Kapitel 1
Zu sagen, dass die Snapes eine alte Familie seien, wäre Untertreibung gewesen, so ähnlich wie: “Das Universum ist groß”. In gewisser Weise stimmte es, doch es kratzte nicht einmal annähernd an der Oberfläche der Wahrheit. Die Ahnenreihe der Snapes war so lang, dass sie sich in den Nebeln der Geschichte vor Artus, vor den Römern und sogar vor den Kelten verlor. Der Stammbaum war überladen mit berühmten Namen, die in die Bücher über Zaubereigeschichte und -wissenschaft eingegangen waren - auf so gut wie jedem Gebiet. Obwohl ein besonderes Talent für die Zaubertrankbrauerei durch das Blut aller Snapes zu rinnen schien.
Sie waren immer mächtig gewesen, Männer und Frauen gleichermaßen, obwohl sie nicht immer Macht besessen hatten. Es hatte Zeiten gegeben, in denen ein Snape nicht gewusst hatte, wovon er das Essen für seine Kinder kaufen sollte. Doch dies hatte keinen Snape je davon abgehalten, seinen Kopf mit dem meist rabenschwarzen Haar so hoch zu tragen, so dass jeder die charakteristische Nase sehen konnte.
Hätte man die Familiengeschichte graphisch darstellen wollen, hätte sie etwa einer Sinuskurve geglichen. Hochs und Tiefs, gleichmäßig über die Grenzen der Jahrhunderte dahinfließend, erzählten von hellen und dunklen Zeiten, von Kummer und Freude, von Fehlern und weisen Entscheidungen. Wenn man diese Kurve verfolgte, konnte man feststellen, dass der Stammbaum in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit immer reich geblüht hatte. In Perioden der Macht und des Wohlstandes jedoch, nahmen die Geburten ab. Am äußersten Wipfel des Baumes saß nun nur noch eine einzige Blüte, genannt Severus.
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Cassandra Snape starrte ihren Sohn ungläubig an. „Eine was?“
„Du hast mich richtig verstanden, Mutter. Eine Auktion.“
„Ich...“ Die hochgewachsene, grauhaarige Dame schüttelte ihren Kopf. „Severus, ich habe dich sicherlich nicht dazu erzogen, an dieser Art von Frivolitäten Gefallen zu finden.“
„Nun, ich vermute du hast mich auch nicht dazu erzogen, ein Todesser zu werden, oder? Und trotzdem habe ich habe mich Voldemort angeschlossen. Darf ich dir versichern, dass ich den Auktions-Unsinn nicht mehr genieße, als die Erinnerung an diese Jahre?“
Pechschwarzer Blick kämpfte mit Pechschwarzem Blick. Severus war der erste, der die Augen abwandte.
„Das ist kein Thema mit dem es sich spaßen lässt, Severus. Nicht einmal jetzt, nach so vielen Jahren. Und warum, bitte, hast du zugestimmt, dich an diesem Unfug zu beteiligen?“
“Ich vermute, du meinst die Auktion und nicht meine beklagenswerte Karriere als Voldemorts Schoßhund, ich würde dir davon erzählen, Mutter, wenn du die Güte hättest mich fortfahren zu lassen.”
„Gut“, schnitt sie seine Worte ab, während sie die Teekanne mit einer anmutigen Bewegung ihrer Hand anhob und sich und ihrem Sohn noch etwas mehr Tee einschenkte, „dann fahre bitte fort. Obwohl ich bezweifle, dass du in der Lage sein wirst, eine befriedigende Erklärung zu liefern.“
Severus seufzte tief auf. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, sich an seine Mutter um Hilfe zu wenden. Sie kamen gut miteinander aus, seit sie seine vergangenen Irrtümer akzeptiert und vergeben hatte. Und sie war die einzige Person, die er sich als möglichen Retter aus dieser höchst peinlichen und unangenehmen Situation vorstellen konnte. Er musste widerstrebend lächeln, als sie ihn mit einem ungeduldigen Heben ihres Kinns und hochgezogenen Augenbrauen aufforderte zu sprechen. Jede noch so kleine Geste bezeugte, dass er ihr Sohn war, kein Zweifel war möglich.
