(Author's Note: Wieder zurück aus dem Urlaub - ich bin auch sehr fleißig gewesen, habe meinem Mann das Laptop aus den Klauen gerissen wann immer es ging und im Laufe von vielen Abenden Blutsbande fertiggeschrieben.
Allerdings war es alles andere als einfach, bei Meeresrauschen und zirpenden Grillen das richtige Hogwarts-Gefühl aufkommen zu lassen. Außerdem hatte ich mal wieder den Herrn der Ringe dabei - und immer, wenn ich Tolkien lese, packt mich über seiner genialen Sprache und meinem eigenen, im Vergleich dazu absolutem schriftstellerischen Unvermögen die nackte Verzweiflung.
Anyway, ich habe mein Möglichstes getan und hoffe, die letzten Kapitel gefallen euch trotzdem.)
********************
Montag morgen waren alle Schüler (und die meisten Lehrer) wieder mit dem Unterricht beschäftigt und bekamen deshalb gar nicht mit, dass ein Besucher eingetroffen war.
Nicht einmal Emily wußte, dass ihre Großmutter in Dumbledores Büro heftig auf den Schulleiter einredete, während sie selbst größte Mühe hatte, zumindest so zu tun, als würde sie den Ausführungen von Professor Binns lauschen.
Eigentlich war jeder mehr oder weniger bei ‚Geschichte der Zauberei' geistig abwesend, doch solange man sich ruhig verhielt (darunter fiel auch zu lautes Schnarchen, was Ron tatsächlich einmal fertiggebracht hatte), wurde das von Professor Binns toleriert.
So hielt der geisterhafte Professor ungestört seine Monologe, während die Schülerschaft ungestört ihren eigenen Gedanken nachhing.
Und gerade Emily hatte eine Menge, worüber sie nachdenken musste. Sie war sehr froh, dass sie dieses unbenutzte Klassenzimmer entdeckt hatte, wo sie ungestört würde üben können. Doch irgendwie kam sie mit ihrem Training nicht voran, irgendetwas machte sie anscheinend immer noch verkehrt.
‚Verdammt', dachte sie. ‚Und jetzt habe ich niemanden mehr, den ich fragen könnte.' Snape hätte ihr sicherlich weiterhelfen können, doch er wäre der letzte Mensch auf Erden gewesen, den sie um Hilfe gebeten hätte. Nicht nach dem, was er sich da geleistet hatte …
Emily seufzte leise. Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Ihr einziger Trost war, dass Snape unter der Situation ebenfalls zu leiden schien.
Sie hatte die letzte Nacht nicht gut geschlafen, aber als sie den Zaubertränkemeister beim Frühstück zu Gesicht bekam, hatte sie mit grimmiger Befriedigung feststellen können, dass er noch um einiges schlechter aussah als sie selbst.
"Fünf Punkte Abzug für Hufflepuff", hatte gleich darauf seine Stimme giftig durch die Halle getönt, als eine Schülerin lautstark niesen musste. "Benutzen Sie das nächste mal gefälligst Ihr Taschentuch, Miss Meany."
‚Tja, Meister Oberschlau, wir haben heute wohl ausnehmend schlechte Laune', hatte Emily voller Häme gedacht. ‚Betrachte es als eine Lektion in Sachen Umgang mit seinen Mitmenschen.'
Dabei machte Snape durchaus den Eindruck, als hätte er es mittlerweile begriffen. Er hatte Laryssa Twinkleto beim Frühstück keines Blickes gewürdigt und wütend in seinem Haferbrei herumgerührt. Dann hatte er einen bittenden Blick in ihre Richtung geworfen, doch als sie ihn eisern ignoriert hatte, wechselte sein Gesichtsausdruck zu etwas, das irgendwo zwischen Betrübnis und Resignation angesiedelt war. Dann hatte er sein Besteck auf den Teller geworfen, war wortlos aufgestanden und hatte die Halle verlassen.
Der Schülerschaft war natürlich nicht entgangen, dass der gefürchtete Snape irgendein Problem zu wälzen schien.
"Was ist denn heute mit Snape los", erkundigte sich Ron bei Emily. "Der scheint ja wieder mal übel drauf zu sein, als nächstes zieht er einem noch für zu lautes Atmen Punkte ab."
