Blutsbande - Kapitel 7: Ein unwiderstehliches Angebot

 

 

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Kapitel 7: Ein unwiderstehliches Angebot



"Hast du schon etwas gefunden", erkundigte sich Harry, als er Hermine kurz vor der nächsten Stunde auf dem Gang traf.

"Nicht viel, aber ein bisschen schon." Hermine trug einige Papiere zusätzlich unter dem Arm. "Ich erzähl's euch heute Abend, jetzt mache ich mir den Spaß und höre mir wenigstens einmal an, was Miss Twinkleto so alles von sich gibt." Sie grinste von einem Ohr zum anderen."

"Na, dann wünsche ich mal viel Vergnügen, ich geh lieber zum Quidditch-Training!"

"Ist sicher viel vernünftiger." Hermine winkte ihm kurz zu. "Bis später dann!"

In diesem Moment kam Professor Snape den Gang herunter.

"Wie geht's Emily?", erkundigte sich Hermine auch auf die Gefahr hin, dass Snape sie wieder anfahren würde.

"Besser", knurrte der Zaubertrankmeister. "Heute Abend wird sie wohl wieder aus der Krankenstation entlassen."

"Gott sei Dank", meinte Harry erleichtert. "Nach einem Cruciatus…"

Snape blieb stehen. "Was sagten Sie gerade, Mr. Potter?"

"Nun … ähhh … ich meinte, wegen dem Cruciatus-Fluch…"

Snapes Blicke wurden noch um einige Grade eisiger. "Was reden Sie da für einen Blödsinn von wegen Cruciatus-Fluch? Wer soll den denn in meinem Unterricht angewendet haben? Oder haben Sie schon einmal gehört, dass die unverzeihlichen Flüche auch durch Wände funktionieren?"

"Aber…"

"Und statt dass Sie logisch gedacht haben, verbreiten Sie lieber Panik unter Ihren Mitschülern, indem Sie irgendwelche unausgegorenen Theorien in die Welt setzen. Cruciatus - so etwas an den Haaren Herbeigezogenes! 10 Punkte Abzug für Gryffindor für das verbreiten dummer Gerüchte!"
Und mit diesen Worten rauschte er davon.
‚Die nächste Lüge', dachte er. Allerdings war er mit Dumbledore übereingekommen, die Geschichte abzuwiegeln. Wenn sich herumsprach, was tatsächlich passiert war, würden die Schüler wohl panikartig Hogwarts verlassen.

"Für wie blöde hält der uns eigentlich? Ich kann sehr wohl einen Cruciatus von etwas anderem unterscheiden!" Harry kochte vor Zorn.

"Ausnahmsweise hat er gar nicht einmal so unrecht", meinte Hermine nachdenklich. "Von den 10 Punkten mal abgesehen …"

Harry starrte sie nur verständnislos an.

"Überleg doch mal, was hier los wäre, wenn offiziell bestätigt würde, dass hier in Hogwarts jemand mit den unverzeihlichen Flüchen um sich wirft. Sie können doch gar nicht anders, als den wahren Sachverhalt erst einmal abstreiten. Jedenfalls solange, wie sich die Angriffe nicht wiederholen!"

Zähneknirschend musste Harry zugeben, dass Hermine wieder einmal Recht hatte.
"Na schön, dann behalten wir's eben für uns", meinte er. "Aber wir sollten trotzdem versuchen, ob wir da nicht selbst etwas herausfinden können, denn anscheinend weiß nicht einmal Dumbledore, was hier eigentlich vor sich geht."

"Ganz meine Meinung", stimmte Hermine zu.

"Und ich bin gespannt, was Emily dazu zu sagen hat!"

"Wie ich sie so kenne, gar nichts", sagte Hermine. "Da vorne ist Ron, ich muß los. Wir sehen uns!" Und mit diesen Worten schloß sie zu Ron auf, der bereits eilig dem Klassenzimmer von Miss Twinkleto zustrebte. "He Ron, warte auf mich!"

Er drehte sich mit leuchtenden Augen um. "Mach schnell, Hermine, ich möchte einen guten Platz ergattern!"

Harry lachte und überließ die beiden ihrem Schicksal.



***



"Wenigstens sind wir schon mal nicht in Trelawneys stickigem Kabuff", meinte Lavander, die Wahrsagen über alles liebte und dafür sogar die schöne Laryssa in Kauf nahm. "Habt ihr schon was gehört, wie's Emily geht?"

