeren. Es ist ein überholtes Prinzip, dann angebracht, wenn ihre Zahl noch klein ist. Damals waren wir auf sie angewiesen, denn wir waren der unseren zu wenig. Wir mußten unser Blut mit dem ihren vermischen, darauf hoffend, daß unsere Kräfte nicht unter der Verdünnung des Blutes leiden. Noch immer zahlen wir den Preis dafür, noch immer erblicken verkrüppelte Kinder das Licht der Welt, Kinder aus machtvollen Zaubererfamilien."
Ein paar der Erwachsenen ließen entweder vor Zustimmung oder Schmerz die Köpfe hängen.
"Den Punkt, wo wir sie nicht mehr brauchen, haben wir schon längst überschritten. Wir sind über die ganze Welt verteilt, leiten das Geschick dieser Erde, ohne auch nur einmal ein Wort der Dankbarkeit oder auch nur der Anerkennung zu hören. Es ist Zeit, die Zukunft zu erkennen und sie mit offenen Armen willkommen zu heißen. Es ist an der Zeit, ein System zu ändern, das uns dazu verdammt, denen zu dienen, die unter uns stehen. Die Welt verändert sich und wir werden ihr durch die Schmerzen des Wachstums helfen."
Seine Stimme war zu einem Flüstern gesunken. Anstatt seine Ansprache mit einer lauten Feststellung oder einer seiner berühmten rhetorischen Fragen zu beantworten, ließ er sie sanft ausklingen. Er hatte nichtsdestotrotz Erfolg.
Um ihn herum begannen die Leute zu applaudieren, drängten sich in Richtung des Tischchens um ihm die Hand zu schütteln und ihm ihre volle Zustimmung zu versichern. Lucius klatschte wie besessen seine Hände zusammen, Crabbe und Goyle mit dem Ellbogen anschubsend, um es ihm nachzutun. Bellatrix stand nahe bei dem zukünftigen Voldemort, offenbar in seiner puren Anwesenheit badend, Avery und McNair direkt neben sich.
Snape drehte sich um, um Narzissa anzusehen, die höflich applaudierte und gleichzeitig ein Gähnen unterdrücken mußte. Er grinste sie an.
Auf dem Weg nach draußen schlang Malfoy einen Arm um die schmale Schulter seines jüngeren Freundes und zog ihn voller Zuneigung an seine Seite. Sein Gesicht war vor Erregung gerötet und seine Augen schimmerten noch immer im Zwielicht der Abenddämmerung.
"Er ist inspirierend, oder?"
Der jüngere Knabe an seiner Seite zuckte mit den Schultern. "Um ehrlich zu sein, habe ich nicht alles verstanden, worüber er da geredet hat."
Lucius bedachte ihn mit einer weiteren, knochenbrechenden Umarmung und zog Narzissa eng an seine andere Seite.
"Mach dir keine Gedanken, Adlernase, wir erklären dir alles, wenn wir nach Hause kommen. Wenn wir Glück haben, dann kommt er vielleicht sogar einmal zum Abendessen vorbei, solange noch Ferien sind. Er mag meine Eltern, weißt du."
Narzissa reckte ihren Hals, um über Lucius´ Schulter hinweg den dunkelhaarigen Jungen ansehen zu können. Sie sah andeutend auf ihren Klassenkameraden und verdrehte dann die Augen. Snape lachte.



 

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