"Ja, sieht so aus", meinte Emily und machte ein unschuldiges Gesicht. "Keine Ahnung was er hat, aber in diesem Zustand geht man ihm wohl besser aus dem Weg."
"Wenn du das schon sagst …" Harry pfiff leise durch die Zähne und Emily rang sich ein Lächeln ab.
"Ich habe zwar keine Angst vor ihm - aber seine Launen soll er an jemand anderem abreagieren", meinte sie. "Ich werde mich jedenfalls nicht opfern."
"Dann gehst du heute Abend nicht in seine Giftküche?" Hermine schaute ziemlich verdutzt drein.
"Ich glaube nicht, dass ich dazu Lust habe."
"Das wird seine Laune nicht gerade bessern", wandte Seamus ein.
"Sein Problem", entgegnete Emily leichthin.
Dabei begann sie sich zu fragen, ob sie sich selbst nicht viel mehr strafte als Snape. Sie hatte die Arbeit im Labor genossen, seine Gesellschaft noch viel mehr. Auf all das musste sie jetzt verzichten …
Außerdem würde sie ihm nicht ewig aus dem Weg gehen können, schließlich brauchte sie den Trank, um von Lennarts Aktivitäten nichts mitzubekommen. Aber damit würde sie sich befassen, wenn dieses Problem wieder akut werden würde. Sie hatte schließlich auch noch anderes zu tun …
~*~
"Albus, wenn es einen anderen Weg gäbe, würde ich nicht darauf bestehen", sagte Morticia McElwood gerade und beschloss damit ihren fast einstündigen Vortrag, in dem sie Dumbledore in alle Einzelheiten eingeweiht hatte. "Aber man kann es drehen und wenden wie man will, ich sehe keinen!"
Albus Dumbledore nahm einen tiefen Schluck aus seiner Teetasse und musterte seine Jugendliebe mit ernstem Blick. Morticia marschierte energisch in seinem Büro auf und ab und wirkte zutiefst aufgebracht.
"Das ist wirklich eine böse Geschichte", meinte er dann. "Vielleicht würde das Zaubereiministerium …"
"Vergiß das Ministerium, den ganzen unfähigen Haufen", wurde er von Morticia heftig unterbrochen. "Wann hat diese Truppe den schon jemals etwas Brauchbares zuwege gebracht?" Ihre strahlendblauen Augen blitzten und sie sah aus, als würde sie im nächsten Moment ihre Tasse an die Wand schleudern.
"Eher selten", musste der Schulleiter zustimmen. "Und bitte, sei so nett und verschone mein Porzellan, es ist Ming-Dynastie."
"Pfffff", machte Morticia nur. "Wen interessiert schon so ein altes Muggel-Geschirr, wenn hier demnächst noch ganz andere Dinge zu Bruch zu gehen drohen!"
Allerdings setzte sie die Tasse aus hauchzartem Porzellan vorsichtig auf den Tisch.
Dumbledore musste lächeln. "Du hast noch immer dasselbe überschäumende Temperament wie damals. Aber wie dem auch sei, diese Angelegenheit ist viel zu ernst, als dass man sie in die Hände eines Kindes und eines verbitterten Mannes legen könnte."
"Emily ist schon lange kein Kind mehr, nicht mehr, seit sie mit Lennart dieses Band eingegangen ist. Und dieser Snape … hat wahrscheinlich auch ein paar Qualitäten, anderenfalls würde sie ihn nicht mögen." Morticia rang die Hände. "Und fällt dir denn eine bessere Lösung ein? Wenn ja, laß es mich wissen, ich bin zu allem bereit."
"Ich muß das alles erst einmal in Ruhe überdenken …" Dumbledore hatte sich wirklich gefreut, seine alte Freundin nach so vielen Jahren wiederzusehen, doch diese Geschichte, die sie ihm da aufgetischt hatte, hätte wohl jeden überfordert.
