Snape-Fiction

 

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Eine abendliche Strafarbeit von Smilla


Priska de Syo gähnte laut und herzhaft. Professor Snape sollte ruhig sehen, dass der Zaubertränke-Unterricht sie langweilte. Sie mochte nun einmal weder das Fach, noch den Lehrer. Den am allerwenigsten. Severus Snape! "Severus", "der Strenge", passender ging es ja nicht mehr! Er musste schon bei seiner Geburt so säuerlich geguckt haben wie jetzt, sonst hätte ihm seine Mutter kaum einen so passenden Namen gegeben. Ja, er musste schon immer so sein, sie hatte ihn nie anders erlebt als übellaunig, feindselig und zynisch, und sie würde ihn auch nie anders erleben. Alles an ihm war schwarz, seine fettigen Haare, seine bedrohlichen Augen, seine Kleidung, vor allem dieser Fledermausumhang, - und seine Seele. Priska empfand es als Zumutung, dass sie, eine Gryffindor aus bestem Hause, sich mit so etwas herumplagen musste. Wo doch jeder wusste, dass dieser Mann ein Schwarzmagier der übelsten Sorte war, ein Todesser! Nun gut, angeblich war er das nicht mehr, sondern arbeitete als Spion gegen die dunkle Seite. Priskas Vater war ein hochrangiges Mitglied des Ministeriums, sie kannte sich aus. Doch sie war der Meinung, dass solche wie Snape sich nie wirklich änderten. Mochte er sich der guten Seite angeschlossen haben, er würde doch immer durch und durch ein Slytherin bleiben, eine hinterhältige Schlange mit miesem Charakter, und wer wusste denn so genau, ob er nicht überhaupt ein Doppelspion war? Wie dem auch sei, es war ungehörig, dass sie, Priska de Syo, aus guter Familie und durch und durch der Seite der Weissen Magie zugehörig, sich von so einem Punkte zuteilen oder abziehen lassen musste. Daher hatte sie von Anfang an beschlossen, seinen Unterricht zu boykottieren.

"Miss de Syo!" Priska blickte plötzlich aus nächster Nähe in Snapes Gesicht. Es war unbewegt, und er wurde nicht laut, um sie zu "wecken". Seine Stimme war leise, gefährlich leise, und auf bedrohliche Art seidenweich. "Hätten Sie dann bitte die Güte, zu wiederholen, was ich eben über das Schwarze Bilsenkraut erläutert habe?" "Das Schwarze Bilsenkraut", setzte Priska an und stellte fest, dass sie absolut nichts darüber wusste, "ist eine, ähm, Giftpflanze." Darauf tippte sie einfach mal ganz frech. Und sie hatte Glück. "Sehr richtig", erwiderte Snape und klang nun ebenso gelangweilt, wie sie sich bemüht hatte auszusehen, "und weiter?" "Nichts weiter." Snape zog eine Augenbraue hoch: "Nichts weiter? Ich wünschte, Ihre Auskunft wäre so erschöpfend wie Ihr Anblick. 10 Punkte Abzug für Gryffindor, und Sie melden sich heute Abend hier zu einer Strafarbeit." Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, rauschte er wieder nach vorne an sein Stehpult, lehnte sich lässig daran, verknotete die langen Finger ineinander und wollte im Lehrstoff fortfahren. Doch Priska hatte Lust, ihn zu provozieren. Sie stand auf und zeigte mit ausgestrecktem Finger auf einen Klassenkameraden. "Und was ist mit dem da? Der schläft in Ihrem Unterricht!" Eigentlich war Petzen einer Gryffindor unwürdig, aber in diesem Fall handelte es sich bloß um Draco Malfoy, einen widerlichen Slytherin-Jungen, der selbst keine Rücksicht auf andere nahm. Es konnte ihm nicht schaden, Punkte abgezogen zu bekommen, und vor allem würde es Snape wehtun, denn es verminderte ja die Chancen seines eigenen Hauses auf den Hauspokal am Ende des Schuljahres.

