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Autorin: Smilla
Unter der Tiefe "Ich habe Ihnen bereits mehrfach gesagt, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Es hat alles seine Ordnung. Laut § 3718 war mein Vorgehen vollkommen korrekt. Und wenn ich Ihren Forderungen jetzt nachkomme, dann nur aufgrund der neuen Weisung von oben und unter persönlichem Protest." *** *** *** *** *** *** *** *** *** *** ***
"Zur Kenntnis genommen. Nun machen Sie endlich! Jeder Moment länger ist zuviel!"
"Bitte, nach Ihnen. Aber der Junge bleibt hier. Kein Zutritt für Minderjährige."
"Der Junge hat die nötigen Aussagen erbracht, ohne die wir jetzt nicht hier wären. Er möchte mit, also geht er mit."
"Das ist kein Anblick für Kinder."
"Er ist kein gewöhnliches Kind. Er hat schon Schlimmeres gesehen."
"Das wage ich zu bezweifeln."
"Lumos!"
Ich wusste, dass es hier dunkel sein würde, aber nun erschreckt es mich doch. Welch eine hoffnungslose Finsternis. Diese Schwärze ist nicht nur sichtbar, sie ist spürbar. Sie umgibt einen von allen Seiten und schnürt einem den Atem ab. Wir gehen immer weiter, immer tiefer. Immer schwärzer, immer beklemmender, als würde ich den Druck der meterdicken Schichten Erde über mir spüren. Die Spitze meines Zauberstabes gibt ein wenig Licht. Ich blicke durch die winzigen Sichtfensterchen in die Kammern. Schwacher Lichtschein darinnen, von Fackeln an den Wänden. Gesichter, kaum zu erkennen, ausgemergelt, ausdruckslos. Und dieser Gestank. Aber das Schlimmste ist die Kälte. Je tiefer wir kommen, desto kälter wird es. Aber manchmal, wenn wir um eine Ecke biegen und einer dieser Wächter da steht, dann wird es plötzlich noch hundertmal so eisig. Weiter! Jeder Moment länger ist zuviel!
Schwarz. Alles schwarz. Ich habe diese Farbe einmal geliebt, aber dieses Schwarz hier ist nicht von dieser Welt. Es erstickt alles Leben. Es ist um mich. Es ist in mir. Es gibt nichts mehr auf der Welt außer diesem Schwarz. Ich hebe meine Hand vor die Augen und sehe nicht ob sie da ist. Ist sie denn noch da? Bin ich noch da? Vielleicht bin ich unsichtbar? Vielleicht bin ich auch längst tot? Aber ich habe noch einen Körper. Ich spüre ihn. Ich kann die Hand greifen, mit meiner anderen Hand, also muss sie noch da sein. Ich kann die Kälte spüren. Ich kann die Schmerzen spüren. Aber ich kann nichts sehen. Vielleicht bin ich blind. Möglich wäre es. Angeblich können Augen, die nicht benutzt werden, das Sehen verlernen. Kann ich noch hören? Es ist so vollkommen still hier. Ich muss etwas sagen, dann weiß ich es. Es geht nicht. Meine Stimme wurde auch zu lange nicht benutzt. Sie versagt den Dienst. Stumm auch noch? Vielleicht bin ich längst draußen und merke es nur nicht, weil ich blind, taub und stumm geworden bin? Vielleicht scheint ja um mich herum die Sonne und die Vögel singen... Aber nein, dann wäre die Kälte nicht mehr da. Gegen die Kälte dieses Raumes bin ich schon fast taub geworden, aber die Kälte meiner Wächter dringt immer zu mir durch. Vielleicht holen sie mich bald wieder und bringen mich zu Drywell. Dann werde ich wissen, ob ich stumm bin. Bisher hat er es immer geschafft, mich zum Schreien zu bringen. Wann war das letzte Mal? Gestern? Letzte Woche? Letztes Jahr? Es ist die einzige Abwechslung, die es hier drinnen gibt, außer dem stinkigen Essen und Trinken, das alle zwei Tage hereingeschoben wird. Alle zwei Tage... wenn man Drywell glauben kann, sind es zwei Tage, auch wenn es sich viel länger anfühlt, wenn man solchen Durst hat. Das ist das einzige, woran man hier Zeit messen kann. Aber ich habe mich irgendwann verzählt und es aufgegeben. Sie haben mich eine Weile nicht mehr geholt. Ich bin froh darüber, denn die Schmerzen sind ein wenig abgeklungen, und ich habe keine Sehnsucht nach neuen. Aber irgendwie macht es mir auch Angst, dass sie mich nicht mehr holen. Wenn ich nicht einmal mehr Informationen habe, die sie wollen, dann können sie mich ganz entsorgen. Nicht dass Totsein so schlimm wäre. Es kann nur besser werden. Aber es gibt Schlimmeres als den Tod...