Er nahm einen Schluck Tee, bevor er fortfuhr. „Wie du ja weißt, bin ich Mitglied des Weltverbandes der Tränkemeister.“
Sie antwortete ihm mit einem weiteren durchdringenden Blick. „Als wir uns das letzte Mal trafen, warst du Stellvertretender Präsident, wie ich mich deutlich erinnere.“
„In der Tat. Ich habe diese Position weiterhin inne , und das ist Teil meines Problems. Siehst du, bei unserem letzten informellen Treffen erklärte uns der Schatzmeister, dass unsere finanzielle Situation ziemlich... nun, eher katastrophal ist. Genauer gesagt verzweifelt. In einem Wort, wir brauchen Geld.“
„Drei Worte.“
“Wie bitte?”
„Das waren drei Worte, Severus, nicht eines. Wie du Tränke brauen kannst, wenn du so ungenau bist, ist mir wahrhaftig ein Rätsel.“
Er widerstand tapfer der Versuchung nur noch zu schreien und seine Teetasse an die nächste Wand zu werfen. Sie würde völlig unbeeindruckt bleiben und ihn daran erinnern, dass dies wirklich ein sehr kindisches Benehmen wäre.
Was es auch war, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Wenn sie nur nicht diese einmalige Fähigkeit besäße, ihn durch Nichtigkeiten verrückt zu machen. Severus nahm einen weiteren Schluck von seinem Tee.
„Wie ich bereits sagte, brauchen wir Geld. Daher die ausgezeichnete Idee, zu versuchen, welches zu verdienen. Es ist unmöglich unsere Mitgliedsbeiträge zu erhöhen, einfach, weil wir wollen, dass es eine Organisation von fähigen Tränkemeistern bleibt und nicht von reichen, aber inkompetenten Idioten.“
“Sehr weise, wenn ich so sagen darf”, äußerte Cassandra Snape. “Das Ministerium hat sich bereits als ideale Spielwiese für letztere Gattung herausgestellt.”
Ihr Sohn schnaubte. „ Ganz meine Meinung. Ich hätte natürlich angeboten, auszuhelfen - mir fehlt es ja nicht an den Mitteln das zu tun. Wie auch immer, es gibt zwei starke Argumente dagegen: Erstens würde ich einen Präzedenzfall schaffen. Ich würde sie gewissermaßen verwöhnen und sie würden in Zukunft immer wegen Geldangelegenheiten zu mir kommen, anstatt sich selbst zu überlegen, wie sie beschaffen könnten was sie benötigen. Zweitens würde es andere Mitglieder, die nicht weniger talentiert, aber doch bedeutend weniger wohlhabend sind, als ich, in eine unangenehme Position bringen.“
„Und drittens“, bemerkte Mrs. Snape maliziös, „wäre es äußerst vulgär, deinen Reichtum so zur Schau zu stellen.“
Severus senkte den Kopf in Zustimmung. „ Das versteht sich von selbst.“ Er nahm einen köstlich aussehenden Keks.
„Mmmh, die sind immer noch, wie in meiner Kindheit. Übrigens, geht es Piggy gut? Ich habe sie noch nicht gesehen.“
„Bitte schweife nicht ab, Severus“, sagte seine Mutter, wobei sie ihn stirnrunzelnd betrachtete. „Ja, Piggy ist wohlauf und du kannst sie nachher besuchen. Aber du hast noch nicht zu meiner vollen Zufriedenheit erklärt, warum, in aller Welt, es nötig ist eine Auktion zu veranstalten.“
„Das ist doch offensichtlich, oder? Der Präsident, sein Stellvertreter und die fünf Mitglieder des Führungskomitees opfern sich für die Auktion. Wir sind die Besten der Besten, also hoffe ich, dass das Interesse der Öffentlichkeit enorm sein wird. Albus hat übrigens zugestimmt, als Gastgeber für die Veranstaltung zu fungieren.“
Mrs. Snape setzte ihre Tasse so heftig ab, dass sie silbern klirrte, und der Löffel beinahe zu Boden fiel.
„Severus!”
Er nahm sich einen weiteren Keks. „Ja, Mutter?“
“Sieh mich an. Nein. Direkt in die Augen. Und jetzt erzähle es mir.”