"Sie wird wieder", sagte Hermine. "Laut Snape wird sie heute Abend wieder auftauchen."

Auch diese Neuigkeit verbreitete sich ziemlich rasch und alle waren neugierig, was Emily dazu sagen würde. Jetzt aber stand für die Siebtklässler erst einmal die mit Spannung erwartete Stunde bei Miss Twinkleto bevor.

Laryssa hatte sich bereits erwartungsvoll an ihrem Pult zurechtgesetzt, als die Schüler ins Zimmer strömten.

"Miss Twinkleto, was sagen Sie dazu, was vorhin mit Emily passiert ist?" Hermine startete, kaum dass sie Platz genommen hatte, ihren ersten Versuchsballon. So würde sich am schnellsten zeigen, wie es mit den hellseherischen Künsten der neuen Lehrkraft bestellt war.

Miss Twinkleto machte ein verblüfftes Gesicht. "Wieso, was ist denn mit ihr passiert?"

"Das sollten Sie eigentlich längst wissen", entgegnete Hermine zuckersüß. ‚Hätte mich auch gewundert', dachte sie.

"Ja, mit Ihren Fähigkeiten hätten Sie Emily eigentlich warnen können", schaltete sich jetzt auch Parvati ein. Sie mochte Wahrsagen eigentlich sehr gerne, doch solange Miss Twinkleto eine ernstzunehmende Konkurrenz bezüglich Professor Mayflower darstellte, würde die schöne Laryssa bei ihr keinen Fuß auf den Boden bekommen.

Miss Twinkleto schaute immer verwirrter drein. "Nun, ich war vorhin mit… anderen Dingen beschäftigt und die Schicksalsgötter waren nicht geneigt, mir dieses Wissen zukommen zu lassen", rettete sie sich aus der Affäre.

Hermine gab Ron einen triumphierenden Stups in die Seite. "Gewogen und zu leicht befunden", sagte sie nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag, und Ron war fair genug, ihr zuzustimmen.

"Aber ihr Anblick ist es allemal wert", meinte er dann und zu diesem Schluß schienen auch seine männlichen Kollegen gekommen zu sein.

Hermine gab es auf und widmete sich für den Rest der Stunde (die im großen und ganzen wie der Unterricht bei Professor Trelawney ablief) lieber ihren Hausaufgaben in Zaubertränke.



***



"Na, wie war's?", wollte Harry wissen, als sie sich am späten Nachmittag im Gemeinschaftsraum wiedertrafen. Er war noch völlig verschwitzt vom Training, schien aber blendender Laune zu sein. "Dieses Jahr ist unser Team unschlagbar", verkündete er. "Die Slytherins müssen sich warm anziehen! Ach ja… und wie war denn nun die Stunde im Wahrsagen?"

"Na jaaaa", meinte Seamus gedehnt und Harry grinste. "So in etwa hab ich's mir auch vorgestellt."

"Laß es mich mal so ausdrücken", begann Ron. "Miss Twinkleto sieht einfach umwerfend aus - aber man ist besser beraten, wenn man sich von ihr ein Bild an die Wand hängt. Sobald sie nämlich den Mund aufmacht, ist sie kaum noch auszuhalten."

Brüllendes Gelächter, selbst von den anderen Jungen.
"Und, wirst du weiter in Wahrsagen gehen?", fragte Hermine gespannt.

"Ich glaube, es reicht, wenn ich sie beim Essen anschauen kann", meinte Ron. "Ihr Unterricht ist einfach zu langweilig, und ich denke noch mit Schrecken an die Zeit zurück, wo wir uns bei Professor Trelawney immer diverse Katastrophen aus den Fingern saugen mussten."

"Du wirst doch nicht etwa auf deine alten Tage noch vernünftig werden", spottete Hermine gutmütig. Ihr lag einiges an Ron und es wäre für sie schwer zu ertragen gewesen, wenn er sich wegen dieser Geschichte völlig zum Narren gemacht hätte. "Dann können wir ja jetzt mal durchgehen, was ich vorhin über die McElwoods herausgefunden habe", schlug Hermine vor.

"Ähh… können wir das nicht nach dem Abendessen machen?" Harry schien es eilig zu haben. "Ich bin mit Cho verabredet!"