"Zeit ist so ziemlich das einzige, was wir nicht haben!" Morticia versuchte nicht einmal, ihre Ungeduld zu verbergen. "Ich habe selbst alles liegen- und stehengelassen, um mit dir zu sprechen. Emily ist verliebt - und das Band wird dadurch täglich stärker. Bald, sehr bald, wird es stark genug sein und ich muß dir wohl nicht erzählen, was passiert, wenn Lennart mit dem Dunklen Lord im Schlepptau losschlagen wird. Du wärest eines seiner ersten Ziele, der junge Potter ein weiteres. Und das wäre erst der Anfang …"
"Du hast ja Recht, meine Liebe", seufzte Dumbledore. "Trotzdem …"
"Meinst du denn, es würde helfen, wenn das Ministerium seine Auroren hierher nach Hogwarts beordern würde? Dann würden die beiden abwarten und sich ein anderes Ziel suchen. Sie wissen nicht, dass wir ihre jetzigen Pläne zumindest zum Teil kennen, das ist die eine unserer beiden Trumpfkarten. Die andere ist meine Enkelin - und Snape. Und das ist alles, was wir in der Hand haben. Wir können es uns nicht leisten, diese Trümpfe zu vergeuden!"
"Wenn ich das richtig verstanden habe, haben wir im Moment nicht einmal Emily und Snape", widersprach Dumbledore. "Emily ist wütend auf Professor Snape, also würde es sowieso nicht funktionieren. Außerdem wissen wir nicht, wie er zu der ganzen Sache steht."
"Emily ist ziemlich gekränkt, aber das lässt sich in Ordnung bringen", meinte Morticia und hoffte inständig, dass sie sich da nicht täuschte. "Das bekomme ich schon wieder hin. Und was Snape angeht … laß mich nur machen, das ist unser geringstes Problem."
"Bei Merlins Zauberstab, ich wünschte, ich hätte deine Zuversicht!" Der Schulleiter seufzte. "Und es ist eine ungeheure Verantwortung, die du mir da auferlegst, es steht so vieles auf dem Spiel."
Damit wusste Morticia, daß sie schon beinahe gewonnen hatte. "Als ob ich das nicht wüsste, Albus. Aber um unserer Freundschaft willen, vertrau mir - nur noch dieses eine Mal!"
"Wenn es schief geht, wird es für uns alle kein nächstes Mal geben." Er seufzte erneut. "Aber ich muß dir Recht geben, die Gelegenheit ist jetzt, wo wir wenigstens ein bisschen vorbereitet sind, besser als alle, die wir sonst bekommen würden. Ich werde den Plan also unterstützen."
Morticia strahlte auf.
"Allerdings werde ich ein paar zusätzliche Vorkehrungen treffen."
"Und die wären?", fragte sie misstrauisch. "Niemand darf etwas von unserem Plan erfahren, sonst wäre alles umsonst."
"Nun, ich werde ein paar alte Freunde einladen." Dumbledore zwinkerte verschmitzt. "Keine Sorge, sie sind verschwiegen und nicht abgeneigt, auch einmal ohne Wissen des Ministeriums zu handeln. Sirius Black zum Beispiel, und auch Alastair Moody."
Morticia überlegte. "Mächtige Zauberer und nicht unerfahren in der Konfrontation mit Voldemort", meinte sie zögernd. "Sie könnten tatsächlich eine große Hilfe sein, wenn der Plan mit Emily versagt. Aber wie willst du ihre Anwesenheit hier erklären?"
"Mir wird schon etwas einfallen - und außerdem ist Hogwarts groß genug, dass niemand etwas von ihnen zu Gesicht bekommen muß."
"Also gut, dann mach das", stimmte Morticia zu. "Ich werde nachher noch mit Emily reden - aber vorher muß ich diesen Professor Snape wenigstens kurz einmal zu Gesicht bekommen."
"Das lässt sich machen, es ist gleich Stundenwechsel", meinte Dumbledore und fragte sich, was Morticia wohl vorhatte. "Ich werde eine Hauselfe nach ihm schicken."
"Aber vergiß nicht, weder er noch Emily dürfen erfahren, worum es bei alledem geht", wiederholte Morticia noch einmal.
"Von mir werden sie nichts erfahren. Ich habe sowieso noch etwas mit Professor Snape zu besprechen, er wird also keinen Verdacht schöpfen."
Dumbledore schickte den Elf mit seiner Nachricht los und musterte dann die Frau, die er einmal geliebt hatte. Sie waren beide alt geworden, doch ihr Verstand war noch immer messerscharf - und in gewisser Weise war sie auch noch immer schön. Auf eine würdevolle, ehrfurchgebietende Art, die auch ihm zueigen war. Und nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie sein Leben an ihrer Seite wohl verlaufen wäre.