Snape wandte seinen Kopf nach ihr um: "Wer schläft? In meinem Unterricht zu schlafen, kann unangenehme Träume zur Folge haben..." Er hatte dies mit gleichgültig-kalter Stimme gesagt, doch als sein Blick ihrem Finger folgte und an dem schlafenden Draco Malfoy hängenblieb, stutzte er merklich. Draco war einer der wenigen Schüler, die normalerweise bewundernd an Snapes Lippen hingen. Er war sicher nicht aus Langeweile eingeschlafen. Snape konnte sich den Grund schon denken: Er hatte letzte Nacht einige Schüler nachts außerhalb der Schlafsäle erwischt. Einer davon war Draco Malfoy, der den anderen nachspionierte. Die anderen waren Harry Potter und zwei weitere Gryffindors, die sich mit Hilfe eines Tarnumhangs aus dem Schloss schleichen wollten. Pech für sie, denn Snape hatte sie erwischt, ihnen insgesamt sechzig Punkte für Gryffindor abgezogen und den Tarnumhang konfisziert. Der lag nun aufreizend auf dem Lehrerpult, denn Snape genoss es, wie Harry Potter die ganze Stunde über begehrliche Blicke darauf warf.

Snape ging hinüber zu Draco und rüttelte ihn unsanft an der Schulter. "Malfoy! Aufwachen!" Dracos blaue Augen öffneten sich und blickten ihn verschlafen an, dann nahmen sie einen erschrockenen Ausdruck an. Snape sagte unwillig: "Ich weiß, dass Sie letzte Nacht etwas... aufklären mußten, Malfoy, aber ich muss Sie bitten, Ihren Nachtschlaf nicht in meinem Unterricht nachzuholen." Damit ging er wieder nach vorn.

War Priska vorher sauer auf Snape gewesen, so war jetzt außer sich vor Zorn! So eine schreiende Ungerechtigkeit! Sie hatte nur gegähnt und bekam Punkteabzug und eine Strafarbeit. Und dieser Malfoy hatte die ganze Zeit gepennt und ging straffrei aus! Er wurde nicht gefragt, was er über das Schwarze Bilsenkraut wisse. Gar nichts natürlich! Aber das zog keinerlei Konsequenzen nach sich. Natürlich nicht, er war ja ein Slytherin! Snape hatte einmal mehr bewiesen, dass er die Ungerechtigkeit in Person war und sein eigenes Haus immer vorzog. Sie hasste ihn. Warum hatte das Ministerium so einen laufen lassen? Sie wünschte, er würde in Askaban verschimmeln.

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Der Abend kam schneller heran, als es Priska de Syo lieb war. Während die anderen Schüler sich draußen in der Sonne vergnügten, hatte sie den ganzen Nachmittag in der Bibliothek gehockt und sich über das Schwarze Bilsenkraut informiert. Es war klar, dass Snape sie als allererstes darüber ausfragen würde. Für hinterher hatte er sich sicher eine besonders widerwärtige Tätigkeit für sie einfallen lassen. Sie hatte genug darüber gehört, von anderen, die schon das Vergnügen mit einer abendlichen Strafarbeit bei Professor Snape gehabt hatten.

Priska musste mehrmals gegen die schwere Tür hämmern, bis Snape endlich aufmachte. Er sah müde aus, war noch blasser als sonst, und seine Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. "Ach richtig, Miss de Syo", murmelte er und hielt ihr die Tür auf. Konnte es sein, dass er diesmal eingeschlafen war? Und sie vergessen hatte? Er ging mit ihr durch den Unterrichtsraum und durch eine Seitentür in den Trakt, der seine Privaträume darstellen musste. Mit einem Wedeln der Hand bedeutete er ihr, in einem Sessel Platz zu nehmen, und setzte sich ihr gegenüber auf ein genau gleichartiges Möbel. Priska lümmelte sich in den Sessel und sah sich im Raum um. Befriedigt stellte sie fest, dass dieses Zimmer, ebenso wie der Unterrichtsraum, den Namen "Kerker" verdiente. Düster, kalt bis auf den kleinen vom Kamin beheizten Fleck, meterdicke Steinmauern, keine Fenster. Priska fand es nur gerecht, dass dieser Mann in einem "Kerker" lebte, wenn er schon nicht in Askaban saß.

