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Kapitel 2: Ein alter Bekannter
Alcyone hatte den Zug um elf Uhr genommen. Ganz so, wie in alten Zeiten. Es war zwar nicht der Hogwartsexpress, mit seiner scharlachroten Lok, sonder ein schlichter täglich verkehrender Zug mit einer schwarzen Lok von London nahc Hogsmeade, aber Alcyone fühlte sich dennoch an Zeiten in der Vergangenheit zurückerinnert.
Sie hatte ein Abteil für sich ganz alleine und schaute aus dem Fenster. Die Landschaft glitt an ihr in atemberaubender Schnelligkeit vorbei. Alcyone glaubte, sie hätte sich, seitdem sie zum letzten Mal in dem Hogwartsexpress gesessen hatte, nicht verändert.
Alcyone war fast genauso aufgeregt, als sie damals zum ersten Mal auf dem Weg nach Hogwarts war. Sie war zwölf Jahre alt gewesen. Die älteste ihres Jahrganges. Eigentlich wäre sie ein Jahr früher in die Schule gekommen, aber aufgrund verschiedener Tatsachen kam sie erst ein Jahr später nach Hogwarts. Vielleicht war sie deshalb so furchtbar aufgeregt gewesen. Sie war älter, als all ihre Mitschüler. Jedoch hatte sie keiner später deswegen verabscheut. Sie wurde von fast allen gemocht.
Die ganze Fahrt über blieb sie alleine in ihrem Abteil und dachte darüber nach, wie sie ihren Unterricht gestalten sollte. Es war etwas komplett anderes, Schulabgänger in einem Beruf auszubilden und Schüler zu unterrichten. Alcyone hatte sich vorgenommen, am ersten Tag, den Klassen, die sie da hatte, etwas von ihrer Arbeit zu erzählen. Am Wochenende würde sie genug Zeit haben, die Gewächshäuser zu inspizieren und darauf dann den Unterricht aufzubauen. Viel würde sie sicher nicht machen müssen. Sie war davon überzeugt, daß Professor Sprout schon nach wenigen Wochen wieder zurückkommen würde.
Im Zug war es relativ ruhig und leise. Nur ab und zu rannten ein paar Kinder an ihr vorbei. Das waren wohl jene, die am Vortag nicht im Hogwartsexpress gesessen hatten. Da gab es immer verschiedene Gründe: Krankheit, Weihnachtsurlaub oder manche hatten es einfach in dem Tumult schlichtweg vergessen. Alcyone war das glücklicherweise nie widerfahren. Sie war immer wieder pünktlich in Hogwarts.
Langsam wurde es dunkel. Alcyone, die wußte, daß sie demnächst in Hogsmeade eintreffen würden, begann ihre Sachen zusammenzupacken. Sie machte sich ihren neuen Umhang um, den sie sich in der Winkelgasse gekauft hatte. Es war ein schlichter, schwarzer Umhang, der bis zu ihren Knöcheln reichte, und mit nachtblaue Stoff gefüttert war. Das hielt sie bei der eisigen Januarkälte warm.
Als der Zug immer langsamer wurde, wußte sie, daß sie gleich in Hogsmeade ankommen würden.
Alcyone nahm ihren Koffer und verließ das Abteil. Sie begab sich zur Tür und wartete darauf, daß der Zug anhalten würde. Um sie herum standen ein paar Hogwartsschüler, von denen einige nicht sehr begeistert davon waren, wieder Schule zu haben. Das konnte Alcyone daran erkennen, daß diese mit grimmigen Gesichtern an die Wand gelehnt dastanden. Einige Schienen sich auch zu freuen.
Nachdem der Zug völlig zum Stillstand gekommen war, ließ Alcyone erst einmal die Schüler heraus, die sich an ihr vorbeidrängelten. Sie wartete geduldig, bis keiner mehr da war und sie außer Gefahr war, umgerannt zu werden. Dann sprang aus dem Zug.