"Wir beide zusammen hätten die Welt aus den Angeln heben können", sagte Morticia, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte. "Ich wünschte, ich wäre damals klüger gewesen!"
"Wenn wir das hier heil überstehen, könnten wir vielleicht noch einmal anfangen", meinte er voller Wärme. "Anders als damals - und uns wird beiden nicht mehr allzu viel Zeit bleiben, doch wir könnten sicher noch einiges bewegen."
Und Morticia erwiderte sein Lächeln.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach sie.
"Herein", rief Dumbledore und eine dunkle Gestalt betrat den Raum.
‚Aha, das ist also dieser Snape', dachte Morticia und musterte neugierig den bleichen, ganz in schwarz gekleideten Mann. Etwas geheimnisvoll - Bedrohliches schien ihn zu umgeben, aber auch eine gewisse Verletzbarkeit. Außerdem wirkte er ziemlich schlecht gelaunt. Wirklich nicht gerade die Mischung, die Morticia früher bei einem Mann anziehend erschienen wäre, mochten die Götter wissen, was Emily an ihm fand.
"Ah, Professor Snape", sagte der Schulleiter. "Ich wollte nur kurz mit Ihnen das Quidditch-Match am kommenden Wochenende durchgehen. Madame Hooch muß dringend nach London, deshalb wollte ich fragen, ob Sie vielleicht als Schiedsrichter fungieren könnten …"
Snapes Blick fiel auf die alte Dame, die sich gerade aus ihrem Sessel erhob.
"Wie unhöflich von mir", meinte Dumbledore. "Darf ich vorstellen: Professor Severus Snape, unser Zaubertrankmeister. Morticia McElwood, Emilys Großmutter. Wir sind alte Freunde und sie kam kurz zu Besuch."
"Sehr erfreut, Sie auch einmal persönlich kennenzulernen", sagte Morticia und reichte Snape ihre Hand. "Emily hat mir schon viel von Ihnen erzählt."
"Gleichfalls, Madame", erwiderte Snape. "Und auch von Ihnen habe ich schon viel gehört. Anscheinend teilen wir dieselbe Leidenschaft für Zaubertränke."
‚Er hat eine wundervolle Stimme', dachte Morticia.
"In der Tat, ein unglaublich interessantes Gebiet, und Emily hat diese Leidenschaft wohl von mir geerbt. Übrigens, wie kommen Sie mit meiner Enkelin zurecht? Sie kann ja zuweilen ziemlich schwierig sein."
Snape machte ein kummervolles Gesicht. "Bis vor kurzem noch ausgezeichnet, doch dann habe ich sie wohl etwas … ähhhh … vor den Kopf gestoßen."
‚Welch ein Euphemismus', dachte Morticia und fühlte, wie ihre Wut wieder anfing zu brodeln, doch sie beherrschte sich.
"Ich fürchte, sie ist ziemlich gekränkt und das zu Recht", sagte Snape dann. "Und das tut mir wirklich sehr leid. Ich wünschte, ich könnte es wieder gutmachen."
Dumbledore hätte über der offensichtlichen Zerknirschung des Zaubertrankmeisters beinahe verblüfft den Kopf geschüttelt, doch er beherrschte sich ebenfalls. Morticia schien mit ihrer Einschätzung jedenfalls ziemlich richtig zu liegen, Professor Snape hegte echtes Interesse an der eigenwilligen Emily.
‚Zumindest hat er eingesehen, dass er sich mehr als schäbig verhalten hat', überlegte Morticia weiter und ihr Zorn milderte sich etwas. ‚Das ist doch schon einmal ein Anfang und mehr, als man von den meisten Männern erwarten kann.'
"Emily wird sich schon wieder beruhigen", meinte sie und ließ sich nichts von ihren Gedanken anmerken. "Ich kenne sie schließlich lange genug. Aber wenn Sie wollen, spreche ich einmal mit ihr, wenn ich schon mal hier bin."
Snape wirkte sehr erleichtert. "Das wäre wirklich überaus freundlich von Ihnen", meinte er. "Mit mir redet sie nämlich im Moment nicht und dieser Zustand ist unserer Zusammenarbeit nicht gerade förderlich."
‚Außerdem fehlt sie mir und ich werde noch wahnsinnig, wenn sie mich weiterhin wie Luft behandelt', setzte er in Gedanken hinzu.