Professor Snape lehnte sich in seinem Sessel zurück, schlug die Beine übereinander und sah sie abwartend an: "Lassen Sie hören, Miss de Syo." Sie sammelte kurz ihre Gedanken und gab dann das am Nachmittag gesammelte Wissen preis: "Das Schwarze Bilsenkraut, Hyoscyamus niger, ist eine gefährliche Giftpflanze. Das ein- bis zweijährige Kraut kann 30 - 80 cm hoch werden. Die klebrig-zottig behaarten Stengel sind aufrecht und bis oben hin beblättert. Auch die Blätter sind klebrig-zottig behaart. Die grundständigen Blätter sind langgestielt, die am Stengel stehenden umfassen den Stengel halb. Alle sind buchtig gezähnt. Die schmutzig-gelben mit violetten Adern und violetten Schlund einseitswendig stehenden Blüten haben eine knäuelartiger Formation am Stengel und sind fast ungestielt. Aus ihnen entwickelt sich eine zweifächerige Kapsel, die bis zu 200 nierenförmige braunschwarze Samen enthält. Die Pflanze blüht von Juni bis Oktober. Ihre Früchte werden von August bis Oktober geerntet. Die ganze Pflanze, vor allem die Wurzeln und die Samen, sind sehr stark giftig. Ihre Wirkstoffe sind Hyoscyamin, Atropin und Scopolamin. Die tödliche Dosis soll bei Kindern 15 Samen betragen."

Wenn Priska geglaubt hatte, mit diesem langen Vortrag Eindruck bei Professor Snape zu schinden, hatte sie sich getäuscht. Er sah sie nur mit hochgezogenen Augenbrauen einige Momente lang an, als erwarte er weitere Ausführungen, dann lächelte er spöttisch und bemerkte: "Sehr gut auswendig gelernt, Miss de Syo. Ich frage lieber nicht nach, ob sie irgendetwas davon auch verstanden haben. Aber wenigstens eins sollten Sie mir noch sagen: Welchen Nutzen hat die Pflanze für die Zaubertrank-Herstellung? Ihrem Schlusssatz entnehme ich, dass Sie vermuten, ich wolle damit Kinder vergiften. Natürlich ist es das, was Sie von mir erwarten, und ich muss zugeben, dass einige Schüler diese Anwendung dringend nahelegen. Doch ich muss Sie enttäuschen. Also, irgendwelche anderen Ideen über Geschichte oder Anwendung der Pflanze?"