"Dann schwirr schon ab!" Hermine gönnte Harry seine Freundin von ganzem Herzen.

"Und ich muß die Zutaten für diesen elenden Trank von heute noch einmal durchgehen", stöhnte Ron. "Und außerdem brauche ich noch einen Meter Aufsatz für Professor Binns - und ich hab schon wieder vergessen, um welchen Trollaufstand es dabei eigentlich gehen soll."

"Hab ich alles schon fertig", meinte Hermine. "Alles während der Wahrsagerei erledigt."

"Auf die Idee hätte ich eigentlich auch kommen können", murmelte Ron.

"Schön, dann werde ich eben diesen Krähen-Verwandlungszauber üben. Hermine holte ihren Zauberstab hervor und machte sich ebenfalls ans Werk.



***



Beim Abendessen herrschte in der Großen Halle ein ziemlicher Lärmpegel. Die Sache mit Emily hatte sich natürlich herumgesprochen - und wie das so üblich ist, wurde die Geschichte mit jedem Mal, wo sie jemand weitererzählte, ein bisschen schlimmer.

"…und sie hat sich ihre sämtlichen Knochen dabei gebrochen", war die neueste Version, die am Hufflepufftisch kursierte.

"...alles war voller Blut und am ganzen Körper hatte sie offene Wunden", schwelgte jemand bei den Slytherins.

Draco Malfoy hielt sich aus den wilden Spekulationen heraus. Er hatte natürlich noch nichts Neues in Erfahrung bringen können, und war deshalb ziemlich verärgert.

Plötzlich verstummte alles.
Emily betrat die Halle, etwas verspätet, und sie schien sich unter all den Blicken sichtlich unwohl zu fühlen. Sie war noch blasser als sonst, doch ansonsten unversehrt. Ihre Knochen waren wohl auch in Ordnung und selbst der ‚schreckliche Blutverlust' musste sich sehr in Grenzen gehalten haben.
Mit gesenktem Kopf ließ sie sich am Gryffindortisch nieder - und augenblicklich wurde es wieder laut.

"Wenn ich einen Moment um Ruhe bitten dürfte!" Professor Dumbledore hatte sich erhoben und blickte ernst in die Runde. "Nachdem hier einige beunruhigende Gerüchte im Umlauf sind, möchte ich dazu etwas sagen. Miss McElwood ist nicht vom Crutiatus-Fluch angegriffen worden. Anderenfalls wäre sie jetzt nicht hier. Es besteht also kein Grund zur Beunruhigung, ich möchte deshalb alle bitten, mit diesen wilden Spekulationen aufzuhören. Danke!" Dumbledore setzte sich wieder.

"Das kann er seiner Großmutter erzählen", höhnte Draco. "Wer's glaubt, wird selig."
Doch da ihm weitere Anhaltspunkte fehlten, ließ er sich nicht weiter darüber aus.

"Emily, was ist während der Zaubertrankstunde denn nun wirklich passiert?"
Alle Köpfe am Gryffindortisch drehten sich zu Emily, denn die Antwort auf Hermines Frage interessierte sie alle.

"Ich weiß es wirklich nicht", meinte Emily und versuchte, möglichst glaubhaft auszusehen. "Mir ist plötzlich ganz komisch geworden, dann hat es furchtbar wehgetan - und dann bin ich auf der Krankenstation wieder aufgewacht."
Und von dieser Version wich sie keinen Millimeter ab. Ihr war klar, dass das beileibe nicht alle glaubten, doch solange ihr niemand das Gegenteil beweisen konnte, konnte sie damit leben.

"Sie weiß garantiert mehr als sie zugibt", sagte Ron leise. "Ich möchte nur wissen, was da dahintersteckt!"

"Nicht nur du", meinte Harry.

"Psssst", flüsterte Hermine. "Nicht hier. Wir reden später darüber, wenn nicht jeder zuhören kann."

Als dann kurze Zeit später alle Häuser in Richtung Schlafsäle aufbrachen, wandte sich Emily den Verließen zu, wo Snapes Büro beheimatet war.

"Wo willst du denn hin, wir müssen dort diese Treppe hinauf." Harry vermutete, dass Emily schon wieder dabei war, sich zu verlaufen, doch sie schüttelte den Kopf.

"Ich komme später nach", meinte sie. "Snape will mich noch sprechen."

