Snape-Fiction

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite



Disclaimer: Die Figuren dieser Geschichte gehören JKR.

Für Aberforth
Oder: Das Märchen vom unsterblich Verliebten
von Albireo




Rot. Es stach in meinen Augen, rotes Blut. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Schreie. Laut, durchdringend. Zu durchdringend. Ich konnte meine Ohren nicht vor ihnen verschließen, wollte, dass sie verstummten, und hörte sie in meinem Kopf. Die Schreie.

"Ist irgend etwas, Sev?" Blaue Augen waren auf mich gerichtet. Die Augen waren das Schlimmste, die Augen, mit denen sie mich ansahen, anflehten, selbst wenn der Wille, der Stolz den Körper beherrschte. Schlimmer selbst als die Schreie.

"Sev? Geht es dir gut?" Ich blickte hinab, auf meine Finger. Das Rot hob sich kontrastreich von der weißen Haut ab, brannte sich, grell lodernd, wie ein zweites Mal, in sie hinein, brannte in meinen Augen. Ich zerrieb das Blut, das niemand außer mir sah, zwischen meinen Fingern und spürte nun auch McGonagalls Blick auf mir ruhen. Blicke, die auf mir lagen, bevor sie erloschen. Es war nicht mein Blut.

"Es geht mir gut.", sagte ich schließlich nüchtern. Blaue Augen glaubten mir nicht. Dabei sollte es dir wirklich gut gehen, kam es vorlaut aus meinem Hinterkopf. Warum war die Stimme noch da, obwohl sonst Leere herrschte? Leere. Es war eingetreten, heute, das, worauf ich so lange gewartet, gehofft hatte. Das, was ich gefürchtet hatte? Doch ich fühlte keine Freude. Nicht einmal Furcht. Ich fühlte die Leere, schwer, bleiern. Gerade war es eingetreten.

"Ich werde dann gehen." McGonagall lächelte kurz wie gewohnt schmal zum Abschied und verließ den Raum. Wäre sie die Richtige? Für einen Moment drangen Schreie durch die geöffnete Tür: "...ich bin nicht verrückt!...laßt mich hier raus!..." und "Blut, überall Blut!...an der Wand...an meiner Kleidung...Blut!". Schmerzensschreie. Dann schloß sie sich wieder; Schreie wurden gedämpft. Warum mußten diese Psychoexperten die Wände hier auch rot streichen?

Müde setzte ich mich an den Tisch, der sich in der Mitte des Raumes befand, und legte meinen Winterumhang auf einen Stuhl neben mir. Die blauen Augen beobachteten mich, während Samuel zu mir herüber kam und mich, nach etwas Leckerem suchend, mit der Nase anstieß. Als der Ziegenbock von mir nichts erntete außer eines finsteren Blickes, meinte Aberforth, der noch immer auf seinem Bett saß: "Die Anderen mögen ihn, sogar Gilderoy gibt ihm manchmal etwas von seinen Keksen ab, wenn er es nicht vergißt."

Es war wirklich schmeichelhaft, mit dem lieben Gilderoy verglichen zu werden. "Warum schickst du ihn dann nicht zu ihm?", fragte ich abweisend. Ziegen kamen bei mir höchstens in den Kessel.

"Wir haben uns gestritten.", erwiderte Aberforth mit traurigem Blick und kraulte seinem tierischen Freund den Nacken. Auch Samuel hatte endlich die Glanzleistung vollbracht und verstanden, dass ich kein gutmütiger Hirte war. Kein Hirte, ja? Was ist mit den Toten, die du hütest? Hirte? Einen Mord später hatte ich einen Toten mehr zu hüten und in meinem Oberstübchen herrschte endlich völlige, widerhallende Leere.

Ich zwang mich, meine Augenbraue nicht zynisch in die Höhe zu ziehen, als ich fragte: "Nein, wirklich?" Es war kaum vorstellbar, eine andere Meinung als Mr Seht-mein-umwerfendes-Lächeln-an-damit-ihr-erkennt-wie-intelligent-ich-bin zu vertreten.