Mein Gott, wie weit müssen wir denn noch gehen? Wie tief denn noch, müssten wir nicht bald am Erdmittelpunkt sein? Nein, dort wäre es wenigstens warm. Vielleicht hatte der Mann recht, dass ich besser oben geblieben wäre. Ich möchte nicht durch die Sichtfensterchen schauen. Vielleicht sitzen Leute dahinter, die ich kenne. Einer, den ich gut kenne, hat viele Jahre in einer dieser Zellen gesessen, und es genügt mir zu wissen, wie er danach aussah. Ob noch mehr unschuldig hier sind, so wie er damals, und so wie der Mann, zu dem wir jetzt gehen? Und was ist mit denen, die schuldig sind? Wenn ich das hier sehe, möchte ich nicht herausgehen, ohne sie alle mitzunehmen. Keiner weiß so gut wie ich, wie gefährlich sie sind. Vielleicht würden sie draußen nichts eiligeres zu tun haben, als mich umzubringen. Aber das hier... nein, das hat niemand verdient. Die beiden Männer vor mir gehen sehr schnell, und ich bin froh darüber. Dabei denke ich gar nicht so sehr daran, schnell Hilfe zu bringen. Wenn ich ehrlich bin, will ich nur ganz schnell wieder raus hier. Und das hier vergessen. Mit meinen Freunden spielen. Mir Sorgen um Hauspunkte und Prüfungen machen. Lachen. Ich hoffe, ich kann das dann noch wie früher. Nach dem hier.
"Wie weit ist es denn noch? Sehen Sie sich den Jungen an, er hält nicht mehr lange durch."
"Ich hatte Sie gewarnt."
"Ja, ja, schon gut. Aber weit kann es doch wirklich nicht mehr sein. Wir sind doch schon so tief unten."
"Es geht immer noch tiefer. Den normalen Trakt haben wir bald hinter uns. Dahinter kommt dann der Sondertrakt."
"Sondertrakt? Meinen Sie damit, es gibt noch etwas Schlimmeres als das hier?"
"Todeszellen."
"Todes...?!"
"Regen Sie sich wieder ab. Sie kriegen ihn ja. Ich persönlich halte es für Unsinn, dass er unschuldig sein soll, aber auf mich hört ja keiner."
"Auf Sie hören leider noch viel zu viele Leute."
Ich spüre die Nähe der Wächter. Sie gehen außen an der Tür vorbei, immer und immer wieder, Tag und Nacht. Diese Kreaturen werden nie müde. Was wollen sie denn noch? Warum geben sie es nicht endlich auf, irgendwelche glücklichen Gedanken aus mir herauszusaugen? Ich habe keine. Ich hatte nie welche. Natürlich, ich weiß, wie man sich gegen sie verteidigt. In der Theorie. Alles, was es braucht, ist ein Patronus, eine mächtige, glückliche Erinnerung. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Manchmal nehme ich mit letzter Kraft die Reste meines Verstandes zusammen und denke nach, durchwühle mein Hirn nach einer glücklichen Erinnerung. Aber da ist nicht viel. Ein starker Moment, als mir ein Mensch gezeigt hat, dass er Vertrauen in mich setzt. Der einzige Mensch, der das je getan hat, und auch der einzige, dem ich je vertraut habe. Das könnte einen guten Patronus abgeben, einen mit weißem Bart, der sich machtvoll zwischen mich und diese Wesen stellt. Aber ich habe es versucht, es funktioniert nicht. Der Schmerz darüber, dass mein Vertrauen enttäuscht wurde, ist größer als das Glück, das ich damals empfunden habe. Denn dieser Mann hat mich nicht gerettet. Wollte er nicht, bin ich ihm in Wahrheit so unwichtig? Konnte er nicht, ist er in Wahrheit so machtlos? Ich kann nicht mehr beurteilen, ob meine Bitterkeit ihm gegenüber aus mir selbst kommt, oder ob es eins dieser schlechten Gefühle ist, die die Wächter einem übrig lassen. Das Fehlen aller guten Gedanken verstärkt die schlimmen auf eine krankhafte Weise.