Es war sehr dunkel und der schwach beleuchtete Bahnhof lies Alcyone keinen weiten Blick zu. Sie stellte ihren Koffer ab und spürte trotz des warmen Umhanges, die eisige Kälte. Sie war froh, daß sie Handschuhe angezogen hatte und rieb sich die Hände.
„Miß Hide, herzlich willkommen, Dumbeldore hat gesagt, ich soll sie mit den anderen Schülern mitnehmen.“
Alcyone drehte sich nach links und erblickte Hagrid. Sie freute sich, ein bekanntes Gesicht zu sehen.
Er kam auf sie zugerannt (eigentlich lief er, aber bei seiner Größe sah es für Alcyone aus, als würde er rennen) und streckte ihr seine große Hand hin.
Hagrid“, sagte sie freudig und sie schüttelten sich die Hände. „Schön Sie wiederzusehen und bitte nennen Sie mich nicht Miß Hide. Dabei fühle ich mich alt. Früher haben Sie immer Al zu mir gesagt.“
Hagrid bis nervös auf seine Unterlippe. Würd‘ ich mir nie erlauben Miß“, sagte er verlegen. „Sie sin‘ jetzt erwachsen und unterrichten hier. Sie sin‘ keine Schülerin mehr.“
Alcyone lächelte Hagrid freundlich an. „Ich kann Sie wohl kaum dazu zwingen mich wieder Al zu nennen.“
„Nein Miß“, sagte Hagrid bestimmt, aber immer noch etwas verlegen. „Darf ich Ihren Koffer nehmen Miß?“
Alcyone nickte, woraufhin Hagrid sofort ihren Koffer hob, der für ihn leicht wie eine Feder zu sein schien. Alcyone folgte ihm und hörte die Kinder, die sie vorhin im Zug gesehen hatte, für sie unverständliche Worte tuscheln.
Hogwarts tauchte aus dem Nichts auf, ganz so wie früher. Die Kutsche donnerte über den Geröllweg zur Burg und erlaubte Alcyone nur ab und zu einen kleinen Ausblick auf ihre ehemalige Schule.
Als Alcyone sie nach Jahren zum ersten Mal wieder erblickte, war es wie damals. Sie war überwältigt von der Größe und Macht, die sie ausstrahlte. Das hellerleuchtete Gemäuer von Hogwarts schimmerte im wolkenlosen Mondlicht und hatte Alcyone vollkommen in ihren Bann gezogen. Sie konnte ihren Blick nicht mehr davon abwenden und vergaß für einige Sekunden, daß sie nicht mehr Schülerin war, sondern erwachsen.
Sie war so sehr damit befaßt, immer wieder einen Blick auf das immer nähernde Hogwarts zu erhaschen, daß sie die musternden Blicke der Schüler, die mit ihr und Hagrid in der Kusche saßen , gar nicht bemerkte.
Keiner von denen schien zu wissen, wer sie war. Woher auch. Sie hatten sicher nicht alle in den Ferien Post von Dumbeldore bekommen, daß sie für die nächsten paar Wochen eine Vertretung in Kräuterkunde bekommen sollten. Sie würden es schon früh genug erfahren.
Die Kutsche kam schließlich vor dem Haupttor zum Stehen. Hagrid stieg als erster aus und half dann erst den Schülern, die nicht warten konnten und schließlich Alcyone aus der Kutsche. Um ihren Koffer brauchte sie sich keine Gedanken zu machen. Der würde auf ihr Zimmer gebracht werden, wie früher.
Sie blickte zum Haupttor und konnte erkennen, wie die Schüler artig vor dem großen Portal warteten. Es dauerte nicht lange und dieses wurde geöffnet, woraufhin eine Person heraustrat.
Alcyone erkannte sie sofort. Dieses strenge Gesicht war unverkennbar. Es war Professor Mc Gonagall. Sie schaute die Schüler kurz an und flüsterte ihnen etwas für Alcyone nicht hörbares zu. Auf diese Worte hin, begaben sie sich hinein und Professor Mc Gonagall kam auf Alcyone zu.
„Miß Hide, schön Sie wiederzusehen“. Sei lächelte auf ihre strenge Art und Weise und streckte Alcyone die Hand hin.