Aberforth nickte und erläuterte: "Er hat behauptet, er hätte Grindelwald besiegt.". Das war ja eine ganz neue Masche von Lockhart, wie einfallsreich. Aberforths sonst oft so sanfter Tonfall wurde lauter, empört fuhr er fort: "Kannst du das glauben? Er hat wirklich behauptet, Grindelwald besiegt zu haben! Das hat er wirklich behauptet!" Er wirkte aufgewühlt, erregt und mit düsterem Ausdruck zwirbelte er eine Strähne seines langen grauen Haares um den Finger. Einen Moment schwieg er, dann meinte er, wieder zu seiner so charakteristischen Ruhe zurückkehrend: "Dabei war es doch Albus, der ihn besiegt hat. Er hat ihn vernichtet, damit er aufhört, seine Gefangenen zu foltern, damit er niemandem mehr weh tun kann. Albus war es, nicht Gilderoy." Unnatürlich blaue Augen sahen mich direkt an. "Albus hat ihn für mich besiegt, für mich!"

Ich nickte leicht, und das schien Aberforth zu genügen, er lehnte sich an die rote Wand und lächelte sein merkwürdiges, etwas abwesendes Lächeln, als Samuel sich auf seinem Schoß zusammenrollte. Aus dem Nachbarzimmer hinter den Steinen drang ein spitzer Schrei, von dem ich wußte, dass er von einer jungen Frau kam, die von Todessern gefoltert worden war. Du würdest auch anfangen zu schreien, wenn die dich hier einsperren würden. Mord gescheitert. Die Frau schrie erneut. Wäre sie die Richtige?

Ich schüttelte den Gedanken daran ab und stand auf, um zu einer kleinen Truhe zu gehen, in der ich Pergament und Feder wusste. Sie stand vor dem einzigen Fenster des Raumes, durch das man auf die kahle, graue, etwas heruntergekommene Londoner Einkaufsstraße hinaus sehen konnte, die so perfekt zum tristen Inneren des Gebäudes paßte und keine Zuflucht davor zuließ, und über die ich meinen Blick einen Moment schweifen ließ, bevor ich wieder Platz nahm. Ich setzte zum Schreiben an, doch dann stockte ich; wie sollte ich beginnen? Briefe dieser Art hatte meine eigene Feder wohl noch nie über sich ergehen lassen müssen. Ich entschied mich, dass in diesem Fall eine Notiz genügen mußte. In meinem Rücken hörte ich, wie Aberforth sich hinter mich stellte, mir über die Schulter sah und vermutlich dachte, ich würde es nicht merken - da ich ja bekanntlich Gilderoy mit Vornamen hieß. Er erinnerte mich an ein gewisses, ebenso neugieriges steckt-doch-mal-die-feuchte-Nase-in-Snapes-Angelegenheiten-Schoßhündchen, das es sich zum Hobby gemacht hatte, mir den Job wegzuschnappen, den ich schon lange ausüben wollte - aber deshalb war er ja auch so scharf darauf. Sehr gerecht, meldete die Stimme wieder, doch ich konterte; Wer sagte, dass ich den Anspruch pflegte, gerecht zu sein? In meinem Kopf herrschte meine - Gerechtigkeit. Flüchtig fragte ich mich, was die Heiler wohl sagen würden, wenn sie von diesen Dialogen erführen. Dann lassen die dich nie wieder hier raus. Nun, sie würden es nicht erfahren.

Ich wandte den Kopf um und blickte Aberforth durch einige weiße Haarsträhnen - die mir ein geschätzter Verwandlungstrank zur Geheimhaltung meiner wahren Identität innerhalb dieser Mauern und zur Vernichtung des letztes Restes meiner Würde beschert hatte -, die mir ins Gesicht fielen und die ich freimütig ignorierte, strafend entgegen. Sein Gesicht zeigte die reinste Unschuld - zumindest dachte er das scheinbar. Dann lächelte er leicht und kroch wieder zu Samuel auf das Bett, der ihm sehnsüchtig und leicht zitternd mit großen braunen Augen entgegensah; durch Kälte konnte man auch unliebsame Patienten loswerden, dann hätte Voldemort sein Ziel doch noch erreicht, ohne auch nur den skelettartigen Finger krumm machen zu müssen.