Sie schaffte es noch immer. Cassandra Snape war noch immer die einzige Person auf diesem Planeten, die Severus Snape einschüchtern konnte. Schlimmer noch, sie schien geradewegs in ihn hineinzusehen. Vielleicht war es doch einen Versuch wert. „Dir was erzählen, Mutter?“
Zu seiner Überraschung lächelte sie ihn zärtlich an und eine schöne, zarte Hand reichte über den Tisch, um seine Wange zu streicheln. „Mein lieber Junge“, sagte sie, ihr Lächeln verstärkte sich, als sie ihn bei dem Kosenamen zusammenzucken sah, „Oh, ich werde das nicht zurücknehmen. Du magst zwar dreiundvierzig sein, aber du bist noch immer mein Junge und wirst es immer sein. Besonders wenn du versuchst, dich unschuldig zu stellen. Es erinnert mich so sehr an deine Kindheit. Aber lassen wir die Sentimentalitäten: Denkst du wirklich, du könntest mich glauben machen, Leute würden gutes Geld bezahlen, nur um die Chance bekommen dich anzusehen? So interessant das auch sein mag“, fügte sie hinzu, während sie ihn von Kopf bis Fuß anerkennend musterte.
Natürlich hatte sie recht. Lächerlich auch nur für einen Moment anzunehmen, dass sie nicht sofort den Schwachpunkt erkennen würde. „Äh... nein. Sie werden genauer gesagt viel Geld für... etwas anderes bezahlen.“
„Wirklich? Und was wird das sein? Severus, sag mir, dass du keine Küsse verkaufen wirst.”
Jetzt brach er in Gelächter aus. „Nein Mutter, natürlich nicht. Wir sind Tränkemeister, erinnerst du dich? Und als solche berühmt dafür mehr oder wenig gefährliche Substanzen zu brauen.“
„Mein liebster Sohn, ich werde gern soviel Zeit mit dir verbringen, wie du wünschst, aber ich werde ebenso ungern Zeit damit verschwenden, mit dir Katz und Maus zu spielen, namentlich, da mich keine der beiden Rollen sonderlich interessiert. Jetzt sag es mir, oder du kannst gerne hier weiterschmollen, während ich in den Garten gehe, um meine Rosen zu verschneiden.“
„Ein Wochenende daheim mit dem Tränkemeister, inklusive Meisterklasse im Tränkebrauen.“
„Ah.“ Wenn Cassandra Snape einsilbig wurde, war das ein sicheres Zeichen, dass das Barometer auf Sturm stand.
“Es tut mir sehr leid, Mutter, aber es war eine Mehrheitsentscheidung.”
„Wenn ich jemals freundliche Gedanken gegenüber Demokratie gehegt hätte, wären sie in diesem Augenblick zerstört worden. Willst du damit sagen, dass du einen Fremden in dieses Haus bringen wirst, damit er hier ein Wochenende verbringt?“
Wenigstens hatte er ihre Reaktion richtig vorhergesehen . Vielleicht war seine Taktik trotz allem nicht so schlecht gewesen. „Nicht unbedingt.“
Ihre Augenbrauen schossen nach oben. „Nur falls du es nicht bemerkt haben solltest, ich werde mit jeder Sekunde wütender. Du solltest besser erklären, was genau du mit ‚nicht unbedingt’ sagen willst.“
„Ich wollte lediglich andeuten, dass, wenn du an der Auktion teilnehmen und für mich bieten würdest, du sicherstellen könntest, dass du diejenige bist, die mich gewinnt. Das ist völlig legal. Winckendorffs notorisch eifersüchtige Frau wird auch dort sein, um sicherzugehen, dass sie diejenige ist, die ihn nach Hause abschleppt.
Mrs. Snape nickte. “Sehr gut. Wenn das notwendig ist, um meine Privatsphäre zu sichern und zu vermeiden, dass irgendein Neureicher, sich in meinem Haus breitmacht, werde ich da sein.“
Severus nahm ihre Hand und küsste sie. „Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich dir nicht ewig dankbar sein werde, Mutter.“
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Als sie später am Abend in ihrem Boudoir saß, stellte sich Cassandra Snape die selbe Frage, die sie die letzten fünfundzwanzig Jahre lang gequält hatte. Inzwischen fehlte ihr die Bitterkeit, die sie in früheren Zeiten fast erstickt hatte. Aber die Worte blieben die selben.