"Dann werde ich sehen, was sich tun lässt." Morticia kramte in ihrer Handtasche und ließ dabei ihr Taschentuch fallen. Snape bückte sich höflich danach und in diesem Moment, als er es nicht sehen konnte, blies Morticia eine Prise hauchfeinen Staubes aus ihrer Handfläche über den Zaubertrankmeister.
‚Das dürfte ausreichen', dachte sie.
Albus Dumbledore hatte diese nur ein paar Sekunden dauernde Aktion schweigend mitverfolgt und suchte jetzt ihren Blick.
"Amoris-Pulver?", formten seine Lippen unhörbar und Morticia nickte und zwinkerte ihm zu. "Der Zweck heiligt die Mittel", gab sie, genauso unhörbar, zurück.
"Ihr Taschentuch, Madame." Snape hatte sich wieder aufgerichtet und überreichte Morticia das spitzenbesetzte Tüchlein.
"Vielen Dank. Und jetzt werde ich zusehen, dass ich Emily irgendwo finde."
"Sie müsste gleich unten in der Großen Halle sein, auf dem Weg zu Muggelkunde", meinte Snape.
"Dann werde ich mich besser beeilen. Es freut mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, Professor Snape. Ich hoffe, wir treffen uns einmal wieder, wenn ich mehr Zeit habe. Ich brenne darauf, von Ihren Fortschritten beim Effingo-Trank zu erfahren."
Morticia schüttelte ihm die Hand und umarmte dann Dumbledore herzlich. "Auf bald, Albus. Ich lasse von mir hören."
"Das hoffe ich doch, meine Liebe!"
Dann rauschte Morticia McElwood zur Türe hinaus.
"Eine erstaunliche Frau", meinte Snape. "Sie wirkt so klein und zerbrechlich, doch ihre Persönlichkeit füllt den ganzen Raum."
"So war sie schon immer", meinte Dumbledore und eine leise Wehmut lag in seiner Stimme. "Wenn ihr nur damals dieser McElwood nicht über den Weg gelaufen wäre …"
~*~
In der Großen Halle liefen hunderte von Schülern geschäftig durcheinander und Morticia fragte sich verzweifelt, wie sie Emily in diesem Durcheinander ausmachen sollte.
"Großmutter, was tust du denn hier?", vernahm sie plötzlich eine wohlbekannte Stimme hinter sich. Sie drehte sich um - und musterte verblüfft ihre Enkelin.
"Wie siehst du denn aus?"
"Anders", entgegnete Emily trocken.
"Kann man wohl sagen! Hübsch. Zwar ziemlich ungewohnt, aber sehr attraktiv", fand Morticia. "Die stehen diese Muggelsachen richtig gut."
"Danke. Aber deshalb bist du doch sicher nicht gekommen?"
"Ich wollte sehen, wie es dir geht, dein letzter Brief klang ziemlich deprimiert, und außerdem Albus besuchen."
"Mir geht's gut", sagte Emily und schluckte tapfer. "Wenn ich nicht so dumm gewesen wäre, mich da in diese Sache hineinzusteigern, wäre das alles gar nicht erst passiert. Mit Männern lässt man sich halt besser gar nicht erst ein."
"Nana, Fräulein Altklug, du sprichst ja, als könntest du diesbezüglich auf einen gewaltigen Erfahrungsschatz zurückgreifen", lächelte Morticia und nahm ihre Enkelin am Arm. "Komm, gehen wir ein paar Schritte."
Gemeinsam gingen sie hinaus in den warmen Sonnenschein und schlugen den Weg zum See hinunter ein.
Morticia überlegte verzweifelt, wie sie anfangen sollte. Das hier erforderte eine Menge Fingerspitzengefühl, sonst erreichte sie genau das Gegenteil.
"Ich habe übrigens gerade deinen Professor Snape kennengelernt", begann sie. "Und er hat gesagt, dass ihm das alles furchtbar leid tut."
"Sicher", entgegnete Emily eisig. "Die Auswahl an unbezahlten Hilfskräften, die etwas von der Materie verstehen, ist hier nicht gerade berauschend. Ich kann mir verdammt gut vorstellen, wie leid es ihm tut, mich vergrault zu haben!"
"Nein, nicht deswegen. Er wirkte, als würdest du ihm wirklich am Herzen liegen, nicht nur wegen deiner Mitarbeit. Und glaub mir, ich kenne mich mit Männern doch etwas besser aus als du."