"Warum denn das, " wunderte sich Ron. "Er könnte dich doch wenigstens heute in Ruhe lassen."

"Wahrscheinlich wollte er nur abwarten, bis es mir etwas besser geht, damit ich dann über den Schock von 50 abgezogenen Punkten nicht gleich wieder umfalle", sagte Emily leichthin - doch in Wirklichkeit graute ihr vor dem bevorstehenden Gespräch.

"Zuzutrauen wäre es ihn", knurrte Seamus. "Also dann bis später, du solltest ihn besser nicht warten lassen."
Sie schauten ihr nach, als sie in Richtung Verließe verschwand.

"Lagebesprechung in der hinteren Sofaecke", ordnete Hermine an, und Gryffindors Siebtklässler setzten sich gehorsam in Marsch.



***



"Also, hast du in der Bibliothek wirklich etwas gefunden?", wollte Parvati zuerst wissen.

"Seid bitte etwas leiser", entgegnete Hermine und schaute sich um. "Das brauchen die anderen nämlich nicht mitzubekommen."
Doch die restlichen Gryffindors, die noch im Gemeinschaftsraum anwesend waren, waren mit anderen Dingen beschäftigt.

Hermine lieferte zuerst einen kurzen Bericht von der Begegnung mit Snape und wie er Harry zehn Punkte abgezogen hatte.
"Wir wissen, dass es ein Cruciatus war, doch Dumbledore kann das natürlich nicht zugeben", schloß sie. "Haltet euch also mit diesem Thema lieber zurück, sonst gibt's Ärger."

"Da ist doch was oberfaul", meinte Dean. "Irgendjemand spielt hier mit dem Cruciatus rum und Dumbledore tut so, als ob alles in bester Ordnung wäre!"

"Wir wissen ja nicht, was er weiß", hielt Harry dagegen. "Und wenn Dumbledore sich so verhält, wird er seine Gründe haben."

"Jaja, bis es den nächsten erwischt!"

"Ich vermute, dass nur Emily in Gefahr ist, anderenfalls hätte er uns alle nach Hause geschickt", meinte Hermine. "Und Emilys Familie ist nicht uninteressant, hört mal zu."
Sie kramte in ihren Notizen.
"Ihr Vater ist in jungen Jahren ein Todesser gewesen, anscheinend sogar im engeren Kreis von Voldemort - bis er sich entschlossen hat, die Seiten zu wechseln. Angeblich hat Voldemort ihm das sehr übelgenommen!"

"Kann man sich ja vorstellen", sagte Parvati schaudernd.

"Vielleicht will er sich auf diese Art rächen!" Ron wurde ganz aufgeregt. "Emilys Vater hat ihn einst verraten, also tötet er dafür jetzt die Tochter. Das wäre doch ganz typisch Voldemort."

"Schon", räumte Hermine ein. "Aber irgendwie ist das nicht ganz logisch."

"Und wieso nicht, bitteschön?"

Hermine seufzte. Eigentlich hatte sie das folgende nicht sagen wollen, doch es musste wohl doch zur Sprache gebracht werden.

"Glaubt ihr wirklich, wenn Voldemort diese neuen Möglichkeiten mit dem Cruciatus hätte, dass dann ausgerechnet Emily sein erstes Opfer wäre?"

Es dauerte einen Moment, dann dämmerte es den anderen - und alle Blicke richteten sich auf Harry.

"Verdammt, du hast Recht", japste Ron. "Auf Voldemorts ganz persönlicher Hitliste dürfte Harry wesentlich weiter oben angesiedelt sein, als ein ehemaliger Todesser…"

"Nur zu wahr", entgegnete Hermine. "Und genau deshalb glaube ich, dass Emily einen anderen Feind hat."

"Wie beruhigend", meinte Harry. Auf die Idee, dass das Ganze eventuell auch für ihn gefährlich sein könnte, war er noch gar nicht gekommen.

"Aber wie hat es ein siebzehnjähriges Mädchen fertiggebracht, sich solch einen Feind zu schaffen", fragte Lavander.

"Genau das gilt es, herauszufinden!" Harrys Unternehmungslust war geweckt. "Habt ihr irgendwelche Ideen, wie wir vorgehen könnten?"

"Ich trage alles zusammen, was an Emily irgendwie auffällig ist", erbot sich Hermine.