„Wo habe ich versagt?“
Sie hatte es diesmal laut gesagt und war beim Klang ihrer eigenen Stimme zusammengezuckt und hatte sich schnell im Zimmer umgesehen. Es war niemand da. Nicht dass sie erwartet hätte, dass eine der Hauselfen in ihre Privatsphäre eindringen würde; aber bei Severus wusste man nie. Der Junge hatte die Gabe sich lautlos zu bewegen und aus dem Nichts aufzutauchen... Aber sie war allein.
Es war bereits zu einem Ritual geworden, wenn immer sie in dieser besonderen Stimmung war: Sie erhob sich aus ihrem Liegesofa, ging hinüber zum Porträt ihres verstorbenen Ehemannes und küsste es auf die Lippen. Hadrian Snape lächelte auf sie herab, der Rahmen schwang zur Seite und gab einen kleinen Hohlraum in der Wand dahinter frei. An die Rückseite geschoben und schwach von den Kerzen, die den Raum erhellten, beleuchtet, lagen dort Kästchen aus vielen verschiedenen Materialien: Holz, Gold, Silber und halbdurchsichtiger Achat. Aber es waren nicht diese Schätze, wonach Cassandra Snape suchte. Mit der vorsichtigen Bewegung einer Mutter, die ihr Neugeborenes aufnimmt, holte sie ein großes Album heraus, schloss das Porträt wieder, lächelte ihrem Ehemann zu und kehrte wieder zu ihrem Liegesofa zurück.
Das Album war in schwarzes Leder gebunden, ein wenig abgenutzt an den Rändern. Auf dem Einband war kein Titel, nur zwei große, goldene S. Eine Zeit lang saß sie nur da, starrte in die Flammen im Kamin, ließ ihre Hände über das weiche Material gleiten und fühlte die Vertiefungen der beiden vergoldeten Buchstaben. Endlich öffnete sie das Album.
Die ersten Bilder waren verblasst und schienen Schwierigkeiten zu haben, sich zu bewegen. Sie blickte auf eine jüngere Version ihrer selbst - nicht mehr in ihrer Blütezeit, sie hatte Severus im Alter von vierundvierzig bekommen - die ein winziges Bündel in ihren Armen hielt. Ein Büschel schwarzer Haare in ihrer linken Ellbogenbeuge verriet , dass dort der Kopf des Babys lag. Andere Bilder zeigten Severus mit ihr, mit seinem Vater, mit beiden...
Sie prüfte jedes davon, in einem Versuch - von dem sie wusste, dass er vergeblich war - eine Veränderung der Haltung, oder des Ausdrucks zu finden, einen bestimmten Blick in den Augen des Jungen zu entdecken, um vielleicht den genauen Augenblick zu bestimmen, in dem sie ihn verloren hatte. Nicht nur sie. Sein Vater hatte ihn ebenfalls verloren und das hatte seinen Tod herbeigeführt. Nicht dass sie das jemals gegenüber ihrem Sohn erwähnt hätte; Merlin wusste, dass der Junge bereits genug von Schuld zerfressen war, auch ohne dieses zusätzliche Gewicht auf seiner Seele. Aber sie wusste es. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie ihn dafür gehasst hatte, ihn am liebsten getötet hätte. Sie hatte diese Fotos so oft betrachtet, wahrscheinlich Hunderte Male, und konnte nie verstehen, was mit ihrem Jungen wirklich geschehen war. Sie musste es jedoch nicht verstehen, um ihm zu vergeben. Obwohl es ihr geholfen hätte, zu wissen, ob sie einen furchtbaren Fehler gemacht hatte. Natürlich versicherte er ihr immer, dass es nicht so sei. Severus war viel zu begierig, alle Schuld auf sich zu nehmen. Aber es war keine Erklärung - Menschen wurden nicht einfach ‚böse’ ohne Grund. Nicht böse, nein. Nicht wirklich. Severus war nie böse gewesen. Vielleicht eher vorübergehend blind. Was ihre Neugier noch mehr anspornte - wer, oder was hatte ihren Jungen geblendet?
