Kapitel 2
"Sie sind einer der Lehrer, nicht wahr?", fragte Cynthia.
"Was denken Sie denn, wer ich bin? Der Hausmeister?", fragte Severus säuerlich.
Doch Cynthia bohrte unbeirrt weiter. "So? Welches Fach unterrichten Sie? Wir wurden nicht so genau von den Lehrern informiert …"
"Zaubertränke", antwortete Severus barsch, "wenn Sie mich nun bitte entschuldigen würden?"
Severus erhob sich ohne Gruß und rauschte mit wehender Robe davon. Cynthia erhob sich ebenfalls und ging zu ihren Freundinnen zurück.
Alle drei musterten sie neugierig.
"Ist nicht so toll gelaufen, was?", fragte die Frau im grünen Kleid und kicherte.
Cynthia machte trotz dem Gekicher der anderen einen nachdenklichen Gesichtsausdruck.
"Er … er war so seltsam …", sagte sie leise. "Nicht, dass ihr glaubt, er sei mir unsympathisch … Nein, im Gegenteil … er schien so verbittert zu sein …"
Die Frau im gelben Kleid räusperte sich. "Was soll das heißen? Cynthia … hast du dich in so kurzer Zeit in jemanden verliebt?"
"Wie kommst du denn auf diese schwachsinnige Idee?", fauchte Cynthia überraschenderweise. "Ich kenne diesen Mann kaum. Ich weiß nur, dass sein Name Severus Snape ist und er Zaubertränke unterrichtet. Schlag es dir sofort aus dem Kopf. Das gilt auch für euch! Schlagt es euch aus dem Kopf!"
Das Gekicher verstummte.
"Cynthia …", begann die Frau im roten Kleid, "das war doch nicht böse gemeint … wir wollten nur einen Scherz machen …"
"Da muss ich euch wohl enttäuschen", sagte Cynthia stur. "Der Scherz ist euch nicht gelungen, er ist euch misslungen!"
Mit diesen Worten rauschte sie davon. Sie wusste nicht genau, wohin ihre Füße sie trugen, aber sie wollte so weit wie möglich von ihren zurzeit unmöglichen Freundinnen weg. Sie gelangte an den großen See von Hogwarts und ließ sich auf einer steinernen Bank nieder. Cynthia starrte auf das ruhige Wasser des Sees.
Irgendetwas faszinierte sie an diesem Severus Snape, denn sie konnte nicht aufhören an ihn zu denken. Was verbarg er?
Cynthia war so sehr in ihre Gedanken versunken, dass sie nicht einmal bemerkte, dass jemand hinter ihr stand.
"Guten Abend", sagte die dunkle Stimme.
Cynthia schreckte hoch. Sie wandte sich um. Severus Snape stand hinter ihr. Mit einer flinken Bewegung schwang er sich um die Bank und nahm Platz.
"Tut mir leid, dass ich Sie vorhin so belästigt habe", entschuldigte sich Cynthia und sah beschämt zu Boden.
"Das geht schon in Ordnung", sagte Severus. "Haben Ihre Kolleginnen Sie zufällig dazu angestiftet?"
Cynthia sah ihn verdutzt an. Woher wusste er das?
"Fragen Sie mich bitte nicht, woher ich das weiß", sagte Severus schmunzelte über Cynthias Gesichtsausdruck.
Cynthia blinzelte irritiert. "Ja. Das haben sie. Aber nicht nur sie waren das."
"Sondern? Wer noch?"
"Ich selbst."
"So?"
"Ja. Als meine Kolleginnen mich auf Sie aufmerksam gemacht haben, wurde ich … zugegebenermaßen selbst ein wenig neugierig …", sagte Cynthia und zupfte an ihrem Kleid herum.
Severus zog die Augenbrauen hoch. "Ich habe bereits gehört, dass Amerikaner sehr neugierige und aufmüpfige Leute sind. Und die meisten davon fröhlich." Bei dem letzten Satz rümpfte er die Nase.
"Ja, und ich habe gehört, dass die meisten Engländer ziemliche Langweiler sind." Cynthia erlaubte sich ein freches Grinsen.
"Da haben Sie wohl Recht", sagte Severus. "Professor Dumbledore ist auch der Meinung, dass ich ein Langweiler bin. Aber ich hasse es, fröhlich zu sein … Nein, fröhlich sein ist nicht meine Sache. Auch auf dieses Fest wollte ich nicht gehen."
Cynthia hob ihren Kopf, wagte es, direkt in Severus Snapes Augen zu blicken.
Sie bekam eine richtige Gänsehaut. Seine Augen waren tiefschwarz und zeigten keine Wärme, nur Kälte …
Und dann passierte es.
Cynthia beugte sich zu Severus und gab ihm einen Kuss.
Doch dafür hätte sie sich ohrfeigen können, es war ihr über alle Grenzen peinlich.
'Oh nein! Ich bin doch verrückt!', dachte Cynthia erschrocken.
Doch sie bemerkte, dass Severus sie weder schimpfte noch anderes machte, das für sie hätte negativ sein könnte.
Also fasste sie wieder Mut und küsste ihn diesmal richtig.
Sie wusste nicht, wie lange sie so da gesessen hatten, denn als Cynthia erwachte, war Severus nicht mehr da. Sie stöhnte auf. Ihr Rücken schmerzte, sie musste die ganze Nacht lang auf der Steinbank gelegen sein.
Cynthia suchte Severus überall, doch sie fand ihn nicht. Sie erhoffte sich so sehnlich, dass sie ihn wieder sah, doch sie sah ihn nicht wieder. Und irgendwann war es an der Zeit, wieder abzureisen. Mit Tränen in den Augen bestieg sie ihren Besen. Doch da sah sie ihn. Severus stand mit verschränkten Armen dort. Cynthia sprang wieder von dem Besen und lief auf ihn zu. Sie umarmten sich und gaben sich noch einen langen Abschiedskuss.
Dann ging sie schweren Herzens wieder zu ihrem Besen und stieg auf.
Eine ihrer Freundinnen fragte Cynthia vorsichtig: "Alles in Ordnung?"
Cynthia nickte stumm und stieß sich in die Luft ab. Sie wollte noch einmal einen Blick von Severus erhaschen, doch er war weg.
Als sie wieder zu Hause in ihrer Wohnung angekommen war, setzte sie sich auf das Sofa im Wohnzimmer. Tränen kullerten ihre Wangen herab. Sie sah aus dem Fenster und betrachtete den Sonnenuntergang.
Cynthia wusste, dass sie Severus nie wieder sehen würde.
Aber sie wusste, dass sie ihn für immer in ihrem Herzen in Erinnerung behalten würde.
ENDE
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