Und sonst? Was für glückliche Erinnerungen könnte ich haben? Ein gelungener Zaubertrank? Ich kann mich nicht mehr darauf konzentrieren, wie das ging. Einige wenige Momente, in denen mein Haus ein paar Punkte gewann oder ich den anderen welche abziehen konnte? Kläglich. Aber mir fällt wirklich nichts Besseres ein.
Ich staune, dass es mir immer noch jedesmal schlechter geht, wenn sie wieder vorbeikommen. Eigentlich ist doch nichts mehr da, was sie mir nehmen könnten. Außer meiner Seele. Wann werden sie sie holen kommen? Es macht Drywell großes Vergnügen, den Zeitpunkt herauszuzögern und im ungewissen zu lassen. Doch, es gibt noch etwas, was sie mir vorher noch nehmen können: meinen Verstand. Sie sind auf dem besten Wege.
Ich hatte ziemlich oft Pech im Leben, und mein letztes Pech ist, dass sie Drywell die persönliche Verfügungsgewalt über mich übertragen haben. Er muss sich sehr dafür eingesetzt haben. Ich frage mich, warum er mich so hasst? Hat er Angehörige verloren und hasst alle Todesser? Aber warum dürfen dann andere weiter oben sitzen, mit Fackeln an der Wand und zweimal täglich Essensausgabe? Wahrscheinlich ist es irgendein lachhafter Grund. Hat dieser Mann Kinder? Hatte ich je einen Schüler namens Drywell? Habe ich ihm Punkte abgezogen? Ich weiß es nicht. Ich kann nicht mehr klar genug denken. Vielleicht mag er auch einfach meinen Anblick nicht. Oder ich habe ihn zu viele Überstunden gekostet, bis er mich endlich hatte.
Das ist also der Sondertrakt. Gleich sind wir da. Ich will nur noch raus hier. Da oben dachte ich, es könnte nicht mehr schrecklicher werden, aber es kann. Das ist alles nur ein Alptraum, oder? Gleich wache ich auf. Bitte!
"Nehmen Sie die Hände von mir! Ich werde an oberster Stelle Beschwerde gegen Sie einreichen!"
"Und ich werde dafür sorgen, dass Ihnen das Handwerk gelegt wird. Es ist unglaublich, was Sie hier machen! Wenn die Welt erfährt, wie es hier in Ihrem 'Sondertrakt' aussieht, dann wird das alles ein Ende haben!"
"Das schaffen Sie nicht. Sie überschätzen sich, alter Mann. Die Bevölkerung steht hinter uns. Sie hat uns beauftragt, hart durchzugreifen, und das tun wir. Und wenn Sie Ihren Freund wiederhaben wollen, dann machen Sie jetzt keinen Ärger mehr."
Sie sind ganz nah. Ich spüre sie vor meiner Tür. Mir wird so kalt. Ich höre sie röcheln. Wie viele sind es diesmal? Ich... kann... nicht... mehr... denken... Schwarz... Verzweiflung... Keine... Hoffnung... Alles... furchtbar... Schmerz... Kein... Ende... Hölle...
"Alle, die hier unten sitzen, müssen sterben?"
"Immer mit der Ruhe, alter Mann. Es sind nicht viele hier unten, und genau genommen sterben sie auch nicht. Der Name 'Todestrakt' ist etwas irreführend."