Emily seufzte. Wie gerne würde sie ihrer Großmutter glauben, doch ihre Verletzung saß tief. "Was soll's er ist doch eh nur ein Lehrer und wirklich nicht gerade die optimale Wahl für mich. Es ist allemal besser, dass es so gekommen ist."
"Aber du liebst ihn noch immer", stellte Morticia fest.
"Das wird schon wieder vergehen", entgegnete Emily. "Ich werde ihn einfach vergessen, das kann ja nicht so schwierig sein."
Morticia war stehen geblieben und schaute ihrer Enkelin ernst in die Augen.
"Kind, jetzt hör mir mal zu. Du liebst ihn und er hat einen Fehler gemacht. Den er ehrlich bedauert. Du gibst doch sonst nicht so schnell auf, meinst du nicht, er hätte noch eine Chance verdient?"
"Ich möchte bloß wissen, warum dir das so wichtig ist", wich Emily aus. "Jede andere Mutter oder Großmutter wäre heilfroh, dass ihre Tochter wieder vernünftig und die Sache ausgestanden ist, doch du hörst dich an, als wolltest du mir eine Affäre mit Snape geradezu aufschwatzen. Was steckt da wirklich dahinter?"
Morticia seufzte jetzt auch. Es hätte ihr klar sein müssen, dass Emily da nachhaken würde, sie war schließlich nicht dumm. Die ganze Wahrheit konnte sie ihr unmöglich erzählen, aber irgendwie musste sie Ihre Enkelin trotzdem dazu bekommen, zu kooperieren.
"Es könnte dein Leben retten", entschloss sie sich zu einem Kompromiss. "Und bevor du weitere Fragen stellst: Ich sage, es KÖNNTE - sicher bin ich mir nicht. Es ist lediglich eine Chance, aber wahrscheinlich die einzige, die du hast."
"Und es muß ausgerechnet Snape sein?"
"Jemand anderes ginge genauso gut - aber du müsstest ihn lieben. Gibt es etwa noch einen Kandidaten?"
Emily schüttelt nur den Kopf.
"Na siehst du. Also überleg dir das alles noch einmal, und so übel ist Professor Snape wirklich nicht."
"Bitte sag mir, wie das genau vor sich geht. Der Consanguinity kann also doch gebrochen werden?"
"Es ist ganz anders als du denkst", entgegnete Morticia. "Und frag jetzt bitte nicht weiter, wenn du alles wüsstest, würde es nicht mehr funktionieren. Bitte vertrau deiner Großmutter!"
Emily überlegte. "Na schön, ich werde darüber nachdenken", meinte sie. "Aber versprechen kann ich nichts, ich bin einfach viel zu wütend auf diesen Kerl. Und ich möchte nicht noch einmal so verletzt werden."
"Er wird dir nie wieder wehtun, da bin ich mir ganz sicher. Also etwas Mut zum Risiko, du hast schließlich nicht mehr viel zu verlieren."
"Das ist etwas, was man nicht vom Verstand her beschließen kann, aber ich werde es versuchen", entschied Emily.
Morticia strahlte. "So spricht eine echte McElwood", sagte sie. "Ich bin stolz auf dich!"
"Warte damit besser, ob ich Erfolg haben werde", meinte Emily mit schiefem Lächeln. "Wie gesagt, versprechen kann ich nichts."
"Das verlangt auch niemand", entgegnete ihre Großmutter und umarmte ihre Enkelin ganz fest. Sie hatte getan, was sie konnte, jetzt brauchte es nur noch ein klein wenig Glück - obwohl, wenn sie ehrlich war, musste es schon eine sehr große Portion Glück sein, wenn wirklich alles gut gehen sollte.
~*~
"Wo hast du denn solange gesteckt?", erkundigte sich Hermine im Flüsterton, als Emily schließlich mit ziemlicher Verspätung zur Muggelkunde erschien und sich noch ganz außer Atem neben Hermine niederließ.
"Nur schnell eben meiner Großmutter guten Tag gesagt."
"Deine Großmutter ist hier?"
"Sie hat Dumbledore besucht. Die beiden sind alte Bekannte - sogar mehr als das." Emily lächelte ein wenig. "Wenn ich mehr Glück gehabt hätte, wäre Professor Dumbledore mein Großvater geworden."