Nachdem ich das Pergament sorgfältig gefaltet und in einen Umschlag gesteckt hatte, legte ich ihn für Dumbledore auf den Tisch, wobei sein Bruder noch einmal einen mißbilligenden Blick abbekam, den er freundlichst erwiderte. Vermutlich hätte er die Notiz so wie so irgendwann zu lesen bekommen, denn dass er eben hierzu fähig war, hatten wir inzwischen herausfinden können - oder müssen. Dann ging ich ins Bad, um mich umzuziehen und fertig zu machen und legte mich anschließend auf das zusätzliche Bett, das ins Zimmer gestellt worden war, damit wir, die Ordensmitglieder, nicht auf dem Fußboden liegen mussten, wenn wir abwechselnd auf Aberforth Acht gaben - diese Maßnahme war seit Voldemorts Angriff auf ihn nötig geworden, den er zwar erstaunlich gut abgewehrt, trotzdem jedoch nicht unverletzt überstanden hatte, und der ihn erst hier herein befördert hatte. Meinen Zauberstab griffbereit auf dem Nachttisch starrte ich an die Wand und fragte mich wieder, warum es gerade rot hatte sein müssen. Nun, angeblich war das ja eine warme Farbe - bei einigen Patienten schien der positiv erwärmende Effekt trotzdem auszubleiben.

"Möchtest du ein Märchen hören, Samuel?", fragte Aberforth unvermittelt, und ich überlegte, warum er denn nicht mich fragen konnte, ich hätte zumindest eine klare Antwort gegeben, die jedoch schien nicht von Interesse zu sein.

"Jeder möchte Märchen hören, und du magst Märchen doch so sehr, Sam.", fuhr er fort. Irgendwie fühlte ich mich ausgeschlossen, immer diese Verallgemeinerungen...

"Ich werde es dir erzählen. Das Märchen vom unsterblich Verliebten. Aber du darfst es niemandem weiter erzählen, denn es ist ein geheimes Märchen, und wenn du es weiter erzählst, ist es ja nicht mehr geheim, das geheime Märchen vom unsterblich Verliebten. Also...

...aber erzähl es nicht weiter!..."

Bei Samuel machte ich mir da weniger Sorgen als bei einer gewissen anderen Person.

"Also: Es war einmal in einem für viele so fernen, und doch so nahen Land, da schickte der Albus, ein kluger und weiser Mann, den Sev zum Dunklen Lord, um gegen ihn zu spionieren. Der Dunkle Lord war der Herrscher über eine dunkle Armee, die Todesser, die viel Unheil über die Welt der Zauberer brachte. Ich weiß nicht, warum er so böse geworden war, doch ich weiß, dass er böse war, das erkennt man ja schon daran, dass er der Dunkle Lord genannt wurde. Ich weiß auch nicht, warum die Armee so böse wurde, doch ich weiß, dass sie böse war, denn sie hatte Freude daran, anderen Menschen weh zu tun - und das ist wirklich böse, hörst du?! Das darfst du nie tun!"

Ich seufzte leise und blickte hinüber in seine blauen Augen, die teils liebevoll auf Samuel lagen oder aber in weite Ferne zu schweifen schienen. Ob ich ihn irgendwie stoppen konnte?

"Eines Tages...

...Du erzählst es doch nicht weiter, oder? Nein, du doch nicht, Sam, entschuldige mein Mißtrauen...

Also, eines Tages rief der Dunkle Lord Sev zu sich. Sev war nicht begeistert davon, doch er mußte gehen, weil er sich irgendwie schuldig fühlte. Frag mich nicht, warum - das will mir keiner erzählen. Sev jedenfalls war nicht begeistert, aber das ist er selten, zumindest, wenn andere begeistert sind. Deshalb schaut er wohl auch immer so verregnet drein."

Er tat gerade so, als ob er selbst wie ein Honigkuchenpferd grinste, wenn man ihm im "Eberkopf" begegnete und zufällig nicht einer sehr kleinen Menschengruppe oder der Art der Ziegen angehörte. Trotzdem mußte ich ihm in einem Punkt Recht geben; ich war alles andere als begeistert - über dieses Märchen. Vermutlich musste ich mich noch glücklich schätzen, dass Dumbledore nicht alle ihm bekannten Details aus meiner Vergangenheit vor dem Orden des Phönix und somit auch Aberforth ausgebreitet hatte. Was war ich doch für ein Glückspilz.

"Nachdem Sev bei dem Dunklen Lord angekommen und geschmeidig wie ein Kater auf ihn zu geschritten war - nur eben auf zwei Beinen und ohne das viele Fell, Mäuse frißt er, glaube ich, auch nicht... - und sie sich mit einem "Ave!" begrüßt hatten, sagte der Dunkle Lord zu ihm: "Sev, bringe mir einen Erben." Damit hatte Sev nicht gerechnet, seine Aufträge waren eigentlich anderer Natur. Jedenfalls war er wieder nicht begeistert - irgendwie schien der Dunkle Lord dies selten zu schaffen. Frag mich aber nicht, ob der Dunkle Lord sich deshalb Sorgen um den Sev machte."

