Okklumentik

 

 

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Autorin: Vasquez


Disclaimer: Alle bekannten Charaktere und Schauplätze gehören J.K.R. und mit dieser Geschichte wird kein Geld verdient.




Okklumentik

Von Vasquez


Geistesabwesend stieg Lupin langsam die steinernen Treppen in die Kerker von Hogwarts hinab. Magische Fackeln beleuchteten den dunklen Gang, der vollkommen ausgestorben in unheimliche, tiefe Schatten getaucht wurde. Es war bereits spät - die Schüler befanden sich längst in den Gemeinschaftsräumen oder in ihren Betten - ein Grund, warum Remus Lupin diesen Zeitpunkt gewählt hatte: Er wollte so wenig Personen wie möglich begegnen. Unbewusst bremste er seinen Schritt, als er Snapes Büro erreichte. Zögernd hob er seine Hand und klopfte laut an die schwere Eichentür. Innerlich hoffte er, dass sie verschlossen war, um dieses - davon war er überzeugt - unangenehme Treffen hinauszögern zu können. Sein Wunsch ging leider nicht in Erfüllung, die Tür ließ sich geräuschlos öffnen. Er holte noch einmal tief Luft und trat entschlossen in das Büro von Severus Snape. Seit seinem letzten Besuch vor etwa zwei Jahren hatte sich nicht viel verändert: Wie immer säumten Einmachgläser verschiedener Größen und Formen mit dubiosen Flüssigkeiten und seltsamen, schleimigen Objekten darin die Wände. Vielleicht waren in der Zwischenzeit einige neue besonders ekelhafte Exemplare der Flora und Fauna hinzugefügt worden, aber er war nicht den weiten Weg in das Büro gekommen, um diese groteske Sammlung zu bewundern.
Severus Snape saß an seinem Schreibtisch, der von mehreren Kerzen erleuchtet wurde. Seine schwarzen Augen verengten sich, als er Lupin erblickte, er sagte aber kein Wort zu dessen Ankunft. Scheinbar hatte er gerade Schülerarbeiten korrigiert, denn er hielt eine Schreibfeder in der Hand und zwei verschieden hohe Stapel Pergamentrollen lagen an beiden Enden seines Schreibtisches.
"Was willst du?" Seine tiefe Stimme klang unfreundlich, als Lupin die Tür hinter sich schloss und zu Snapes Schreibtisch kam, die Hände in den Hosentaschen.
"Ich wollte mit dir sprechen, Severus", begann Lupin betont freundlich, aber mit fester Stimme. "Und zwar über - "
"Ich weiß, warum du hier bist - ", unterbrach ihn Snape schroff, "- und meine Antwort lautet: Nein!"
Snapes schwarze Augen funkelten im Kerzenschein, sein bleiches Gesicht war eine undurchdringliche Maske.
Lupin schwieg einige Sekunden, er hatte mit dieser Antwort gerechnet.
Snape indessen ignorierte seinen ungebetenen Gast, richtete seine Aufmerksamkeit auf das vor ihm liegende Pergament, schrieb sichtlich gereizt ein "D" darauf und legte die Schülerarbeit auf den rechten Stapel. Er griff nach einer anderen Rolle, glättete sie mit einem Wink seines Zauberstabes und nahm die Schreibfeder wieder auf.
"Severus -", begann Lupin ernst, "- bitte setz die Okklumentikstunden fort. Es ist äußerst wichtig, dass -"
"Nein." Snapes bleiche Finger verkrampften sich um die Feder, er blickte nicht auf.
"Es ist wichtig, dass Harry Okklumentik lernt!", fuhr Lupin unbeeindruckt fort. "Das weißt du genau so gut wie ich! Auch Dumbledore -"
"Ich habe dir bereits gesagt", schnitt ihm Snape grob das Wort ab, "dass ich diese Stunden nicht mehr fortsetzen werde!"
Ohne auch nur ein einziges Wort gelesen zu haben, kritzelte er ein weiteres "D" auf den vor ihm liegenden Aufsatz und warf das Blatt nun deutlich verärgert auf die bereits korrigierten Arbeiten, das Gesicht eine Spur blasser als sonst. Dann sah er zu Lupin auf.
"Potter hat deutlich gezeigt, dass er absolut kein Interesse am Erlernen von Okklumentik hat - er war respektlos, faul und … voller Ignoranz."
"Harry hat einen Fehler gemacht, als…", setzte Lupin an, sprach den Satz aber nicht zu Ende, da Snape ruckartig aufstand und ihn bedrohlich anfunkelte.
"Einen ‚Fehler'?" Seine Stimme klang tödlich leise, sein Gesicht weiß vor Zorn. "EINEN FEHLER? Woher weißt du überhaupt, was…?"
"Harry hat mir erzählt, was passiert ist", antwortete Lupin wahrheitsgemäß. "Hör zu, was geschehen ist, war ein Resultat von unglücklichen Missver… "
"Ein MISSVERSTÄNDNIS?" Snapes Gesicht war vor Wut verzogen, seine schwarzen Augen zu Schlitzen verengt. "Es ist also egal, wenn Potter vorsätzlich und mit voller Absicht in meine Erinnerungen, in meine Privatsphäre eindringt?" Snapes Stimme war voller Hass. "Aber ich vergaß: Er ist ja der berühmte Potter, der für solch ein Verhalten nicht zur Rechenschaft gezogen wird. Es sind ja nur Severus Snapes Erinnerungen!" Seine Augen waren dunkel vor Wut. "Und abgesehen davon", fügte er beißend hinzu, "Potters ganzes Verhalten während der Stunden, seine halbherzigen Versuche… man könnte auch meinen, dass er es gar nicht lernen willl, sich gar nicht schützen möchte…"