Priska richtete sich plötzlich kerzengerade im Sessel auf. "Was war das?" flüsterte sie. Snape guckte fragend. "Da war ein Geräusch nebenan", sagte sie ängstlich und leise, "als wenn jemand gewaltsam in den Unterrichtsraum eindringt." Doch offensichtlich hatte Snape, der sonst ein feines Gehör besaß und jedes Tuscheln seiner Schüler erlauschte, diesmal nichts wahrgenommen. Wahrscheinlich war er einfach zu müde, er sah wirklich erschöpft aus. "Netter Versuch, von Ihrer offensichtlichen Unwissenheit abzulenken", sagte er mit seiner üblichen leisen Stimme. Aber Priska war sich sicher, dass sie drüben etwas hörte. Sie saß starr da und blickte ihren Lehrer ängstlich an. Er bezog ihren furchtsamen Gesichtsausdruck nur auf die Gefahr, von ihm getadelt zu werden und sagte resigniert: "Also gut, da es keinen Sinn haben dürfte, Sie weiter zu befragen, sage ich Ihnen eben, was das wichtige an Hyoscyamus niger ist. Merken Sie es sich wenigstens! Diese Pflanze war im Jahre 1538 ein Bestandteil von Hexenprozessen. Prozessen, in denen Muggel Zauberer zum Tode verurteilten, nur für die Tatsache, dass sie Zauberer waren. Es wurden den Beschuldigten Teile der Pflanze verabreicht, um im Rauschzustand ein Geständnis zu erhalten. Auch in den Werken bedeutender Muggel-Schriftsteller Schriftsteller ist Hyoscyamus niger erwähnt. So findet man die Pflanze bei Shakespeares Hamlet und in dem Rattenfänger von Hameln von Julius Wolf im Jahre 1876. Nun gut... wenn also dieses Gift dazu verwendet wurde, Geständnisse zu erzwingen, für welchen Trank wird dann wohl dieser Wirkstoff, in winzigen Spuren und unter zahlreichen anderen Zutaten, von mir verwendet?" Doch bevor Priska zugeben konnte, dass sie auch davon keine Ahnung hatte, sprang Snape plötzlich aus dem Sessel hoch. Jetzt hatte auch er nebenan etwas gehört. Sein Gesichtsausdruck wirkte im höchsten Maße alarmiert, und er legte hastig den Finger an die Lippen. Priska nickte zum Zeichen, das sie sich ruhig verhalten würde. Eilig ging Snape zu einem Tisch und hob etwas auf. Priska erkannte gerade noch den Tarnumhang, den er Potter abgenommen hatte - und schon fühlte sie, wie er über sie geworfen wurde. Keine Sekunde zu früh! Denn im nächsten Moment ging die Zwischentür auf, und ein Mann betrat Snapes Privatraum. Priska war für ihn (hoffentlich!) unsichtbar, aber sie sah ihn genau, im Licht des Kaminfeuers. Der Mann war hochgewachsen und schlank. Er trug einen sehr eleganten Umhang, ähnlich wie die der Minister, mit denen Priskas Vater Umgang hatte. In einer Hand hielt er einen Gehstock mit einem silbernen Schlangenkopf. Lange, seidige, hellblonde Haare umrahmten sein Gesicht, und dieses strahlte Vornehmheit und eine unsägliche Kälte aus. "Lucius Malfoy!" rief Snape aus, und Priska glaubte Erschrecken in seiner Stimme zu hören. Sie hätte nie geglaubt, dass Severus Snape, der Schrecken der Schule, selbst vor irgendetwas Angst haben könnte.

Der Besucher sah Snape mit kalten, spöttischen Augen an und fragte: "Ich störe doch wohl nicht bei einem Rendezvous, Severus? Mit wem hast du gesprochen?" "Mit niemandem", entgegnete Snape mit scheinbarer Ruhe, "oder siehst du irgendwen außer mir?" Lucius Malfoys Lächeln wurde noch spöttischer: "Ach? Seit wann führst du Selbstgespräche? Wirst du nun endlich vollständig verrückt?" Snape ließ sich nicht provozieren. "Ich habe meine morgige Vorlesung vorbereitet", sagte er nur. "Über Hyoscyamus niger?" "Ja." "Interessant..." Malfoy ging ein paar Schritte im Zimmer auf und ab, und Priska zitterte bei dem Gedanken, er könnte mit dem Fuß gegen sie stoßen. Dann hielt er in seiner Bewegung inne und hielt Snape seinen Gehstock an die Brust, als wollte er ihn durchbohren. "Ich wäre ein guter Schüler. Ich kann dir deine Frage beantworten, Severus. Wofür wohl verwendest du die Zutat Hyoscyamus niger? Natürlich für das Verita-Serum! Sehr nützlich, um die Wahrheit aus Leuten herauszubekommen. Wann wirst du es endlich unserem Herrn zur Verfügung stellen?" Snape wich etwas vor dem Stock zurück. "Es ist noch nicht fertig", murmelte er. "Du lügst!" zischte Malfoy böse, "du sollst das Zeug sogar schon dem Ministerium zur Verfügung gestellt haben! Warum denen und nicht uns? Lord Voldemort ist ein Narr, dir zu vertrauen! Ich halte dich für einen Verräter, Severus, und eines Tages wirst du deine Strafe erhalten." Snape versuchte, ein unbeeindrucktes Gesicht zu machen, aber Priska konnte Angst in seinen schwarzen Augen aufflackern sehen. Plötzlich tat er ihr leid. Ausgerechnet dieser Mann, den sie nicht ausstehen konnte. Aber von diesem Fremden bestraft zu werden, stellte sie sich so grausam vor, dass sie es ihrem ärgsten Feind nicht wünschen würde.