Es hatte mit einem Ende begonnen, dem Ende der Bellatrix Lestrange. Ich stand vor ihm, seine roten Augen lagen auf mir. "Ich fürchte, ich muß mich damit abfinden, dass ich einen Erben benötige.", stellte er mit seiner leisen Stimme fest. Dann zog er die Augenbraue in die Höhe und verzerrte seinen Mund zu einem schiefen Grinsen. Sein Zauberstab war drohend auf mich gerichtet, als er schneidend zischte: "Und da DU daran bedauerlicherweise die Schuld trägst, Snape, als mein berüchtigter Giftmischer, wirst du mir dazu verhelfen."

""Wo soll ich den hernehmen?", fragte Sev finster, und hielt den Dunklen Lord für einen Idioten. Sev konnte mit Kindern nicht viel anfangen. Deshalb war er wohl auch Lehrer geworden.

Dem Dunklen Lord gefiel Sevs Tonfall nicht. Auch er war nicht begeistert, irgendwie schienen die beiden nicht gerade gesund für einander zu sein. Sicher fragst du dich, ob eine Partnerberatung nicht hätte helfen könne. Aber Sev hat irgendwie etwas gegen Seelenklempner. Ich finde die ganz süß."

Hätte Voldemort in diesem Moment nicht einen Angriff starten können? Samuel blökte zufrieden; vermutlich teilte er mir gerade mit, dass ich bloß nicht die Frechheit besitzen sollte, dazwischen zu reden. Jawohl, mein Lord. Ave, mein Lord.

"Der Dunkle Lord deutete drohend mit dem Zauberstab auf ihn. Das fand Sev auch nicht süß. Er findet überhaupt kaum etwas süß. Deshalb blickt er wohl auch immer, als habe er sich an sauren Gurken verschluckt.

Der Dunkle Lord fauchte: "Das ist dein Problem, Sev." Ich finde, es war nicht sein Problem. Schließlich wollte er nicht aus heiterem Himmel einen Erben. Und so wie so: Aggressionen sind nie hilfreich, dass hätte man ihm wohl als Kind öfter mal erzählen sollen.

Sev versuchte es zu erklären, wie man es einem kleinen Kind erklärt. Darin war er schon immer besonders talentiert gewesen. Deshalb verstehen die Schüler seinen Unterricht wohl auch immer so gut. "Mein Lord, einen Erben findet man nicht mal so eben in den Inseraten der gelben Pergamente. Das ist ein wenig komplizierter." Der Dunkle Lord stolperte ein wenig über Sevs distanzierten Tonfall und seine abweisende Haltung, doch er fiel nicht, denn Sev war nicht so provokant, ihm eine helfende Hand zu reichen, und so fühlte er sich auch nicht provoziert.

"Ist es das?", zischte der Dunkle Lord. Der Zauberstab in seiner Hand zitterte nicht. Das hatte er lange vor dem Spiegel geübt, so lange, bis dieser bestätigt hatte: "Ja, mein Lord, ihr seid der Schönste im ganzen Land - nur bitte, nehmt den Zauberstab von mir, meine zarten Nerven sind so wie so schon überspannt...." Da hatte der Dunkle Lord ein Einsehen gehabt und sich endlich mal wieder auf sein Aussehen konzentriert.

"Nun, mein Lord, eine Frau wäre schon von Nutzen.", erwiderte Sev ruhig. Er hat einfach den totalen Durchblick. Deshalb ist er wohl auch Single."

Wenn das so weiter ginge, würde Samuel auch bald Single sein.

""Eine Frau?" Einen Moment klang der Dunkle Lord fast verwirrt. Da er aber nicht als unaufgeklärt dastehen wollte seufzte er: "Nun, dann soll es wohl so sein. Man bringe mir eine Frau.""

"Bella ist in meinen Diensten gestorben.", meinte er, und seine Augen funkelten mich herausfordernd an. "Eine andere Todesserin zu nehmen würde der Moral schaden." Natürlich, welcher Todesser würde es schon gerne sehen, wenn seine Frau dazu benutzt wurde, dem Dunklen Lord einen Erben zu gebären, nur um daraufhin umgebracht zu werden? Voldemort würde keine Frau, die er nicht liebte, neben sich dulden, sie würde nur ihren Zweck erfüllen müssen, dann wäre sie überflüssig...