"Schreib lieber all das auf, was bei ihr normal ist", entgegnete Seamus. "Dann bist du nämlich schneller fertig!"
Alle lachten.

"Und ich werde Mom mal eine Eule schicken und sie darum bitten, mir alle Artikel über die McElwoods aus dem Tagespropheten zu überlassen", schlug Ron vor. "Sie sammelt doch jeden Klatsch."

"Aber sag ihr bloß nicht, wofür du das brauchst!" Harry konnte sich sehr gut vorstellen, dass die resolute Mrs. Weasley dann umgehend ihre Sprösslinge nach Hause holen würde.

"So blöd werde ich gerade sein", entgegnete Ron etwas beleidigt. "Glaubst du, ich will hier weg, wo es gerade anfängt, interessant zu werden?"

"Ansonsten können wir wohl nur die Augen offen halten", meinte Dean. "Und die Ohren natürlich auch!"

"Und außerdem…", begann Harry, doch dann hielt er inne. Das Portraitloch hatte sich geöffnet und Emily kam herein.

"Wie ist es gelaufen?", wollten alle wissen. "War Snape sehr eklig?"

"Nein, überhaupt nicht", meinte Emily. Sie wirkte richtig vergnügt. "Er war eigentlich sogar richtig nett. Und ihr werdet nicht glauben, was passiert ist: Ich bin sozusagen befördert worden!"



***



Emily lief mit zitternden Knien und klopfendem Herzen die Treppe zu den Verließen hinunter. Was mochte Snape denn sonst noch von ihr wollen? Es war doch eigentlich alles gesagt worden. Vor seinem Büro angekommen holte sie tief Atem, klopfte an und öffnete die Tür.

Auf den ersten Blick schien niemand da zu sein und Emily schaute sich neugierig um. Vorne stand ein großer Schreibtisch, der mit diversem Papierkram überladen war. Das war anscheinend Snapes Büro.

Weiter hinten wurde der Raum jedoch erst richtig interessant.
An den Wänden befanden sich überall Regale, in denen unzählige Zutaten säuberlich aufgereiht standen. Kessel in allen Größen,. Schöpflöffel, Spachtel, Mörser, Messer, Messbecher und vieles mehr vervollständigte die Sammlung.
In der Mitte des Raumes stand ein weiterer, großer Tisch, dem man ansah, dass darauf gearbeitet wurde.
Dies hier stellte dann wohl Snapes Labor dar.
Emily war fasziniert. Eine solch umfangreiche Sammlung besaß nicht einmal ihre Großmutter, die ebenfalls eine Meisterin in der Kunst des Zaubertrankbrauens war.

"Gefällt Ihnen mein Arbeitsraum?", ertönte plötzlich eine tiefe Stimme. Emily fuhr zusammen und fühlte sich ertappt. Snape stand in einer weiteren, etwas versteckt gelegenen Tür, die wahrscheinlich zu seinen Privaträumen führte, und musterte Emily, die sich mit großen Augen umsah.

"Oh ja, sehr, es ist einfach phantastisch", entgegnete sie, als sie sich von ihrem Schreck erholt hatte. "Sie haben ja hier sogar rote Alraunen. Und das Lachesis-Gift, auch nicht gerade etwas, was leicht zu bekommen ist. Und hier - nein, ich fasse es nicht! Eine faustgroße Carolinenwurzel! Von denen habe ich in meinem Leben noch keine fünf Stück zu Gesicht bekommen, so selten, wie die sind!

Snape lächelte über ihre Begeisterung. "Es freut mich, dass Sie meine Leidenschaft für diese Kunst teilen. So etwas ist bestimmt ebenso selten, wie die Carolinenwurzeln."

Emily beschloß, das als Kompliment aufzufassen. "Ich hatte eigentlich vorgehabt, dieses Fach später an der Universität zu studieren", berichtete sie eifrig. "Falls ich überhaupt so lange…" Sie unterbrach sich und düstere Wolken schienen in ihrem Gesicht aufzuziehen.

"Falls Sie was?", wollte Snape wissen und kam näher. "Aber setzen Sie sich doch erst einmal." Er wies auf ein paar kleine Sessel, die in der hinteren Ecke um einen Kamin gruppiert waren.

Emily ließ sich ungelenk auf einem davon nieder. "Ach nichts", meinte sie dann. "Es war nicht so wichtig."