Malfoy machte Snapes ausweichende Bewegung mit und trieb ihn mit der Stockspitze bis zur Wand. Der Zaubertränke-Meister drückte sich an die kalte Steinmauer und starrte den Mann feindselig an, der ihm den Stock so tief in die Brust bohrte, dass es zu schmerzen begann. "Was willst du von mir?" fragte er mit gepresster Stimme, "du bist nicht wegen des Verita-Serums hergekommen." "Gut erkannt", sagte Malfoy mit gespielter Freundlichkeit, "und stell dir vor, heute bin ich überhaupt nicht im Auftrag des Dunklen Lords unterwegs, sondern in ganz eigener Sache." In Snapes Augen lag nun ehrliches Erstaunen. Lucius Malfoy fuhr fort: "Ich bin hier, um mit dem Lehrer meines Sohnes zu reden."

Lehrer? Sohn? Natürlich! Warum war Priska der Name nicht gleich aufgefallen? Sie konnte sich das nur mit ihrer Aufregung und Angst erklären. Lucius Malfoy, das musste Dracos Vater sein. Dracos Vater, ein Anhänger des Dunklen Lords? Das verwunderte sie nicht besonders. Snape aber schien tatsächlich auf die Seite des Guten gewechselt zu sein. Priska wusste, dass er das Verita-Serum längst fertiggestellt und dem Ministerium zur Verfügung gestellt hatte. Sie hatte ihren Vater davon sprechen hören. Wäre Snape noch auf Voldemorts Seite, dann hätte er diesem zuerst dieses machtverleihende Mittel verschafft. "Ich habe ihm unrecht getan", dachte Priska. Snape war also tatsächlich ein Helfer Dumbledores, und zwar in besonders gefährlicher Mission.

"Was ist mit Draco?" fragte Snape schwach. "Er hat nicht die Noten, die ich mir wünschen würde", zischte Malfoy, der immer noch mit der Stockspitze in seinen Körper stach. "Es ist nur eine vorübergehende Phase", nahm Snape seinen Schüler in Schutz, "Draco ist ein guter Schüler! Diese eine schlechte Note in Zaubertränke war sicher nur ein Ausrutscher und wird sicher nicht mehr vorkommen." Doch er hatte sich getäuscht. Malfoys Zorn richtete sich nicht gegen seinen Sohn, sondern gegen dessen Lehrer. "Du hast recht, Severus", sagte er drohend, "es wird nicht wieder vorkommen, dass du meinem Sohn eine schlechte Punktzahl gibst!" Priska zitterte unter ihrem Tarnumhang und begriff langsam, aus welchem Grunde Professor Snape es stets vermied, Draco zu bestrafen. "Es wird nie wieder vorkommen!" brüllte Malfoy jetzt mit Donnerstimme, "und damit du weißt, was sonst passiert, hier eine kleine Kostprobe!" Er nahm endlich seinen Stock von Snape weg, schleuderte ihn von sich und zog mit der freigewordenen Hand seinen Zauberstab aus dem Umhang. Mit einem bösen Lächeln richtet er ihn auf Snape und rief: "Crucio!"

Ein grüner Blitz zuckte aus der der Spitze des Zauberstabes, und Snape fiel mit einem Schrei zu Boden und krümmte sich vor Schmerzen. Es war ein furchtbarer Anblick, und Priska musste dem Drang widerstehen, den Tarnumhang abzuwerfen und ihrem Lehrer zu Hilfe zu eilen. Sie wusste, es würde nichts weiter bringen, außer dass ihr selbst das gleiche widerfuhr. Wenn Malfoy sie nicht sogar töten würde, da sie das Gespräch belauscht hatte. Mit aufgerissenen Augen beobachtet sie das schreckliche Geschehen. Hörte dieser Malfoy denn gar nicht mehr auf? Ungerührt hielt er weiter den Zauberstab auf sein schreiendes Opfer gerichtet. Wie lange, konnte Priska nicht sagen. Waren es Minuten? Sie erschienen ihr wie Stunden. Jeder Muskel in Snapes Körper war zum Zerreißen gespannt, Blut begann aus seinem Mund zu laufen. Wie konnte man diesen Anblick so lange ertragen? In Lucius Malfoys Augen war kein einziger Funke Mitleid zu erkennen, nur grausames Vergnügen. Endlich, nach einer Ewigkeit, ließ er den Zauberstab sinken, steckte ihn in seinen Umhang und hob seinen Gehstock auf. Er versetzte dem Häufchen Elend am Boden einen verächtlichen Tritt mit den Worten: "Das nächste Mal schneidet mein Sohn besser ab!" und ging.