Mit einem dumpfen Schlag schloss sie das Album. Es war auf eine gewisse Weise hoffnungslos. Er würde es ihr niemals erzählen, obwohl sie sich sicher war, es würde ihm gut tun. Dies waren Dinge, die man nicht mit seiner Mutter besprach. Mit einer Ehefrau vielleicht, oder einer Geliebten. À propos hoffnungslos...
Cassandra Snape erhob sich wieder und kehrte zum Porträt ihres Ehemannes zurück. „Weißt du“, sagte sie, „ich denke, ich könnte da einen Plan für unseren Sohn haben.“
Hadrian Snape zog seine Augenbrauen nach oben. „Und was, bitte, wird das sein? Liebste, ich hoffe doch sehr, dass du keinen weiteren Versuch starten wirst, Amor zu spielen?“
„Mein Liebster“, sagte sie mit einem schwachen Schnauben, „siehst du mich etwa durch die heiligen Hallen des Hauses deiner Ahnen strolchen, mit nacktem Hinterteil, einem goldenen Bogen und Pfeilen?“
Ein Schatten überflog sein Gesicht. “Weißt du”, sagte er, “obwohl ich dankbar für diese Möglichkeit bin, mit dir zu kommunizieren, macht es mich doch manchmal furchtbar traurig. Wenn du solche Dinge sagtest, als ich noch am Leben war, nahm ich dich immer in meine Arme und küsste dich. Du kannst dir nicht vorstellen...“
„Ich kann, mein Liebster, ich kann“, wisperte sie und berührte seine Wange. Wissend, dass er es nicht spürte.
Er räusperte sich. „Jetzt erzähl mir von deinem Plan“, sagte er in leichterem Tonfall.
Sie erzählte ihm von der Auktion. „Ich habe natürlich zugestimmt ihm zu helfen“, sagte sie. „Aber ich denke, ich könnte mir die Bietenden genauer ansehen. Wenn eine akzeptable Frau ihn will, warum sollte ich dann weiterhin für ihn bieten?“
„Akzeptabel?“, echote er. “Woher willst du das wissen?“
„Vertraue meinem Instinkt“, lächelte sie. „Es wäre so eine nette Gelegenheit, denkst du nicht auch? Ein ganzes Wochenende, Meisterklasse, Mahlzeiten, Unterhaltungen... Das sollte genug sein, die Dinge in die richtige Richtung zu lenken, wenn er interessiert ist.“
Er neigte den Kopf. „Ich sehe, dass du Feuer und Flamme für deinen Plan bist, Liebste. Wie ich dich kenne, würde ich nur meine Worte verschwenden, wenn ich versuchte, dir davon abzuraten. Aber versprich mir etwas.“
Sie runzelte die Stirne und sah ihn verwirrt an . „Und was wäre das?“
„Bring sie her. Ich möchte sie sehen.“
„Natürlich werde ich. Du hättest nicht einmal fragen müssen.“ Sie hob ihre Hand zum Mund, um ein Gähnen zu verbergen. „Ich denke, ich muss jetzt ins Bett gehen, Hadrian. Gute Nacht und wünsch mir Glück.“
„Süße Träume, meine Liebe.“
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Es tat gut zu Hause zu sein. Überraschend gut sogar. Eine sehr lange Zeit über hatte Severus das Herrenhaus nicht mehr als sein Zuhause betrachtet. Zu schwer war das Gewicht der Schuld, dass beim bloßen Anblick des Gebäudes auf seine Schultern stürzte. Soviel Reue... Seine Mutter hatte es ihm nie ausdrücklich gesagt, aber er hatte es in ihren Augen gesehen; die Wut, die kaum zu unterdrücken war... In jener Nacht war er sich sicher gewesen, sie würde ihn töten Damals hatte er gewünscht, sie hätte es getan. Ihn getötet, aus hilfloser, grenzenloser Raserei. Weil er für den Tod seines Vaters verantwortlich war. Selbst wenn sie es nie laut gesagt hatte.