Hermine machte große Augen. "So ist das also? Das war mir neu."
"Wenn ich die beiden Damen auch um ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte", tönte es vom Pult her. "Für Privatgespräche ist zum Mittagessen auch noch Zeit."
Hermine nickte ihr kurz zu und Emily versuchte, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Selten hatte sie etwas so wenig interessiert, wie Muggelkunde in diesem Moment, dazu hatte sie zu viele andere Dinge im Kopf. Was sollte sie tun? Sie war hin- und her gerissen.
Einerseits wünschte sie sich nichts sehnlicher, als das ganze Problem in Ordnung zu bringen und ihre Abende wieder in Snapes Gesellschaft zubringen zu können. Doch andererseits kochte sie immer noch vor Zorn. Und sie musste sich auch eingestehen, dass sie es zutiefst genoß, den Zaubertrankmeister zappeln zu lassen. Sollte er ruhig auch mal spüren, wie es sich anfühlte, zu leiden, dachte sie. Und sie beschloß, dass es mit dem Verzeihen, wenn sie es denn überhaupt tun wollte, eigentlich noch keine allzu große Eile hatte.
~*~
Severus Snape hatte einige Hoffnung in Morticia McElwoods Überredungskünste gelegt, doch wie es aussah, dachte Emily gar nicht daran, freiwillig mit ihm zu sprechen. Seit dem Besuch ihrer Großmutter waren zehn Tage verstrichen, doch Emily tat nach wie vor so, als wäre er gar nicht vorhanden. Im Unterricht redete sie nur das Allernotwendigste mit ihm und das auch nur, wenn sie angesprochen wurde - und seine Laune sank kontinuierlich weiter.
Natürlich, er hätte sie auch in sein Büro bestellen können, doch das erschien ihm als der falsche Weg. Bei Merlins Bart, wie konnte ein so kleines Geschöpf nur so stur sein!
Und warum bei allen Göttern machte ihm das so viel aus? Mit einer fahrigen Geste strich er sich die Haare aus der Stirn. Die Abende in seinem Labor waren verdammt lang und noch viel einsamer, seit er sie wieder alleine verbringen musste. Die Arbeit am Effingo machte ihm keinen Spaß, eigentlich machte ihm gar nichts mehr so richtig Freude. Nicht, dass er vorher besonders viel davon gehabt hätte, aber nun wusste er irgendwie alleine überhaupt nichts rechtes mit sich anzufangen.
Snape verstand sich selbst nicht mehr, aber Emily fehlte ihm nicht nur, er sehnte sich geradezu nach ihrer Gesellschaft. Und wenn er ganz ehrlich war, nicht nur danach, es war, als ob …
‚Als ob du dich in die Kleine verliebt hättest', tönte seine wohlbekannte innere Stimme.
"Lächerlich", knurrte Snape, doch er wusste längst, dass das der Wahrheit entsprach, mochte er es auch noch so sehr leugnen. Aber wie konnte ihm so etwas passieren? Er, der stets über solchen Dingen gestanden hatte, konnte seit ein paar Tagen an kaum noch etwas anderes denken.
Verzweifelt gab er es auf, den vor ihm liegenden Stapel Hausarbeiten korrigieren zu wollen. Sie war viel zu jung für ihn, fast noch ein Kind - und außerdem seine Schülerin.
‚Wobei letzteres nur noch ein gutes halbes Jahr der Fall ist - und ersteres … nun, Emily besitzt mehr Reife als manch andere Frau, die zweimal so alt war, wie sie' überlegte er, nicht zum ersten Mal.
Das Hauptproblem war in seinen Augen‚ dass sie mit ihm absolut nichts mehr zu tun haben wollte.
Er hatte gehofft, dass sie wenigstens wegen ihrem abendlichen Trank einmal wieder zu ihm gekommen wäre, doch irgendwie schien Emily im Moment auch sehr gut ohne auskommen zu können.
Severus Snape beschloß, dass das so nicht weitergehen konnte. "Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt …", sagte er laut in die Stille seines Arbeitszimmers hinein. Er würde etwas unternehmen und die Halloween-Party in zwei Tagen war dazu eine großartige Gelegenheit. Normalerweise verabscheute er solche Veranstaltungen zutiefst, doch diesmal konnte ihm eine solche Feier vielleicht sogar von Nutzen sein.