Priska wagte sich erst nach einigen Minuten aus ihrem Versteck, als sie sich einigermaßen sicher war, dass Malfoy wirklich weg war. Dann stürzte sie zu Snape und kniete sich neben ihn. "Professor Snape?" fragte sie. Ihre Stimme klang panisch. Er gab ein schwaches Stöhnen von sich. Immerhin lebte er noch. "Ich hole Madam Pomfrey!" rief Priska und wollte zum Krankenflügel eilen, doch Snape nahm seine ganze verbliebene Kraft zusammen und hielt sie am Umhang fest. "Nein!" wisperte er und versuchte streng zu klingen, "niemand darf etwas erfahren! Niemand!" Priska setzte sich wieder neben ihn. "Aber warum nicht?" fragte sie aufgebracht, "wenn Sie sich nicht wehren, wird er immer so weiter machen!" "Ja, das wird er", sagte Snape mit schwacher, aber bereits wieder zynischer Stimme und wischte sich mit dem Handrücken das Blut vom Mund, "das wird er und das muss er. Wenn ich mich dagegen auflehne, erkennt mich Voldemort als Verräter. Ein Todesser hält so etwas aus und schweigt."

Priska schüttelte traurig den Kopf. "Ich kann Sie doch nicht einfach so hier liegenlassen", jammerte sie. "Na, dann helfen Sie mir rüber auf mein Bett", schlug Snape vor, und bei aller Schwäche seiner Stimme, war da schon wieder dieser Tonfall, der besagte: "Muss man euch dummen Schülern denn jede Idee vorkauen?" Priska war beruhigt, diesen Anklang an den "alten" Snape zu hören. Sie hätte nie gedacht, dass sie sich je so über seinen Sarkasmus freuen würde. Wenn es ein Zeichen war, dass seine Lebensgeister wieder erwachten... Sie half ihm auf, so gut sie konnte, aber es war doch eine große Anstrengung für ihn, denn natürlich konnte die zierliche Schülerin nur einen Bruchteil seines Gewichtes abstützen. Seine langen Finger krallten sich in ihre Oberarme, während er sich halb kriechend zu seinem Bett hinüberschleppte. Es tat ihr weh, aber was für Schmerzen musste er im Vergleich dazu haben! Priska konnte es nur erahnen. Er schrie bei keiner Bewegung auf, aber Priska sah deutlich, wie er immer wieder zusammenzuckte, sein Gesicht verzerrte und scharf die Luft einzog. Der Weg bis zum Bett kam beiden unendlich lang vor, aber endlich war es geschafft: Snape lag völlig erschöpft auf seiner Bettdecke und schloss schwer atmend für einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, wanderten sie zu einem Fläschchen auf dem Nachttisch. Priska sah den bittenden Blick und glaubte zu verstehen. "Medizin?" fragte sie. Snape nickte kaum wahrnehmbar. Sie hielt ihm das Fläschchen hin und fragte: "Wieviel?", doch schon hatte er ihr das Mittel aus der Hand gerissen. Er setzte die Flasche an den Mund und nahm mehrere kräftige Schlucke. Dann gab er es ihr zurück und fiel wieder in sich zusammen. Was auch immer das für ein Zaubertrank war, überwältigend schnell schien er nicht zu wirken. Priska konnte keine Änderung in Snapes Zustand ausmachen, außer, dass er jetzt vielleicht ein klein wenig ruhiger atmete. "Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?" fragte Priska ziemlich hilflos. Ein kaum wahrnehmbares Schütteln des Kopfes. "Werden Sie denn wieder ganz gesund?" fragte sie zweifelnd. "Oh, machen Sie sich keine Hoffnungen", flüsterte Snape spöttisch, "Zaubertränke fällt morgen nicht aus. Das hier habe ich schon öfter überlebt, als Sie sich vorstellen können. So leicht werdet ihr mich nicht los." Priska musste schwer schlucken, sowohl bei der Vorstellung, wie oft er schon dieser Grausamkeit ausgesetzt gewesen sein mochte, als auch bei der, dass er morgen bereits wieder unterrichten wollte. Wie oft war er wohl schon nach einer solchen Nacht in den Unterricht gekommen? Kein Wunder, dass er dort nicht vor guter Laune strotzte...