"Ja, ich weiß, was Ihre Kreaturen ihnen antun. Die Opfer leben weiter, als seelenlose Hüllen. Was machen Sie eigentlich mit diesen armen, leeren Geschöpfen? Wo kommen die hin?"
"Aber, aber! Nicht doch vor dem Kind."
Die ganze... Welt... ist ein... tiefes... schwarzes... Loch.
...
Sie... entfernen sich. Ich... kann wieder... klarer... denken. Aber da ist... nur Schreckliches. ... Lieber... nicht... denken...
Warum gehen sie? Ich höre... Schritte... Dementoren... haben keine... Schritte. Wer...?
...
Die... Tür... geht auf... Schwacher... Lichtschein... Doch nicht... blind. Es ist... Drywell! Mich... holen?... Schatten... hinter... ihm. Nicht zu... erkennen. Da... ein Dementor... Ist es... so weit? Der... Kuss der... Dementoren?
...
Ich... will... nicht...
"Ich will nicht!"
"Sie haben immer noch einen eigenen Willen? Sie renitentes Miststück!"
"Halten Sie endlich den Mund, Drywell! Lassen Sie ihn los!"
"Gern, aber dann wird Ihr teurer Freund auf den Boden knallen. Ich glaube, er wird ohnmächtig."
"Ich halte ihn! Weg da! Nimm die Fackel, Junge!"
Habe... ich das... laut... gesagt?... Nicht... stumm... Nicht... blind... Nicht... taub... Nicht... tot. ... Aber... das ist doch... Kann das...? ... Schwärze..................
"Keine Angst! Ich halte dich. Lass dich in meine Arme fallen. Alles wird gut. Ich bin ja da."
"Hier, ich leuchte Ihnen. Mein Gott, ist er das? Das da... das ist er doch nicht. Oder?"
"Nehmen Sie ihn und hauen Sie ab! Ich will das Stück Dreck nicht mehr sehen. Brauchen Sie eine Schwebetrage?"
"Nein. Ich trage ihn. Er ist so leicht... So schrecklich leicht. Komm, ich hab dich im Arm, alles wird gut. Ich bringe dich hier raus."
Wärme... soviel... Wärme...
Licht... hinter meinen Augenlidern...
Eine Hand... auf meiner Stirn... keine kalte Klaue...
Frische... Luft...
Wasser... Oh ja, Wasser!
"Wasser!"
"Hier. Trink. Langsam... Ganz vorsichtig... Es wird alles gut."
"Geben Sie mir das Glas, Professor! Ich mache für Sie weiter. Sie müssen die Papiere unterzeichnen."
"Ja, unterzeichnen Sie, und dann gehen Sie mir aus den Augen und nehmen Sie das da mit!"
"Verdammt, Drywell! Sie wollen es immer noch nicht begreifen, nicht wahr? DAS DA hat Leuten wie Ihnen den Arsch gerettet! Ich frage mich, ob es das wert war! Aber wenigstens begreifen könnten Sie es mal! Dieser Mann ist unschuldig, und er hat verdammt-noch-mal viel für uns alle getan, Sie Idiot! Sie hirnloser, herzloser..."
"Aber Professor!"
"Na, na, alter Mann, Sie vergreifen sich im Ton. Nicht ganz die richtige Wortwahl für einen Schulleiter. Das wird ein Nachspiel haben. Lassen Sie mich los!"
"Bitte, Professor Dumbledore! Ich will nach Hause!"
"Ja. Wir gehen. Verschwinden Sie, Drywell! Ab in Ihre Festung. Ich schwöre Ihnen, ich werde nicht eher ruhen, als bis dieser Ort des Grauens abgeschafft ist. Bis dahin, leben Sie wohl. Komm, Harry, wir bringen ihn nach Hause. Nach Hause, Severus, hörst du? Alles wird gut."
Nach... Hause?... Alles... wird... gut? Was... ist... das?... Ich... will nur... Wasser... mehr... mehr... mehr...
"Alles wird gut."