"Der Sev ist nie der Gesprächigste gewesen. Das schien dem Dunklen Lord jedoch irgendwie entgangen zu sein. Er stand da, der Lord der Verbrechen, und verlangte nach einer Frau - und Sev bestand stumm darauf, ein Mann zu sein. Das war ihm wohl noch nie passiert, und so erschallte seine schrille Kreissägenstimme: "Ich will einen Erben!" Er war schon immer etwas unbeherrscht gewesen, wenn er nicht sofort bekam, was er wollte - er dachte wohl, er könnte seine entbehrungsreiche Kindheit ausgleichen und war irgendwie verwöhnt. Die Schuld dafür schob er natürlich seinen Eltern zu.

"Wozu? Aus Erfahrung sage ich Euch: Kinder machen nur Arbeit, Streß und Ärger.", meinte Sev. Ich denke, er hält Kinder für tödlich. Er hatte Glück, sich überlebt zu haben, als er klein gewesen war. Deshalb ist er später wohl auch so groß geworden. "Und Ihr seid unsterblich."

"Ich möchte sehen, wie er aufwächst, Sev, ihn auf meinem Rücken reiten lassen und ihn alles lehren, was ich weiß!""

Das konnte ja ein "süßes" Kind werden, schoss es mir durch den Kopf, während mein Blick abermals Aberforth streifte. Ich konnte ihn mir gut vorstellen, den erwürdigen Abkömmling des Dunklen Lords: "Professor Snape, ich habe meinen Nachbarn umgebracht, aber davor habe ich ihn noch gefoltert. Kriege ich jetzt ein "Ohnegleichen"?" Doch es ging noch weiter in der heutigen Märchenstunde:

""Ich möchte Kinderfüße durch meine Hallen trapsen hören, das Lachen heller Kinderstimmen!" Seine roten Augen glitzerten wie so oft. Ich bin nicht sicher, ob es Tränen waren. Sev blickte auf den Totelschädel, der den Fußboden besagter Halle zierte, und machte sich so seine Gedanken - die er mir leider nicht mitteilen will.

Sev kann mit all diesen Sentimentalitäten nichts anfangen. Zynisch erwiderte er: "Was habe ich damit zu tun, mein Lord? Ihr trefft doch genug Frauen, sucht Euch eine aus." Der Dunkle Lord erwiderte tadelnd: "Also Sev. Das wäre doch wirklich unromantisch." Sev kann auch mit all dieser Romantik nicht viel anfangen. Deshalb dichten ihm wohl auch so viele Muggelfrauen so gerne einen romantischen Kern an."

Ein grausames, zynisches Lächeln huschte über seine eingefallenen Züge. "Und die, denen ich sonst meist entgegentrete, sind nicht lebens- und schon gar nicht würdig, mir meinen Erben schenken zu dürfen. Also mußt du sie finden, Snape, und ich warne dich. Finde die Richtige." Der Ziegenbock seufzte leicht und genüßlich.

"So machte sich Sev, mit hochgezogener Braue, Kopfschütteln und ganz Optimist, auf, das Reich zu durchstreifen und eine Braut für seinen Lord zu finden. Er fragte seine Kollegen, doch keiner wollte die Gemahlin des Dunklen Lords werden; Minerva lehnte höflich, doch bestimmt ab, und Remus war ebenfalls abgeneigt. Später erfuhr Sev, dass er bereits an den körperlosen Sirius, der aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit zurück kehren hatte müssen, vergeben war, indem dieser ihm nebelig, aber geistreich vorhielt, seinen Remus vorsätzlich völlig verwirrt zu haben, um an seinen Job zu kommen. Aber die beiden machten sich ja eh immer gegenseitig Vorwürfe, sonst würde Remus ja eifersüchtig werden. Sybill erlitt gar einen Herzinfarkt, weil sich eine Prophezeiung von ihr bewahrheitet hatte - kurz; alle drei Kandidaten schienen ungeeignet.