Jedenfalls war sie froh über die erneute sarkastische Bemerkung von ihm. Um ihrerseits die Situation etwas zu entspannen, fragte sie mit schlecht gespieltem Ernst: "Und was wird jetzt aus meiner Strafarbeit, Professor Snape? Ich dachte, ich bekomme heute nacht irgendeine ekelerregende Tätigkeit." "Die haben Sie bereits erfüllt", sagte Snape mit bitterem Spott, "Sie haben einen ekelerregenden Lehrer vom Boden aufgekratzt und ins Bett geschleift. Etwas grässlicheres hätte mir gar nicht einfallen können." Priska wusste nicht recht, ob sie über diesen Scherz lachen sollte. Zuviel davon schien ernst gemeint zu sein. Konnte es sein, dass er sich selbst wirklich so ekelerregend fand? Nein, sie lachte nicht. Sie schaute ihn sogar ziemlich traurig an und legte kurz ihre Hand auf seine, um ihm irgendwie zu zeigen, dass es nicht eklig war, ihn zu berühren. Er schaute sie reichlich verwundert an, dann schloss er die Augen und sagte: "Gehen Sie jetzt, Miss de Syo! Wir brauchen beide noch etwas Schlaf vor dem morgigen Schultag." Priska war unwohl bei dem Gedanken, ihn in diesem Zustand allein zu lassen. Aber es hatte geklungen wie ein Befehl, und ein solcher aus Snapes Mund war selbst unter diesen Umständen noch unerbittlich. Als sie sich erhob und zum Gehen wandte, öffnete er noch einmal müde die Augen und sagte leise, aber eindringlich: "Bitte, Miss de Syo: Kein Wort über das, was hier heute nacht vorgefallen ist, zu niemandem! Nicht zu ihren Mitschülern, nicht zu ihrem Vater, bitte! Es ist äußerst wichtig!" Priska nickte. Sie verstand, dass ein falsches Wort ihn in höchste Gefahr bringen konnte. "Niemand wird etwas erfahren", versprach sie. Mit einem erleichterten Seufzer schloss er die Augen wieder und schien augenblicklich in einen tiefen Schlaf zu fallen. Wahrscheinlich eine Folge seines Trankes. Priska war schon am Ausgang, als sie sich noch einmal umwandte und ihn betrachtete. Sie schlich sich auf Zehenspitzen zurück und drückte Snape einen Kuss auf die Stirn.

Auf der Treppe zum Gryffindorturm stolperte Priska beinahe, weil ihr ganz schwindlig war von all den Eindrücken des heutigen Abends. All das Grausame, was sie mitansehen musste... Aber nicht nur das... Das, was ganz zuletzt geschehen war, war auch mehr als verwirrend! Es hatte sie spontan überkommen, aber im nachhinein stellte sie fest, dass sie es nicht bereute. Sie hatte einfach Mitleid mit ihm empfunden und ihn geküsst, aber... nein, sie musste zugeben, dass es auch ihr selbst gefallen hatte! Also nichts mit "aus Mitleid"? Zugegeben, wenn er da so still und ungefährlich herumlag und man ihn in Ruhe betrachten konnte, hatte er durchaus etwas Anziehendes an sich... Im Unterricht kam man kaum dazu, das zu bemerken... Priska schüttelte den Kopf über sich selbst. Bis heute nachmittag war sie noch der Meinung gewesen, der einzige Kuss, den dieser Mann verdient hätte, wäre der der Dementoren.

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