Er wusste, dass sie noch immer verzweifelt den Grund wissen wollte, warum er sich Voldemort angeschlossen hatte. Nur konnte er es ihr nicht sagen. Nicht heute, nicht morgen. Nie. Würde sie es denn verstehen? Vielleicht. Und welchen Zweck hätte es wohl, es ihr zu sagen? Was hätte es für einen Sinn, dieser Frau, die noch immer um ihren Ehemann trauerte nach mehr als zwanzig Jahren, zu sagen, dass es beider Perfektion gewesen war, die ihn direkt in Voldemorts ausgestreckte Fangarme trieb? Hadrian und Cassandra Snape. Das perfekte Ehepaar. Die perfekten Eltern. Niemals ein falsches Word, niemals eine falsche Entscheidung. Wie wütend es ihn gemacht hatte, als er noch ein Teenager war. Aber würde sie das verstehen? Er war sich selbst noch nicht sicher, ob er die Emotionen noch verstand, die ihn in den Sog der Dunkelheit gezogen hatten.
Er hatte nicht lange gebraucht, um zu erkennen, in welchen Wahnsinn er geschlittert war. Obwohl er zugeben musste, dass der Tod seines Vaters eine entscheidende Rolle bei seiner Bekehrung gespielt hatte. Mit der Zeit hatte seine Mutter das ebenfalls begriffen; Aus diesem Blickwinkel betrachtet, schien das Ende ihres Ehemannes weniger sinnlos, weniger absurd . Jedenfalls dachte er das.
Für Severus selbst lagen die Dinge jedoch völlig anders. Wenn Hadrian Snape sich bewusst geopfert hatte, hätte er dieses Opfer vielleicht annehmen können, vielleicht wäre er sogar dankbar gewesen. Doch sein Vater hatte den Tod nicht freiwillig auf sich genommen; er war gefangen, gefoltert und getötet worden. Eine Rechtfertigung ex posteriori war viel zu billig für ihn, um sie auch nur in Betracht zu ziehen. Nein, er musste damit leben, genau wie er mit der Last all dessen leben musste, was er auf sein Bewusstsein geladen hatte.
Der letzte Krieg und die vorhergegangenen Jahre des Terrors hatten es ihm einfacher gemacht, sich nicht jeden Tag in Schuld und Selbsthass zu wälzen. Es gab wichtigere Dinge zu tun. Leute zu beschützen, Leben zu retten. Die, die er gerettet hatte, hatten die Waagschale seiner Schuld um kein Quäntchen leichter gemacht - das war unmöglich und er wusste es. Und doch hatte nach dem Trimagischen Turnier hatte eine neu Ära für ihn begonnen. Er musste handeln, statt zu denken. Sein Leben, das von Tag zu Tag mehr gefährdet war, hatte neuen Sinn bekommen und als er es beinahe verloren hatte, hatte er bemerkt, wie leid es ihm getan hätte, sterben zu müssen. Dennoch war er gerettet worden, ausgerechnet von Black. Und er hatte sein Bestes getan, um das was ihm gegeben worden war, auch zu verdienen.
Weil er sich verändert hatte. Sicherlich, die Flecken verschwanden nicht vom Fell des Leoparden und er hätte es auch gar nicht gewollt. Aber er hatte seinen Kopf erhoben, bildlich gesprochen, um andere Menschen zum ersten Mal anzublicken. Er hatte... Freunde. Dumbledore, zum Beispiel. Jetzt, wo er aufgehört hatte, sich ständig selbst schlecht zu machen, konnte er die Freundschaft des alten Zauberers akzeptieren. Black... gut, das war mehr ein vorsichtiger Waffenstillstand, aber sie hatten auch ihre Momente. Einige seiner Kollegen...
Was ihn wieder zur Auktion zurückbrachte. Was für ein Schlamassel. Merlin sei dank, hatte seine Mutter zugestimmt zu seiner Rettung zu erscheinen. Kein Grund zur Panik. Sie würde es niemals jemandem erlauben, in ihre geheiligte Privatsphäre einzudringen. Am wenigsten einer Frau, sollte denn irgendein weibliches Wesen die Frechheit besitzen, für ihn zu bieten. Er war sicher...