Trotzdem ließ sich Sev nicht entmutigen, tröstete den verzweifelten Lord-auf-Kinder-Entzug und schenkte ihm in einer großzügigen Geste eine Packung Tempos. Dann setzte er eine Kontaktanzeige in den Tagespropheten, die da lautete:

Er, schmal gebaut, groß gewachsen, mit
auffallend vornehmer Blässe und interessanter
Augenfarbe gesegnet, dem sein Alter nicht anzusehen
ist und mit dem es nie langweilig wird, sucht sie
zur Zucht von sozial engagierten Sprößlingen, gerne mit ähnlichen
Hobbies: Strategiespiele, Verstecken, Kontakt zu anderen Menschen und das
Üben schwieriger Zauber, bevorzugt auch in der praktischen Anwendung

Schon kurz darauf flatterten hunderte von Liebesbriefen in den Palast des Dunklen Lords, und bald war die Richtige gefunden. Endlich war der Dunkle Lord über seine Depression hinweg, singend lief er durch sein Königreich, pflückte Blumen und sah den Schmetterlingen zu. Er ging sogar wieder seinen Pflichten nach. Schon bald läuteten die Hochzeitsglocken; als der Dunkle Lord seine Angebetete zum Altar führte, standen seine Todesser Spalier - nur Pettigrew tanzte mal wieder aus der Reihe und weigerte sich einzugestehen, wem seine Loyalität galt, aber das weiß er wohl selbst nicht so genau. Es wurde ein rauschendes Fest, alles stand sich auf den Füßen, deshalb hatten später wohl auch so viele Todesser Plattfüße, so voll war es. Sev begeisterte auch das nicht, er mag wohl Plattfüße ebenso wenig wie Menschengedränge. Als Wappnung gegen zweiteres hat er wohl auch immer so leere Augen, quasi als Ausgleich nach dem Diffusionsprinzip; dichte Menschenmassen plus leere Augen gleich nicht mehr ganz so dichte Menschenmasse in den Augen - weißt du, für die meisten Zauberer ist wahr, was sie sehen, also: Nicht mehr ganz so dichte Menschenmassen gleich erträglicher. Zusammenfassend: Leere Augen gleich weniger Selbstmordgedanken. Wir müssen uns also keine Sorgen wegen der leeren Augen machen.

Der Sirup - kannst du mir eigentlich sagen, was das genau ist? Irgend etwas Klebriges, oder? Ich hoffe, ich benutze das Wort gerade im richtigen Kontext, aber andererseits, du nimmst mir das sonst ja auch nicht übel, nicht wahr, Sam? - und Feuerwhisky floß in Strömen. Der Regen auch. Extra für den Sev sang der Dunkle Lord "Laß den Sonnenschein in dein Herz", doch irgendwie sah Sev nicht, dass die Sonne gerade ein wenig schien, und der Sonnenschein fand den Eingang nicht.

Als Hochzeitsgeschenk bekam der Dunkle Lord Die Drei Besen überreicht, wohl zum Zeichen seiner Bekehrung. Er war gerührt, denn nun hatte er genug Besen für romantische, gemeinsame Hausarbeit zu dritt.

Der Dunkle Lord setzte seine Angestellten für den Arbeitsmarkt frei und lebte, nun gar nicht mehr dunkel, glücklich und im Trio in seinem Wolkenschloß mit angeschlossener Heilsarmeesuppenküche. Sev kochte die gesunden Suppen nach den Rezepten des Dunklen Lords. Es gab Gewißheit - es war nicht zu spät für ihn gewesen. Und wenn er nicht gestorben ist - erinnere dich, er ist unsterblich - , dann hilft er noch heute den Armen und Entrechteten."

Es entstand eine ehrfürchtige Pause. Was für ein Ende, ich war gerührt.

Ich blickte hinüber zu Aberforth, auf dessen Schoß Samuel schon lange eingeschlafen war, und der diesen nun vorsichtig umbettete und sich selbst hinlegte. Fünf Minuten später schnarchte auch er vor sich hin, während die Ziege neben ihm lag, die Schnauze auf seiner Brust in den langen, grauen Bart gekuschelt. Aberforth hatte den Arm um ihn gelegt, nur die Deck, die hatte er vergessen. Ich stand auf - ich wußte nicht, ob Dumbledore begeistert gewesen wäre, hätte ich seinen Bruder auf dem Gewissen - und breitete die Decke über ihm und Samuel aus.


****************


Am Morgen war ich wie gerädert. Aberforth hingegen sprang, wie es seine Gewohnheit war, schon zu nachtschlafender Stunde aus dem Bett hinter Samuel her, der wohl beschlossen hatte, dass das Hungergefühl im Magen nun wirklich unangenehm geworden war. Dafür bekam er natürlich keine disziplinarische Erziehungskur aufgebrummt, sondern sein Futter kredenzt. Diese Folgsamkeit war schon erstaunlich - die Folgsamkeit Aberforths.

