Kapitel 1
Nicht zum ersten Mal an diesem Tag hörte man in den privaten Räumen des Zaubertränkemeisters und Slytherinhauslehrers Severus Snape ein lautes Splittern von Glas, dicht gefolgt von einem wütenden Fluchen. Die kostbare Kristallphiole, die vor wenigen Sekunden zuerst Bekanntschaft mit den kalten Steinwänden gemacht hatte und nun in glitzernden Scherben auf dem Kerkerboden lag, war nicht die erste, die zu Bruch gegangen war. Schon den ganzen Morgen schleuderte der sonst so gefühlskalte und stets beherrschte Meister der Zaubertränke die erstbesten Gegenstände durch den Raum, wobei diese Gegenstände meist teure Phiolen oder andere wertvolle Dinge waren. Ein Umstand, der die Wut des Professors nicht gerade minderte, sie eher noch schürte.
Seufzend ließ der Schwarzhaarige sich auf seinen Sessel sinken, den Kopf in die Hände legend. Es hatte doch alles keinen Sinn! In weniger als zwei Stunden würde er sich vor der gesamten Schule lächerlich machen und daran ändern konnte er nichts mehr. Er hatte es versucht, ganze drei Wochen vergeblich versucht, doch wenn Albus Dumbledore sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann konnte man einfach nicht mehr halbwegs unbeschadet aus der Situation entkommen.
Severus Snape hatte es natürlich geahnt, als der Direktor seinen Lehrern vor drei Wochen diese "tolle Idee" vorgestellt hatte, doch da der Zaubertränkemeister von Natur aus ja bekanntlich ein sehr optimistischer Mensch war, hatte er bis zu diesem Tag gehofft, dass dieses verfluchte Fußballspiel, denn darum handelte es sich bei der Idee, aus welchen Gründen auch immer ausfallen würde, doch wie nicht anders zu erwarten hatte niemand sein Flehen erhört.
So saß er also heute hier, neben sich auf dem Boden die "Kleidung", die er zu diesem ganzen Spaß tragen musste, und war nah dran, zu spät zu kommen. Natürlich hatte er schon die Ideen von vorgetäuschter Krankheit oder einfachem Ignorieren in Betracht gezogen, doch der Direktor hatte ihm noch beim heutigen Frühstück klar gemacht, dass er "sehr enttäuscht wäre", wenn Severus nicht käme. So blieb dem Zaubertränkemeister also keine Wahl, als sich vor versammelter Schule zum Idioten zu machen. Alle würden zuschauen, dafür hatte der Direktor, zuvorkommend wie er war, natürlich gesorgt.
Das Quidditchfeld war vor drei Wochen in ein Fußballfeld umgeändert worden, damit die beiden Mannschaften, die heute gegeneinander antraten, auch die Gelegenheit hatten zu trainieren, wobei man bei der reinen Lehrermannschaft wohl kaum von "trainieren" sprechen konnte. Sinnloses wie-eine-Hühnerherde-über-den-Platz-laufen und "völlig unnötige Schlammschlachten" trafen es wohl eher.
Seit Wochen regnete es wie aus Eimern, was aber auch gut mit der Jahreszeit zusammenhängen konnte, immerhin war es Spätherbst und der Platz war eine einzige Schlammgrube… doch NEIN, man musste ja UNBEDINGT spielen! Absagen war völlig unmöglich! Zu allem Überfluss bestand die gegnerische Mannschaft, gegen die einige "auserwählte" Professoren spielten, aus ehemaligen oder momentanen Schülern von Hogwarts, die sich natürlich alle freiwillig gemeldet hatten. Es war klar, dass sich niemand diesen Spaß entgehen lassen wollte und das Quidditchfeld ähnelte mehr einem Weltmeisterschaftsstadion, als einem normalen Platz.
Die letzten drei Wochen waren für die Professoren, die das Glück hatten die Trainingseinheiten halbwegs unverletzt zu überstehen, also mehr als entspannt gewesen. Es mussten Regeln gelernt werden (wobei Snape nicht so genau verstand, warum ein solches Spiel überhaupt Regeln benötigte), Konditionen trainiert (wo, zur allgemeinen mehr oder weniger großen Verblüffung, der Meister der Zaubertränke die beste hatte) und Spielzüge geübt. Jeden Abend bei Wind und Wetter mussten die Professoren nach draußen und wurden von ihren Trainern, Madame Hooch und Professor Dumbledore, der wegen eines angeblich schweren Rückenleidens selbst natürlich nicht mitspielen konnte, durch den Matsch gejagt.
Noch nicht einmal das war es, was dem Slytherinhauslehrer so sehr missfiel! In seiner "Ausbildungszeit" zum Deatheater hatte auch niemand Rücksicht auf das Wetter genommen und nur diesem "Training" von damals hatte er es zu verdanken, dass seine Kondition so gut war und eigentlich nichts auf einen so dünnen Körper, wie er ihn hatte, hinwies.
Das dunkle Schlagen seiner Wanduhr riss Snape aus den Gedanken. Sechs Uhr. Er musste los! Mit einem verzogenen Gesichtsausdruck fischte er mit seinen langen, schlanken Fingern nach den schwarzen Kleidungsstücken, die neben dem Sessel auf dem Boden lagen. Immerhin waren sie schwarz. Die Schüler würden in dunkelrot spielen, während die Lehrer komplett schwarz trugen. Ideal natürlich bei diesem Wetter! Dieses Bisschen Ehre würde sich der Meister der Zaubertränke bewahren, auch, wenn das Wetter noch so gegen diese Farbe sprach.
Immer noch leise fluchend machte er sich auf in sein Schlafzimmer. Schon bald lagen seine Robe, das Hemd, die Hose und auch die Schuhe neben ihm, währen er in die schwarze, kurze Hose schlüpfte, das schwarze Trikotüberteil anzog und augenblicklich anfing zu frieren.
"Scheiße, ist das kalt…!"
In diesen Klamotten sollte sie draußen spielen, so es scheinbar heftig stürmte und wie aus Kübeln goss? Sonst ging es dem Direktor aber noch gut? Schnell beeilte er sich, die tiefschwarzen Stutzen über zu ziehen, nachdem er zuvor die harten Schienbeinschoner angezogen hatte. Auch an Trainingsanzüge hatte der Direktor in seiner vorausschauenden Art gedacht, die jedoch nicht gerade viel Wasser und Kälte abhielten.
‚Besser, als nichts', dachte sich der Zaubertränkemeister, als er zuletzt in die Fußballschuhe schlüpfte, an die er sich mittlerweile gewöhnt hatte. Nein, das Training und die Klamotten waren es nicht, die ihn störten, viel mehr die Tatsache, dass er mit einem Haufen Verrückter gegen eine Schülermannschaft antreten musste, die über ihren Sieg schon die ganzen Wochen über Wetten abgeschlossen hatte! Die Lehrer mussten gewinnen, unbedingt! Aber mit dieser Mannschaft?
Mit einem genervten Augendrehen packte sich Snape seinen Zauberstab, steckte diesen in die Tasche seiner Trainingsjacke (warum, wusste er selbst nicht so genau) und eilte aus seinen Räumen. Die Blamage auf voller Linie rückte immer näher…