Snape hatte ihr gegenüber Platz genommen. "Irgendwie sind Sie mir ein Rätsel", gestand er. "Und so etwas kommt sogar noch seltener vor, als die Carolinenwurzel"

"Ach was, an mir ist überhaupt nichts Rätselhaftes", entgegnete Emily schnell. Die Richtung, die das Gespräch zu nehmen drohte, behagte ihr gar nicht. "Worüber wollten Sie denn nun mit mir sprechen?"

"Über Verschiedenes. Zunächst einmal habe ich Ihnen einen Vorschlag zu machen."

"Und der wäre?"

"Na ja, im Unterricht kann ich Ihnen nichts mehr beibringen", meinte Snape. "Deshalb dachte ich, dass Sie vielleicht Interesse hätten, mir hier bei meinen Forschungen ein wenig behilflich zu sein."

Im ersten Moment fand Emily diese Idee überwältigend. Das war genau das, was sie sich immer gewünscht hatte: In einem richtigen Labor neue Zaubertränke zu kreieren. Doch dann stockte sie. "Und was ist der eigentliche Grund für dieses verführerische Angebot", fragte sie misstrauisch. "Wahrscheinlich wollen Sie doch nur mehr herausfinden, über das, was… heute passiert ist!"

"Wie kommen Sie denn darauf?" Snape tat entrüstet.

Emily lächelte ihn an, in einer Mischung aus Spott und Belustigung. "Sie sind ebenfalls ein miserabler Lügner, Professor Snape!"

"Na gut, ertappt." Snape musste ebenfalls lächeln und überlegte, wie viel er ihr sagen sollte - und er entschloß sich für die Wahrheit.

"Es war ja wohl kaum zu erwarten, dass Dumbledore diese Angelegenheit einfach auf sich beruhen lassen konnte. Deshalb hat er mich gebeten, darüber möglichst viel in Erfahrung zu bringen - denn er ist ebenso ahnungslos, wie wir alle."

"Also haben Sie mir das nur angeboten, um mich aushorchen zu können!" Emily fühlte sich zutiefst enttäuscht.

"Oh nein, nicht nur", entgegnete Snape eilig - und auch das entsprach der Wahrheit. "Ich brauche tatsächlich jemanden, der mir hier hilft, dringend sogar. Und Sie sind die einzige, die dafür in Frage kommt."

Emily war daraufhin wieder halbwegs versöhnt. Sie wusste zwar, dass sie sich auf gefährliches Gebiet begab, denn Snape war alles andere als ein Dummkopf. Doch er war hier in Hogwarts wohl der einzige, der sich mit den unverzeihlichen Flüchen auszukennen schien - und Emily musste da dringendst etwas in Erfahrung bringen. Das, und auch die Aussicht, in einem richtigen Zaubertranklabor mitarbeiten zu dürfen, gab den Ausschlag, dem konnte sie nicht widerstehen.

"Wenn Sie versprechen, mich nicht mit Fragen über mein ‚Problem' zu löchern, bin ich einverstanden", meinte sie nach kurzem Nachdenken.

"Ein paar Dinge müsste ich aber trotzdem wissen", verlangte Snape. "Wenn der Cruciatus - und streiten Sie nicht ab, dass es sich um einen ebensolchen handelt, wieder zuschlägt…"

"Halt", sagte Emily. "Bevor Sie weiter irgendwelchen Spekulationen nachhängen, lassen Sie mich folgendes klarstellen: Dieser spezielle Cruciatus stellt für niemanden sonst eine Gefahr dar, das versichere ich!"

"Aber wie funktioniert er überhaupt?"

"Das ist nicht weiter von Bedeutung, aber es ist völlig anders, als Sie alle vermuten."

Snape seufzte. Er würde ihr so gerne glauben, doch er konnte das alles nicht auf sich beruhen lassen. "Anscheinend ist es jemandem gelungen, diesen Fluch auf teuflische Art weiterzuentwickeln…"

"Nein, ist es nicht", entgegnete Emily entschieden. "Bitte glauben Sie mir doch einfach, dass es sich völlig anders verhält, als Sie meinen! Das Ganze ist einzig und allein mein Problem und braucht niemanden sonst zu beunruhigen."
‚Jedenfalls, solange ich stark genug bin und nicht versage', fügte sie in Gedanken hinzu.