Während ich mich umzog und frisch machte, hörte ich im Nebenzimmer eine Hauselfe fragen: "Möchten Sie bereits frühstücken?" Auch die Hauselfen und Heiler hatten sich notgedrungen damit abfinden müssen, dass der Tagesrhythmus in diesem Raum von dem bockigen Samuel diktiert wurde.

"Ja, bitte.", erwiderte Aberforth ruhig. Als ich sein Zimmer wieder betrat, wischte er sich gerade den Schlaf aus den Augen und schloss diese für einen Moment. Sofort wurde er von dem Ziegenbock angeblökt, der vor seinem Trinknapf stand und nun seine Nase seufzend in die Pfütze tunkte, die dieser nur noch beherbergte. Aberforth verhalf ihm zu einem Schwall neuen kühlen Nasses und kraulte ihn, das Gesicht verträumt, einen Augenblick hinter den Ohren.

"Guten Morgen.", meldete sich eine der beiden Hauselfen, die das Frühstück brachten, an mich gewandt zu Wort. Ich nickte knapp, während der zweite Elf namens Slingel leise murmelte: "Morgen." Er zitterte leicht und blickte sich immer wieder verstohlen zu mir um, das tat er jedes Mal, wenn er mir begegnete, auch wenn er wohl hoffte, ich würde es nicht bemerken. Seine Freundin hatte da weniger Hemmungen.

"Ein wirklich schöner Tag, nicht wahr, Sir?", meinte sie munter, "Ich glaube, der Regen von gestern hat sich verzogen, der Wind hat ihn weggefegt. Ja, es wird ein schöner Tag werden." Bei diesen Worten ließ Slingel einen Teller fallen, der scheppernd am Boden zerschellte. Seine Ohren liefen feuerrot an, während seine grünen Augen groß zu mir herüber blickten.

"T´schuldigung.", flüsterte er. Die Hauselfe lief zu ihm herüber, tröstete ihn leise und deckte den Tisch alleine weiter, während Slingel am Türrahmen lehnend dasaß und auf sie wartete, bis sie gemeinsam den Raum verließen.

Kaum hatten Aberforth und ich uns am Tisch niedergelassen, klopfte es leise, und kurz darauf erschien der zerzauste, braune, mit grauen Strähnen durchsetzte Schopf des Werwolfs im Türspalt, unter dem uns ein unverschämt fröhliches Grinsen entgegenstrahlte. "Guten Morgen, ihr drei.", sagte er gut gelaunt, "Ich dachte, ich komme mal ein bisschen eher." Ich verzog zynisch die Mundwinkel. Warum er wohl so früh kam? Ganz klar; Werwölfe waren noch hungriger als Ziegen. Ich konnte ein schmales Grinsen nicht unterdrücken, manch ein Werwolf war sicher nicht nur hungriger als Samuel, sondern auch hungrig auf ihn... Nach außen völlig friedlich begrüßte Lupin den Ziegenbock, indem er ihm einen Leckerli zuschob. Als ob der nicht schon verwöhnt genug gewesen wäre, vermutlich wollte er ihn mästen. Als er sich zu uns setzte, verweilten seine Augen auf dem Umschlag, auf dem fein säuberlich zu lesen war: "Albus Dumbledore", doch er sagte nichts und griff stattdessen zu einem Brötchen. Glück gehabt, Samuel.

"Kaffee?", fragte Aberforth den Neuankömmling, und dieser nickte. "Ja, gerne." Aberforth schenkte ihm ein und Lupin bedankte sich. Es war ein ganz normales Frühstück. Das Dunkle Mal brannte, ich hatte eine Verabredung. Die Richtige, die ich hätte finden und heute zu ihm bringen sollen, hatte eine Verabredung, eine Verabredung zum Blinddate. Ein ganz normales Frühstück. Ich reagierte nicht.

"Was denkt ihr, wann Sam und ich in den "Eberkopf" zurück können?", erkundigte sich Aberforth scheinbar beiläufig, und doch wusste ich, wie wichtig ihm diese Frage war.

Lupin erwiderte: "Nun ja, dass solltest du wohl besser die Heiler fragen, Aberforth." Er lächelte aufmunternd, fügte dann jedoch hinzu: "Außerdem müssen wir auch noch besprechen, wie wir das mit deinem Schutz regeln." Aberforth nickte mit einem enttäuschten Zug um die Mundwinkel.