Alcyone nahm sie. „Es freut mich auch Sie wiederzusehen Professor Mc Gonagall. Es scheint mir eine Ewigkeit zu sein, seit ich hier das letzte Mal war.“
„Sie werden merken, daß sich nicht sehr viel verändert hat, seit ihrer Zeit.“
Sie schaute kurz zu Hagrid, der immer noch neben der Kutsche stand, als ob er darauf warte, daß noch eine weitere Person aus der Kutsche kommen würde.
„Danke Hagrid. Ich werde mich jetzt um Miß Hide kümmern.“
„‘n Ordnung Professor“, sagte Hagrid und begann mit Riesenschritten zu verschwinden.
„Bis dann Hagrid und Danke“, schrie Al in seine Richtung, nicht wissend, ob er sie noch gehört hatte.
„Er hat sich nicht verändert.“ Sagte Alcyone zu Professor Mc Gonagall als Bestätigung auf ihre vorherige Aussage.
Professor Mc Gonagall schenkte Alcyone ein kurzes Lächeln.
„Professor Dumbeldore hat mich gebeten, sie zu ihm zu begleiten. Wenn sie mir bitte folgen würden.“
Professor Mc Gonagall wartete nicht auf eine Reaktion von Alcyone, sondern lief einfach auf die große Eingangstür zu.
Alcyone folgte ihr und betrat, nicht ohne gewisse Angst und Ehrfurcht, Hogwarts.
Es hatte sich auf den ersten Blick hin tatsächlich nicht viel verändert, wie Professor Mc Gonagall es gesagt hatte.
Alcyone hatte Schwierigkeiten, Professor Mc Gonagall zu folgen, da sie immer wieder nach links und rechts schauen mußte. Ständig kamen Schüler vorbei, einzeln oder in Gruppen, die Professor Mc Gonagall mit tiefem Respekt anschauten und Alcyone nur fragend.
Die Bilder an den Wänden schienen auch noch die selben zu sein, wie schon zu ihrer Zeit und sie winkten Alcyone zu, als ob sie sich an sie erinnern und wiedererkennen würden. Alcyone, die nicht unbedingt zurück winken wollte um nicht kindisch zu wirken, lächelte jedem dieser winkenden Gemäldefiguren kurz zu.
Sie war froh, daß Professor Mc Gonagall sie zu Dumbeldore brachte. Zum ersten hatte sie absolut keine Ahnung, wo sich Dumbeldores Büro befand und zweitens mußte sie sich gestehen, daß sie nach all den Jahren keine Ahnung mehr hatte, wie sie sich im Schloß zurechtfinden konnte. Sie hatte damals Wochen gebraucht, bis sie wenigstens die Wege zu den Klassenräumen, zur großen Halle und zum Gemeinschaftsraum kannte. Nicht oft hatte sie sich verlaufen, aber daß passierte, wie sich schnell herausstellte, eigentlich jedem Neuen.
Sie folgte Professor Mc Gonagall durch die verschiedensten Gänge von denen Alcyone bei einigen schwören konnte, sie nie zuvor gesehen zu haben. In der Tat gab es genug Gänge und Räume im Schloß, die sie noch nie gesehen hatte sie hatte einmal gehört, daß Dumbeldore einem anderen Lehrer zugeflüstert hatte, er hätte am Morgen einen neuen Raum entdeckt, den er nie zuvor gesehen hatte. Die Mauern von Hogwarts birgten mehr rätselhaftes, als vielen bewußt war.
Alcyone war viel zu sehr überwältigt, daß sie nicht einmal daran dachte, daß sie jemandem über den Weg laufen könnte, den sie unter keinen Umständen sehen wollte.
Nachdem sie einige Minuten durch verschiedensten Gänge gelaufen waren, blieb Professor Mc Gonagall vor einem steinernen Wasserspeier stehen.
Sie murmelte etwas, daß wie ein Paßwort klang, worauf sich der Wasserspeier zu Seite schon und eine Treppe sichtbar wurde. Dies war der Weg zum Büro von Dumbeldore.