‚Das ist doch schon einmal ein Anfang', überlegte Snape. ‚Man soll schließlich nicht zuviel auf einmal verlangen.'

"Na gut, lassen wir es fürs erste einmal dabei bewenden", meinte er deshalb. "Sie sind hiermit zu meiner ersten, außerordentlichen Assistentin befördert."

Emily strahlte.

"Aber eines gäbe es da noch", meinte Snape und beobachtet amüsiert, wie sie wieder erstarrte.

"Es erfordert viel Kraft, mit den unverzeihlichen Flüchen zu arbeiten - und noch mehr, um sich gegen sie zu wehren. Kraft, die Sie im Moment nicht haben, Miss McElwood. Also sehen Sie zu, dass Sie wenigstens ein bisschen zunehmen, Sie sind viel zu dünn. Der nächste Cruciatus würde Sie wahrscheinlich das Leben kosten. Außerdem ist die Küche hier in Hogwarts wirklich nicht so schlecht", schloß er lächelnd.

Emily überlegte. Was er sagte, leuchtete ihr ein. "Na gut, ich werde versuchen, etwas Appetit zu entwickeln", sagte sie dann. "Und wann soll meine Assistententätigkeit beginnen?"

"Wann immer Sie wollen", meinte Snape. "Ich arbeite hier jeden Abend, Sie können also vorbeikommen, wann immer es Ihr Zeitplan erlaubt."

"Wie wäre es… dann gleich mit morgen", fragte Emily zögernd. Sie wollte nicht zu aufdringlich erscheinen.

"Morgen wäre mir sehr recht. Und das Projekt wird Sie interessieren, das kann ich versprechen."

Daran zweifelte Emily nicht im Geringsten. "Dann sehe ich Sie morgen Abend", sagte sie noch einmal zur Bestätigung. "Vielen Dank Professor - und schlafen Sie gut."

"Das wünsche ich Ihnen auch, Miss McElwood. Sie haben nach den heutigen Ereignissen wirklich noch etwas Schlaf nötig!"

Emily erhob sich. Sie wäre zwar gerne noch geblieben und hätte mit Snape über Zaubertränke diskutiert, doch sie spürte, dass sie tatsächlich noch sehr erschöpft war.

Snape begleitete sie bis zur Tür und sah ihr nach, wie sie über die Treppe entschwand.
Die Zusammenarbeit mit ihr versprach interessant zu werden, und das nicht nur, weil es ein Geheimnis zu ergründen galt.
Wenn er ehrlich war, freute er sich sogar darauf.



***



"Und das war alles? Kein Punkteabzug? Keine Strafarbeiten? Keine Standpauke wegen was auch immer?" Die Gryffindors waren fassungslos, als Emily ihren Bericht beendet hatte.

"Nein, von so etwas war überhaupt nicht die Rede", beantwortete sie Harrys Frage.

"Ich glaube es einfach nicht! Snape lässt sich in seiner Giftküche helfen - von einer GRYFFINDOR!" Ron wusste kaum, was er dazu sagen sollte.

Natürlich hatte Emily den Teil, den ihr Problem betraf, für sich behalten, es war so schon kompliziert genug.

"Snape konnte doch gar nichts besseres passieren", überlegte Hermine. "So bekommt er eine kostenlose Hilfskraft, deren Wissensstand auf Universitätsniveau liegen dürfte."

"Und wahrscheinlich möchte er dich auch etwas im Auge behalten", meinte Harry. "Snape ist sehr interessiert an den dunklen Künsten und das, was heute passiert ist, muß für ihn eine echte Herausforderung darstellen."

‚Volltreffer', dachte Emily, doch das sagte sie natürlich nicht. "Ich denke, ich gehe jetzt schlafen", meinte sie nur. "Der Tag hat mich doch etwas geschafft!" Sie nickte freundlich in die Runde und verschwand dann in Richtung Mädchenschlafsaal.

"Es geschehen noch Zeichen und Wunder!" Seamus konnte über diese Entwicklung nur den Kopf schütteln. "Mal sehen, wie das weitergeht!"

‚Ich hoffe nur, Snape passt ein bisschen auf Emily auf', dachte Harry. ‚Was auch immer mit ihr los ist, ich mag sie irgendwie und möchte nicht, dass ihr etwas zustößt.'



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