Lupin starrte Snape für einen kurzen Augenblick entsetzt an. "So ein Unsinn!", sagte er scharf, seine Augenbrauen zornig zusammengezogen. "Er würde niemals für Du-weißt-schon-wen… arbeiten wollen…"
Für einen Moment herrschte ein sehr unangenehmes Schweigen zwischen ihnen. Snape umklammerte immer noch seinen Zauberstab, das bleiche Gesicht vor Wut verzogen. Seine unergründlichen, dunklen Augen blickten Lupin gefährlich glitzernd an.
"Was willst du damit sagen?", fragte Snape schließlich sehr leise und mit erzwungener Ruhe. Aus den Augenwinkeln konnte Lupin sehen, dass Snapes Hand, die den Zauberstab hielt, unmerklich zitterte. Er gab keine Antwort, stattdessen wich er Snapes Blick aus und starrte ein schleimiges Objekt in einem Einmachglas an, das sich hinter seiner Schulter im Halbschatten befand. Schließlich zwang er sich, Snapes Blick zu erwidern.
"Severus", meinte er bedächtig. "Du lässt dich in Bezug auf Harry zu sehr von deinen Gefühlen leiten. Harry ist NICHT James! Auch Sirius ist der Meinung…"
Lupin spürte sofort, dass er einen Fehler gemacht hatte; die bloße Erwähnung von Sirius Blacks Namen schien einen wunden Punkt berührt zu haben, denn Snape trat so schnell auf ihn zu, den Zauberstab halb erhoben, dass er erschrocken zurückwich. Sein Gesichtsausdruck war so voller Zorn, dass es fast nicht mehr menschlich wirkte, seine zu Schlitzen verengten Augen waren nur wenige Zentimeter von Lupins Gesicht entfernt.
"BLACK", seine Stimme war nur ein Flüstern, aber voller Abscheu und unterdrückter Feindseligkeit. "BLACK… Potter hat es ihm also auch erzählt… Und?", zischte er hasserfüllt und rasend vor Zorn, "Habt ihr euch dabei schön amüsiert? Es muss doch toll gewesen sein, in diesen Erinnerungen zu schwelgen, nicht wahr? Wie in guten alten Zeiten, wie?"
"Du weißt genau", Lupin bemühte sich um Festigkeit in seiner Stimme, "dass das nicht wahr ist, Severus. Wir machen uns nur Sorgen um Harry. Und er bereut es aufrichtig, was… er getan hat."
"Und warum, frage ich mich?" Snapes Stimme klang hart. "Warum stehst dann ausgerechnet du in meinem Büro und nicht Potter? Warum entschuldigst du sein Verhalten?"
Lupin öffnete den Mund um zu antworten, wurde aber von Snape ignoriert, der seine Frage selbst beantwortete. "Soll ich dir sagen warum, Remus? Weil er genauso feige ist wie sein Vater!"
"Lass James aus dem Spiel, Severus!", sagte Lupin zornig, Snapes Augen verengten sich unmerklich. "Es geht hier um Harry und nicht um James, Sirius oder mich! Du lässt dich zu sehr von… von den Ereignissen… von früher leiten."
Wortlos starrten sich beide unnachgiebig an; die Spannung zwischen ihnen war fast greifbar. Keiner der Beiden wandte als erstes den Blick ab, als gelte es, ein stummes Duell zu gewinnen.
"Ich versichere dir, dies ist nicht der Fall", sagte Snape schließlich kalt und mit wieder gewonnener Selbstbeherrschung.
"Tatsächlich?", fragte Lupin sarkastisch und warf einen bedeutungsvollen Blick auf Snapes halb erhobenen Zauberstab. Er atmete tief durch und sagte dann ruhiger: "Ich weiß, dass euer Verhältnis… schwierig ist, aber… auch Regulus hätte gewo…"
Snape wurde unvermittelt weiß wie eine frisch gestrichene Wand, für einen ganz kurzen Moment glaubte Lupin Schmerz in seinen dunklen Augen zu erkennen; bevor er jedoch etwas sagen konnte, hob Snape blitzschnell seinen Zauberstab dicht an Lupins Kehle, sein Gesicht zu einer unmenschlichen Grimasse verzogen. Lupins Herz setzte für eine Sekunde aus, bleich vor Schreck blieb er erstarrt stehen um ihn nicht weiter zu provozieren.
"LASS REGULUS AUS DEM SPIEL!" Snapes Hand zitterte unkontrolliert, seine Stimme war ein gefährliches Flüstern. Lupin wagte kaum zu atmen, unverwandt blickte er in Snapes verzerrtes Gesicht; er befürchtete, dass jedes weitere Wort die Situation zur Eskalation bringen könnte. Er kannte Snape nur als kalten, berechnenden Mann mit messerscharfem Verstand, der keine Gefühle zu haben schien - dies war das erste Mal, dass er einen derartig heftigen emotionalen Ausbruch an ihm erlebte - und es erschreckte ihn zutiefst.
"GEH!" Heiser vor Zorn und mit schier unmenschlicher Selbstbeherrschung senkte Snape den bebenden Zauberstab, drehte sich um und blieb regungslos im Raum stehen.
"Severus…", begann Lupin behutsam, verstummte aber, als Snape abermals herumfuhr.
"GEH JETZT!", tobte Snape; schwer atmend rang er um seine bröckelnde Selbstkontrolle. Geschockt starrte Lupin Snape an; es war ihm nie wirklich bewusst gewesen… wie sehr man ihn verletzt hatte. Wie sehr sie ihn verletzt hatten…
Stumm ging er zur Tür, stoppte jedoch abrupt, drehte sich ein letztes Mal um und sagte mit spröder Stimme: "Es… tut mir Leid…"
"Was?", fragte Snape verwirrt, für eine Zehntelsekunde erschien Fassungslosigkeit auf seinem aufgebrachten, blassen Gesicht.
"Ich sagte, es tut mir Leid, Severus." Bevor Snape darauf reagieren konnte, öffnete Lupin die Tür und verließ das Büro.