"Bald, zumindest, wenn die Heiler sich irgendwann überwinden sollten, einen Patienten freiwillig aus den Händen zu geben.", meinte ich hingegen nachdenklich nach einer Weile der Stille, und blickte ihm in die blauen Augen, die mich fragend musterten, doch eine Erklärung blieb ich schuldig. Vielleicht zog er auch von selbst die richtigen Schlüsse, während Lupins Blick noch immer mit einem merkwürdigen Ausdruck auf mir lag.

"Kommst du mich dann auch mal besuchen?", fragte Aberforth mit einem kleinen, vielleicht sogar trotzigen Lächeln. Ich erhob mich. Das Dunkle Mal brannte noch immer. Der Dunkle Lord wartete auf die Richtige.

"Ich weiß es nicht.", erwiderte ich, und fügte in sarkastischem Tonfall hinzu: "Nur, wenn du dich ordentlich benimmst." Ich schenkte ihm ein schmales Lächeln, blieb mit meinem Blick einen Moment an Lupins offenem Gesicht hängen, und wandte mich dann zum Gehen. Blaue Augen lagen auf mir, als ich den Raum verließ.

Ich hatte es nicht eilig, sollte er doch warten. Ich war so wie so schon zu spät, und ich war zu müde, um mich zu beeilen, durch die Gänge zu rennen. Schließlich hatte sich die Leere doch noch mit Furcht vermischt, es war ein seltsames, kaum zu definierendes Gefühl. Leer, und doch bleiern, leise, und doch so laut, nervös und doch lähmend.

Durch halb offene Türen in der roten Wand sah ich Zimmer aufblitzen, jedes ein Schicksal beherbergend, die meisten von Voldemort und seinen Todessern geprägt. Gedämpfte Schreie und leise Musik waren zu hören, als ich das Gebäude verließ und wieder mein eigenes Aussehen annahm. Einen Moment ließ ich meinen Blick auf der öden Gegend und dem nahen Park ruhen. Es war wirklich ein schöner, kalter Tag, die Bäume verloren ihre Blätter und bedeckten den Boden mit einem Farbenmeer roter bis gelber Töne. Der Wind zerrte an meinem Umhang und ließ mich spüren, dass ich da war, existierte. Lebte. Dann disapparierte ich.

Rote Augen starrten mir entgegen, mir, der ohne Begleitung kam, der nur eines mit sich brachte. Immer war da die Frage gewesen, nagend, zweifelnd, ob er nur nach Lebenselixieren verlangte, um sicher zu gehen, um den Schutz zu verstärken, seinen Schutz vor dem Tod. Nun wünschte er also einen Erben zu bekommen, einen Erben, den er nie neben sich dulden würde, der endlich, seit gestern, Gewissheit gab. Er war sterblich.

Etliche andere Blicke waren auf mich gerichtet, Blicke der Todesser, von denen ich nicht wusste, wie sie reagieren würden.

"Du bist spät, Snape.", zischte der Dunkle Lord gefährlich leise, während er mich mit seinen Augen zu durchbohren schien. Meine Todesserrobe hatte ich nicht übergeworfen, trug meine eigene. "Und du bist alleine.", stellte er zynisch und überheblich fest und musterte mich spöttisch. "Was soll das werden, Snape?" Er gab seiner Stimme nun einen fast zarten Tonfall, als würde er mit einem kleinen, widerborstigen, ungehorsamen Kind sprechen. Ich kannte diesen Ton nur zu gut, es war der, bei dem man sich am meisten in Acht nehmen musste.

Ich erwiderte nichts, keine Entschuldigung, keine Erklärung, kein "Ja, mein Lord." Still richtete ich meinen Zauberstab auf ihn. Die Leere war wieder vollkommen. "Avada Kedavra.", sagte ich, ohne Haß, ohne Sarkasmus. Leer.

Rote Augen schlossen sich. Nur sie sah ich, die Todesser waren verschwunden, aus meiner Wahrnehmung.

Rote Augen schlossen sich - Denn wenn er nicht gestorben wäre, hätte sie weiterhin geschrien, unsterblich, ewig. Die Farbe der Wärme, der Wände, des Blutes. Der Augen. Rot.

Blaue Augen. Hinter denen all die Toten und Leidenden sich verbargen, in deren mal grünem, mal braunem Schimmer sie wieder auftauchten. Blaue Augen, hinter denen Aberforth lebte, für den sein Bruder Grindelwald vernichtet hatte. Blaue Augen starrten mir entgegen, unnatürlich blau, zu vertraut, um ihnen zu entgehen, seinem Märchen. Dem Märchen vom sterblich Verliebten.






 

Review



Zurück