Remus Lupin schlich mit hängenden Schultern die Treppen hinauf, mit einem dumpfen Gefühl im Magen. So hatte er sich die Unterredung mit Severus Snape nicht vorgestellt…
In der Großen Halle blieb er überrascht stehen, als eine bekannte Gestalt in Nachtkleidung langsam die Treppe herunterstieg, Fackelschein zauberte tanzende Reflexe in seinen langen, weißen Bart. Dumbledore musterte Lupin gutmütig über seine halbmondförmigen Brillengläser hinweg, der unschlüssig stehen geblieben war. "Ah, guten Abend, Remus", sagte er freundlich und hob zur Begrüßung eine große, hässliche Tasse hoch, die er in der Hand hielt. "So spät noch unterwegs? Ich wollte gerade in die Küche, mir eine heiße Schokolade holen…", begann er schelmisch, wurde jedoch sogleich wieder ernst und fügte dann hinzu: "Ich dachte mir schon, dass du uns heute besuchen würdest."
Lupin lächelte freudlos, seine sanften braunen Augen schimmerten bedrückt im Fackelschein. "Ich wollte - nun ich dachte, ich könnte ein Wort mit Severus wechseln, aber…"
Dumbledore nickte verständnisvoll und blickte ihn unergründlich aus seinen blauen Augen an. "Ich weiß, Remus. Aber manchmal…", meinte er ruhig. "Nun - manchmal sitzen alte Wunden einfach zu tief…"

ENDE



 

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